Vaterschaftsanfechtung


 

 

 

"Bei Anfechtung der Vaterschaft durch einen gesetzlichen Vertreter des Kindes - dazu gehört auch der Ergänzungspfleger - muß gemäß § 1600a IV BGB positiv festgestellt werden, daß dies dem Wohl des Kindes dient. Zweifel gehen zu Lasten des Anfechtenden."

 

Oberlandesgericht Köln, 14. ZS - FamS - Urteil 20.4.2000 - 14 UF 275/99

veröffentlicht in: "FamRZ", 4/2001, S. 245-246

 

 


 

 

Männer ohne Recht der Abstammungsklärung "ihres" Kindes?

 

 

Mail an das Bundesministerium der Justiz

 

per e-mail gesendet am 22.10.2003

 

Herr ... 

... Str. ... 

... Berlin

Tel.: 030-... 

Fax: 030- ...

Mail ... 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte Sie auf einen Missstand im deutschen Rechtssystem hinweisen, und Sie um eine Stellungnahme dazu bitten. Es geht um Unterhaltszahlungen bei Kuckuckskindern.

Vor 20 Jahren wurde ich zur Vaterschaft verurteilt, ohne dass ich mit den damaligen Methoden eindeutig als Vater bestimmt werden konnte. Da ich die Kindesmutter nur flüchtig kannte und sie zu der Zeit auch andere Beziehungen unterhielt blieben begründete Zweifel an meiner Vaterschaft.

Überdies sieht mir das Kind(ein Junge) überhaupt nicht ähnlich. Heute gibt es den DNA-Test, mit dem eine Vaterschaft mit hundertprozentiger Sicherheit festgestellt werden kann. Es gibt zwar einen Rechtsanspruch, die Vaterschaft feststellen zu lassen, ich kann ihn aber nicht durchsetzen, weil die Kindesmutter und das Kind den DNA-Test verweigern.

Die Weigerung, den DNA-Test zu machen, verstärken meine Zweifel. Ich habe den Verdacht, die Kindesmutter versucht den leiblichen Vater zu verheimlichen. Da ich ein Gerichtsverfahren nur dann wieder aufnehmen kann, wenn ich neue Beweise vorlege, bin ich rechtlich in einer Sackgasse. Der "neue Beweis" wäre der DNA-Test. Den verweigern Mutter und Sohn. Damit kann ich praktisch nicht klären, ob ich der Vater des Kindes bin und es besteht die Möglichkeit, dass es sich bei dem Kind um ein Kuckuckskind handelt. Das würde bedeuten, ich zahle zu Unrecht Unterhalt.

Nach neueren Schätzungen ist jährlich von etwa 40.000 Kuckuckskindern in Deutschland auszugehen. Bei durchschnittlich 20 Jahren Unterhaltszahlung pro Kind ergeben sich 800.000 unterhaltsberechtigte Kuckuckskinder jährlich. Die Erziehung eines Kindes kostet bis zur Volljährigkeit pro Elternteil durchschnittlich EUR 175.000,-. Das entspricht ca. EUR 10.000,- pro Kind und Jahr. Bei 800.000 unterhaltsberechtigten Kuckuckskindern ergibt sich ein jährliches Unterhaltsaufkommen von ca. EUR 8 Milliarden! Dieses Unrecht setzt sich in der Erbfolge fort.

Soll dieser Betrug verhindert werden, müsste der Rechtsanspruch auf Kenntnis der Vaterschaft mit der Möglichkeit der Durchsetzung zur Feststellung der Vaterschaft ausgestattet werden.

 

Mit freundlichen Grüßen

...

 

 

 

 

Antwort aus dem Bundesministerium der Justiz

 

 

Bundesministerium der Justiz

Postanschrift:

Bundesministerium der Justiz, 11015 Berlin

Hausanschrift: Mohrenstraße 37,10117 Berlin

Lieferanschrift: Kronenstraße 41, 10117 Berlin

Telefon: 018 88 5 80 - 0

 

Berlin, den 04. November 2003

 

Geschäftszeichen:

(bei Antwort bitte angeben)

 

Sehr geehrter Herr XXXX,

vielen Dank für Ihr per E-Mail übersandtes Schreiben vom 22. Oktober

2003, in dem Sie Zweifel an Ihrer vor 20 Jahren gerichtlich festgestellten Vaterschaft zu Ihrem Sohn äußern und kritisieren, dass Sie Mutter und Kind nicht zu einem DNA-Test zwingen können.

 

Ich habe Ihre Ausführungen mit Interesse gelesen und kann durchaus nachvollziehen, dass Sie an der Gerechtigkeit der geltenden Gesetze zweifeln. Ich bitte Sie jedoch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung gesetzlicher Vorschriften nicht nur dem Aspekt der materiellen Gerechtigkeit, also der inhaltlichen Richtigkeit von gerichtlichen Entscheidungen, sondern auch den Aspekten der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens Rechnung zu tragen hat. Die gesetzliche Regelung, die den Parteien eine Klagemöglichkeit und Rechtsmittel gewährt und dann durch die Rechtskraft den Bestand der Urteile sichert, ist ein Kompromiss zwischen dem Streben nach materieller Gerechtigkeit einerseits und baldiger Wiederherstellung des Rechtsfriedens andererseits. Nach Eintritt der Rechtskraft ist es den Verfahrensbeteiligten grundsätzlich nicht mehr möglich, eine Überprüfung des Urteils zu verlangen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die engen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen. 

Das Gesetz unterscheidet bei der Wiederaufnahme des Verfahrens zwischen der Nichtigkeitsklage und der Restitutionsklage (§ 578 Abs. 1 der Zivilprozessordnung - ZPO). Die Nichtigkeitsklage findet bei schweren Verfahrensmängeln statt, etwa wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (§ 579 ZPO). Mit der Restitutionsklage können schwere und zudem offensichtliche Mängel der Urteilsgrundlagen geltend gemacht werden (§580 ZPO). Ein solcher Mangel ist z.B. gegeben, wenn das Urteil auf der Falschaussage eines Zeugen beruht und der Zeuge deswegen von einem Strafgericht verurteilt worden ist (§§ 580 Nr. 3, 581 Abs. 1 ZPO). Darüber hinaus findet die Restitutionsklage gegenüber Urteilen statt, in denen über die Vaterschaft entschieden worden ist, wenn eine Partei ein neues Gutachten über die Vaterschaft vorlegt, das allein oder in Verbindung mit den in dem früheren Verfahren erhobenen Beweisen eine andere Entscheidung herbeigeführt haben würde (§ 641 i ZPO). Voraussetzung der Restitutionsklage ist, dass das neue Gutachten bei der Klageerhebung bereits vorliegt. Würde man die bloße Behauptung ausreichen lassen, dass ein im Verfahren einzuholendes neues Gutachten zur einer anderen Entscheidung führen würde, wäre den Aspekten der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens nicht hinreichend Rechnung getragen. Vaterschaftsurteile könnten dann fast beliebig erneut einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden.

 

Nach überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur besteht auch keine Möglichkeit für denjenigen, der zur Vorbereitung einer Restitutionsklage ein Gutachten erstellen lassen will, den Gegner oder einen Dritten dazu zu zwingen, sich untersuchen zu lassen. Insbesondere hat es die Rechtsprechung mit Blick auf das Ziel der Rechtskraft, Rechtssicherheit zu schaffen, abgelehnt, die Mitwirkung der Kindesmutter an der Erstellung eines Gutachtens zur Vorbereitung einer Restitutionsklage mittels eines selbständigen- Beweisverfahrens gemäß §485 Abs. 2 ZPO zu erzwingen (vgl. u.a. OLG Köln, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1995, S. 369).

 

Die vorstehenden Hinweise dienen lediglich Ihrer allgemeinen Information; sie können und sollen eine auf den Einzelfall abgestimmte rechtliche Beratung nicht ersetzen. Insoweit kann ich nur anregen, dass Sie sich an Ihren Rechtsanwalt oder eine andere zu individueller Rechtsberatung befugte Person oder Stelle wenden.

 

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

(Radloff)

04.11.2003

 

 

 

 

 

Rückschreiben des mutmaßlichen und rechtlichen Vaters an das Bundesministerium für Justiz

 

An das

Bundesministerium der Justiz

Frau/Herrn Radloff

11015 Berlin

Geschäftszeichen ...

Ihr Schreiben vom 4.11.2003

 

 

Sehr geehrte(r) Frau/Herr Radloff,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 4.11.03. Stellen Sie sich bitte folgenden Fall vor:

Ein Mann wurde aufgrund eines Blutgruppengutachtens zur Vaterschaft verurteilt. Ohne Wissen von Mutter und Kind lässt der rechtliche Vater einen DNA-Vaterschaftstest vornehmen mit dem Ergebnis, dass er als biologischer Vater ausgeschlossen werden kann.

Nach geltendem Recht besteht für den gesetzlichen Vater keine Möglichkeit mehr, seine Vaterschaft wieder aufheben zu lassen, wenn Mutter und Kind einem offiziellen DNA-Vaterschaftstest nicht zustimmen.

Seine Vaterschaft besteht rechtlich weiter, obwohl sie biologisch ausgeschlossen wurde. Der Mann, der in keinem verwandtschaftlichem Verhältnis zu dem Kind steht, muss Unterhalt bezahlen und später auch sein Vermögen an das Kind vererben.

Der Schaden, der dem Mann entsteht, steht in keinem Verhältnis zu dem Aufwand, mit dem mittels eines DNA-Tests die Situation aufgeklärt werden könnte. Der Verzicht auf Aufklärung unter Verweis auf Rechtsfrieden und Rechtssicherheit steht in keinem angemessenem Verhältnis zum verursachten Schaden. Darüberhinaus bleibt der Betrug durch die Kindesmutter ungesühnt. Rechtsfrieden und Rechtssicherheit in diesem Fall höher zu bewerten als Aufklärung widerspricht rechtsstaatlichen Prinzipien.

Eine Pseudovaterschaft hilft weder der Beziehung zwischen Mann und Kindesmutter noch zwischen Mann und Kind und trägt von daher auch nichts zum Rechtsfrieden bei. Es wäre in hohem Maße angemessen, die betreffenden Gesetze entsprechend anzupassen.

 

Mit freundlichem Gruß

XXX

20.11.2003

 

 


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