Väternotruf informiert zum Thema

Herta Däubler-Gmelin


 

 

Normalerweise nimmt man an, dass eine Justizministerin auch die Aufgabe hat, auf die Einhaltung der Verfassung durch nachgeordnete Gesetze zu achten und - so dies nicht geschieht, wie z.B. bei dem im Gegensatz zu Grundgesetz Artikel 6 stehenden §1626a BGB möglichst schnell Änderungsvorlagen an den Bundestag einzureichen.

Doch davon - so unser Eindruck - kann bei der Bundesjustizministerin Frau Däubler-Gmelin (SPD) nicht die Rede sein.

Vielleicht ist die nachfolgende Kritik aus der Deutschen Richterzeitung - auszugsweise wiedergegeben, auch aus diesem Grund recht treffend.

 

 


 

 

 

Richterwahlen: Kompetenz vor Parteipolitik

Von Dr. Joachim Jahn, Frankfurter Allgemeine Zeitung

 

"Recht haben und Recht bekommen - das weiß der Volksmund allemal - ist zweierlei. Die vorrangige Bedeutung der Gerichte liegt daher gar nicht darin, um nahezu jeden Preis die Wahrheit herauszufinden: Der Rechtsfrieden allein, hergestellt durch eine verbindliche Entscheidung Justitias, ist durchaus schon ein Wert an sich. Auch müssen Richter nicht mit schier übermenschlichen Fähigkeiten gesegnet sein; niemand erwartet, dass sie kraft überlegener Lebensweisheit und überragender Paragrafenkenntnisse Rechtsstreitigkeiten allemal »richtig« zu entscheiden vermöchten. Aber wer immer sich ihrem Urteil zu unterwerfen hat, möchte doch eine gewisse Achtung vor den Robenträgern haben können.

Mit dem Erfordernis einer solch (durchaus bescheiden verstandenen) Dignität vertragen sich allerdings zwei kürzlich vorgenommene Wahlen von Richtern an den Bundesgerichtshof schlecht.

Denn: Welche Achtung können frisch gekürte Urteilsfinder am höchsten Zivil-und Strafgericht der Republik wohl vom Staatsbürger erwarten, wenn sie vom Karlsruher Präsidialrat als »fachlich ungeeignet« eingestuft worden sind? Wie um die Absonderlichkeit der beiden Beförderungen zu unterstreichen, ist just am Tag dieser Personalentscheidung eine der beiden Karrierejurist(inn)en sogar mit dem Versuch gescheitert, eine Stelle als Vorsitzende am örtlichen Landgericht zu erlangen. Und der andere muss nun infolge einer vor dem Verwaltungsgericht im vorläufigen Verfahren verlorenen Konkurrentenklage erst einmal auf seinen Amtsantritt warten.

Sicher: Die Personalbeurteilungen Dienstälterer dürfen nicht alleiniger Maßstab sein. Die Justiz soll sich schließlich nicht selbst kooptieren. Sie braucht auch schillernde Figuren in ihren Reihen, um nicht im alten Trott der Etablierten zu verharren. Deshalb ist es unvermeidlich, dass Parteipolitiker Einfluss auf die Rekrutierung des Nachwuchses nehmen — durch die Ministerialverwaltung in den unteren Instanzen, durch die Wahlausschüsse an den Spitzengerichten.

...

Aber offenbar haben auch diesmal wieder die politischen Parteien bei ihrem Zugriff auf die Institutionen des Gemeinwesens die ideologische Ausrichtung ihrer Kandidaten über deren fachliche Qualifikation gestellt. Dass dies bei Beamten- und Richterposten gegen das ausdrückliche Gebot der Verfassung steht, dürfte außer Zweifel stehen. »Eignung, Befähigung und fachliche Leistung« heißen die Maßstäbe des Artikel 33, die den »gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt« bestimmen sollen. Der Respekt vor der betroffenen Einrichtung des Staates kann nur leiden, wenn die Übereinstimmung des Amtsinhabers mit dem Zeitgeist wichtiger ist als seine Erfüllung des Leistungsprinzips. Der beste, nicht der linientreueste Kandidat muss das Rennen machen.

Bezeichnend ist, mit welcher Unverfrorenheit die Verhandlungsführer beider großer Parteien ihren Personalschacher nunmehr zu rechtfertigen versuchen, den sie in gewohnter Weise miteinander ausgehandelt haben.

Eine angemessene Balance zwischen demokratischer Wahl, die eine »Selbstergänzung« der Justiz durch sich selbst ausschließt, und fachlicher Qualifikation, die einer Ämterpatronage zum parteipolitischen Machterhalt entgegensteuert, muss darum das Ziel einer Neuregelung sein. ...

Die jüngste Affäre hat lediglich sichtbar gemacht, was auch an anderen Bundesgerichten seit jeher vorgekommen ist. Tröstlich stimmen kann da nur, dass es gelegentlich auch schon gelang, parteipolitischen Eifer beim Erstürmen juristischer Bastionen auszubremsen. So war es ausgerechnet die jetzige Bundesjustizministerin, die einst mit ihren Ambitionen auf einen Richterposten am Bundesverfassungsgericht weder in Bonn noch in Karlsruhe durchzusetzen war."

Deutsche Richterzeitung, Oktober 2001, S. 424

 

 


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