Nächstenliebe

"...entflammt vom Feuer der Nächstenliebe"


 

 

Urteil

58-Jährige verliert Job wegen sechs Maultaschen

Von Gisela Mackensen 16. Oktober 2009, 11:07 Uhr

Das Urteil im sogenannten Maultaschen-Prozess ist gesprochen: Die 58-jährige Altenpflegerin wurde nach Meinung des Gerichts zu Recht entlassen.

Prozess um Kündigung wegen vier Maultaschen

Die Altenpflegerin Waltraud B. hatte geklagt, weil ihr wegen Diebstahls von sechs Maultaschen von ihrem Arbeitgeber fristlos gekündigt worden war.

Foto: dpa/DPA

Radolfzell/Konstanz. Hand aufs Herz. Wer hat nicht schon einmal im Büro einen Kuli oder in der Werkstatt einen Schraubenzieher mitgenommen? „Fällt sowieso nicht auf“, mag manch ein Mitarbeiter besonders in großen Firmen denken. „Das machen die anderen ja auch“. Dass solch mangelndes Unrechtsbewusstsein schwerwiegende Folgen haben kann, hat eine 58-jährige Altenpflegerin in Konstanz erfahren.

Sie ist ihren Job los, weil sie von der Verpflegung für die Bewohner des Seniorenheims sechs Maultaschen im Wert von drei bis vier Euro eingesteckt hat. Das Arbeitsgericht in Radolfzell am Bodensee hat die fristlose Kündigung, die ihr die Heimbetreiberin, die Konstanzer Spitalstiftung, wegen Diebstahls präsentiert hatte, am Freitag für rechtens erklärt.

Die Frau dürfte nur schwer eine neue Stelle finden und steht zudem mit leeren Händen da. Einen Vergleichsvorschlag des Gerichts hatte sie zuvor abgelehnt. Der sah eine Abfindung von 25000 Euro vor, wenn sie den Rauswurf vom 30. April akzeptiert. Doch die Pflegerin wollte sich nicht kampflos geschlagen geben, klagte – und verlor.

Der Streit über die gefüllten Teigtaschen – eine Spezialität der Küche Baden-Württembergs – ist das vorerst letzte Kapitel einer ganzen Serie vermeintlicher Bagatell-Diebstähle, die seit Monaten die Emotionen in der Öffentlichkeit hochkochen lassen. Manche fragen sich, was der Diebstahl einer Maultasche ist verglichen mit den Millionen-Boni, die selbst erfolglose Manager sogar in Zeiten der Wirtschaftskrise noch einsacken.

Dass ein Rauswurf wegen einer Lappalie empörend wirken kann, versteht selbst der Vertreter der Spitalstiftung, Georg Jauch. Dennoch kommt es nach seiner Ansicht nicht auf den Wert einer gestohlenen Ware an, sondern auf die „Unehrlichkeit und Illoyalität“, wie bei der Pflegerin. „Der Vertrauensverlust ist maßgeblich.“ Völlig anders liege der Fall, wenn sich ein Manager mit dem ihm zur Verfügung stehenden Kapital vertue. „Er hat nicht in Eigentumsrechte seines Arbeitgebers eingegriffen.“

Dagegen äußerte der Anwalt der 58-Jährigen, Klaus Staudacher, den Verdacht, der Arbeitgeber wolle ältere und teurere Mitarbeiter loswerden. Eine entsprechende Bemerkung sei wohl im Heim gefallen, nur habe er die nicht beweisen können. „Man hat einen Grund gefunden und ist auf den Zug aufgesprungen“, mutmaßte der Jurist.

Dass der Klau von Kleinigkeiten Chefs willkommenen Vorwand liefern kann, um unliebsame Beschäftigte zu feuern, glaubt auch Verdi-Bezirksleiter Berthold Maier. Er sprach von einem „Schandurteil“, das menschenverachtend sei. Die Justiz zeige mit solchen Urteilen, „dass sie den Bezug zur Lebenswirklichkeit in den Betrieben verloren hat“.

Arbeitsrichterin Sabine Adam folgte mit ihrem Urteil der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die sieht für Diebstähle in der Firma die fristlose Kündigung vor, wenn die näheren Umstände geprüft worden sind. Und die sprachen nach Adams Ansicht nicht für die Pflegerin. Die hatte behauptet, die übriggebliebenen Maultaschen wären ohnehin in den Müll gewandert.

Auch hatte sie erzählt, sie habe die Maultaschen im Heim verzehren wollen, um sich nach Dienstende für eine abendliche Fortbildung zu stärken. Die Richterin glaubte aber der Gegenseite, die berichtet hatte, die 58-Jährige habe die Essensreste in einer Tasche versteckt mit nach Hause nehmen wollen.

Dabei habe der Arbeitgeber ausdrücklich verboten, sich mit dem Essen der Heimbewohner zu bedienen. Und die Pflegerin habe diese Vorschrift gekannt, argumentierte die Richterin. Der Fall sei deshalb klar: „Sie hätte wissen müssen, dass ein Verstoß Konsequenzen auch ernster Art nach sich ziehen kann.“ (dpa/abendblatt.de)

http://www.abendblatt.de/vermischtes/article1232909/58-Jaehrige-verliert-Job-wegen-sechs-Maultaschen.html

 

 


 

 

Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Lörrach/Kammern Radolfzell vom 16.10.2009 - "Maultaschenfall"

Datum: 16.10.2009

Kurzbeschreibung:

Die außerordentliche Kündigung vom 30.4.2009 ist wirksam.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin nicht nur „3 bis 4“ sondern 6 Maultaschen aus den Resten der am 21.04.2009 ausgegebenen Bewohnerverpflegung genommen hatte und diese auch nicht etwa sofort verzehren, sondern vielmehr in einer Stofftasche verborgen mit außer Haus nehmen wollte. Sie hat damit in das Eigentum des Arbeitgebers rechtswidrig eingegriffen und ohne entlastende Begründung gegen ein bestehendes Verbot des Arbeitgebers in seiner Einrichtung verstoßen. Dieses schriftlich bekannt gemachte generelle Verbot zur Verwendung von Resten der Bewohnerverpflegung war der Klägerin auch bekannt. Die pauschale und nicht näher belegte Behauptung der Klägerin, es sei gang und gäbe, dass MitarbeiterInnen Reste der Personalverpflegung verzehrten und das Küchenpersonal fordere sogar dazu auf, konnte nicht bewiesen werden. Gesondert hergerichtete Personalverpflegung zu einem Preis von 3,35 € hätte zur Verfügung gestanden, wäre sie von der Klägerin bestellt worden. Diese Art der Verpflegung wird durch Mitarbeiter auch genutzt.

Es handelt sich auch bei 6 Maultaschen noch um eine geringwertige Sache; der materielle Wert liegt zwischen 3,00 und 4,00 Euro. Dennoch bestimmt allein der Arbeitgeber darüber, wie mit seinem Eigentum verfahren wird und zwar selbst dann, wenn er die Reste der Entsorgung zuführt. Der einzelne Arbeitnehmer kann nicht seinen Willen nach Gutdünken und gegen ein bestehendes Verbot über denjenigen des Arbeitgebers stellen.

Zur Abweichung von der bisherigen, gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, das die rechtswidrige und vorsätzliche Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers auch dann, wenn die Sachen nur geringen Wert besitzen, als wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich für geeignet erachtet, bestand nach Ansicht der Kammer keine Veranlassung.

Die Umstände des vorliegenden Einzelfalles waren in Abwägung der Interessen beider Parteien nach Ansicht des entscheidenden Gerichts geeignet, die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Die lange Betriebszugehörigkeit der Klägerin und ihr Alter sowie die mit der Kündigung verbundene soziale Härte wurden ebenso gewürdigt wie der Vertrauensverlust auf Seiten des Arbeitgebers und die Präventivfunktion einer Kündigung. Die Klägerin ist tariflich ordentlich unkündbar, als milderes Mittel im Verhältnis zur außerordentlichen Kündigung erschien der Kammer eine Abmahnung nicht ausreichend. Das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung wurde höher eingestuft als das der Klägerin an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Dies unter anderem auch, weil die Kammer als erwiesen ansah, dass die Klägerin das bestehende Verbot kannte und wissen musste, dass ein Verstoß Konsequenzen auch ernster Art nach sich ziehen kann.

Die Entscheidung ist in Kürze in vollständiger, aber anonymisierter Fassung auf der Homepage des Landesarbeitsgerichts http://www.lag-baden-württemberg.de unter ArbG Lörrach/Kammern Radolfzell, Aktenzeichen 4 Ca 248 /09 abrufbar.

http://www.arbg-loerrach.de/servlet/PB/menu/1246821/index.html?ROOT=1177925

 

 

 

Kommentar Väternotruf: 

Gründung der Spitalstiftung Konstanz "...entflammt vom Feuer der Nächstenliebe" heißt es auf der Internetseite http://www.spitalstiftung-konstanz.de/stiftung/geschichte.html

Die Satzung der Stiftung wird allerdings auf der Internetseite nicht bekannt gegeben, so dass nicht klar wird, wer in dieser Stiftung, die offenbar vom Feuer der Nächstenliebe entflammt ist, wie und warum das sagen hat. 

Was ist der Überfall auf eine Bank, gegen die Gründung einer Bank, fragte Bert Brecht. Was ist die Mitnahme von 6 Maultaschen gegen die verfassungswidrige staatliche Diskriminierung nichtverheirateter Väter und ihrer Kinder, für die bis heute kein einziger diese Diskriminierung bestätigender Richter gekündigt worden wäre. Pfui Deibel Deutschland.

 

 


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