Väterfeindlichkeit


 

 

 

 

Väterfeindliche Einstellung beim Berliner Kindernotdienst?

 

Zur Zeit läuft in der Berliner U-Bahnwerbung (Monitore) eine Werbung vom Berliner Kindernotdienst mit Sitz in der Gitschiner Straße 48/49 in Berlin, Telefon (030) 61 00 61

www.kindernotdienst.de

info@kindernotdienst.de

 

 

Zu sehen ist dabei ein Mann, möglicherweise soll es einen Vater darstellen, der sein Kind (einen Jungen) schlägt.

Eingeblendet wird der Text "Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung" und die Telefonnummer vom Kindernotdienst sowie die Internetadresse www.kindernotdienst.de.

 

 

Die unter dem Label des Kindernotdienst firmierende Darstellung präsentiert der ohnehin zumeist schon desinformierten Öffentlichkeit einen schlagenden Vater, nicht aber die schlagende Mutter, die es nach vorliegenden Untersuchungen (siehe "Kind-Prax", 4/2004, S. 125) wesentlich häufiger gibt als schlagende Väter. Der Kindernotdienst bedient damit herrschende sexistische Klischees vom gewalttätigen Mann (Täter) und unschuldigen Frauen.

31.03.05

 

Mütter schlagen häufiger als Väter

"Sozialwissenschaftliche Erhebungen und Darlegungen zu Ausmaß und Verteilung körperlichen Strafens (in den Vereinigten Staaten) zeigen zahlreiche Differenzierungen (Giles-sims et al., 1995; Day et al., 1998; Straus & Stewart, 1999). Demnach schlagen Mütter häufiger als Väter, ..."

 

"Leichte körperliche Bestrafung. Psychologischer Erkenntnisstand, fachliche und öffentliche Debatte. Teil 1"

Josef A. Rohmann

in "Kind-Prax, 4/2004, S. 125

 

 

In einer vorherigen Kampagne hat der Kindernotdienst durch die Art der gewählten Darstellung den Eindruck vermittelt, dass nur Männer gewalttätig gegen ihrer Partnerinnen sind und nicht auch umgekehrt Frauen gegen ihre Partner.

 

 


 

 

 

 

In den letzten Tagen haben und einige mails und Newsletters erreicht, mit der Frage:

> Männerfeindliche Einstellung beim Berliner Kindernotdienst?

>

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> Zur Zeit läuft in der Berliner U-Bahnwerbung (Monitore) eine Werbung vom

> Berliner Kindernotdienst mit Sitz in der Gitschiner Straße 48/49 in Berlin,

> Telefon (030) 61 00 61

>

> www.kindernotdienst.de

>

> info@kindernotdienst.de

Wir würden uns freuen, wenn Sie sich die Mühe machen und die folgende Stellungnahme dazu zu lesen und bei Bedarf auch weiter zu leiten.

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Stellungnahme zu dem Kindernotdienst-Spot im Berliner Fenster:

Der Kindernotdienst hat vier Spots zur Information über das Beratungsangebot im KND entwickelt, die gleichsam einen Teil der präventiven Öffentlichkeitsarbeit darstellen.

 

Spot 1)

Zeigt ein Handgemenge, zwei "verwischte" Personen, ein Mann und eine Frau. Sie schreien sich an, die Frau geht vor - möglicherweise schreit sie den Mann an - der Mann geht vor, - holt aus - möglicherweise schlägt er die Frau. Im Hintergrund sieht man zwei Kinder, sie sind stumme Zuschauer, sie ducken sich weg, sie haben Angst, sie sind Zeugen dieses Streits, dieses Handgemenges, dieser Schlägerei, dieser Misshandlung...

Dazu gibt es den Text, der verschränkt mit den Bildern eingeblendet wird.

Kinder sollen sich gewaltfrei einigen...

Erwachsene auch!

Beratung für Familien in Krisensituationen.

Wir wissen nicht, wie die Geschichte in diesem Spot angefangen hat und wir wissen nicht wie sie endet...

Wir wissen aber, dass Kinder unter der Atmosphäre der häuslichen Gewalt enorm leiden. Wir wissen, dass sie leiden, wenn Eltern sich streiten schlagen, einander anschreien, misshandeln oder sogar töten. Kinder, die im Kindernotdienst Aufnahme finden, haben häufig so etwas erlebt. Teilweise sind sie selber seit Jahren von Misshandlungen betroffen oder müssen miterleben, wie ihre Geschwister geschlagen werden. Überwiegend werden wir in unserer Arbeit mit akuten Krisensituationen, und bei den dann folgenden Aufnahmen, mit Schilderungen über körperliche Angriffe eines Lebenspartners gegen die Mutter konfrontiert. Durch telefonische Beratungen von Angehörigen, Vätern, Lebenspartnern der Mütter oder Dritten, erfahren wir auch, (auf Nachfrage, ob es zu tätlichen Auseinandersetzungen gekommen ist), dass es zu wechselseitiger Gewalt kam, oder dass der Mann von seiner Partnerin z.B. angegriffen, mit Gegenständen beworfen oder geohrfeigt wurde. Anzeigen wegen "häuslicher Gewalt" sind uns hier nicht bekannt geworden.

Auch wenn diese Fälle von "häuslicher Gewalt" anteilig seltener vorkommen, können sie weder unter den Tisch gekehrt noch vernachlässigt werden. Auch in diesen Fällen sind die Kinder oft Zeugen der häuslichen Gewalt. Auch hier sind sie Mitbetroffene, sind verängstigt und verstört und brauchen Unterstützung. Die Forderung nach einer sofortigen Beendigung der Gewalttaten, einer "Inverantwortungnahme" der Gewaltausübenden, gilt selbstverständlich auch auch hier.

Schauen wir uns die Dynamik der Gewalthandlungen an, stellt sich immer heraus, dass sehr wohl beide Partner einen Anteil am Gewaltgeschehen haben und beide für ihr Tun oder für ein unterlassenes Handeln verantwortlich sind. Wir müssen an dieser Stelle sowohl den/die gewalttätig Agierenden, als auch den/die Gewalt Akzeptierenden zugestehen, sich offenbar genau so und eben nicht anders entschieden zu haben. Eine Einteilung in Täter und Opfer ist bei der Frage der Selbstbestimmung und Verantwortungsübernahme für die minderjährigen Kinder nur wenig hilfreich, wenn die Erwachsenen ihre jeweils eigenen Anteile am Gewaltgeschehen nicht reflektieren.

Unserer Erfahrung nach ist die häusliche Gewalt meist nur "die Spitze eines Eisberges" dar. Von Gewalt betroffene Partner oder Partnerinnen leben häufig seit Jahren in Beziehungen, die von einer Atmosphäre gegenseitiger Gewalt, Missachtung und verbalen Beschimpfungen gekennzeichnet sind.

Der Kindernotdienst bietet übrigens allen Betroffenen Rat und Unterstützung an. Sowohl Väter als auch Mütter (wenn alle Frauenhäuser belegt sind) , wenn sie Schutz und Hilfe nach häuslicher Gewalt benötigen, können im KND gemeinsam mit ihren Kindern kurzfristig Aufnahme finden! Dieses Angebot besteht seit drei Jahren und ist vielleicht noch wenig bekannt.

Bei weiteren Fragen zu diesem Thema wenden sie sich bitte unter 610061 an uns.

Im Berliner Kindernotdienst sind 12 Kinder seit Oktober 2004 aufgenommen worden, deren Mütter (5) vom Vater getötet wurden. In drei Fällen direkt vor den Augen der Kinder. 82 Kinder wurden nach häuslicher Gewalt im Jahr 2004 im Kindernotdienst aufgenommen. Die von Gewalt Geschädigten waren in diesen Fällen fast ausschließlich Mütter mit ihren Kindern.

Siehe Anlage Stellungnahme zur häusliche Gewalt

 

zu Spot 2)

Hier wird eine Frau gezeigt, möglicherweise die Mutter (verwischt), die vor Zigaretten, Tabletten und verschiedenen alkoholischen Getränken sitzt. Sie ist - wahrscheinlich ziemlich im Rausch, das Kind neben ihr, ein Mädchen, findet keine Beachtung. Die Mutter hat keinen Blick für sie...

Entscheiden Sie sich für ihr Kind,... gegen die Sucht..... Wir können Sie unterstützen!

Wir wissen nicht, wann sie angefangen hat sich zu berauschen, wie gut oder wie schlecht sie sich um ihr Kind kümmert, ob das Kind mit der Mutter alleine ist oder ob die Familie gut eingebunden ist...

Wir wissen aber, dass die Alkohol-, Drogen und Tablettensucht eines oder beider Elternteile für Kinder ein riesiges Problem ist. Enorm viele der im KND aufgenommenen Kinder, sind entwichklungsverzögert, vernachlässigt, verwahrlost, allein gelassen und müssen in sehr jungen Jahren viel zu viel Verantwortung übernehmen. Manche Kinder sehen ihre Mutter oder ihren Vater an der Sucht sterben. Sie leiden enorm und sind als Jugendliche äußerst gefährdet, nach ähnlichen Lösungsmitteln zu greifen...

Die hier gezeigte Mutter soll dem Zuschauer nicht vermitteln, alle Mütter trinken und vernachlässigen ihre Kinder.

Anzunehmen ist eher, dass jeder registriert, es gibt Eltern - hier dargestellt als eine Mutter , die haben Suchtprobleme und das ist insbesondere für die Kinder ein Problem.

Wir bieten an, bei diesem Problem zu helfen. Allen Beteiligten - und auch Leuten, die sich um Kinder sorgen.

 

zu Spot 3)

Hier wird ein Kind - ein Junge ca. 12 Jahre- gezeigt, der einen Erwachsenen- einem Mann - möglicherweise den Vater, möglicherweise dem Lebenspartner der Mutter, möglicherweise einem Lehrer oder einem Fremden - einen Vogel zeigt und die Zunge raus streckt. Der Erwachsene lässt sich provozieren - er deutet einen Schlag an, oder schlägt möglicherweise zu. Das Kind zuckt zusammen, duckt sich weg. Vielleicht war der Schlag schmerzhaft. Vielleicht schütz sich das Kind, weil es Angst hat es könnte noch weiter gehen...

Lassen sie sich den Rücken stärken...

bevor sie schwach werden...

Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung.

Wir wissen nicht was das Kind gesagt und getan hat, wir wissen nicht wie sehr es den Mann oder Vater provoziert hat, wie sehr die Erziehung des Pubertierenden bisher gelungen ist, wie herzlich oder kalt die Beziehung zu seinen Eltern ist...

Wir wissen aber, dass Jungen und Mädchen in diesem Alter einerseits besonders provokant sein können und deshalb besonders gefährdet sind, von ihren Müttern und/oder Vätern oder Dritten geohrfeigt, geschlagen oder misshandelt zu werden. Kinder erzählen uns etwa im gleichen Maße von ihren Müttern oder Vätern (Lebenspartnern der Mütter, Stiefvater) geschlagen worden zu sein.

Der hier gezeigte Mann soll dem Zuschauer nicht vermitteln, dass alle Männer oder Väter ihre Kinder oder Söhne schlagen. Wir wissen auch um das glückliche und friedliche Zusammenleben zigtausenden Familien, in denen Gewalt kategorisch abgelehnt wird. Mit diesen Familien, haben wir im Kindernotdienst auch so gut wie nie zu tun!

Unsere Intention war es, dem Zuschauer zu zeigen, dass es auch ein provokantes Verhalten von Kindern/Jugendlichen gibt, auf das man/frau gewaltfrei reagieren sollte, auch wenn es schwer fällt.

Lassen Sie sich den Rücken stärken bevor sie schwach werden...

Wir können sie dabei unterstützen!

Wir erhalten täglich viele, viele Anrufe von Eltern, die Sorge haben auszurasten, die mit den Nerven fertig sind, die nicht mehr weiter wissen.

Beratung für Mütter und Väter gehört zu unserer täglichen Beratungsarbeit. Sie finden Gehör, Rat, Vermittlung, Krisenintervention. Wenn es nötig ist, fahren wir auch vor Ort. Rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr.

Die verkürzte Formel des Väternotrufs:"Schlagender Mann wurde dargestellt, also ist der Kindernotdienst männerfeindlich" ist wirklich sehr undifferenziert und auch unzutreffend. Dennoch tut es mir leid, wenn es Väter gibt, die dies als Botschaft aus dem Spot gezogen haben sollten. Vielleicht sagt dies ja eher etwas über die Brisanz und das gegenseitige Misstrauen zu dem Thema der gemeinsamen Elternschaft aus. In der Tat bekommen wir seit 25 Jahren viele Fälle von völlig ungerechtfertigter Zurückweisung, gegenüber interessierten, liebevollen und bemühten Väter mit. Über die Kinder werden schreckliche Grabenkämpfe der Erwachsenen ausgetragen. Sorgerechts-, Umgangs-, und Unterhaltsstreitigkeiten werden bis aufs Messer geführt und es gibt am Ende nur Verlierer. Kinder leiden unendlich unter diesen Streits und Stress. Sehr viele Kinder, die in den Kindernotdienst kommen, kennen ihren Vater überhaupt nicht, haben keinen Kontakt zu ihm oder der Kontakt wurde bisher von der Mutter nicht gestattet. Viele Väter sind aber auch ihrerseits an einem Kontakt zu den Kindern überhaupt nicht interessiert oder lehnen den Kontakt sogar in Notlagen ihrer Kinder völlig ab.

. Wir unterstützen Mädchen und Jungen bei ihrem Wunsch Kontakt zu ihrem Vater aufzunehmen bzw. Umgang mit ihm zu haben. Wir setzen uns vehement für das Recht der Kinder auf beide Elternteile, also auch für den regelmäßigen Kontakt und Umgang der Kinder mit ihrem Vater, ein.

Der 4. Spot des KND befasst sich genau mit diesem Thema. Zu sehen sein wird ein Mann und eine Frau, die erst einander zu - dann einander abgewandt sind. Ein kleines Kind (verwischt), das die Arme ausstreckt und einen Vater der die Arme ausstreckt. Sie werden sich aber nicht in die Arme nehmen, weil der Kontakt verhindert wird. Dazu wird ein Text eingeblendet, der darauf aufmerksam macht, dass Kinder ein Recht auf Umgang mit beiden Eltern haben... auf Mutter .... und Vater. (zur Veröffentlichung zur Zeit fehlt noch die Finanzierung, aber die Ausstrahlung im Berliner Fenster ist ab September geplant)

Da es erfreulicherweise immer mehr Väter gibt, die sich auch als alleinerziehende Väter um ihre Kinder kümmern, haben wir unerfreulicherweise auch immer häufiger damit zu tun, dass die Kinder gibt, die keinen Kontakt mehr zu ihren Müttern haben dürfen oder sollen.

Pauschalisierungen helfen bei diesem Thema wirklich niemanden weiter.

Selbstverständlich können Väter oder Männer, die sich um Kinder sorgen auch ausschließlich an einem männlichen Berater im Kindernotdienst wenden.

 

Ich bedanke mich für die Weiterleitung an die entsprechenden Beratungsstellen und Notrufe für Männer. Ich bitte um Kennzeichnung meines Textes im Namen und Einrichtung. Auszüge aus der Stellungnahme bitte ich als solche zu kennzeichnen.

Ich verbleibe mit freundlichen Gruß und stehe Ihnen für weitere Fragen gerne zur Verfügung.

Beate Köhn,

Mitarbeiterin im Kindernotdienst

Berlin, den 7.04.05

 

 


 

 

 

Elke Ostbomk-Fischer und ihre Gesamtejakulation

 

"Bei der Gesamtpopulation bzw. der überwiegenden Mehrheit der biologischen Väter wird eine positive Wirkung auf die Persönlichkeit des Kindes angenommen. Beide Grundannahmen stehen nicht in Übereinstimmung mit der Wirklichkeit in unserer Gesellschaft."

aus: "Das `Kindeswohl` im Diskurs und Konflikt zwischen Wissenschaft und Praxis"

Elke Ostbomk-Fischer 

 In: "Sozialmagazin, 6/2001, S. 32

 

Elke Ostbomk-Fischer, Jahrgang 1944, Fachhochschule Köln, Fachbereich Sozialpädagogik, Mainzer Straße 5, 50678 Köln

 

 

 

Sozialmagazin

Redaktion: Ria Puhl, Gaußstraße 18, 60316 Frankfurt/Main, Tel 069-438999

e-mail: ria.puhl@t-online.de

ISSN 0340-8469

 

Von der Zeitschrift kann man nur abraten, da tendenziell männer- und väterfeindlich.

 

 

 


 

 

 

Peinlich, peinlich, Herr Strassmann 

 

Väter

Haltungs-Schwäche

Familienflüchtling? Tyrann? Der Neue Vater ist anders. Er ist da, und er ist lieb – und er ist eine Katastrophe

Von Burkhard Strassmann

Der Neue Vater, das wird zu zeigen sein, ist ein Wurm. Ein Jammerlappen. Als Körper gerade noch anwesend, ist er als Person blass, schwächlich, beinahe inexistent. Er verfügt weder über Autorität noch Profil, scheut Auseinandersetzungen, ist harmoniesüchtig und nachgiebig bis zur Charakterlosigkeit.

 

DIE ZEIT 13.05.2004 Nr.21

und im Zeit-Archiv:

http://www.zeit.de/2004/21/Titel_2fV_8ater_21

 

Da waren noch andere Artikel zum Thema Väter - und die anderen waren alle besser als der unsägliche Straßmann, der sehr schön über Technik und Autos schreiben kann, aber nicht über Väter.

 

 


 

 

 

Zu Anita Heiliger´s Väterfeindlichkeit (die auch gleichzeitig eine Männerfeindlichkeit darstellt) - eine Positionierung von Gerhard Amendt

Zum besseren Verständnis der Väterlichkeit feindlichen und ablehnenden Position von Dr. Anita Heiliger, Mitarbeiterin am Deutschen Jugendinstitut, drucken wir mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Amendt Auszüge ab aus dessen Buch Vatersehnsucht.

Dieser Text unterliegt dem Copyrightschutz und darf nur in der vorliegenden Weise mit vollständiger Quellenangabe und nur unverändert verwendet werden.

Aus: Gerhard Amendt: Vatersehnsucht, 1999

III. Angst vor der Väterlichkeit

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Wie die Söhne heute ihren Weg von den Müttern hinaus ins Le-ben suchen und finden, ereignet sich deshalb in einer sehr veränderten Atmosphäre. In einer, in der kaum zurechtgestutzte wild wuchernde Ideologien von Frauen als universellen Opfern der Weltgeschichte und von ”patriarchaler Allmacht” wilde Blüten treiben. Beides wird vom Bild einer quasi naturhaft bösartigen, aggressiv dumpfen Männlichkeit zusammengehalten. Weibliche Brückenschläge zu den gesellschaftlichen Verhältnissen hingegen scheint es nicht zu geben.

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Der Streit darüber, wie die Ablösung des Sohnes von seiner Mutter am günstigsten verlaufen sollte, handelt deshalb von der Geschichtsmächtigkeit "mutternder" Frauen. Genau genommen handelt er davon, ob die verzögerte Ablösung von der Müttern nicht bestens geeignet sei dazu beizutragen, daß wir in einer nicht allzu fernen Zukunft in einer besseren Welt leben, als der augenblicklichen. Wer die Söhne zu ändern weiß, der hat, so die feinsinnige Überlegung, den Schlüssel zu einer besseren Welt in Händen.

Der Desidentifikationsstreit hat die frühen Beziehungen zum Sohn und die mütterliche Macht plötzlich politisiert. Und die Frage lautet letztlich: Müssen Mütter ihren Söhnen den Weg zum Vater freigeben oder gibt es gar ein moralisch begründbares Recht, wenn nicht sogar eine weibliche Pflicht, im Namen der Humanisierung den Sohn so lange wie möglich an sich zu binden; sowohl zu seinem wie dem Wohl aller?

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Ein Rundblick im Alltag zeigt, daß Frauen fürchten, sie könnten den Einfluß auf ihre Söhne durch Einwirkungen einer kritischen Sozialforschung, der Psychoanalyse, von Selbsterfahrungsgruppen oder durch ein neues männliches Selbstbewußtsein verlieren, so daß ihnen dann nur noch ”Mutter abgelöste Kerle” übrig blieben. Solche, die nicht nur selbständiger sind, sondern selbstbewußte Väter sein wollen und die ihren eigenen Vater lieben und respektieren.

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Der Gedanke, daß Männer sich ändern und die alte Rolle des Familiendieners in der Gestalt des lebenslangen Brotverdieners als Lebenszweck verwerfen könnten, legt nahe, daß das gesamte Geschlechterarrangement an einem entscheidenden Angelpunkt ins Rotieren gerät. Das schafft Unruhe unter Frauen - und nicht nur unter ihnen. ....

Beispiel: Herr M. gehört zu den wenigen Männern, die sich nach der Geburt des Kindes gemäß den gesetzlichen Möglichkeiten für den Erziehungsurlaub haben freistellen lassen. Er kümmert sich um das Kind, und seine Partnerin geht ihrer beruflichen Tätigkeit nach. Nun passiert es, daß das Kind eine starke Erkältung bekommt und allerlei sanfte Maßnahmen durchzuführen sind, damit ohne schwere Medikamentierung sich die Genesung bald wieder einstellt. Herr M. tut das mit großer Selbstverständlichkeit und weiß, was wann und wie getan werden muß. Er ist ein sehr verläßlicher Vater, der anders als viele Männer auch die Kleinheit seines Kindes gut ertragen kann und beziehungsfähig bleibt. Die Temperatur mißt er so selbstverständlich, wie er tagsüber seine Ehefrau über den Zustand des Sohnes telefonisch auf dem Laufenden hält. Als sie abends von der Arbeit nach hause kommt, geschieht etwas Eigenartiges. Sie macht sich über das Kind her, so als sei es den ganzen Tag nicht versorgt und getröstet worden und so als hätte es weinend und schluchzend nur auf die Rückkehr der Mutter gewartet. Alles was der Vater tagsüber mehrmals zur Milderung der Erkältung getan hatte, machte die Mutter noch einmal.

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In beiden Fällen ist wahrscheinlich, wenn sich nichts Wesentliches in der Zwischenzeit ändert, daß die Mütter auch später den Söhnen den Weg zum Vätern erschweren werden. Emotional werden die Söhne die Abwertung des Vaters schon heute spüren. Sie werden darum kämpfen müssen, aus der frühen symbiotischen Verschmelzung mit der Mutter heraustreten zu können. ....

Die Bedeutung der Desidentifikation

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Wenn wir davon ausgehen, daß zwischen Eltern in der heutigen Zeit ein zumeist unbewußter Kulturkampf darüber geführt wird, wie das Kind aufwachsen soll, so bringt es die Identifikation des Kindes mit dem Vater mit sich, daß die ursprüngliche Beziehung zur Mutter sich verändert.

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Meine These ist es nun, daß eben nicht nur die Phantasien des Sohnes über den Verlust der paradiesischen Einheit mit der Mutter den Weg vorzeichnen, wie seine Männlichkeit sich später darstellen wird. Nein, es ist gerade auch das Verhalten der Mutter - nämliche ihre täglichen Handlungen und Gefühle, die maßgeblich bestimmen, wie und ob überhaupt der Sohn die primäre Identif-kation beendet; nämlich abrupt, allmählich oder gar nicht, als Bruch oder Erweiterung, in elterlicher Konkurrenz oder Gemeinsamkeit, unter mütterlicher Enttäuschung oder väterlicher Unerreichbarkeit, die Beziehung zur Mutter ergänzend oder einschränkend oder gar in seiner Identifizierung mit ihr lebenslang verharrend.

Gerade vom realen Verhalten der Mutter wird es deshalb abhängen, ob der Sohn in unbewußtem Zorn über die enttäuschend erlebte Mutter scheidet, ob dieser Zorn im Erwachsenenalter als Frauenverachtung gegenüber allen ”Nachfolgerinnen” der Mutter wiederkehrt, oder ob der Sohn über die Vertreibung aus dem symbiotischen Paradies zwar enttäuscht ist, aber durch die Hinwendung zum Vater reichlich entschädigt sich fühlt und zur Mutter, wie selbstverständlich, eine veränderte jedoch weiterhin befriedigende Beziehung fortführt.

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Unter welchen Umständen der Sohn aus dem symbiotischen Himmel auf Erden den Weg zum Vater findet, läßt ihn spüren, wie seine Mutter zum Vater steht. Schätzt sie oder verachtet sie Männer? Neidet sie den Männern ihr Geschlecht, weil sie sich durch deren Geschlecht vervollständigt fühlt? Obwohl die Desidentifizierung ein unbewußter Vorgang ist, so fehlen ihr offensichtlich weder die familiendynamischen, noch die kulturellen Facetten, die sie hemmen oder fördern. Der Vorgang ist in die Realität der elterlichen Gefühlswelt eingebettet.

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Väterliche und partnerschaftliche Gegenwart kann Frauen über hohe mütterliche Ambivalenz und unbewußte Verlustängste in dieser Phase hinweghelfen. Der Vater ist eben nicht nur für den Sohn dar, sondern zugleich für die gemeinsame Idee der Elternschaft. Seine emotionale Gegenwart ist wichtig dafür, daß es zu einem erweiterten Bild von Elternschaft im Kind kommt. Fehlt der Vater oder verleugnet er die Väterlichkeit, so wird eine die Desidentifizierung ängstlich oder herrschsüchtig ablehnende Mutter in die Lage gebracht, sich wie eine permanent mißlaunige und mit dem Schicksal hadernde alleinerziehende Mutter zu verhalten.....

Die Ablehnung des Vaters zeugt von ungestillter Vatersehnsucht

Es gibt zahlreiche Gründe dafür, warum Frauen den väterlichen Einfluß auf die Kinder begrenzen möchten. Zweierlei ist erkennbar. Einmal sind es enttäuschende Erfahrungen während der eigenen Kindheit. Der andere Komplex der Vaterzurückweisung basiert auf einer ungewissen weiblichen psychosexuellen Identität.

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Enttäuschte Mütter ziehen sich mit ihren Kindern in eine Enklave zurück, in der sie das verlorene Glück abermals suchen. An die Stelle des erwachsenen Partners setzen sie ihr Kind. Daß sie vom einst geliebten Mann enttäuscht sind, ist verständlich. Problematisch ist jedoch, wenn sie ihre Enttäuschungen nicht durch Trauer und Neuorientierung bearbeiten, sondern sie sich statt dessen im Alleinerziehen zu befreien versuchen. Den Kindern wollen sie eine Kindheit schenken, die ihnen ähnliche Erfahrungen als Erwachsene erspart. Sie lassen dann auch keine Gründe mehr gelten, damit die Kinder den Weg zum Vater suchen. Geschlechterspannung wird nämlich erst dann erlebbar, wenn nicht nur Vater und Mutter, sondern beide als Eltern wahrnehmbar sind. Das wäre nämlich der Zeitpunkt, zu dem das Weibliche als dem männlichen Geschlecht Entgegengesetzte sich erstmals als Entgegengesetztes wahrnehmen ließe. Egal wie zart die Wahrnehmungen der Kinder anfangs sein mögen. Erst wenn die Kinder sich dem Vater zuwenden können, werden sie die Mutter allmählich in ihrer Weiblichkeit erkennen. Wird ihnen der Weg zum Vater erschwert oder gänzlich versperrt, werden sie Mütterliches und Weibliches in seiner grundsätzlichen Differenz gar nicht oder nur unscharf erkennen.

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Psychische Differenzierungen in der kindlichen Entwicklung werden zusehends erschwert, wenn Mütter glauben und Väter akzeptieren, daß das Wohlergehen ihrer Kinder nur noch in der Identifikation mit der Mutter möglich sei. Alltagssprachlich formuliert heißt das: Alles was die Kinder brauchen, bekommen sie von der Mutter! Nach diesem Denken wäre es für Kinder nicht von Nachteil, wenn der Vater der Mutter die Erziehung grundsätzlich überließe und sich auf das Brotverdienen beschränkte. ....

Endlose Mutterbindung

Man wird bei den Bewertungen der primären Ablösung von der Mutter zwischen den Perspektiven des Kindes, der Frau und der Familie unterscheiden müssen. Alle Varianten, gleich wer sie vertritt, beanspruchen allerdings, allein vom Wohl der Kinder auszugehen.

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Zur dritten Variante zählt eine Besonderheit. Hier werden sohnesschädigende Handlungen der Mütter zwar eingeräumt, aber es heißt, daß die Mütter dafür nicht zur Verantwortung gezogen werden können. Die Rolle des Vaters gerät jedoch nicht in den Blick. Diese beiden Aspekte der dritten Variante sollen nacheinander untersucht werden.

Einfühlungsvermögen

Eine geschlechter- und familienpolitisch instrumentalisierte Version von kindlicher Desidentifikation wird von Anita Heiliger und Constance Engelfried vertreten. Sie bevorzugen ein Modell einer ”endlosen primären Identifikation”. Sie schlagen vor, daß Jungen bis ins Alter der Pubertät bei der Mutter verbleiben sollen, damit die Identifizierung mit ihr nicht abbricht. Sei das erst einmal sichergestellt, so sind nach Ansicht der Autorinnen alle Weichen dafür gestellt, daß Jungen die hoch zu schätzende Eigenschaft des Einfühlungsvermögens, eben der Empathie, ausbilden können. Man kann das auch umkehren. Viele Männer haben keine oder nur ungenügend Empathiefähigkeit entwickelt, weil sie in jeder Generation zu früh den Müttern entfremdet werden. Ihre Unfähigkeit, andere durch Einfühlung zu verstehen, hängt vom zu frühen Wechsel zum Vater ab. Die Fähigkeit, jenseits des gesprochenen Wortes andere durch Einfühlung zu verstehen, wird hier an eine den Vater ausschließende ungeschmälerte psychische Bindung an die Mutter geknüpft. So falle es Söhnen nun einmal schwer, in allzu großer Identifikation mit den ”patriarchalisch strukturierten” Vätern einfühlsam zu werden. Deshalb schlagen die beiden Autorinnen vor, daß erst in der Pubertät den Söhnen der Weg zur Identifikation mit dem Vater freigegeben werden sollte. Wenn man diese Perspektive wörtlich nimmt, dann müssen die Söhne nicht nur räumlich vom Vater getrennt werden, sondern es muß Vorsorge im Alltag getroffen werden, daß sie sich an seiner patriarchalisch strukturierten Männlichkeit nicht anstecken. Weil die Annäherung an den Vater sich aber nicht ewig verzögern läßt, muß nach diesem erziehungspolitischen Entwurf die Gesellschaft sich damit abfinden, daß die Hinwendung zum Vater mit der Pubertät sich nicht mehr verhindern läßt. Die dann einsetzende Identifikation mit der düster gezeichneten Affektschimäre ”patriarchale Männlichkeit” werde sich allerdings zu diesem späten Zeitpunkt weniger abträglich auswirken. Der Sohn sei nämlich durch die über 10 Jahre währende vermeintlich ausschließliche Bindung an die hell gezeichnete Affektschimäre ”positive Mütterlichkeit” gegen die destruktive Patriarchalität immunisiert. Die dominante feminine Identifikation des Mannes wird zum Gütesiegel politischer Männlichkeitsentwürfe erhoben.

So meinen die Autorinnen, nach dem sie das Streben des Sohnes als Schwanken zwischen dem männlichen Bösen und dem weiblichen Guten im Schlachtengetümmel der Identitätsfindung beschrieben haben: ”In der Abgrenzung (vom Vater) und der Identifikation mit der Mutter konnten sie (die Söhne) ein solches (patriarchales, G.A.) Rollenbild für ihre eigene Identität zunächst ablehnen.” Die Größenphantasie, die diese Illusion beflügelt, legt das neue Arrangement der Geschlechterverhältnisse in die Hände umbaufreudiger Frauen. Sie richten durch strategisch geleitete Erziehung ihre Söhne so her, daß der patriarchale Vater keine Herrschaft mehr über sie gewinnt. Die symbiotische Mutteridentifizierung gerät damit zum Modell für eine ideale Geschlechteridentität des Mannes. In dieser elternschaftspolitischen Vision wird es gar keine Identifizierung des Sohnes mit seinem Vater mehr geben. An deren Stelle tritt vielmehr eine feindselige Unterwerfung. Wenn der Sohn nach dieser Vision in der Pubertät zum Vater wechseln möchte, dann kann das nicht sein Wunsch sein, sondern allenfalls die unvermeidbare Unterwerfung unter sein tyrannisches Regiment. Sollte der Sohn - im Denken dieser Vision - sich vor dem Beginn der Pubertät der Welt des Vaters neugierig und unerwartet nähern wollen, so muß die Mutter das als Verrat an ihrem Gutsein empfinden. Der Sohn nimmt eine feindselige Haltung ein und verrät die antipatriarchalische Front, der er bis dahin stillschweigend und ungefragt als willfähriger Streiter zugeordnet war. Diese feindselige Vision von Elternschaft geht wie selbstverständlich davon aus, daß Töchter den Weg zum Vater erst gar nicht suchen, sondern bei der Mutter sich wie im Himmel auf Erden fühlen. Die Feindseligkeit gegen das Väterliche und die gleichzeitige Verherrlichung des Mütterlichen entspricht aber wohl kaum den Bedürfnissen der Söhne und Töchter. Das kann auch nicht anders sein, weil es sich hier nur um die psychische Rationalisierung eines nicht thematisierten Vaterhasses und dazugehöriger Elternfeindschaft handelt. Nach dieser Konstruktion haben Kinder entweder das natürliche, gesunde Bedürfnis bei der Mutter zu bleiben oder das Kind muß ”lenkend” vom ungesunden Vater ferngehalten werden. Damit werden den Müttern manipulative Aufgaben in der Kindererziehung zugewiesen. Diese werden damit gerechtfertigt, daß sie zur Abwehr und zur Zerstörung patriarchalischer Herrschaft nützlich seien. Im Dienste der guten Sache muß der Sohn funktionalisiert werden.

Im Wesentlichen sind damit alle Voraussetzungen für eine pathologisierende Familiensituation gegeben. Im Alltag wird der Sohn, der dann mit dem Unbewußten seiner Mutter identifiziert ist, als mütterliche Aggressivität wahrnehmen, was ihr als heilsamer Weg zu guter Männlichkeit dünkt. Statt seiner Neugierde nach dem Vater nachzugehen, wird der Sohn aus Angst, die Mutter durch geäußerte Wut zu verlieren, sich vom Vater zurückziehen. Er wird merken, daß wann immer er sich dem Vater zuneigt, die Mutter lieblos reagiert und sich wie eine Verratene aufführt. Das läßt den Sohn fürchten, daß die Mutter ihn ebenso hassen und entwerten könnte wie den Vater. Dem Sohn ist deshalb nicht nur der Zugang zum Vater verstellt. Er wird sich noch stärker auf die Mutter beziehen, weil er fürchtet, die zerstörerische Abneigung, die sie gegen den Vater hegt, könne auch auf ihn zukommen. Was einer Mutter in dieser Situation noch als die Liebe ihres Sohnes erscheint, kann dessen Angst und selbstschützende Unterwerfung sein; das Gegenteil von dem, was die Mutter sich eigentlich wünscht. Der Sohn wird sich zwar mit ihr identifizieren, aber es wird eine vorwiegend feminine Identifikation sein, die ihn Frauen furchtsam verstehen läßt, aber er entfernt sich dabei zusehends von seinen eigenen Wünschen. Vor allem darf er keine widerstreitenden Gefühle für die Mutter haben. Eine von Angst besetzte Identifikation mit der übermächtig sich gebärdenden Mutter erzwingt die Unterwerfung, die alles andere ist als die ersehnte Einfühlung. Im Erwachsenenalter wird dieser Sohn Frauen deshalb so gut verstehen, weil er sich fürchtet, daß sie ihm ihre Liebe entziehen, wenn er sie enttäuscht. Wer aus Furcht jedoch liebt, der haßt unbewußt den Geliebten.

...

(Heiliger`s) Konzept einer empathiefördernden Erziehung von Söhnen ist destruktiv. Danach wird von den Söhnen nämlich erwartet, daß sie sich mit der Abschätzigen gegenüber, der Enttäuschung mit sowie dem Neid auf die enttäuschenden Partner ihrer Mütter identifizieren. Die Vision der Autorinnen geht darüber noch hinaus. Die Söhne müssen die entwertete Männlichkeit ihrer Väter stereotyp verleugnen. Sonst haben sie wenig Chancen, die Zwangsidentifikation mit der Mutter über die Jahre aufrecht zu erhalten. Diese Identifizierung wäre von der mütterlichen Absicht getragen, den Sohn von der abgewerteten Männlichkeit fernzuhalten. Sie würde ihren Sohn nach ihrem Bilde schaffen. Der Sohn würde zum ”psychischen Klon” ihrer eigenen psychischen Repräsentanzen. Eine Klon-Vision wäre erreicht, wenn sich die mütterliche Imago vom idealen Mann in ihrem Sohn verdoppelt hätte. Je ähnlicher der Sohn der Mutter wird, um so besser wäre er geraten!

Was Heiliger und Engelfried als Kulturfortschritt im Kampf gegen das Patriarchat vorschwebt, ähnelt psychischen Biographien, die auf unaufgelöste frühe Bindungen und als Folge davon auf einen negativen Ödipuskomplex verweisen. Aber Empathie der Söhne kann gerade nur aus der sicheren Identifikation mit dem Vater und einer darüber ausreichend erfreuten Mutter entstehen. Die verschlingende Identifikation mit der Mutter hingegen, die dem Sohn das Glück der eigenen Entwicklung raubt, macht den Weg in Psychopathologien wahrscheinlich. Die Vision einer Vaterlosigkeit bis zur Pubertät ist der fruchtbare Boden der Frauenentwertung und der Ausgangspunkt dafür, daß Söhne im psychosexuellen Sinn keine Männer werden können. Sie können im Extremfall Frauen nicht begehren, weil sie der Intimität der Mutter sich nicht entziehen konnten. Intime Nähe und Unfreiheit bedingen einander. Diese Dynamik mag dem naiven Betrachter als große Gefühlsnähe erscheinen. Das mag sogar zum Modell vom Neuen-Vater gereichen, von dem erwartet wird, daß er seinen Kindern gegenüber mehr Zärtlichkeit zeigen möge. Aber gerade das Beispiel vereitelter Vateridentifikation läßt die intensive Gefühlswelt weniger vorbildlich denn abschreckend erscheinen. Denn nicht jede gefühlsintensive Bindung drückt bereits Empathie aus, sondern mitunter nur rituelle Affenliebe. Es kann sich dabei um eine Reaktionsbildung handeln, die so angelegt ist, daß Gutes und Harmonisches sichtbar werden, damit geradezu das Böse und Aggressive sich dahinter vollständig verbergen kann. Nicht alles was Nähe ausdrückt, zeugt auch schon von dieser. Sie kann vielmehr den Wunsch nach Distanz als ängstlich treibendes Motiv enthalten.

© 1999 Gerhard Amendt

Das Buch Vatersehnsucht. Annäherung in elf Essays, ist erschienen in der Publikationsreihe des Instituts für Geschlechter- und Generationsforschung Bremen und kann über jede Buchhandlung (ISBN 3-88722-452-3) bezogen werden. Ebenso über das IGG, Grazerstr. 2A, 28359 Bremen mit Scheck über DM 50.-

 


 

 

taz-Debatte  - Das unverdiente Leid der Väter

Getrennt lebenden Vätern sind ihre Kinder gleichgültig, und sie zahlen nicht für sie, so das Klischee. Doch viele wollen für ihre Kinder sorgen - die Mütter sind dagegen Es ist schwer, sich von lieb gewonnenen Überzeugungen zu lösen. Die meisten Väter, das glauben wir zu wissen, wollen nach der Trennung von Ehefrau oder Partnerin auch ihre Kinder nicht mehr sehen; alles rennet, rettet, flüchtet - und Unterhalt verweigern sie auch noch. Die Zahlen, die uns das Familienministerium dazu gibt, und die Interpretation dieser Zahlen durch das Haus Bergmann sprechen Bände: Etwa die Hälfte aller Trennungskinder hat nach einem Jahr keinen Kontakt mehr zu den Vätern, nur ein Drittel der Väter, so wird geschätzt, zahlt Unterhalt. Männer, da sieht mans mal wieder, sind Schweine! Jetzt hat sogar die CDU in Hamburg das Thema der Unterhaltsflüchter entdeckt. 1,4 Milliarden Mark (der Spiegel rundet sogar auf 1,5 Milliarden auf) gebe der Staat jährlich aus, um den Unterhalt für Kinder vorzuschießen. Nur 20 Prozent des Betrags holen sich die Ämter von den Männern zurück. Den Restbetrag, wird suggeriert, unterschlagen die Unterhaltsflüchter. Nach dem Willen der Hamburger CDU-Frau Karen Koop soll die Polizei künftig säumige Väter jagen. Ein neu zu schaffendes "Unterhaltsregister" soll mit dem Fahndungscomputer der Polizei verbunden werden, fordert sie. Datenschutz hin, Datenschutz her - bei Verkehrskontrollen sollen die Beamten routinemäßig darauf achten, ob der Autobesitzer für seine Kinder zahlt, und, falls nicht, ihm den Wagen abnehmen. Bundesfamilienministerin Christine Bergmann hält nichts von Koops Idee. Zu lasch, befindet sie, denn gerissen, wie sie nun mal sind, hätten säumige Väter ihre Autos längst an die Freundin überschrieben. Deshalb will die Familienministerin den Männern den Führerschein wegnehmen. "Das tut dann wirklich weh." Das Kalkül: Der Entzug seines Lieblingsspielzeugs wird ihn disziplinieren. Natürlich gibt es auch Väter, die nichts leisten, weder als Vater noch als Finanzierer. Doch gibt es in Deutschland über die Zahlungsmoral aller Väter keine gesicherten Erkenntnisse. Unterschlagen werden schon einmal all diejenigen Väter, die sich privat mit den Müttern verständigt haben und regelmäßig bezahlen. Aber in den USA, wo die Statistik genauer ist, zeigt sich: Neun von zehn Scheidungsvätern zahlen anstandslos - wenn sie gemeinsames Sorgerecht und regelmäßigen Zugang zu ihren Kindern haben. Vielleicht hat sich der deutsche Gesetzgeber auch deswegen vor zwei Jahren durchgerungen, das gemeinsame Sorgerecht zur Norm zu machen. Wer Kontakt zu seinen Kinder hat, wird auch dafür sorgen, dass sie versorgt sind, emotional und finanziell. Ein kleiner Verein wie "Väteraufbruch für Kinder" hat inzwischen mehr als 1.000 Mitglieder, von denen die meisten ihre Kinder nicht sehen dürfen. Die Dunkelziffer ist hoch. Zum Beispiel Pantaleon K. Im Streit warf ihn seine im sechsten Monat schwangere Freundin aus ihrem Haus, elf Tage vor Weihnachten 1999.  Fortan stritt sie ab, dass er der Vater sei. Er bemühte Ämter und Gerichte. Als seine Tochter fünf Monate alt war, erfuhr er ihren Namen, als sie ein Jahr alt war, kam es endlich zum Vaterschaftstest, und er erhielt den Bescheid: Er ist mit 99,98-prozentiger Sicherheit der Vater des  Kindes. Wenige Tage später kam Post vom Amtsgericht: Er solle seiner Unterhaltspflicht nachkommen. Seine Tochter hat er noch immer nicht gesehen. Der Verein hat noch andere Fälle in seiner Kartei: Ein Mann zog zwei Töchter auf, da stellte sich heraus, dass er gar nicht der Vater ist. Daran zerbrach die Beziehung. Folge: Er durfte die Kinder, die er liebte, nicht mehr sehen. Inzwischen darf er wieder. Er überweist monatlich 2.000 Mark an die Mutter der Kinder.

Einzelfälle, gewiss. Kindschafts- und Unterhaltsrecht richten sich nicht an derartigen Einzelfällen aus, sondern an dem, was wir alle für den Normalfall halten: Hier die guten, sorgenden Mütter, häufig in finanzieller Not, dort die Väter, die zumindest dazu neigen, sich aus dem Staub zu machen. Die Zeiten haben sich geändert, aber das Familienministerium lässt sich von Experten des "Vereins alleinerziehender Mütter und Väter" beraten. Die Mitglieder, überwiegend Frauen, verteidigen das Ein-Eltern-Modell: Auch wo keine Gewalt im Spiel war, führe die Fortsetzung der Beziehung nach der Trennung doch nur zu Reibereien, die auch das Kind belasteten. Eine Kapitulation der elterlichen Vernunft, eine Ode an den Egoismus.

Seit zwei Jahren ist das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder nach der Scheidung die Norm. Auch nicht verheiratete Eltern können sich für gemeinsame Sorge entscheiden - wenn die Mutter ausdrücklich zustimmt. Aber bis heute wird nicht erhoben, wie viele der unverheirateten Mütter das Sorgerecht tatsächlich zu teilen bereit sind. Die Zahl wäre beschämend niedrig. Frau denkt vorausschauend, die Verbindung könnte sich ja erledigen.

Doch selbst wenn das gemeinsame Sorgerecht vereinbart ist, entscheidet letztlich eine andere Regelung, wie das faktische Zusammenleben von Vater und Kind aussieht - nämlich das Aufenthaltsbestimmungsrecht. In der Regel wohnen die Kinder auch heute noch bei der Mutter. Sie kann mit den Kindern umziehen, wohin es ihr beliebt - auch wenn dies sehr weit entfernt vom Wohnort des Vaters ist. Dass gegen Barbara Becker wegen Kindesentziehung nicht einmal ermittelt wurde, ist ein Skandal. Sie hat die Kinder aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen und damit gegen Gesetze verstoßen. Doch das ist die Regel auch bei Normalsterblichen: Unterhaltsflüchter werden zu Recht unnachgiebig verfolgt; Mütter, die wirklich (sich) sorgenden Vätern den Umgang verwehren, haben in diesem Staat nichts zu befürchten. Kindesentführerinnen dürfen sich des Schutzes zahlreicher Jugendamtsmitarbeiter(innen) sicher sein. Für den Ausschluss der Väter findet sich immer ein guter Grund: In vierzig von hundert strittigen Sorgerechtsfällen wirft die Mutter ihrem "Ex" sexuellen Missbrauch des Kindes vor. Keine Frage: Wo das tatsächlich zutrifft, müssen Kinder geschützt werden. Bis aber ein unschuldiger Mann nachgewiesen hat, kein Sexmonster zu sein, ist die Sorgerechtsfrage entschieden. Auch im Fall von Gewalt gegen Kinder oder (Ehe-)Frau kann in der Tat niemandem zugemutet werden, diesen verabscheuungswürdigen Menschen künftig regelmäßig treffen zu müssen.

Inzwischen aber raten Anwälte ihren Klientinnen zweierlei: 1. "Bringen Sie die Kinder in Ihren Besitz!"; 2. "Ziehen Sie in jedem Fall kurzzeitig in ein Frauenhaus. Das beeindruckt Richterinnen und Richter."

Ja, es gibt männliche Unterhaltsflüchter. Aber es gibt auch die Bibliothekarin im öffentlichen Dienst, deren Stelle ruhte. Zunächst zahlte der Mann an sie und die zwei Kinder jeden Monat 2.800 Mark Unterhalt. Ihm blieb damit der Selbstbehalt von 1.800 Mark, ihr standen mit Kinder- und Erziehungsgeld rund 3.500 Mark zur Verfügung. Sie zog 300 Kilometer weg, er fuhr jedes Wochenende über die Autobahn. Schließlich brach er zusammen, verlor den Job, das Sozialamt musste einspringen. Er wohnt inzwischen in der Stadt seiner Kinder und will sich um diese kümmern. Das Amt forderte die Frau auf, ihre Stelle wieder anzutreten und sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Die Frau kam der Aufforderung des Amts nicht nach, inzwischen wurde ihr die Sozialhilfe gestrichen.

Alles Einzelfälle! Und doch lohnt es sich, jeden einzelnen Fall zu beleuchten und Menschen zu beurteilen, statt alle (Männer) über einen Kamm zu scheren. Frauen haben jahrzehntelang eingefordert, dass Väter ihren Pflichten nachkommen. Heute stehen einem Mann wie Pantaleon K. Tränen in den Augen, wenn er erzählt, wie er "langsam kaputtgeht". Doch nicht um die Interessen der Väter geht es, schon gar nicht dem Gesetzgeber. Ihm geht es angeblich um die Interessen der Kinder. Aber ist es nicht so: Auch heute noch ist jedes Kind, dem ein liebender Vater vorenthalten wird, ein betrogenes Kind. Um das zu ändern, muss auch Vätern geholfen werden, die für ihre Kinder da sein wollen. Warum also nicht prinzipiell ein gemeinsames Sorgerecht, wenn dies auch das Jugendamt befürwortet? Warum so halbherzig? Zudem müssen die Behörden in die Lage versetzt werden, das Umgangsrecht der Väter durchzusetzen, und zwar ohne Verzögerung. Wie die Jugendämter Unterhaltszahlungen oder einen Vaterschaftstest erzwingen können, müssten sie auch fähig sein, boykottierende Mütter zur Herausgabe des Kindes zu bewegen. Wenn dies nicht fruchtet, helfen nur noch harte Maßnahmen. Was böte sich an? So wie Männern das Auto genommen werden soll, müssen dann eben auch die Privilegien der Frauen beschnitten werden. Polemisch überspitzt: Schuhkaufverbot für Kontaktsperre-Frauen.

PETER KÖPF

taz Nr. 6381 vom 24.2.2001, Seite 11, 298 Zeilen Kommentar PETER KÖPF ,

 

 


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