Väternotruf

1995


 

 

 

 

"Anmerkungen zu einem Beschluß des Amtsgerichts Freiburg i. Br. - Vormundschaftsgericht - zu § 1705 Satz 1 BGB"

Heiko Melcher, Rechtsanwalt, Freiburg i.Br.

in: "Familie, Partnerschaft, Recht", 1995, Heft 5, S. 121-123

 

 

 

Anmerkung Väternotruf:

In einen Beschluss vom 04.11.1994 - 14 X 985/94 - hatte das Vormundschaftsgericht Freiburg im Breisgau ein Sorgerechtsverfahren gemäß Artikel 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung der Frage vorgelegt, ob §1705 Satz 1 BGB - mit dem es nichtverheirateten Eltern verwehrt wurde, trotz übereinstimmenden Willen die gemeinsame Sorge für ihr Kind zu begründen - mit Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 Grundgesetz unvereinbar ist. Dass das Vormundschaftsgericht Freiburg hier eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht eingebracht hat, ist dem dortigen Richter hoch zu danken. Viele Tausend andere Richter haben bis dahin keine Veranlassung gesehen, gleiches zu tun. Zu danken ist sicher auch dem Rechtsanwalt Heiko Melcher, der wie man annehmen kann, die beiden Eltern in diesem Verfahren rechtlich begleitet hat.

Dass ein Gericht der 1. Instanz so eine Frage dem Bundesverfassungsgericht überhaupt vorlegen musste, zeigt wie ausgrenzend das damalige Familienrecht gestaltet war, in dem nichtverheiratete Eltern gegenüber verheirateten Eltern als Menschen zweiter Klasse galten. Dass sich dieser Zustand letztlich bis zum 1. Juli 1998 halten konnte war auch ganz maßgeblich vom Bundesverfassungsgericht zu verantworten, das bis zur Vorlage des Vormundschaftsgerichts Freiburg in seiner ständigen Rechtsprechung die Diskriminierung nichtverheirateter Eltern für rechtens erklärte. Der Gesetzgeber führte am 1. Juli 1998 die Möglichkeit der Herstellung der gemeinsamen Sorge nichtverheiratete Eltern ins BGB ein. Allerdings wurden nichtverheiratete Väter weiterhin diskriminiert, da nur die nichtverheiratete Mutter ein originäres Sorgerecht hatte und der Vater nur mit Zustimmung der Mutter die elterliche Sorge teilen sollte. 

Das Bundesverfassungsgericht unter seinem Vorsitzenden Hans-Jürgen Papier zeigte 2003 abermals wes Geistes Kind es ist und dass man das Grundgesetzt so auslegen kann, wie man es gerade für sinnvoll hält. Mit Urteil des Ersten Senats vom 29. Januar 2003 - 1 BvL 20/99 und 1 BvR 933/01 verkündete es die Auffassung, dass die Diskriminierung nichtverheirateter Väter im Sorgerecht mit dem Grundgesetz vereinbar wäre. 

Man muss sich da nicht wundern, wenn sich die Bundesregierung nicht an das Grundgesetz hält, wenn sich das Bundesverfassungsgericht als der angebliche Hüter des Grundgesetzes es selber auch nicht macht.

 

 


 

 

"Kinder mit nicht-sorgeberechtigten Vätern - Zusammenfassung soziologischer und sozialpsychologischer Forschungsergebnisse"

 

Rosemarie Nave-Herz

in: "Familie und Recht", 2/1995, S. 102-106

 

 


 

 

 

 

"Keine Wundermittel gegen alle Justizkrankheiten. 

Zur erneuten Diskussion über einen dreistufigen Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit"

 

Zeitschrift für Rechtspolitik, ZRP, 1995, Heft 6, S. 208ff

Dr. Winfried Schuschke (Jg. 1940) - Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Köln (ab 17.06.1991, ..., 2003) 

 

 


 

 

Väterfeindliche DDR

In der DDR war ein Vater nach einer Trennung oder Scheidung, seine Kinder betreffend so gut wie rechtlos. Von da an galt nun nicht mehr "Papa ist meine bester Freund", wenn das der sozialistischen Mutter nicht mehr passte. Da die Scheidungszahlen in der DDR schon damals im Weltspitzenbereich lagen, haben so Zehntausende von Kindern und Vätern den Kontakt zueinander verloren. 

Dazu kam dass diese Väter durch die fehlenden demokratischen Verhältnisse nicht einmal die Möglichkeit hatte, sich in Form von Selbsthilfegruppen, Vereinen oder gar effektiv politisch zu engagieren.

Ein interessanter Aufsatz zu diesem Thema:

 

"Probleme der Durchsetzung des Umgangsrechts in den neuen Bundesländern"

Beate Puwalla in: "Familie, Partnerschaft und Recht", 4/1995, S. 88-89

 

 


 

 

 

"Ist die Justiz kooperativ? Einige Aspekte einer interdisziplinären Zusammenarbeit und zugleich Besprechung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.10.1993"

Franz Dickmeis

in: "Report Psychologie", 8/1995, S. 36-41

 

 

 


 

 

 

 

Die "starken" Männer lassen sich ungern helfen

Väter und Partner nehmen professionelle Hilfsangebote oft erst an, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist

"Seitdem meine Ehe vor anderthalb Jahren in die Brüche ging", erzählt Andreas H., "kümmere ich mich viel intensiver um meine Tochter, bringe sie jeden Morgen in die Kita, betreue sie bei Krankheit. Mich interessiert nicht, was irgendwelche Gerichte dazu festlegen. Meine Frau und ich haben uns geeinigt - mit Hilfe von außen. Denn wir beide lieben unser Kind sehr." Andreas hat etwas geschafft, wonach jene Männer erst suchen, die bei mannege - Information und Beratung für Männer e. V. - in der Friedrichstraße an die Tür klopfen. "Männer haben eine hohe Hemmschwelle, bevor sie um Hilfe bitten", erzählt Gernot Krieger vom dreiköpfigen mannege-Team.

"Das Klischee vom starken Mann, der das nicht braucht, steckt tief in den Köpfen. Manche ziehen einen zerknitterten Zettel aus der Tasche. Schon vor Monaten haben sie darauf unsere Adresse notiert, aber lange versucht, allein zurechtzukommen." Sich öffnen tut gut. Jeder wird bei mannege freundlich empfangen, muß sich aber darauf einlassen, daß die Berater seine Version der Dinge anzweifeln, hinterfragen. Will er nur einen Machtkampf um das Kind gewinnen? Oder will er wirklich das Kind wirklich entdecken?

Immer wieder erfährt das Team, daß die meisten Männer von der Trennung total überrascht wurden, weil sie alle Ankündigungen der Partnerin negierten. Viele haben bisher mit Gewalt versucht, ihre Interessen durchzusetzen. Sie haben nicht gelernt, zuzuhören, andere ausreden zu lassen, Interessenkonflikte zu verhandeln. Wer bereit ist, mit anderen an sich zu arbeiten, wird in eine Gesprächsgruppe aufgenommen. "Wenn der erste in der Gruppe sich öffnet, Emotionen zuläßt, ist das wie eine Befreiung", erzählt der Pädagoge Gernot Krieger. In der Vätergruppe werde beispielsweise darüber gesprochen: Wie war unser Vater und wie hätten wir ihn uns gewünscht? Und: Was sind wir für unsere Kinder? "Kinder brauchen den Vater als handfeste Identifikationsfigur. Sie müssen ihn als kollegialen Partner der Mutter erleben." so Krieger.

Es gäbe für Männer eine Riesenchance, sich intensiv mit Kindern zu befassen, wenn sie zuließen, daß Frauen und Männer Aufgaben erfüllten, die sonst der andere "gepachtet" hätte. "Deshalb ist uns der kritische Blick aufs Patriarchat wichtig. Wir wollen die Welt der Frauen für die Männer plausibler machen ."Die Gruppen, die sich zu verschiedenen Themenkreisen zusammengefunden haben, arbeiten nach etwa zehn Abenden allein weiter. Es werden darüber hinaus Seminare, offene Abende und Workshops angeboten.

Ärzte und Therapeuten stehen dem mannege-Team zur Seite. Manchmal kämen Grußkarten von Männern: "Alles okay. Danke." Dieser Weg zum okay sei allerdings oft lang, sagt Gernot Krieger. "Die meisten Männer kommen erst zu uns, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist", bedauert auch Dr. Ursula Hempel, Mitarbeiterin bei Väter-K.I.B. (Kontakt, Information, Begegnung) in der Burgstraße, Berlin-Mitte. "Ihre Klagen auf Sorge- und Umgangsrecht werden dann meist schon in der zweiten Instanz verhandelt. Oder schon gewährtes Umgangsrecht wird von der Mutter wieder entzogen, dazu Wohnungsprobleme, Unterhaltsschulden und und und " Die Familientherapeutin und weitere K.I.B.-Mitarbeiter - Sozialtherapeuten, Sozialarbeiter, Pädagogen, in Kürze ein Jurist - versuchen zunächst, das Problem zu strukturieren. Sie teilen es in Portionen, die nach und nach zu bewältigen sind. Sie geben Hinweise auf Verfahrenswege, erörtern mit den Betroffenen Varianten. "Wir diskutieren nicht Defizite, sondern schauen nach den Ressourcen, die der Mann hat. Wir nehmen ihn an, wie er ist, akzeptieren Entscheidungen, die er trifft. Er ist ein erwachsener Mensch. Allerdings läßt sich kein Problem ohne aktive Mithilfe klären und Patentrezepte haben wir auch nicht. Schön wäre allerdings, Männer wären problembewußter und kämen im Vorfeld der Entscheidungen. Das wäre einfacher. Und billiger, als Gerichte und Anwälte einzuschalten", beschreibt Dr. Hempel Vorgehensweisen und Probleme in ihrer Arbeit. Das Team sieht sich als soziale Dienstleistung und nennt die Hilfesuchenden Kunden. Diesen Einstieg ins Problem nehmen die Männer an. Viele interessieren sich danach auch für die offenen Gesprächskreise. "Sie setzen sich darin erstmalig mit einer Benachteiligung auseinander, die sie als Mann selten erfahren - sie erleben Machtlosigkeit." so Projektleiter Jürgen Schlicker. Das K.I.B.-Team will mit seiner Arbeit "Pflöcke einschlagen". Dazu gehört die Empfehlung, bei Trennung ein gemeinsames Sorgerecht zu beantragen. Da es das für unverheiratete Paare nicht gibt, hat Dr. Hempel einen Musterantrag da, der bei Gericht eingereicht werden kann. "Auch wenn die Gerichte das dann nicht verhandeln, ein Signal ist gegeben. Es besteht auch die Möglichkeit, eine notarielle Willenserklärung zu verfassen und beim Jugendamt zu hinterlegen", erläutert sie.

Auf Sorgerecht bestehen

Nichts ist für Dr. Hempel schlimmer als die Formulierung, daß jemand - meist der Vater - für nicht mehr sorgeberechtigt erklärt wird ."Für das eigene Kind! Das ist unmenschlich." Eigentlich müßte der Schwerpunkt doch sein, wo und wie im Interesse der Kinder das zusammengefügt werden kann, was ihnen nützt, ergänzt Schlicker. "Das reichlich antiquierte Familienrecht halte ich auch in dieser Hinsicht für unbedingt reformbedürftig." Auch die ehrenamtlich arbeitende Initiative Streitfall Kind e. V. in der Weißenseer Parkstraße bietet Männern Hilfe an. "Bessere Chancen für die Väter wollen wir erreichen, aber auch für andere Familienmitglieder, die bei Scheidung für die Kinder wegfallen", beschreibt Wilfried Platzek das Engagement. Die Vereinsmitglieder führen viele Gespräche mit Großeltern, sorgeberechtigten Müttern, nicht-mehr-sorg berechtigten Vätern. "Oft können wir eine Verständigung erreichen, werden Lösungen für die Kinder gemeinsam gesucht. Konflikte über die Gerichte auszutragen, halte ich prinzipiell für den falschen Weg," sagt Platzek. "Denn es geht nicht um irgendwelche Sachstücke, sondern um Kinder, um lebendige menschliche Wesen."

 

Datum: 04.02.1995

Berliner Zeitung Ressort: Wirtschaft

Autor: Bettina Erdmann

 

 

 


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