Britney Spears


 

 

 

02.10.2007

Britney Spears

Ikone ohne Sorgerecht

Britney Spears hat das Sorgerecht für ihre Kinder verloren - im grellen Licht der Öffentlichkeit. Dort, wo man nur ihre Hits hört, kommt bei Vernachlässigung das Jugendamt.

 

VON MARTIN REICHERT

 

Die amerikanische Pop-Sängerin Britney Spears arbeitet an ihrer musikalischen Rückkehr, doch aus den Medien war sie nie verschwunden. Rund ein Jahr nach dem Rummel um ihre Frisur - eine Glatze! - zeitgleich zum Verkaufsstart ihrer neuen Single "Gimme More" und kurz vor Erscheinen ihres neuen Studio-Albums im November ist ihr neuester Hit bereits auf den vorderen Plätzen der US-Airplay-Charts. Auch sie selbst ist unangefochtene Nummer Eins auf allen Titelseiten: Britney Spears (25) hat das Sorgerecht für ihre beiden Söhne verloren.

Ein Richter in Kalifornien habe die Kinder bis auf weiteres in die Obhut von Vater Kevin Federline gegeben, berichtete der Onlinedienst der US-Zeitschrift People am Montag. Am Mittwoch solle Spears die Söhne Sean Preston (2) und Jayden James (1) ihrem Ex-Ehemann ganz anvertrauen. Seit ihrer Trennung vor einem Jahr haben sich die Eltern zu gleichen Teilen um die Kinder gekümmert. Nach Ausspruch der Scheidung im Juli hatte Federline aber vor Gericht mehr Zeit mit den Söhnen beantragt.

Richter Scott Gordon vom Superior Court in Los Angeles gab den Grund für seine Entscheidung nicht bekannt. Er hatte die Sängerin aber kürzlich als Gewohnheitstrinkerin, die außerdem regelmäßig Drogen konsumiere, gerügt und zu wöchentlichen Drogentests verpflichtet. Zudem muss sich Spears nach seiner Anordnung acht Stunden pro Woche mit einem Erziehungspädagogen treffen, der ihre Eignung als Mutter ins Visier nehmen soll.

Ihre Eignung als Mutter ist es auch, die das Interesse der Öffentlichkeit so über die Maßen in Anspruch nimmt. Denn eine Mutter, die nicht der Ikone von selbstaufopfernder, liebevoller Hingabe entspricht und stattdessen - angeblich - ihre Kinder zwischen leeren Bierflaschen und halb aufgegessenen Pizza-Schachteln herumtollen lässt wie Britney Spears - verstört eherne Gewissheiten.

Die Sozialpädagogin Beate Schädler (55) ist Mitarbeiterin des Neuruppiner Frauenhauses und vermutet, dass es in der öffentlichen, richterlichen Verurteilung von Britney Spears für manche Frauen auch einen Sensations-Lustgewinn gibt: "Da ist eine schöne, reiche Mutter. Und siehe da: Die kriegt es auch nicht auf die Reihe. Das ist die alte Tradition: Frauen gegen Frauen. Sie konkurrieren miteinander um das bessere Frausein, anstatt sich gegenseitig zu unterstützen."

Beate Schädler hat in ihrem Alltag in der brandenburgischen Kleinstadt Neuruppin weniger mit Popstars, sondern mit unter häuslicher Gewalt leidenden Frauen zu tun. Auch jungen Frauen, die gerne Britney Spears hören und sich zum Teil nach ihrem Vorbild kleiden. Ihrer Einschätzung nach hat Britney Spears, Glamour hin oder her, womöglich ein schwerwiegendes Problem - und steht damit keineswegs alleine da: "Mütter stehen fast immer am Rand der Überforderung. Schon die Geburt bedeutet automatisch eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheit - da kommen oft verborgene Traumata wieder zum Vorschein." Hinzu kommen ständiger Schlafentzug und permanente körperliche Anstrengung.

Die Sozialpädagogin spricht auch aus, was so mancher nicht zu denken wagt oder nicht so gerne hören möchte: "Mutterliebe als Naturereignis gibt es so nicht, nicht jede Mutter hat automatisch eine Bindung zu ihrem Kind. Die Wahrheit ist, dass viele Kinder gar nicht geliebt werden, weder von ihren Vätern, noch von ihren Müttern."

Im Falle Spears wundert sich Beate Schädler jedoch darüber, dass die Eignung des Vaters offenbar kein Gegenstand der Diskussion ist und Federline problemlos das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder bekommen hat: "In unseren Fällen rächen sich oft Väter an den Müttern, indem sie behaupten, die Mutter habe sich nicht um das Kind gekümmert". Auch im Fall Spears hatte Ex-Ehemann Kevin Federline, ehemaliger Background-Dancer von Spears und kein Kind von Traurigkeit, vor Gericht angegeben, dass die Sängerin die gemeinsamen Kinder "gefährde". Jener wichtige Zeuge jedoch, der von den Pizza-Schachteln und Bierdosen öffentlich Zeugnis ablegte, wurde vor Gericht aufgrund mangelnder Glaubwürdigkeit nicht zugelassen.

Britney Spears "mangelnde Fürsorge" für ihre beiden Söhne wird inmitten einer Öffentlichkeit diskutiert, die sich nur vordergründig für die Person Spears interessiert und in Wirklichkeit nur für sich selbst: Spears ist in diesem Fall nicht mehr das kleine, freche "All American Girl" sondern eine Ikone junger Mütterlichkeit - und muss sich daran messen lassen.

Außerhalb des Scheinwerferlichts schreitet einfach das Jugendamt ein, wenn Mütter und Väter versagen. Doch auch dessen Arbeit steht unter öffentlicher Beobachtung und entsprechendem Druck: nach gehäuften Todesfällen von Kleinkindern die jedes mal einen medialen Aufschrei nach sich zogen, agieren die Ämter mittlerweile schneller als früher. Erfolgt ein Hinweis - wo kein Kläger, da kein Richter - gehen die Mitarbeiter sofort in die Familien und überprüfen, ob Anzeichen von Verwahrlosung oder Misshandlung vorliegen. Das Amt kann dann rasch handeln und das betroffene Kind in seine Obhut nehmen - je jünger das Kind, desto größer ist seine Gefährdung. Ein Säugling kann zum Beispiel schon in wenigen Stunden verdursten.

In der Regel versucht das Jugendamt jedoch, eine einvernehmliche Lösung mit den Kindseltern zu finden. Die Jugendhilfe bietet eine Vielzahl von Angeboten: Von der Erziehungsberatung für die Eltern über Tagesgruppen und soziale Gruppenarbeit für die Kinder und Jugendlichen. Häufig kommt eine Pädagogin bis zu acht Stunden die Woche in die Familie, um die jeweiligen Strukturen konkret zu verbessern. Möglich ist auch eine vorrübergehende oder längerfristige Unterbringung in Heimen oder Pflegefamilien. Erst ganz am Ende steht der Entzug der Erziehungsberechtigung, die juristisch ein hohes Gut darstellt.

Die individuelle Auseinandersetzung um dieses Gut unterliegt allerdings oft den Determinierungen der Schichtzugehörigkeit. Das unaufgeräumte Wohnzimmer einer alternativen Arzt-Familie wird von den Behörden in der Regel weniger streng bewertet, als der klebrige "Unterschicht"-Küchentisch in der Hochhaus-Siedlung. Und während gebildete Eltern schriftliche Widersprüche beim Amt einreichen und einen Anwalt konsultieren, fühlen sich einfacher strukturierte Menschen oft ihrem Sachbearbeiter ausgeliefert: Hat man den einmal in seiner Ohnmacht angebrüllt, hat man schlechte Karten.

In Deutschland bleiben noch immer viele Fälle von Verwahrlosung und Misshandlung im Dunkeln. Eine wachsende Zahl junger Eltern steht außerhalb von Arbeitszusammenhängen und somit oft außerhalb der sozialen Kontrolle. Im Falle von Britney Spears ist das Gegenteil der Fall: Jede Nuance ihres Privatlebens ist dem grellen Licht der Öffentlichkeit ausgeliefert. Und mit jedem Nr.1 Hit wird der Druck größer.

http://www.taz.de/index.php?id=start&art=5485&id=koepfe-artikel&src=SZ&cHash=1603fb6a71

 

 

 

 

Kommentar Väternotruf:

Der Euphemismus (deutsch auch: Hehlwort, Hüllwort, Beschönigung) (latinisierte Form des griechischen ευφημισμός, von altgriechisch euphemi „schönreden, beschönigen“) bezeichnet Wörter oder Formulierungen, die einen Sachverhalt beschönigend, verhüllend oder verschleiernd darstellen. Euphemistische Begriffe können wegen ihres verharmlosenden Charakters auch einen sarkastischen Unterton haben.

 

Britney Spears hat das Sorgerecht für ihre Kinder verloren - so titelt die TAZ mit dem allerschönsten Euphemismus, seit die TAZ erfunden wurde.

Verlieren kann man ein Schlüsselbund, die Brille oder auch eine TAZ, die man sich gerade kaufte, um die nassen Stiefel auszustopfen. Das soll ja mit der TAZ besonders gut gehen, da diese eine ähnlich starke Saugleistung hat, wie ein Baby an der Mutter Brust.

 

Doch Britney Spears hat das Sorgerecht für ihre beiden Söhne natürlich nicht "verloren", sondern es wurde ihr von einem Richter entzogen, grad so wie der Honecker-Staat Wolf Biermann die Staatsbürgerschaft der DDR entzogen hatte und die linksliberale Szene in der BRD sich empörte, derweil in der Bundesrepublik Deutschland nichtverheiratete Vätern nach dem BGB noch nicht einmal ein Umgangsrecht, geschweige denn ein Sorgerecht zugestanden wurde und Hunderttausende von Vätern und Kinder auf diese Weise dauerhaft und mit einer Unerbittlichkeit voneinander getrennt wurden, dass die Berliner Mauer dagegen wie der Gartenzaun in einem Schrebergarten erscheinen muss..

Was Britney Spears angetan wurde, ist übliche Praxis in Deutschland, wenn gleich es inzwischen einige Familienrichter, wie etwa am Amtsgericht in Cochem gibt, die auf diese entwürdigenden und Eltern entsorgende vorhumanistischen Entsorgungsrituale verzichten

Dass es in Deutschland überhaupt noch diese Praxis des Sorgerechtesentzuges nach §1671 BGB gibt, hat ganz wesentlich damit zu tun, dass es fast immer Väter sind, denen das Sorgerecht auf diese Weise von den Gerichten entzogen wird. Würde dies überwiegend Frauen betreffen, der §1671 wäre über Nacht abgeschafft, denn wir wissen ja, ein Vater zählt in Deutschland nichts, eine Mutter alles.

Was kommt es da auf ein paar zehntausend entsorgte Väter im Jahr an, mag sich die verantwortliche Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) denken, bei der nun wirklich nicht zu erkennen ist, dass sie die Notwendigkeit einer Streichung des §1671 BGB auch nur annäherungsweise erkannt hat.

 

 

 


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