Bundesverfassungsgericht
Umgang
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Warum die Rechte leiblicher Väter gestärkt wurden
26.12.2010 13:40 Uhr
Von Jost Müller-Neuhof
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat den Status leiblicher Väter gestärkt. Es gibt nun einen grundsätzlichen Anspruch eines biologischen Vaters auf ein Umgangsrecht. Warum war das notwendig?
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat, wie im Dezember 2009, erneut die Stellung lediger Väter gestärkt. Nach dem Urteil gibt es einen grundsätzlichen Anspruch eines biologischen Vaters auf ein Umgangsrecht, selbst wenn er das Kind noch gar nicht kennt – jedenfalls dürfen die Gerichte ihn nicht von vornherein ausschließen.
Welchen Fall hatten die Richter zu entscheiden?
Am Anfang stand eine Affäre mit einer verheirateten Frau und Mutter. Frau B. hatte schon drei Kinder, heute zwischen 14 und zehn Jahren alt, als der gebürtige Nigerianer Frank Eze A. sie kennenlernte. Die Beziehung zu dem Asylbewerber währte zwei Jahre, die Frau erwog eine Scheidung, dann trennte sie sich aber doch und kehrte zu ihrem Mann zurück.
Vier Monate später, im Dezember 2005, brachte sie Zwillinge zur Welt, die Töchter von Frank Eze A. Sein Asylantrag wurde später abgelehnt, 2008 zog der Nigerianer nach Spanien. In all den Jahren kämpfte er darum, seine Kinder sehen zu dürfen – vergeblich.
Wie ging die Justiz in Deutschland mit dem Fall um?
Zunächst abwägend. Das Familiengericht Baden-Baden hörte sich alle Parteien drei Mal an, zog einen Psychologen hinzu und entschied, dem Nigerianer einmal im Monat für eine Stunde Kontakt einzuräumen, in Gegenwart eines Familienarbeiters und mit Herrn oder Frau B., wenn die es wünschen. Der Gutachter meinte, es sei für die Kinder günstig, ihren Vater kennenzulernen und zu erleben, es sei wichtig für ihre Wurzeln, für ihre Identität, ihr Selbstwertgefühl, zumal sich diese Fragen für sie als Deutsch-Afrikaner in besonders auffälliger Weise stellten. Die Familie B. würde darunter nicht leiden, es sei im Interesse aller, wenn die Tatsachen nicht verborgen blieben. Das Familiengericht stützte sich dabei nicht auf die Rechte eines biologischen Vaters, sondern sah in dem Vater eine besonders enge Bezugsperson nach Paragraf 1685 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), der ein Umgangsrecht zugestanden werden müsse.
Welche Rolle spielte der Asylbewerberstatus?
Frank Eze A. willigte ein, dass seine Kinder in der Familie B. aufgezogen würden, er gab nur an, er wolle „eine Chance in seinem Asylverfahren haben“. Wiederholt fragte er nach Kontakt zu den Kindern und argumentierte, er habe keine Chance, eine Verbindung zu seinen Kindern aufzubauen, wenn er nicht in Deutschland bleiben dürfe. Die Eheleute warfen ihm in dem Rechtsstreit vor, er wolle den Umgang nur, um sein Recht auf Asyl durchzusetzen. Der psychologische Gutachter widersprach allerdings, die Eheleute nutzen nur ein Vorurteil, um in dem Kläger einen für ihre eigene schwierige Situation Schuldigen zu finden.
Wie ging der Rechtsstreit weiter?
Die Eheleute zogen vor das Oberlandesgericht Karlsruhe, im Dezember 2006 hob es den Beschluss des Familiengerichts auf. Frank Eze A. sei kein umgangsberechtigter Elternteil im Sinne von Paragraf 1684 BGB, da sich diese Regelung auf die Eltern im Rechtssinne beziehe, nicht auf den leiblichen Vater. A. habe keinerlei Verantwortung für die Kinder getragen und folglich auch keine sozial-familiären Bindungen aufgebaut. Er könne deshalb auch nicht als „enge Bezugsperson“ gelten und demnach ein Umgangsrecht beanspruchen. Ob der Kontakt zwischen den Mädchen und ihrem Vater in deren Interesse läge, sei unerheblich. Das Grundgesetz schütze den Umgang des biologischen Vaters mit seinem Kind nur insoweit, als sozial-familiäre Beziehungen bereits bestehen; es schütze nicht den Wunsch, eine Beziehung zu dem Kind erst aufzubauen. Der Vater wandte sich daraufhin an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, doch auch dort wies man ihn im März 2007 ab.
Generell: sehr vorsichtig. Familienleben ist eine heikle Angelegenheit, da mischt man sich nur ungern in die Kompetenzen nationaler Gesetzgeber und Gerichte. Allerdings sieht es einen Punkt grundlegend anders: Der Wunsch eines Vaters, sein Kind kennenzulernen, wird vom Schutzbereich „Familienleben“ der Menschenrechtskonvention umfasst – sofern die Tatsache, dass es solche familiären Kontakte bisher noch nicht gab, nicht dem Vater selbst zuzurechnen ist. A. habe sich für seine Kinder interessiert und zuvor eine stabile Beziehung zur Mutter gehabt, auch wenn er mit Frau B. nie zusammengelebt habe. Und wenn das noch kein „Familienleben sei“, so sei es doch immerhin das ebenfalls schützenswerte „Privatleben“.
Wie gehen andere Länder in Europa mit solchen Fällen um?
Der EGMR tat, was er bei solchen Sachverhalten immer tut, er informiert sich über die Rechtslage in den 47 Unterzeichnerstaaten der Menschenrechtskonvention. Eine „einheitliche Herangehensweise“ konnten die Richter nicht finden, allerdings gäbe es in vielen Staaten in solchen Fällen eine gerichtliche Prüfung, ob der Kontakt zum biologischen Vater im Interesse des Kindeswohls liegt. Besonders betont wird der im deutschen Recht erkennbare „Wille, bestehenden Familienbindungen Vorrang vor der Beziehung eines biologischen Vaters mit seinem Kind einzuräumen“, die ebenfalls schutzbedürftig sei. Es müsse also eine „gerechte Abwägung“ zwischen den konkurrierenden Rechten geben. Es dürfe dabei nicht nur um Eltern- oder Kindesrechte gehen, sondern alle Beteiligten müssten als „Einzelpersonen“ einbezogen werden: Mutter, rechtlicher Vater, biologischer Vater, die gemeinsamen biologischen Kinder des Ehepaares, die Kinder aus der zeitweiligen Beziehung zum biologischen Vater. Die deutschen Gerichte hätten keine „gerechte Abwägung“ vorgenommen, sie hätten es „unterlassen, die Frage auch nur zu prüfen, ob der Kontakt zwischen den Zwillingen und Herrn A. unter den besonderen Umständen des Falls im Interesse der Kinder läge.“
Wie ist die Haltung der Bundesregierung?
Das deutsche Recht schütze das Familienleben und den biologischen Vater ausreichend, meinte man, und legte in Straßburg Untersuchungen vor, denen zufolge der aufgezwungene Kontakt zum biologischen Vater auch zu einer Bürde für die Entwicklung des Kindes wird, wenn die Eltern nicht in der Lage sind, ihre Konflikte nach der Trennung in den Griff zu bekommen. Zudem: Überhaupt kein Kontakt zum biologischen Vater beeinträchtige nicht automatisch die soziale Entwicklung eines Kindes. Nach dem Richterspruch aus Straßburg sieht die Sache nun anders aus, Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kündigte an, das Umgangsrecht im BGB prüfen zu wollen: „Im Spannungsfeld zwischen rechtlichem und biologischem Vater stellen sich ethisch und rechtlich schwierige Fragen, die nicht einseitig zugunsten des Ehemannes gelöst werden dürfen. Biologische Väter haben auch dann Rechte, wenn sie nicht mit der Mutter verheiratet sind und rechtlich nicht als Vater gelten.“
Wie kann der Fall enden?
Auch wenn die Gesetze bleiben sollten, wie sie sind, kann Frank Eze A. erneut vor Gericht ziehen, Urteile aus Straßburg müssen von deutschen Gerichten beachtet werden. Das deutsche Recht sieht auch keinen generellen Ausschluss des biologischen Vaters vom Umgangsrecht vor. Die Gerichte müssen aber nun die einzelnen Rechtspositionen gründlicher abwägen – doch am Ende könnte trotzdem alles bleiben, wie es ist.
http://www.tagesspiegel.de/politik/warum-die-rechte-leiblicher-vaeter-gestaerkt-wurden/3677474.html
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen 1-jährigen Umgangsausschluss
http://www.baltesundrixe.de/ Familienrecht, Verfassungsrecht, Menschenrechte -
BVerfG: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen 1-jährigen Umgangsausschluss
Dienstag, 20. Januar 2009
In einem von Rechtsanwalt Georg Rixe geführten Verfassungsbeschwerdeverfahren hat das BVerfG mit Beschluss vom 05.12.2008 – 1 BvR 746/08 einen 1-jährigen Umgangsausschluss wegen schwerwiegenden Verstoßes gegen das Elternrecht des Kindesvaters gem. Art. 6 II GG beanstandet. Das BVerfG rügte vor allem, dass die Gerichte den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt hatten. Denn es war kein Sachverständigengutachten zu den maßgeblichen Fragestellungen eingeholt worden, das Kind war von keinem der entscheidenden Richter persönlich angehört worden und die Eltern waren in der Beschwerdeinstanz auch nicht zu den Möglichkeiten eines - ggf. begleiteten - Umgangs gehört worden. Das BVerfG beanstandete darüber hinaus, dass die Gerichte nicht die Frage eines begleiteten Umgangs oder der Einrichtung einer Umgangspflegschaft geprüft hatten, bevor sie zu einem Ausschluss des Umgangs gelangten. Schließlich hob das BVerfG die Entscheidung des Kammergerichts insoweit auf, als sie dem Beschwerdeführer Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeinstanz versagt hatte.
Download… http://www.baltesundrixe.de/images/1bvr74608.pdf des Beschlusses des BVerfG vom 05.12.2008 – 1 BvR 746/08 (neutralisierte Fassung)
Umgangspflicht
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 01.04.2008
1 BvR 1620/04
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass eine nach § 1684 Abs. 1 BGB titulierte Umgangspflicht eines Elternteils, der einen Umgang mit seinem Kind ablehnt, mit Zwangsmitteln durchgesetzt wird, deren Androhung und Verhängung § 33 Abs. 1 und 3 FGG ermöglicht.
www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20080401_1bvr162004.html
Es kreißte der Berg und gebar eine Maus - neue Wunderlichkeiten aus dem verschlafenen Karlsruhe:
Bundesverfassungsgericht: Regelmäßig keine zwangweise Durchsetzung der Umgangspflicht
Ein Kind hat einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass seine Eltern Sorge für es tragen und der mit ihrem Elternrecht untrennbar verbundenen Pflicht auf Pflege und Erziehung ihres Kindes nachkommen.
Allerdings dient ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen seinen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden kann, in der Regel nicht dem Kindeswohl. Daher ist in solchen Fällen die Zwangsmittelvorschrift des § 33 FGG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass eine zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht zu unterbleiben hat. Anders liegt es, wenn es im Einzelfall hinreichende Anhaltpunkte gibt, die darauf schließen lassen, dass ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen wird. Dann kann der Umgang auch mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts.
Damit war die Verfassungsbeschwerde eines umgangsunwilligen Vaters, der durch Androhung eines Zwangsgeldes zum Umgang mit seinem Kind gezwungen werden sollte, erfolgreich. Die Sache wurde zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
I. Die Androhung des Zwangsgeldes zur Durchsetzung der Pflicht des Beschwerdeführers, mit seinem Kind gegen seinen Willen Umgang zu pflegen, greift in sein Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit ein. Entgegen seiner eigenen Einstellung wird er gezwungen, seinem Kind zu begegnen. Dies nimmt Einfluss auf sein persönliches Verhältnis zum Kind und setzt ihn unter Druck, sich seinem Kind gegenüber so zu verhalten, wie er es selbst nicht will. Gesetzliche Grundlage für die Zwangsgeldandrohung ist § 33 FGG. In die Prüfung, ob der durch die Androhung von Zwangsgeld erfolgte Grundrechtseingriff zu rechtfertigen ist, ist § 1684 Abs. 1 BGB, der die Eltern zum Umgang mit ihrem Kind verpflichtet, mit einzubeziehen.
II. Mit der Möglichkeit der Zwangsgeldandrohung gegenüber einem umgangsunwilligen Elternteil verfolgt der Gesetzgeber einen legitimen Zweck. (1) Die in § 1684 BGB gesetzlich statuierte Pflicht eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind ist eine zulässige Konkretisierung der den Eltern grundrechtlich zugewiesenen Verantwortung für ihr Kind. Art. 6 Abs. 2 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihres Kindes, macht diese Aufgabe aber zugleich auch zu einer ihnen zuvörderst obliegenden Pflicht. Die Pflicht der Eltern zur Pflege und Erziehung ihres Kindes besteht nicht allein gegenüber dem Staat, sondern auch ihrem Kind gegenüber. Mit dieser elterlichen Pflicht korrespondiert das Recht des Kindes auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern aus Art. 6 Abs. 2 GG. Recht und Pflicht sind vom Gesetzgeber näher auszugestalten. Da ein Umgang zwischen Eltern und Kind dem Wohl des Kindes und seiner Entwicklung grundsätzlich zugute kommt, hat der Gesetzgeber in § 1684 BGB die Eltern zum Umgang mit ihrem Kind verpflichtet und damit angemahnt, dass sie ihrer Verantwortung gegenüber dem Kind nachkommen. (2) Der mit der Verpflichtung eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind verbundene Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit ist wegen der den Eltern durch Art. 6 Abs. 2 GG auferlegten Verantwortung für ihr Kind und dessen Recht auf Pflege und Erziehung durch seine Eltern gerechtfertigt. Wägt man das Interesse des Kindes an einem gedeihlichen Umgang mit seinen beiden Elternteilen mit dem Interesse eines Elternteils ab, mit dem Kind nicht in persönlichen Kontakt treten zu wollen, dann ist dem kindlichen Anliegen gegenüber dem elterlichen Wunsch ein erheblich größeres Gewicht beizumessen. Denn als gewichtige Basis für den Aufbau und Erhalt einer persönlichen familiären Beziehung ebenso wie für das Empfangen elterlicher Unterstützung und Erziehung ist der Umgang eines Kindes mit seinen Eltern für seine Persönlichkeitsentwicklung von maßgeblicher Bedeutung und trägt grundsätzlich zu seinem Wohle bei. Es ist einem Elternteil deshalb zumutbar, zum Umgang mit seinem Kind verpflichtet zu werden, wenn dies dem Kindeswohl dient.
III. Die Androhung der zwangweisen Durchsetzung der Umgangspflicht eines Elternteils gegen dessen erklärten Willen ist jedoch regelmäßig nicht geeignet, den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Ein Umgang mit dem Kind, der nur mit Zwangsmitteln gegen seinen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzt werden kann, dient in der Regel nicht dem Kindeswohl. Insoweit ist der mit der gerichtlichen Zwangsmittelandrohung erfolgende Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit des Elternteils nicht gerechtfertigt, es sei denn, es gibt im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen wird. (1) Die zwangsweise Durchsetzung des Umgangs, bei der von dem Elternteil nicht nur bloße Anwesenheit, sondern eine emotionale Zuwendung zum Kind erwartet wird, widerstrebt seinen Gefühlen, die er gegenüber dem Kind hegt. Ein solcher an den Tag gelegter Widerwille, verbunden mit einer ablehnenden Haltung zum Kind, kann bei einem erzwungenen Umgang mit dem Kind nicht ohne Auswirkungen auf das Kind bleiben. Das Kind gerät in eine Situation, in der es nicht die mit dem Umgang bezweckte elterliche Zuwendung erfährt, sondern spüren muss, wie es als Person abgelehnt wird, und dies nicht von irgendjemandem, sondern gerade von seinem Elternteil. Dies birgt die große Gefahr, dass das Selbstwertgefühl des Kindes Schaden nimmt. (2) Bei der Eignung des Einsatzes von Zwangsmitteln gegen einen Elternteil zur Durchsetzung eines von diesem nicht gewollten Umgangs mit seinem Kind kommt es nicht darauf an, ob ein solcher Umgang das Kindeswohl gefährden könnte, sondern ob ein solcher Umgang dem Kindeswohl dient. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass der Umgang des Kindes mit seinen Eltern für seine Entwicklung von herausragender Bedeutung ist und seinem Wohl dient. Dies rechtfertigt den mit der Inpflichtnahme der Eltern bewirkten Eingriff in ihr Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit. Allerdings gilt das nur soweit und solange, wie der Umgang dem Kindeswohl auch tatsächlich dienlich sein kann. Wird dieser Zweck durch das gesetzliche Mittel, das ihn erreichen soll, verfehlt, ist es nicht geeignet, den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Elternteils zu rechtfertigen. Dies gilt auch für die gesetzlich eröffnete Möglichkeit, die Umgangspflicht mittels Androhung von Zwangsmitteln durchzusetzen. Dem steht nicht entgegen, dass § 1684 Abs. 4 BGB die Einschränkung und den Ausschluss des Umgangsrechts nur zulässt, wenn anderenfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Diese Regelung hat die Grenzen des elterlichen Umgangsrechts zum Gegenstand, nicht die Durchsetzung der Umgangspflicht. (3) Allerdings ist nicht auszuschließen, dass es Fälle gibt, in denen eine reale Chance besteht, dass das Kind in der Lage ist, durch sein Verhalten den Widerstand des den Kontakt zu ihm meidenden Elternteils aufzulösen, so dass ein zunächst erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen kann. Dies ist gegebenenfalls mithilfe von Sachverständigen zu klären. Je älter und je gefestigter ein Kind in seiner Persönlichkeitsentwicklung ist, umso eher wird davon auszugehen sein, dass auch eine zwangsweise Durchsetzung seines eigenen, nachdrücklich geäußerten Wunsches, Kontakt mit seinem Elternteil zu erhalten, seinem Wohl dienlich ist. In einem solchen Fall ist es einem Elternteil zumutbar, zu einem Umgang mit seinem Kind notfalls auch mit Zwangsmitteln angehalten zu werden.
IV. § 33 FGG ist daher verfassungsgemäß dahingehend auszulegen, dass eine zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht eines den Umgang mit seinem Kind verweigernden Elternteils zu unterbleiben hat, es sei denn, es gibt im konkreten Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass dies dem Kindeswohl dienen wird.
V. Bei erneuter Verhandlung und Entscheidung der Sache hat das Gericht auch den Anspruch des Kindes auf rechtliches Gehör zu beachten und zu prüfen, ob dem Kind in dem streitigen Umgangsverfahren ein Verfahrenspfleger zur Seite zu stellen ist. Der Fall gibt Anlass für Zweifel, ob der von der Mutter des betroffenen Kindes für dieses gestellte Antrag, den Beschwerdeführer auch gegen seinen deutlich erkennbaren Willen zum Umgang mit dem Kind zu verpflichten und dies notfalls auch mit Zwangsmitteln durchzusetzen, wirklich den Interessen des Kindes entspricht oder nicht eher zuwiderläuft.
Die Entscheidung ist zu III-IV mit 7:1 Stimmen, im Übrigen einstimmig ergangen (1 BvR 1620/04).
Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 1.4.2008
Im Wartesaal der Justitia
Deutsche Richter entscheiden schnell. Meistens. In Ausnahmefällen kann es bis zu 28 Jahre dauern, bis ein Urteil fällt. Wie man ewig lange Verfahren verhindern kann, ist umstritten.
Als Herr Niederbörster seine Tochter zeugt, ahnt er nicht, dass dies auch ein Akt der Rechtsgeschichte ist. Herr Niederbörster ist ein alter Mann. Er ist 70, als er Vater wird. Bis das letzte Gericht in dieser Sache geurteilt hat, wird er ein sehr alter Mann sein.
"Vor und nach der Geburt des Kindes kommt es zu Spannungen zwischen den Eltern", notieren die Richter später. Er sei zwanghaft gegenüber seiner Tochter, wirft ihm seine Ex-Freundin vor. 1990, da ist die Kleine fünf Jahre alt, verbietet die Mutter ihm jeglichen Umgang mit dem Kind.
Niederbörster hat die Gesetze gegen sich. Der damalige Paragraf 1711 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sagt: Die Mutter eines nichtehelichen Kindes dürfe dem biologischen Vater den Umgang untersagen, wenn das nicht dem Wohl des Kindes diene. 1992 klagt Niederbörster das erste Mal. Da ist er 77.
Er verliert vor dem Amtsgericht Bonn, er scheitert vor dem Bundesverfassungsgericht. Er geht vor das Landgericht, wieder vor das Amtsgericht, zieht erneut vor das Bundesverfassungsgericht; dieses Mal will er den verhassten Paragrafen 1711 zu Fall zu bringen. 1995 ersucht er die Richter, seine Beschwerde vorrangig zu bearbeiten; er sei ein 80-jähriger, herzkranker Mann.
Recht auf ein "faires" Verfahren
Die Richter antworten, dass sie sein Verfahren zurückstellen. Es gebe weitere Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit von Paragraf 1711. Deren Ausgang müsse abgewartet werden.
1998 gewinnt Niederbörster. Aber nicht, weil ein Gericht entscheidet. Sondern weil Paragraf 1711 nicht mehr existiert. Der Bundestag schafft die Norm ab. Ein Jahr später darf Niederbörster seine Tochter wiedersehen. Sie ist 14.
Niederbörster könnte es dabei bewenden lassen. Doch er klagt noch ein letztes Mal. Unter dem Rubrum "Niederbörster gegen Deutschland" geht es nicht mehr sein Umgangsrecht, nicht mehr um Paragraf 1711. Es geht darum, ob es hinnehmbar ist, wenn Bürger den Streit um eine Baugenehmigung, um ihr Sorgerecht oder um Schadensersatz zu ihrer Lebensaufgabe machen müssen, die ihnen 28, 17 oder auch nur acht Jahre raubt. Niederbörster zieht vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).
Dort kennt man die Bundesrepublik gut. Seit 1998 ist sie von den Straßburger Richtern in über 20 Fällen wegen überlanger Verfahrendauern verurteilt worden. Denn Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert das Recht auf ein faires Verfahren. Und "fair" bedeutet zumindest auch: einigermaßen hurtig.
Dabei bescheinigt die Statistik den deutschen Gerichten durchaus Entschlussfreudigkeit. Viereinhalb Monate dauert es im Schnitt, bis ein Amtsrichter in der Eingangsinstanz Recht schafft. Die anderen Gerichtszweige bemühen sich redlich. Etwas über ein Jahr dauert es sowohl bei den Verwaltungs- als auch Sozialgerichten.
Das Problem lauert zwischen den Zahlenkolonnen der Statistik, das weiß auch Jürgen Gehb, der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: "Wir haben teilweise überlange Verfahrensdauern, das ist überhaupt keine Frage." Je nach Bundesland, je nach Richter können sich Unterschiede auftun, die vom Durchschnitt gnädig niedergerechnet werden: Bis zu drei Jahre kann es dauern, bis ein Verwaltungsrichter ein Urteil unterzeichnet. In der zweiten Instanz, vor den Oberverwaltungsgerichten, sind es gar bis zu 50 Monate.
Und selbst die Zivilgerichte sorgen für Negativausreißer, wie Familie Nold erfahren musste. Das Ehepaar hatte eine Baufirma beauftragt, ein Haus zu errichten. Bald stellten sich Mängel heraus; die Nolds wollten nicht zahlen, der Bauunternehmer klagte. Die erste mündliche Anhörung vor Gericht fand erst zwei Jahre später statt. Sechsmal wechselten die Richter, Akten wurden versandt, ohne vorher Kopien anzufertigen, der Gutachter starb. Acht Jahre nach Prozessauftakt wurde die Klage zurückgezogen. Vom Insolvenzverwalter; die Baufirma war pleite.
Baustreitigkeiten sind die Verzögerungsklassiker
Fast jeder Anwalt kennt solche Fälle. Gerade Baustreitigkeiten sind die Verzögerungsklassiker. Deswegen frohlockte der Deutsche Anwaltverein (DAV), als das Bundesjustizministerium vor über zwei Jahren den Entwurf eines "Untätigkeitsbeschwerdengesetzes" vorstellte. Mit einer neuen "Tu-was-Beschwerde" zur nächsthöheren Instanz sollen Prozessparteien langsamen Gerichten Feuer unterm Richterstuhl machen können. Man begrüße das Ziel des Entwurfs "uneingeschränkt", schrieb der DAV in einer Stellungnahme. Denn natürlich werden mit jedem neuen Rechtsbehelf auch neue Honorare fällig.
Während sich die Anwälte freuten, tobten die Richter. "Ich bin ein erbitterter Gegner dieses Gesetzes", sagt Jürgen Gehb, der selber zwölf Jahre Richter war. "Damit wird ja wieder ein neues Verfahren in Gang gesetzt. Dann gibt es wieder eine neue Akte, wieder einen neuen Stempel." Beschleunigung geht anders. Und Christoph Frank, Vorsitzender des Deutschen Richterbunds, sekundiert: "Man würde damit nur falsche Erwartungen schaffen." Und wer klopft den Verfassungsrichtern auf die Finger, wenn sie zu lange brauchen? Der liebe Gott?
Nun hat das Bundesjustizministerium den Entwurf zurückgezogen. Zu heftig war die Kritik. Man wolle noch mal alle Möglichkeiten ausloten, sagt ein Sprecher. Man kann es auch eine gewisse Ratlosigkeit nennen. Denn die Alternativen kommen einem vor wie alte Bekannte: Christoph Frank fordert die Einstellung von neuen Richtern. Man diskutiert die Einführung einer Entschädigungslösung. Doch was hat ein Herr Niederbörster davon, wenn er nach einem überlangen Prozess ein paar Tausend Euro bekommt?
Immerhin ist sein Fall heute nicht mehr aus der Rechtsprechung des EGMR wegzudenken. Niederbörster bekam wegen der Verzögerung recht. Da war er 88.
© Financial Times Deutschland
http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/services/nachrichten/ftd/PW/329518.html
1. März 2008, 13:41 Uhr
Kommentar Väternotruf:
Was müssen das für üble Richter am Amtsgericht Bonn, am Bundesverfassungsgericht und am zuständigen Landgericht gewesen sein, die einem über siebzig Jahre alten Mann und Vater das Recht verweigerten, Kontakt mit seinem Kind haben zu können.
Von Schadensersatz wie es jedem für das nationalsozialistische Deutschland verpflichteten Zwangsarbeiter inzwischen zugestanden wird, sind die Väter nichtehelicher Kinder wohl noch ein gutes Stück entfernt. Vorher müssen wohl all die alten Richter die sich hier in der Vergangenheit die Hände schmutzig gemacht haben, in den unverdienten Ruhenstand gegangen sein, ehe die Bundesregierung ihrer Verantwortung nachkommen dürfte, das Unrecht der Vergangenheit anzuerkennen.
Verhandlung des Ersten Senats über Verfassungsbeschwerde eines Vaters gegen Zwang zum Umgang mit seinem nichtehelichen Kind
Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -
Pressemitteilung Nr. 89/2007 vom 7. September 2007
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Tag der offenen Tür am 21. November 2007:
Verhandlung des Ersten Senats über Verfassungsbeschwerde eines Vaters gegen Zwang zum Umgang mit seinem nichtehelichen Kind
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Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt im Rahmen der Tage der offenen Tür am
Mittwoch, 21. November 2007, 10:00 Uhr,
im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts,
Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe
eine Verfassungsbeschwerde zur Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, einen Vater durch Androhung eines Zwangsgeldes zum Umgang mit seinem Kind zu zwingen.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet. Aus der Ehe sind zwei minderjährige Kinder hervorgegangen. Außerdem hat der Beschwerdeführer einen im Februar 1999 geborenen Sohn, der aus einer außerehelichen Beziehung stammt. Der Beschwerdeführer hat die Vaterschaft anerkannt und leistet Unterhalt; persönliche Kontakte unterhält er zu dem Kind jedoch nicht. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers würden Umgangskontakte mit seinem Sohn unweigerlich zum Zerbrechen seiner Ehe führen. Zudem empfinde er keine Bindung zu dem ihm unbekannten und gegen seinen ausdrücklichen Willen gezeugten Kind.
Im November 2000 wies das Amtsgericht den Antrag der Mutter des Kindes auf eine Umgangsregelung zwischen dem Kind und seinem Vater zurück. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass ein erzwungener Umgang angesichts der ablehnenden Haltung des Vaters nicht dem Wohl des Kindes entspreche. Das Oberlandesgericht änderte diese Entscheidung nach Einholung eines psychologischen Gutachtens im Januar 2004 ab und ordnete den Umgang des Beschwerdeführers mit seinem Kind an. Nach § 1684 Abs. 1 BGB habe das Kind ein Recht auf Umgang mit seinem leiblichen Vater. Nach derselben Vorschrift sei der Vater verpflichtet, den Umgang wahrzunehmen. Der Umgang solle - wie vom Sachverständigen vorgeschlagen - als betreuter Umgang in Anwesenheit eines vom Jugendamt zu bestimmenden sach- und fachkundigen Dritten stattfinden. Für den Fall der Verweigerung drohte das Oberlandesgericht dem Beschwerdeführer ein Zwangsgeld von bis zu 25.000 Euro an.
Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass die Zwangsgeldandrohung ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletze. Der Gesetzgeber habe in § 1684 Abs. 1 GG zwar den Elternteilen aufgegeben, Umgang mit den Kindern zu führen; diese moralische Verpflichtung sei jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht mit Zwangsmitteln vollstreckbar. § 33 FGG, der die Verhängung von Zwangsmitteln regelt, könne daher nicht als Rechtsgrundlage für die zwangsweise Durchführung eines Umgangskontaktes gegen den Willen des betroffenen Elternteils herangezogen werden.
Darüber hinaus treffe die Androhung des Ordnungsgelds mittelbar auch die Familie des Beschwerdeführers in ihrem Recht aus Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Ehe und Familie). Bei zwangsweiser Durchsetzung des Umgangs würde ein bestehender Familienverband zerstört werden.
Hinsichtlich der weiteren für die Tage der offenen Tür vorgesehenen Verhandlungen ergehen gesonderte Pressemitteilungen.
Hinweis
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Interessierte Bürgerinnen und Bürger, die an der mündlichen Verhandlung teilnehmen wollen, wenden sich bitte schriftlich an
Herrn Oberamtsrat Kambeitz
Postfach 1771, 76006 Karlsruhe
Fax: 0721 9101-461
Bei der Anmeldung sind Name, Vorname, Geburtsdatum und eine Telefon- oder Faxnummer anzugeben.
...
http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg07-089.html
Kommentar Väternotruf:
Bei Meldungen wie der obigen, wissen wir immer nicht, ob das Bundesverfassungsgericht gerade mal wieder eine Show absolviert, um dem unkundigen und ahnungslosen Publikum wie gut doch am selbigen Gericht gearbeitet wird, oder ob es dem Bundesverfassungsgericht wirklich um die Vater-Kind-Kontakte geht, die es an anderer Stelle, bei der Vorenthaltung des Sorgerechts für nichtverheiratete Väter, bereit ist, auf dem Altar seiner Mutterfixierung zu opfern.
Nun, wer gerade nichts besseres zu tun hat, mag sich die Veranstaltung reinziehen. Immerhin ist die Teilnahme kostenlos, was man an anderer Stelle leider nicht sagen kann, wo Vätern vom Staat Geld aus der Tasche gestohlen wird, nur weil sie es wagen, bei einem Familiengericht wie etwa dem hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen in Waldshut-Tiengen, das gemeinsame Sorgerecht für ihre Kinder zu beantragen.
Gute Nacht Karlsruhe und Schlaf weiter.
09.09.2007
BVerfG: Umgangsregelung ohne Übernachtungen und Ferienaufenthalte
NJOZ 2007 Heft 23 2411
Umgangsregelung ohne Übernachtungen und Ferienaufenthalte
GG Art. 6 II 1; BGB § 1686
Eine Umgangsregelung trägt dem Elternrecht nicht ausreichend Rechnung, wenn der Ausschluss von Übernachtungs- und Ferienumgängen für ein Elternteil - unter Bezugnahme auf eine Zitatstelle in einem Kommentar, in der einige Gerichtsentscheidungen benannt werden - allein auf das geringe Alter des Kindes (hier: ca. dreieinhalb Jahre) gestützt wird. Denn ein Ausschluss von Übernachtungs- und Ferienumgängen bis zur Einschulung des Kindes beschränkt das Elternrecht des betroffenen Elternteils gravierend.
BVerfG, Beschluß vom 23. 3. 2007 - 1 BvR 156/07
Zum Sachverhalt:
Der Bf. wendet sich gegen eine Umgangsregelung, die weder Übernachtungen noch Ferienaufenthalte seines dreijährigen Kindes bei ihm vorsieht, und gegen die Zurückweisung seines Antrags, die Ag. des Ausgangsverfahrens (Kindesmutter) zur Information des Bf. über die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu verpflichten.
Der Bf., ein schweizerischer Staatsangehöriger, ist der Vater einer im Mai 2003 geborenen Tochter, die aus seiner im Oktober 2002 geschlossenen Ehe mit der Kindesmutter hervorgegangen ist. Während noch intakter Ehe lebten die Kindeseltern in Deutschland, führten aber wegen einer auswärtigen Erwerbstätigkeit des Bf. eine so genannte „Wochenendehe“. Seit der im Januar 2006 erfolgten Trennung der Kindeseltern lebt das Kind im Haushalt der Kindesmutter, der ca. 550 km von dem in der Schweiz befindlichen des Bf. entfernt liegt. Die elterliche Sorge für das Kind üben die Kindeseltern weiterhin gemeinsam aus.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 21. 7. 2006 räumte das AG dem Bf. nach Anhörung der Kindeseltern und Beteiligung des Jugendamts ein Umgangsrecht alle zwei Wochenenden samstags und sonntags jeweils von 12:00 bis 18:00 Uhr und an den zweiten Feiertagen von Weihnachten, Ostern und Pfingsten jeweils von 12:00 bis 18:00 Uhr sowie das Recht ein, mit seinem Kind jeden Sonntag um 12:00 Uhr zu telefonieren. Das eingeräumte zweiwöchige Umgangsrecht sei angemessen und entspreche der st. Rspr. des Gerichts in vergleichbaren Fällen, insbesondere bei dem gegebenen Alter des Kindes von drei Jahren. Zu den regelmäßigen zweiwöchigen wochenendlichen Umgangsterminen seien Umgangskontakte wie an den zweiten Feiertagen der hohen kirchlichen Feste zu verfügen; diese Feiertagsregelung sei regelmäßig Inhalt des verfügten Umgangsrahmens. Wegen des geringen Alters des Kindes kämen im gegenwärtigen Zeitpunkt Übernachtungen des Kindes beim Bf. nicht in Betracht. Nach Auffassung des Gerichts gelte das „bis zur Schulreife des Kindes (vgl. Palandt/Diedrichsen, BGB, 64. Aufl., § 1684 Rdnr. 15 m.w. Nachw.)“. Aus demselben Grund könne im gegenwärtigen Zeitpunkt auch keine Ferienregelung verfügt werden. Der Auskunftsanspruch des Bf. sei unbegründet, weil ein allgemeiner, periodisch und wiederholt zu erfüllender Auskunftsanspruch ohne konkreten Anlass abzulehnen sei.
Die hiergegen vom Bf. eingelegte Beschwerde wies das OLG mit dem angegriffenen Beschluss vom 6. 12. 2006 im Bürowege zurück. Das AG habe sich bei seiner ausschließlich am Maßstab des Kindeswohls orientierten Entscheidung nach § 1684 III BGB ausführlich mit den möglichen Folgen eines länger ausgedehnten Umgangs für das Kind - sei es durch Übernachtungen, sei es durch Ferienregelungen - auseinandergesetzt und dabei insbesondere auf die hierzu ergangene Rspr. hingewiesen, nach der derartige Umgangskontakte bis zur Schulreife vermieden werden sollten. Das sei nicht zu beanstanden, zumal die Kindeseltern über die Reaktionen des Kindes auf die derzeitigen Besuchskontakte durchaus stritten und eine Überforderung des Kindes zu vermeiden sei; insoweit bedürfe es auch der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht, weil allein dies eine nicht unerhebliche Belastung für das Kind bedeuten könne. Das berechtigte Interesse des Bf. an einer allgemein gefassten Auskunftsregelung (§ 1686 BGB) habe das AG mit zutreffender Begründung verneint.
Gegen die Entscheidungen des Amts- und des OLG wendet sich der Bf. mit seiner Verfassungsbeschwerde, mit der er unter anderem eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 6 II 1 GG rügt.
Die Verfassungsbeschwerde wurde der Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen und der Kindesmutter zugestellt. Die Kindesmutter verteidigt die angegriffenen Entscheidungen. Die Bet. hatten Gelegenheit zur Stellungnahme zum Gegenstandswert; der Bf. beantragt insoweit, den Gegenstandswert auf mindestens 10000 Euro festzusetzen.
Die Verfassungsbeschwerde hatte teilweise Erfolg.
Aus den Gründen:
II. 1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, soweit der Bf. die Zurückweisung seines Antrags auf Verpflichtung der Kindesmutter zur Auskunftserteilung angreift; denn insoweit ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil der Bf. sie nicht substanziiert begründet hat (§ 92 BVerfGG). Er hat sich nicht damit auseinandergesetzt, dass ihm die Gerichte das von § 1686 BGB vorausgesetzte berechtigte Interesse an der von ihm begehrten Auskunft abgesprochen haben.
2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung von Übernachtungs- und Ferienumgängen richtet, ist sie zulässig und wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Bf. geboten ist (§ 93a II lit. b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das BVerfG bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c I BVerfGG).
Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Bf. in seinem Grundrecht aus Art. 6 II 1 GG.
a) Das Umgangsrecht eines Elternteils steht ebenso wie die elterliche Sorge des anderen Elternteils unter dem Schutz des Art. 6 II 1 GG. Beide Rechtspositionen erwachsen aus dem natürlichen Elternrecht und der damit verbundenen Elternverantwortung und müssen von den Eltern im Verhältnis zueinander respektiert werden. Der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, muss demgemäß grundsätzlich den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil ermöglichen (vgl. BVerfGE 31, 194 [206] = NJW 1971, 1447; BVerfGE 64, 180 [187]). Können sich Eltern über die Ausübung des Umgangsrechts nicht einigen, haben die Richter eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt (vgl. BVerfGE 31, 194 [206] = NJW 1971, 1447; BVerfGE 64, 180 [188]). Die Gerichte müssen sich daher im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen (vgl. BVerfG, NJW 1993, 2671 = FamRZ 1993, 662 [663]; NJW 2002, 1863 = FamRZ 2002, 809; FPR 2004, 611 = FamRZ 2004, 1166 [1167]). Die Umstände des Einzelfalls werden nicht hinreichend berücksichtigt, wenn die Gerichte, ohne konkrete Feststellungen zu treffen, eine bestimmte Umgangsregelung mit ihrer Spruchpraxis in vergleichbaren Fällen begründen (vgl. BVerfG, NJW 1993, 2671 = FamRZ 1993, 662 [663]).
Die von den Fachgerichten getroffenen tatsächlichen Feststellungen und die von ihnen im Einzelnen vorgenommene Abwägung hat das BVerfG nicht nachzuprüfen. Der verfassungsgerichtlichen Prüfung unterliegt jedoch, ob fachgerichtliche Entscheidungen auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 [92] = NJW 1964, 1715). Die Intensität dieser Prüfung hängt davon ab, in welchem Maße von der Entscheidung Grundrechte beeinträchtigt werden (vgl. BVerfGE 83, 130 [145] = NJW 1991, 1471 m.w. Nachw.).
Grundrechtsschutz ist auch durch die Gestaltung des Verfahrens sicherzustellen (vgl. BVerfGE 55, 171 [182]); das gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestaltung geeignet und angemessen sein, um der Durchsetzung der materiellen Grundrechtspositionen wirkungsvoll zu dienen (vgl. BVerfGE 84, 34 [49] = NJW 1991, 2005). Diesen Anforderungen werden die Gerichte nur gerecht, wenn sie sich mit den Besonderheiten des Einzelfalls auseinandersetzen, die Interessen der Eltern sowie deren Einstellung und Persönlichkeit würdigen und auf die Belange des Kindes eingehen (vgl. BVerfGE 31, 194 [210] = NJW 1971, 1447). Der Wille des Kindes ist zu berücksichtigen, soweit das mit seinem Wohl vereinbar ist. Voraussetzung hierfür ist, dass das Kind in dem gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit erhält, seine persönlichen Beziehungen zu den Eltern erkennbar werden zu lassen. Die Gerichte müssen ihr Verfahren deshalb so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können (vgl. BVerfGE 55, 171 [182]).
b) Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben hält die angegriffene Umgangsregelung nicht stand. Soweit die Gerichte dem Bf. Übernachtungs- und Ferienumgänge mit seiner Tochter versagt haben, haben sie weder die materielle Bedeutung des Elternrechts des Bf. hinreichend berücksichtigt (aa) noch ein Verfahren gewählt, das dazu geeignet war, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu schaffen (bb).
aa) Dem Elternrecht des Bf. trägt es nicht ausreichend Rechnung, wenn das AG den Ausschluss von Übernachtungs- und Ferienumgängen - unter Bezugnahme auf eine Zitatstelle in einem BGB-Kommentar, in der einige Gerichtsentscheidungen benannt werden - allein auf das geringe Alter des Kindes stützt. Denn ein Ausschluss von Übernachtungs- und Ferienumgängen bis zur Einschulung des Kindes beschränkt den Bf. in seinem Elternrecht gravierend. Hätte dieser Ausschluss Bestand, so wäre er noch für mehrere Jahre nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 1696 I BGB und damit nur dann abänderbar, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt wäre. Zudem ist zu berücksichtigen, welchen erheblichen Aufwand der Bf. betreiben muss, um den Umgang mit seinem Kind zu pflegen, da er für jedes Umgangswochenende weite Wegstrecken zurücklegen muss. Gerade solche Fahrtzeiten können ergänzend nicht nur für einen Umgang mit Übernachtung (vgl. BVerfG, NJW 2007, 1266 = FamRZ 2007, 105 [106]), sondern vorliegend vor allem für eine Ferienregelung sprechen. Diese würde es dem Bf. erlauben, den Umgang nicht nur in seiner Mietwohnung am Wohnort der Kindesmutter auszuüben, sondern das Kind auch zu sich in die Schweiz mitzunehmen. Gerade die Möglichkeit eines Zusammenlebens im Rahmen eines Urlaubs kann wesentlich dazu beitragen, die gefühlsmäßigen Bindungen des Kindes zum Bf. aufrechtzuerhalten und zu festigen (vgl. BVerfG, BeckRS 2005, 24595 = FamRZ 2005, 871), ferner könnte die Durchführung von Übernachtungs- und Ferienumgängen auch zur Entspannung der Situation und damit zur Entlastung des Kindes beitragen (vgl. BVerfG, FPR 2004, 611 = FamRZ 2004, 1166 [1167]).
Soweit das OLG den Ausschluss von Übernachtungs- und Ferienumgängen ergänzend damit begründet hat, dass die Kindeseltern über die Reaktionen des Kindes auf die derzeitigen Besuchskontakte durchaus stritten und eine Überforderung des Kindes zu vermeiden sei, genügt auch dies den Anforderungen, die das Elternrecht an die im Rahmen der Regelung des Umgangsrechts nach § 1684 I BGB erforderliche Interessenabwägung stellt, nicht, weil offen bleibt, wie das Kind tatsächlich auf die Übernachtungs- und Ferienkontakte reagiert und ob das Kind durch diese wirklich überfordert wird.
Diesen Fragen wäre weiter nachzugehen gewesen, zumal der Bf. mit seiner Beschwerde unter Antritt von Sachverständigenbeweis vorgebracht hatte, dass sich die Umgangsdurchführung seit der amtsgerichtlichen Entscheidung - die einvernehmlich praktiziert worden sei - positiv entwickelt habe.
bb) Die Gerichte haben ein Verfahren gewählt, das nicht dazu geeignet war, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu schaffen.
Die Frage, ob Übernachtungs- und Ferienumgänge eines kleinen Kindes mit dem umgangsberechtigten Elternteil mit dem Kindeswohl vereinbar sind oder nicht, erfordert eine möglichst zuverlässige Ermittlung des Willens des Kindes. Dieser ist zwar bei einem Kleinkind schwer zu ergründen und hat ein eher geringes Gewicht bei der Bestimmung der konkreten Ausgestaltung seines Umgangs mit dem umgangsberechtigten Elternteil. Jedoch könnte ein etwaiger vom Kind ausdrücklich oder indirekt geäußerter Wunsch nach Übernachtungen oder Ferienumgängen Ausdruck von Bindungen zum Bf. sein, die es geboten erscheinen lassen können, solche Übernachtungen und Ferienumgänge anzuordnen. Dieser Wille hätte zunächst durch eine richterliche Anhörung des bereits bei Erlass der amtsgerichtlichen Entscheidung drei Jahre alten Kindes in Erfahrung gebracht werden müssen; denn nach § 50b FGG hat das Gericht in einem Verfahren über die Umgangsregelung das Kind persönlich zu hören (vgl. BVerfGE 64, 180 [191] und - zum Sorgerecht - BVerfGE 55, 171 [180, 182]), auch um sich so einen unmittelbaren Eindruck von ihm zu verschaffen (vgl. BVerfGE 55, 171 [180]). Falls hiernach aus Sicht der Gerichte noch Fragen offen geblieben wären, hätten sie dem Kind nach § 50 I FGG einen Verfahrenspfleger bestellen (vgl. hierzu BVerfG, NJW-RR 2005, 801 = FamRZ 2005, 1057 [1058]; NJW 2007, 1266 = FamRZ 2007, 105 [107]) oder ein Sachverständigengutachten einholen können.
c) Beide angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem Verfassungsverstoß. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichte bei gebotener Ermittlung des Sachverhalts und hinreichender Berücksichtigung der Bedeutung des Elternrechts des Bf. ein weiter reichendes Umgangsrecht angeordnet hätten.
d) Es erscheint angezeigt, nur den Beschluss des OLG aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das OLG zurückzuverweisen (§ 95 II BVerfGG), weil dem Bf. damit besser gedient ist; denn es liegt in seinem Interesse, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung über sein Umgangsrecht zu erhalten (vgl. BVerfGE 84, 1 [5] = NJW 1991, 1879; BVerfGE 94, 372 [400] = NJW 1996, 3067).
3. Es entspricht trotz der teilweisen Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde der Billigkeit, anzuordnen, dass das Land Nordrhein-Westfalen dem Bf. die gesamten notwendigen Auslagen der Verfassungsbeschwerde zu erstatten hat (§ 34a II BVerfGG), weil der Bf. sein wesentliches Verfahrensziel erreicht hat und der erfolglose Teil der Verfassungsbeschwerde von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BVerfGE 32, 1 [39]; BVerfGE 53, 366 [407] = NJW 1980, 1448; BVerfGE 79, 372 [378] = NJW 1989, 1147).
Bundesverfassungsgericht rügt Oberlandesgericht Rostock
Fast hatte es den Anschein, als ob das Bundesverfassungsgericht sich nur noch für Mütter zuständige fühlt, seit es die rechtspolitisch wenigstens peinliche Entscheidung zur sorgerechtlichen Diskriminierung von nichtverheirateten Vätern vom 29.1.2003 getroffen hatte. Nun kann man wieder hoffen. Offenbar ist es in Karlsruhe zu einer deutlichen Wiederbelebung des Rechtsstaates auch für Männer und Väter gekommen. Dies lässt jedenfalls ein aktuelles Urteil der 3. Kammer des 1. Senats, Beschluss vom 9.6.2004 - 1 BvR 487/04 vermuten.
Einem Vater wurde vom OLG Rostock bis zum 31.12.2007 der Umgang mit seiner Tochter untersagt (FamRZ 2004, 968). Dies geschah offenbar auch gegen eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vom 19.6.2003 - Beschwerde Nr. 4615/99 Nekvedacicius/Deutschland, welche vorsieht, dass bei einem Umgangsausschluss jährlich das Gericht zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für den Umgangsauschluss noch bestehen.
Das Bundesverfassungsgericht rügt, dass die Belange des Kindes und das Elternrecht des ausgeschlossenen Elternteils zu wenig berücksichtigt wurden. Außerdem hätte das Gericht zu prüfen, welche Konsequenzen für das gerichtliche Verfahren sich aus Haltung der die Aufklärung des Sachverhaltes verweigernden Mutter ergäben.
Das Bundesverfassungsgericht hob den Beschluss des OLG Rostock auf.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausführlich in: "FamRZ", Heft 15, S. 1166-1168
Dorthin eingesandt von Rechtsanwalt G. Rixe, Bielefeld
Das Urteil des Oberlandesgericht Rostock ausführlich in "FamRZ", Heft 12, S. 968-970
eingesandt von Rechtsanwältin F. Nickelsen, Stralsund, und von Verfahrenspfleger H. Partikel, Berlin
Nr. 39 BVerfG - GG Art. 6 II S. 1; BSHG §§11 I S. 1,
12 I S. 1; BGB §1634 II S. 1
(2. Kammer des 1. Senats, Beschluss v. 25. 10. 1994 - 1 BvR 1197/93)
Sofern sich die geschiedenen Ehegatten über den Umfang des Umgangsrechts des
nichtsorgeberechtigten Elternteils einigen und sich so eine gerichtliche
Konfliktentscheidung erübrigt, bedeutet es eine Außerachtlassung des Art. 6 II
S. 1 GG, wenn sozialhilferechtlich nur dasjenige Maß des Umgangs im Regelfall
[ein Wochenendbesuch im Monat] ermöglicht wird, welches auch im Streitfall
zwangsweise durchgesetzt werden könnte.
(Leitsatz der Redaktion), FamRZ 1995, H2
Hol- und Bringepflicht beim Umgang
1. Beim Ausgleich zwischen Sorge- und Umgangsrecht müssen die Gerichte auch beachten, ob die konkrete Umgangsregelung im Einzelfall dazu führt, dass der Umgang für den nicht sorgeberechtigten Elternteil unzumutbar und damit faktisch vereitelt wird.
2. Wenn der Umgang auf Grund der unterschiedlichen Wohnorte der Eltern nur unter einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand ausgeübt werden kann, obliegt es den Gerichten zu prüfen, ob der sorgeberechtigte Elternteil anteilig zur Übernahme an den für das Holen und Bringen der Kinder zur Ausübung des Umgangsrechts erforderlichen zeitlichen und organisatorischen Aufwendungen zu verpflichten ist.
Bundesverfassungsgericht (3. Kammer des Ersten Senats), Beschluss vom 5..2.2002 - 1 BvR 2029/00)
veröffentlicht in:
FamRZ 2002, Heft 12
FPR 2002, Heft 6
Schadensersatz für einen deutschen Vater
Pressemitteilung des EGMR
Urteil in der Sache ELSHOLZ gegen DEUTSCHLAND
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am heutigen Tage schriftlich das Urteil in Sachen Elsholz gegen Deutschland verkündet. Der Gerichtshof stimmte mit 13 zu 4 Stimmen dafür, dass eine Verletzung von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (hinsichtlich des Rechtes auf ein Familienleben) vorgelegen haben, einstimmig, dass keine Verletzung von Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 der Konvention (Schutz vor Diskriminierung hinsichtlich der Achtung des Familienlebens) vorgelegen habe, und mit 13 zu 4 Stimmen dafür, dass eine Verletzung von Artikel 6 § 1 (Recht auf ein faires Verfahren) der Konvention vorgelegen habe. Gemäß Artikel 41 (gerechte Entschädigung) der Konvention sprach der Gerichtshof dem Beschwerdeführer DM 35.000,- (gefordert: DM 90.000,-- ) Schmerzensgeld und DM 12.584,26 Schadenersatz (wie gefordert) zu.
1. Grundsätzliche Umstände
Der Beschwerdeführer, Egbert Elsholz, deutscher Staatsbürger, geboren 1947, lebt in Hamburg. Er ist der Vater des Kindes C., am 13.12.1986 außerhalb einer Ehe geboren.
Der Beschwerdeführer hatte seit November 1985 mit der Mutter und ihrem älteren Sohn zusammengelebt. Im Juni 1988 zog die Mutter mit beiden Kindern aus der Wohnung aus. Der Beschwerdeführer hatte bis Juni 1991 weiterhin häufig Umgang mit seinem Sohn. Verschiedentlich verbrachte er auch seine Urlaub mit der Mutter und beiden Kindern. Danach allerdings kam der Umgang zum erliegen. Auf Befragen einer Mitarbeiterin des Jugendamtes Erkrath gab das Kind C. (5 Jahre alt) im Dezember 1991 in der Wohnung seiner Mutter vor, keinen weiteren Umgang mehr mit seinem Vater haben zu wollen.
Im Dezember 1992 wies das Amtsgericht Mettmann den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung eines Umgangsrechtes und eine gerichtliche Umgangsregelung zurück. Das Amtsgericht führte aus, dass der Umgang mit dem Vater dem Wohle des Kindes nicht diene.
Im Dezember 1993 wies das Amtsgericht Mettmann den neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung eines Umgangsrechtes zurück. Das Gericht bezog sich auf eine frühere Entscheidung aus Dezember 1992 und führte an, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Umgangsrechtes des Vaters mit seinem nicht ehelichen Kind gemäß § 1711 (2) des BGB nicht erfüllt seien. Es stellte weiterhin fest, dass das Verhältnis von Beschwerdeführer und Kindesmutter so gespannt sei, dass die Durchsetzung eines Umgangsrechtes nicht in Frage komme. Sollte das Kind gegen den Willen der Mutter Umgang mit dem Vater haben, würde es in einen Loyalitätskonflikt geraten, den es nicht bewältigen könne und der somit sein Wohl gefährden würde. Das Gericht setzte noch hinzu, dass es unwichtig sei, welches Elternteil für die Spannungen verantwortlich sei. Nach zwei längeren Gesprächen mit dem Kind, gelangte das Amtsgericht zur Überzeugung, dass bei Aufrechterhaltung von Kontakten mit dem Vater gegen den Willen der Mutter die Entwicklung des Kindes gefährdet sei. Außerdem führte das Amtsgericht aus, dass gemäß den Erfordernissen von § 1711 BGB alle Umstände des Falles deutlich und ausführlich erörtert worden seien. Aus dem Grunde hielt es die Einholung eines Gutachtens für überflüssig.
Am 21. Januar 1994 wies das Landgericht Wuppertal die Beschwerde des Beschwerdeführers ohne Anhörung zurück. Das Landgericht war wie der angefochtene Beschluss der Ansicht, dass die Spannungen zwischen den Eltern negative Auswirkungen auf das Kind hätten, wie sich das aus den Anhörungen des Kindes vom November 1992 (6 Jahre) und Dezember 1993 (7 Jahre) ergeben habe, und dass Kontakte mit dem Vater daher dem Kindeswohl nicht dienlich seien, und dass um so weniger, da diese Kontakte bereits seit zweieinhalb Jahren abgebrochen seien. Wer für diesen Kontaktabbruch verantwortlich sei, sei unwichtig. Was ausschlaggebend sei, sei der Umstand, dass in der gegenwärtigen Situation der Umgang mit dem Vater negative Auswirkungen auf das Kind habe. Diese Schlussfolgerung war nach Ansicht des Landgerichtes so überzeugend, dass es keine Notwendigkeit für die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens sah. Abschließend bemerkte das Landgericht, dass es nicht erforderlich gewesen sei, Eltern und Kind anzuhören, das es keinen Hinweis darauf gebe, dass eine derartige Anhörung ein positiveres Ergebnis für den Beschwerdeführer haben würde.
Im April 1994 erteilte eine aus drei Richtern bestehende Kammer des Bundesverfassungsgerichtes dem Beschwerdeführer hinsichtlich seiner eingereichten Verfassungsbeschwerde einen Nichtannahmebescheid.
2. Verfahren und Zusammensetzung des Gerichtshofes
Die Beschwerde wurde am 31. Oktober 1994 bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte eingereicht. Nach teilweiser Zulässigerklärung brachte die Kommission am 1. März 1999 einen Bericht heraus, in dem sie erklärte, dass es eine Verletzung von Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 (15 zu 12 Stimmen) ergeben habe, dass die Verletzung von Artikel 8 für sich genommen keinen separaten Fall darstelle ( 15 zu 12 Stimmen), und dass Artikel 6 (1) verletzt sei (17 zu 10 Stimmen). Sie verwies den Fall am 7. Juni 1999 an den EGMR. Der Beschwerdeführer hatte den Fall bereits am 25. Mai 1999 beim EGMR anhängig gemacht. Das Urteil wurde von einer aus 17 Richtern bestehenden Großen Kammer gefällt.
3. Urteilstenor
Der Beschwerdeführer beschwerte sich darüber, dass die Entscheidungen deutscher Gerichte, das zu seinem nicht ehelichen Sohne beantragte Umgangsrecht nicht einzuräumen, eine Verletzung von Artikel 8 EMRK darstellten, dass er unter Verletzung von Artikel 14 EMRK in Verbindung mit Artikel 8 EMRK diskriminiert wurde und dass gegen sein gemäß Artikel 6 (1) EMRK garantiertes Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren verstoßen worden sei.
Artikel 41
Der Gerichtshof konnte nicht feststellen, dass die entsprechenden Entscheidungen ohne Verletzung der Konvention anders ausgefallen wären. Nach Meinung des Gerichtshofes war jedoch nicht auszuschließen, dass bei zusätzlicher Beteiligung des Beschwerdeführers am Entscheidungsprozess seinen Wünschen mehr Genüge getan worden wäre und dass dieses seine künftigen Beziehungen mit seinem Sohne verändert hätten. Zusätzlich habe der Beschwerdeführer gewiss auch immateriellen Schaden durch Ängste und Sorgen erlitten. Somit schloss der Gerichtshof, dass der Antragsteller einen bestimmten immateriellen Schaden erlitten habe, der mit Feststellung einer Konventionsverletzung nicht hinreichend ausgeglichen sei, und erkannte ihm ein Schmerzensgeld von DM 35.000,-- zu.
Zudem sprach der Gerichtshof dem Beschwerdeführer die Summe von 12.584,26 DM an Kosten und Auslagen zu.
Richter Baka äußerte eine teilweise abweichende Meinung, die dem Urteil beigegeben ist, dieser abweichenden Meinung schlossen sich die Richterin Palm (Schweden) an, dazu die Richter Hedigan (Irland) und Levits (Lettland).
Deutsche Übersetzung über Dieter Mark, Bremen
VÄTERAUFBRUCH - INFO
für die Mitglieder des Bundesvereins. Nummer 16, Juli 2000