Fiktives Einkommen


 

 

 

 

"Fiktives Einkommen im Unterhaltsrecht"

Vorsitzender Richter am OLG, Augsburg- Dr. Hans-Ulrich Graba

in: "FamRZ", 1/2001, S. 1257-1265

 

 


 

 

 

Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -

Pressemitteilung Nr. 51/2012 vom 06. Juli 2012

Beschlüsse vom 18. Juni 2012

1 BvR 774/10

1 BvR 1530/11

1 BvR 2867/11

 

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerden gegen die Zurechnung fiktiver

Einkünfte des Unterhaltspflichtigen bei der Bemessung des Kindesunterhalts

In den vorliegenden Verfahren hat sich das Bundesverfassungsgericht

erneut mit den Voraussetzungen befasst, die an die Feststellung der

Erwerbsfähigkeit und Erwerbsmöglichkeiten eines Unterhaltspflichtigen zu

stellen sind. Reicht das Einkommen eines Unterhaltspflichtigen unter

Wahrung seines Selbstbehalts nicht aus, um seine Unterhaltspflicht

gegenüber einem minderjährigen Kind in vollem Umfang zu erfüllen, können

ihm grundsätzlich fiktiv die Einkünfte zugerechnet werden, die er

erzielen könnte, wenn er eine ihm mögliche und zumutbare

Erwerbstätigkeit ausüben würde.

Der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 774/10 stammt aus Ghana und ist

der deutschen Sprache nur begrenzt mächtig. Als Küchenhilfe bezieht er

einen Nettoverdienst von rund 1.027 € monatlich. Das Amtsgericht

verurteilte ihn, an seinen minderjährigen Sohn den Mindestunterhalt von

damals 199 € im Monat zu zahlen. Es sei davon auszugehen, dass er als

ungelernte Arbeitskraft bei entsprechenden Bemühungen eine

Erwerbstätigkeit finden könne, die mit einem Bruttostundenlohn von 10 €

vergütet werde, sodass er von dem sich ergebenden Nettoeinkommen unter

Berücksichtigung des Selbstbehalts in Höhe von 900 € den

Mindestunterhalt in Höhe von 176 € decken könne. Den Fehlbetrag von 23 €

müsse er mit einer Nebentätigkeit erwirtschaften.

Der 1953 geborene Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 1530/11, gelernter

Baumaschinist und Betonfacharbeiter, ist körperlich behindert und lebt

von Sozialleistungen. Das Amtsgericht verurteilte ihn zur Zahlung des

Mindestunterhalts in Höhe von damals 285 € im Monat, wobei es

unterstellte, dass der Beschwerdeführer bei überregionalen Bemühungen

eine Arbeit, beispielsweise als Nachtportier oder Pförtner, finden

könne, durch die er ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.235 € monatlich

erzielen könne.

Der körperlich behinderte Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 2867/11

lebt ebenfalls von Sozialleistungen. Er wurde vom Amtsgericht zur

Zahlung eines Unterhalts von 225 € monatlich verpflichtet. Seine

körperlichen Einschränkungen entbänden ihn nicht davon, alles ihm

Mögliche zur Sicherung des Unterhalts seines minderjährigen Kindes zu

unternehmen. Da er keine Angaben zu seinen Bemühungen um eine Arbeit

gemacht habe, sei fiktiv von seiner Fähigkeit zur Zahlung des

Mindestunterhalts auszugehen.

Die von den Beschwerdeführern jeweils eingelegten Rechtsmittel hatten

vor den Oberlandesgerichten keinen Erfolg. Die 2. Kammer des Ersten

Senats hat die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben, weil sie die

Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht auf wirtschaftliche

Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzen, und die Sachen jeweils

an das zuständige Oberlandesgericht zur Entscheidung zurückverwiesen.

Den Beschlüssen liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Eltern haben gegenüber ihren minderjährigen Kindern eine gesteigerte

Erwerbsobliegenheit. Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu

beanstanden, dass nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv

erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden, wenn der

Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit

unterlässt, obwohl er diese bei gutem Willen“ ausüben könnte.

Gleichwohl bleibt Grundvoraussetzung eines jeden Unterhaltsanspruchs die

Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Auch im Rahmen der

gegenüber minderjährigen Kindern gesteigerten Erwerbsobliegenheit haben

die Gerichte dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen und im

Einzelfall zu prüfen, ob der Unterhaltspflichtige in der Lage ist, den

beanspruchten Unterhalt zu zahlen. Wird die Grenze des Zumutbaren eines

Unterhaltsanspruchs überschritten, ist die Beschränkung der finanziellen

Dispositionsfreiheit des Verpflichteten als Folge der

Unterhaltsansprüche des Bedürftigen nicht mehr Bestandteil der

verfassungsmäßigen Ordnung und kann vor dem Grundrecht der

wirtschaftlichen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht bestehen.

Die Zurechnung fiktiver Einkünfte zur Begründung der Leistungsfähigkeit

setzt zweierlei voraus: Zum einen muss feststehen, dass subjektiv

Erwerbsbemühungen des Unterhaltsschuldners fehlen. Zum anderen müssen

die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für

den Verpflichteten objektiv erzielbar sein, was von seinen persönlichen

Voraussetzungen wie beispielsweise Alter, beruflicher Qualifikation,

Erwerbsbiographie und Gesundheitszustand und dem Vorhandensein

entsprechender Arbeitsstellen abhängt.

Diesen Maßstäben werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht,

weil sie keine tragfähige Begründung für die Annahme enthalten, der

Beschwerdeführer könnte bei einem Arbeitsplatzwechsel bzw. bei

ausreichenden, ihm zumutbaren Bemühungen um einen Arbeitsplatz ein

Einkommen in der zur Zahlung des titulierten Unterhalts erforderlichen

Höhe erzielen.

1. Im Verfahren 1 BvR 774/10 hat das Oberlandesgericht ohne nähere

Begründung und ohne seine eigene Sachkunde näher darzulegen

festgestellt, einem ungelernten Mann sei es möglich, einen

Bruttostundenlohn von 10 € zu erzielen. Dass es sich dabei an den

persönlichen Voraussetzungen und Möglichkeiten des Beschwerdeführers und

an den tatsächlichen Gegebenheiten am Arbeitsmarkt orientiert hat, ist

der angegriffenen Entscheidung nicht zu entnehmen. Das Oberlandesgericht

hat sich insbesondere nicht mit dem derzeit für eine ungelernte Kraft

erzielbaren Lohn bzw. den aktuellen Mindestlöhnen der verschiedenen

Branchen auseinandergesetzt.

Soweit sich der Beschwerdeführer zusätzlich gegen die Anrechnung

fiktiver Einkünfte aus einer geringfügigen Nebentätigkeit wendet, ist

seine Verfassungsbeschwerde dagegen unzulässig, weil er eine Verletzung

seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit nicht dargetan hat. Eine

Obliegenheit zur Erzielung von Nebeneinkünften, die dem

Unterhaltspflichtigen bei der Unterhaltsberechnung fiktiv zugerechnet

werden können, ist nur dann anzunehmen, wenn und soweit ihm die Aufnahme

einer weiteren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Umstände des

Einzelfalls zumutbar ist und ihn nicht unverhältnismäßig belastet.

Danach ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang es ihm unter Abwägung

seiner besonderen Lebens- und Arbeitssituation sowie seiner

gesundheitlichen Belastung mit der Bedarfslage des

Unterhaltsberechtigten zugemutet werden kann, eine Nebentätigkeit

auszuüben, und ob der Arbeitsmarkt entsprechende Nebentätigkeiten für

den Betreffenden bietet. Die Darlegungs- und Beweislast liegt insoweit

beim Unterhaltsverpflichteten. Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan,

dass und aus welchen Gründen ihm die Aufnahme einer Nebentätigkeit nicht

möglich bzw. nicht zumutbar ist.

2. In den Verfahren 1 BvR 1530/11 und 1 BvR 2867/11 haben die Gerichte

zwar zutreffend festgestellt, dass die Beschwerdeführer sich nicht

ausreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht haben. Sie haben jedoch

ebenfalls keine Feststellung dazu getroffen, auf welcher Grundlage sie

zu der Auffassung gelangt sind, dass die Beschwerdeführer bei Einsatz

ihrer vollen Arbeitskraft und bei Aufnahme einer ihren persönlichen

Voraussetzungen entsprechenden Arbeit objektiv in der Lage wären, ein

Einkommen in der zur Leistung des titulierten Unterhalts erforderlichen

Höhe zu erzielen. Zu dieser Feststellung hätte es einer konkreten

Prüfung unter Berücksichtigung der beruflichen Ausbildung der

Beschwerdeführer, ihres Alters und ihrer krankheitsbedingten

Einschränkungen sowie der tatsächlichen Gegebenheiten auf dem

Arbeitsmarkt bedurft. Ohne diese konkrete Prüfung hätten die Gerichte

nicht auf die volle Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführer in Höhe des

titulierten Kindesunterhalts schließen dürfen.

http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg12-051.html

 

 

 


 

 

 

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 1530/11 -

Bundesadler

Im Namen des Volkes

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

 

des Herrn R…,

 

- Bevollmächtigter:

Rechtsanwalt Ralph Hegewald

in Sozietät Rechtsanwälte Ahrendt & Partner,

Johannes-Stelling-Straße 1, 19053 Schwerin -

 

gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock vom 29. April 2011 - 10 UF 207/09 -,

b) den Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock vom 7. Dezember 2010 - 10 UF 207/09 -,

c) das Urteil des Amtsgerichts Ludwigslust vom 16. November 2009 - 13 F 309/08 -

und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe

und Beiordnung von Rechtsanwalt H.

 

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch

die Richter Gaier,

Paulus

und die Richterin Britz

 

am 18. Juni 2012 einstimmig beschlossen:

 

Dem Beschwerdeführer wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt H. beigeordnet, soweit er sich gegen das Urteil des Amtsgerichts Ludwigslust vom 16. November 2009 - 13 F 309/08 - und den Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock vom 29. April 2011 - 10 UF 207/09 - wendet. Im Übrigen wird sein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Das Urteil des Amtsgerichts Ludwigslust vom 16. November 2009 - 13 F 309/08 - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock vom 29. April 2011 - 10 UF 207/09 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock vom 29. April 2011 - 10 UF 207/09 - wird aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht Rostock zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat dem Beschwerdeführer zwei Drittel seiner notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

 

Gründe:

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zurechnung fiktiver Einkünfte.

I.

2

1. Der 1953 geborene Beschwerdeführer ist Vater eines im September 1996 geborenen Sohnes, des Klägers des Ausgangsverfahrens. Der Beschwerdeführer ist gelernter Baumaschinist und Betonfacharbeiter; er hat einen Grad der Behinderung von 50 % und lebt von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

3

a) Das Amtsgericht verurteilte ihn zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe. Der Beschwerdeführer sei gegenüber dem minderjährigen Kläger nach § 1603 Abs. 2 BGB gesteigert unterhaltspflichtig und daher gehalten, sich nach besten Kräften um eine Anstellung zu bemühen, mit der er den begehrten Unterhalt leisten könne. Derartige Bemühungen habe der Beschwerdeführer nicht vorgetragen. Soweit er behauptet habe, krankheitsbedingt nur stundenweise und nur sitzend arbeiten zu können, stehe dieser Behauptung entgegen, dass er im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme noch im Jahr 2008 ohne Fehlzeiten mehrere Monate vollschichtig gearbeitet habe. Es sei nicht auszuschließen, dass er bei überregionalen Bemühungen eine Arbeit finde, beispielsweise als Nachtportier oder als Pförtner. Mit einer derartigen Tätigkeit könne er ein um 5 % berufsbedingte Aufwendungen bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 1.235 € erzielen, von dem er den titulierten Unterhalt in Höhe von gegenwärtig 285 € im Monat unter Wahrung seines Selbstbehalts leisten könne.

4

b) Mit am 27. Dezember 2010 zugestelltem Beschluss wies das Oberlandesgericht ein Prozesskostenhilfegesuch des Beschwerdeführers für die Durchführung des Berufungsverfahrens zurück. Außerdem verwies es auf seine Absicht, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

5

Der Beschwerdeführer habe den hohen Anforderungen an nachhaltige Bemühungen um eine angemessene Arbeit nicht genügt, insbesondere nicht dargetan, krankheitsbedingt nicht arbeiten zu können. Unklar sei insbesondere, warum der Beschwerdeführer keine Erwerbsunfähigkeitsrente nach dem SGB VI, sondern Leistungen nach dem SGB II beziehe, die gemäß § 7 Abs. 1 SGB II nur erwerbsfähige Hilfsbedürftige erhielten. Es sei danach im Hinblick auf seine Ausbildung nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht angenommen habe, ihm sei fiktiv ein Einkommen in einer Höhe zuzurechnen, das ihn zur Zahlung des Mindestunterhalts befähige.

6

c) Im Folgenden wies das Oberlandesgericht die Berufung und eine von dem Beschwerdeführer gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe erhobene Gegenvorstellung zurück. Der Beschwerdeführer habe nach wie vor weder Bemühungen um eine Arbeit noch seine eingeschränkte Erwerbsfähigkeit nachgewiesen. Aus seinem Lebenslauf ergebe sich vielmehr, dass er 2005 an zwei Berufspraxismaßnahmen für Beton- und Stahlbauer teilgenommen habe, obwohl er damals bereits zu 50 % behindert gewesen sei. Selbst wenn der Beschwerdeführer aber in seinem Beruf nicht mehr vermittelbar sei, so habe er gleichwohl nicht dargetan, das zur Zahlung des Unterhalts erforderliche Einkommen nicht durch eine andere Berufstätigkeit erzielen zu können. Er habe zwischen Mai 2007 und November 2008 an mehreren Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen und unter anderem Berufspraxis als Sozialarbeiter erworben. Er habe nicht vorgetragen und es sei auch nicht ersichtlich, warum er die hierbei erworbenen Fähigkeiten beruflich nicht verwerten könne.

7

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde, für die er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Rechtsanwalts beantragt hat, rügt der Beschwerdeführer zum einen die Überspannung der Anforderungen an die Erfolgsaussicht seines Prozesskostenhilfegesuchs und damit eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 GG, zum anderen eine Verletzung seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG infolge seiner Verurteilung zur Zahlung von Unterhalt. Diesbezüglich hätten die Gerichte ihre Annahme nicht tragfähig begründet, er könne bei hinreichenden Bemühungen das zur Leistung des titulierten Unterhalts erforderliche Einkommen erzielen.

8

3. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen. Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern und der Kläger des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

9

Die Verfassungsbeschwerde ist - soweit sie gegen die Entscheidungen in der Hauptsache erhoben wurde - zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers geboten ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Zur Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige Verfassungsbeschwerde insoweit offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).

10

1. Die angefochtenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem aus Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Grundrecht auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit. Die Gerichte haben nicht tragfähig begründet, worauf sie ihre Annahme stützen, der Beschwerdeführer könne bei ausreichenden, ihm zumutbaren Bemühungen ein Einkommen in der zur Zahlung des titulierten Unterhalts erforderlichen Höhe erzielen.

11

a) Die Auferlegung von Unterhaltsleistungen schränkt den Verpflichteten in seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Handlungsfreiheit ein. Diese ist jedoch nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet, zu der auch das Unterhaltsrecht gehört, soweit es mit Art. 6 Abs. 1 GG in Einklang steht (vgl. BVerfGE 57, 361 <378>). Der ausgeurteilte Unterhalt darf nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Unterhaltspflichtigen führen (vgl. BVerfGE 57, 361 <388>). Wird die Grenze des Zumutbaren eines Unterhaltsanspruchs überschritten, ist die Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Verpflichteten im finanziellen Bereich als Folge der Unterhaltsansprüche des Bedürftigen nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und kann vor Art. 2 Abs. 1 GG nicht bestehen (stRspr; BVerfGE 57, 361 <381>; BVerfGK 6, 25 <28>; 7, 135 <138>; 9, 437 <440>; 10, 84 <87>).

12

Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht ist § 1603 Abs. 1 BGB. Danach ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind gemäß § 1603 Abs. 2 BGB ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Hieraus sowie aus Art. 6 Abs. 2 GG folgt ihre Verpflichtung zum Einsatz ihrer Arbeitskraft. Daher ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden, wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese bei gutem Willen“ ausüben könnte (vgl. BVerfGE 68, 256 <270>). Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen wird also nicht allein durch sein tatsächlich vorhandenes Einkommen bestimmt, sondern auch durch seine Erwerbsfähigkeit und seine Erwerbsmöglichkeiten (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15. Februar 2010

- 1 BvR 2236/09 -, juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 9. Juli 2003 - XII ZR 83/00 -, juris Rn. 22; Urteil vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 -, juris Rn. 20).

13

Gleichwohl bleibt Grundvoraussetzung eines jeden Unterhaltsanspruchs die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Das Unterhaltsrecht ermöglicht es insofern den Gerichten, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen. Auch im Rahmen der gegenüber minderjährigen Kindern gesteigerten Erwerbsobliegenheit darf von dem Unterhaltspflichtigen nach § 1603 Abs. 2 BGB nichts Unmögliches verlangt werden. Die Gerichte haben im Einzelfall zu prüfen, ob der Unterhaltspflichtige in der Lage ist, den beanspruchten Unterhalt zu zahlen, oder ob dieser seine finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigt.

14

b) Diesen Maßstäben hält die Feststellung der Gerichte, der Beschwerdeführer könne bei Aufnahme einer seinen Fähigkeiten entsprechenden Tätigkeit ein Einkommen in der zur Leistung des titulierten Unterhalts erforderlichen Höhe erzielen, im Ergebnis nicht stand.

15

aa) Die Zurechnung fiktiver Einkünfte, welche die Leistungsfähigkeit begründen sollen, setzt zweierlei voraus. Zum einen muss feststehen, dass subjektiv Erwerbsbemühungen des Unterhaltsschuldners fehlen. Zum anderen müssen die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für den Verpflichteten objektiv erzielbar sein, was von seinen persönlichen Voraussetzungen wie beispielsweise Alter, beruflicher Qualifikation, Erwerbsbiographie und Gesundheitszustand und dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhängt (vgl. BVerfGK 7, 135 <139>; 9, 437 <440>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. Oktober 2009 - 1 BvR 443/09 -, juris Rn. 15; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15. Februar 2010 - 1 BvR 2236/09 -, juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 30. Juli 2008 - XII ZR 126/06 -, juris Rn. 22; Urteil vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 -, juris Rn. 20).

16

bb) Die Gerichte haben beanstandungsfrei festgestellt, dass der Beschwerdeführer sich nicht ausreichend um eine Erwerbstätigkeit in seinem Beruf oder in einer anderen Position bemüht hat. Dabei sind sie vertretbar davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer nicht dargetan habe, krankheitsbedingt an der Ausübung einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit gehindert zu sein, da ein Grad der Behinderung von 50 % für sich alleine der Ausübung einer Vollzeittätigkeit nicht entgegenstehe. Zur Begründung haben sie nicht nur nachvollziehbar darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer Leistungen nach dem SGB II beziehe, die gemäß § 7 SGB II nur erwerbsfähige Hilfsbedürftige erhalten. Sie haben ihre Annahme überdies insbesondere darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer - mit einem Grad der Behinderung von 50 % - 2005 noch an zwei Berufspraxismaßnahmen für Beton- und Stahlbauer und 2008 ohne Fehlzeiten an einer Vollzeitarbeitsbeschaffungsmaßnahme teilgenommen habe, was gegen entsprechende zeitliche Einschränkungen seiner Erwerbsfähigkeit spreche.

17

cc) Doch haben sie keine Feststellung dazu getroffen, auf welcher Grundlage sie zu der Auffassung gelangt sind, dass der Beschwerdeführer bei Einsatz seiner vollen Arbeitskraft und bei Aufnahme einer seinen persönlichen Voraussetzungen entsprechenden Arbeit objektiv in der Lage wäre, ein Einkommen in der zur Leistung des titulierten Unterhalts erforderlichen Höhe zu erzielen. Es erscheint zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer bei entsprechenden Bemühungen eine Anstellung in seinem Beruf oder in einer anderen Position finden und mit dem damit erzielbaren Einkommen das zur Zahlung des titulierten Kindesunterhalts erforderliche Einkommen erwirtschaften könnte. Doch haben die Gerichte nicht tragfähig begründet, auf welcher Grundlage sie zu dieser Annahme gelangt sind.

18

Um den titulierten Kindesunterhalt in Höhe des Zahlbetrages von zuletzt 334 € im Monat sicherzustellen (vgl. Düsseldorfer Tabelle, Stand Januar 2011, Altersstufe 3: 426 € abzüglich anteiligen Kindergeldes in Höhe von 92 €), müsste der Beschwerdeführer bei einem Selbstbehalt von gegenwärtig 950 € bereinigte Nettoeinkünfte in Höhe von 1.284 € im Monat erzielen. Dem entsprechen unter Berücksichtigung von 5 % berufsbedingten Aufwendungen unbereinigte Nettoeinkünfte in Höhe von rund 1.351 € monatlich. Um diesen Nettobetrag zu erhalten, müsste der Beschwerdeführer bei Steuerklasse I ohne persönliche Freibeträge (außer dem Kinderfreibetrag) und den üblichen Abzügen für Steuern und Sozialversicherung einen Bruttoverdienst von rund 2.014 € im Monat erwirtschaften. Bei einer Regelarbeitszeit von 40 Stunden die Woche beziehungsweise 173 Stunden im Monat (40 Stunden x 52 Wochen geteilt durch 12 Monate) müsste er also einen Bruttostundenlohn von rund 11,65 € erzielen.

19

Es hätte insoweit einer konkreten Prüfung bedurft, ob der Beschwerdeführer in Anbetracht seiner Ausbildung und seines beruflichen Werdegangs sowie im Hinblick auf sein Alter und seine krankheitsbedingten Einschränkungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten am Arbeitsmarkt in der Lage ist, ein Einkommen in dieser Höhe zu erzielen. Ohne konkrete Prüfung des unter Berücksichtigung dieser Faktoren für den Beschwerdeführer konkret erzielbaren Einkommens hätten die Ausgangsgerichte nicht allein von den fehlenden Bemühungen des Beschwerdeführers um eine Erwerbstätigkeit auf seine volle Leistungsfähigkeit in Höhe des titulierten Kindesunterhalts schließen dürfen. Mit der Zurechnung fiktiver Einkünfte in dieser Höhe haben sie den ihnen eingeräumten Entscheidungsspielraum überschritten.

20

2. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem dargestellten Verfassungsverstoß. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist bezüglich der angegriffenen Entscheidungen die Grundrechtsverletzung festzustellen. Es ist allerdings nur der Beschluss des Oberlandesgerichts aufzuheben und die Sache dorthin zurückzuverweisen, weil dem Beschwerdeführer damit besser gedient ist; es liegt in seinem Interesse, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten.

21

3. Soweit der Beschwerdeführer sich zusätzlich gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe wendet, ist seine Verfassungsbeschwerde verfristet. Seine Gegenvorstellung war nicht geeignet, die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde neu in Gang zu setzen (vgl. BVerfGE 107, 395 <417>; 122, 190 <198 ff.>).

22

4. Die Prozesskostenhilfeentscheidung beruht auf §§ 114 ff. ZPO analog (vgl. BVerfGE 1, 109 <110 f.>; 92, 122 <123>). Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

 

Gaier Paulus Britz

 

http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20120618_1bvr153011.html

 

 

 


 

 

 

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 1 BvR 2867/11 -

Bundesadler

Im Namen des Volkes

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

 

des Herrn D…,

 

- Bevollmächtigte:

Rechtsanwälte Ruth Becker-Prox & Kollegen,

Zehnthofstraße 58, 52349 Düren -

 

gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 7. Oktober 2011 - 21 UF 122/11 -,

b) den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 18. Juli 2011 - 21 UF 122/11 -,

c) den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 26. Mai 2011 - 326 F 44/10 -

 

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch

die Richter Gaier,

Paulus

und die Richterin Britz

 

am 18. Juni 2012 einstimmig beschlossen:

 

Der Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 26. Mai 2011 - 326 F 44/10 - sowie der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 7. Oktober 2011 - 21 UF 122/11 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 7. Oktober 2011 - 21 UF 122/11 - wird aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht Köln zurückverwiesen.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

 

Gründe:

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zurechnung fiktiver Einkünfte.

I.

2

1. Der 1976 geborene, körperlich behinderte Beschwerdeführer ist Vater eines minderjährigen Sohnes, der von ihm im Ausgangsverfahren den Mindestunterhalt begehrte. Der Beschwerdeführer lebt von Leistungen nach SGB II.

3

a) Das Amtsgericht verpflichtete ihn zur Zahlung von Unterhalt in Höhe von 225 € im Monat. Der Beschwerdeführer erziele zwar kein Einkommen, welches ihn unter Wahrung seines Selbstbehalts in die Lage setze, den geforderten Unterhalt zu zahlen. Doch sei ihm ein Einkommen in entsprechender Höhe fiktiv anzurechnen. Der Beschwerdeführer leide zwar unter gesundheitlichen Einschränkungen, da sein Arm zurückgebildet und seine Hand unzureichend ausgebildet sei. Auch habe er keine Berufsausbildung. Das entbinde ihn aber nicht davon, im Rahmen seiner nach § 1603 Abs. 2 BGB gesteigerten Erwerbsobliegenheit alles ihm Mögliche zu unternehmen, um den Unterhalt seines minderjährigen Kindes zu sichern. Für seine fehlende Leistungsfähigkeit sei er im Hinblick auf den geltend gemachten Mindestunterhalt darlegungs- und beweisbelastet. Er habe keine Angaben zu seinen Bemühungen um eine Arbeit gemacht, sondern sich auf die Mitteilung beschränkt, aufgrund seiner persönlichen Situation nicht vermittelbar zu sein. Dies könne mangels konkreter Bewerbungen um eine Arbeit allerdings nicht geprüft werden. Daher sei davon auszugehen, dass er fiktiv zur Zahlung des Mindestunterhalts in der Lage sei.

4

b) Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde des Beschwerdeführers zurück.

5

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG. Er habe keine Möglichkeit, ein seinen Selbstbehalt übersteigendes Einkommen zu erzielen. Dies sei zum einen durch seine körperlichen Einschränkungen bedingt. Zum anderen habe er weder einen Schulabschluss noch eine Berufsausbildung. Die Gerichte hätten ihre Annahme, er könne bei entsprechenden Bemühungen das zur Zahlung des titulierten Unterhalts erforderliche Einkommen erwirtschaften, nicht tragfähig begründet. Diese Annahme sei daher unzumutbar und verletze seine wirtschaftliche Handlungsfreiheit.

6

3. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen und der Antragsteller des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

7

Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers geboten ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Zur Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).

8

1. Die angefochtenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem aus Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Grundrecht auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit. Die Gerichte haben nicht tragfähig begründet, worauf sie ihre Annahme stützen, der Beschwerdeführer könne bei ausreichenden ihm zumutbaren Bemühungen ein Einkommen in der zur Zahlung des titulierten Unterhalts erforderlichen Höhe erzielen.

9

a) Die Auferlegung von Unterhaltsleistungen schränkt den Verpflichteten in seiner durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Handlungsfreiheit ein. Diese ist jedoch nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet, zu der auch das Unterhaltsrecht gehört, soweit es mit Art. 6 Abs. 1 GG in Einklang steht (vgl. BVerfGE 57, 361 <378>). Der ausgeurteilte Unterhalt darf nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Unterhaltspflichtigen führen (vgl. BVerfGE 57, 361 <388>). Wird die Grenze des Zumutbaren eines Unterhaltsanspruchs überschritten, ist die Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Verpflichteten im finanziellen Bereich als Folge der Unterhaltsansprüche des Bedürftigen nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und kann vor Art. 2 Abs. 1 GG nicht bestehen (stRspr; BVerfGE 57, 361 <381>; BVerfGK 6, 25 <28>; 7, 135 <138>; 9, 437 <440>; 10, 84 <87>).

10

Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht ist § 1603 Abs. 1 BGB. Danach ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind gemäß § 1603 Abs. 2 BGB ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Hieraus sowie aus Art. 6 Abs. 2 GG folgt ihre Verpflichtung zum Einsatz ihrer Arbeitskraft. Daher ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden, wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese bei gutem Willen“ ausüben könnte (vgl. BVerfGE 68, 256 <270>). Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen wird also nicht allein durch sein tatsächlich vorhandenes Einkommen bestimmt, sondern auch durch seine Erwerbsfähigkeit und seine Erwerbsmöglichkeiten (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15. Februar 2010 - 1 BvR 2236/09 -, juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 9. Juli 2003 - XII ZR 83/00 -, juris Rn. 22; Urteil vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 -, juris Rn. 20).

11

Gleichwohl bleibt Grundvoraussetzung eines jeden Unterhaltsanspruchs die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Das Unterhaltsrecht ermöglicht es insofern den Gerichten, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen. Auch im Rahmen der gegenüber minderjährigen Kindern gesteigerten Erwerbsobliegenheit darf von dem Unterhaltspflichtigen nach § 1603 Abs. 2 BGB nichts Unmögliches verlangt werden. Die Gerichte haben im Einzelfall zu prüfen, ob der Unterhaltspflichtige in der Lage ist, den beanspruchten Unterhalt zu zahlen, oder ob dieser seine finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigt.

12

b) Diesen Maßstäben hält die Feststellung der Gerichte, der Beschwerdeführer könne bei Aufnahme einer seinen Fähigkeiten entsprechenden Tätigkeit ein Einkommen in der zur Leistung des titulierten Unterhalts erforderlichen Höhe erzielen, nicht stand.

13

aa) Die Zurechnung fiktiver Einkünfte, welche die Leistungsfähigkeit begründen sollen, setzt zweierlei voraus. Zum einen muss feststehen, dass subjektiv Erwerbsbemühungen des Unterhaltsschuldners fehlen. Zum anderen müssen die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für den Verpflichteten objektiv erzielbar sein, was von seinen persönlichen Voraussetzungen wie beispielsweise Alter, beruflicher Qualifikation, Erwerbsbiographie und Gesundheitszustand und dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhängt (vgl. BVerfGK 7, 135 <139>; 9, 437 <440>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. Oktober 2009 - 1 BvR 443/09 -, juris Rn. 15; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15. Februar 2010 - 1 BvR 2236/09 -, juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 30. Juli 2008 - XII ZR 126/06 -, juris Rn. 22; Urteil vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 -, juris Rn. 20).

14

bb) Zwar sind die Gerichte zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer sich um eine Erwerbstätigkeit nicht bemüht hat und damit subjektiv Erwerbsbemühungen fehlen. Doch haben sie keine Feststellung dazu getroffen, auf welcher Grundlage sie zu der Auffassung gelangt sind, dass der Beschwerdeführer bei Einsatz seiner vollen Arbeitskraft und bei Aufnahme einer seinen persönlichen Voraussetzungen entsprechenden Arbeit objektiv in der Lage wäre, ein Einkommen in der zur Leistung des titulierten Unterhalts erforderlichen Höhe zu erzielen.

15

(1) Um den titulierten Kindesunterhalt in Höhe von 225 € im Monat sicherzustellen, müsste der Beschwerdeführer bereinigte Nettoeinkünfte von insgesamt 1.175 € im Monat erzielen (Selbstbehalt Erwerbstätiger in Höhe von 950 € zuzüglich Kindesunterhalt in Höhe von derzeit 225 €). Dem entsprechen unter Berücksichtigung berufsbedingter Aufwendungen unbereinigte Nettoeinkünfte in Höhe von rund 1.237 € monatlich (1.237 € abzüglich 5 % berufsbedingte Aufwendungen = 1.175 €). Um diesen Nettobetrag zu erhalten, müsste der Beschwerdeführer bei Steuerklasse I ohne persönliche Freibeträge (außer dem Kinderfreibetrag) und den üblichen Abzügen für Steuern und Sozialversicherung einen Bruttoverdienst von rund 1.795 € im Monat erwirtschaften. Bei einer Regelarbeitszeit von 40 Stunden die Woche beziehungsweise 173 Stunden im Monat (40 Stunden x 52 Wochen geteilt durch 12 Monate) müsste der Beschwerdeführer also einen Bruttostundenlohn von rund 10,38 € erzielen.

16

(2) Die Gerichte haben keine Feststellung dazu getroffen, auf welcher Grundlage sie zu der Auffassung gelangt sind, der Beschwerdeführer könne unter Berücksichtigung seiner fehlenden beruflichen Qualifikation und insbesondere im Hinblick auf seine körperliche Behinderung einen derartigen Bruttostundenlohn erzielen. Es ist aus den angegriffenen Entscheidungen nicht zu erkennen, dass sie sich an den persönlichen Voraussetzungen und Möglichkeiten des Beschwerdeführers und den tatsächlichen Gegebenheiten am Arbeitsmarkt orientiert haben. Wäre dies geschehen, hätten sie davon ausgehen müssen, dass dem Ausbildungsstand und den Fähigkeiten des Beschwerdeführers nur eine Tätigkeit als ungelernte Kraft entspricht und dass die Einsatzmöglichkeiten des Beschwerdeführers durch seine körperliche Behinderung zusätzlich begrenzt werden. Zur Höhe eines als ungelernte, körperlich behinderte Arbeitskraft erzielbaren Einkommens haben die Gerichte keine Feststellungen getroffen. Sie haben sich weder mit dem derzeit als ungelernte Kraft erzielbaren Lohn beziehungsweise aktuellen Mindestlöhnen der verschiedenen Branchen, noch mit den aufgrund seiner körperlichen Behinderungen zu erwartenden Einschränkungen des für den Beschwerdeführer konkret erzielbaren Einkommens auseinandergesetzt.

17

Ohne Prüfung durften sie nicht von den fehlenden Bemühungen des Beschwerdeführers um eine Erwerbstätigkeit auf seine Leistungsfähigkeit in Höhe des titulierten Unterhalts schließen. Die Gerichte haben mit der Zurechnung fiktiver Einkünfte in der von ihnen angenommenen Höhe den ihnen eingeräumten Entscheidungsspielraum überschritten.

18

2. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem dargestellten Verfassungsverstoß. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist bezüglich der angegriffenen Entscheidungen die Grundrechtsverletzung festzustellen. Es ist allerdings nur der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 7. Oktober 2011 aufzuheben und die Sache dorthin zurückzuverweisen, weil dem Beschwerdeführer damit besser gedient ist; es liegt in seinem Interesse, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten.

19

3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

 

Gaier Paulus Britz

 

http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20120618_1bvr286711.html

 

 

 


 

Sa, 07.07.2012

Verfassungsbeschwerde erfolgreich

Unterhaltssätze sollen strenger geprüft werden

Geschiedene Väter mit schlecht bezahlten Jobs können aufatmen. Künftig soll die Anrechnung sogenannter fiktiver Einkünfte auf die Unterhaltszahlungen strenger geprüft werden. Drei Väter hatten vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt.

Ein Mann aus Ghana mit schlechten Deutschkenntnissen sollte 199 Euro Unterhalt für seinen Sohn zahlen. Der als Küchenhilfe arbeitende Mann verdient jedoch monatlich nur 1027 Euro netto. Nur wenn er sich einen Nebenjob suchen würde, könnte er für die Unterhaltssumme aufkommen. Doch Arbeitsplätze für Menschen mit mangelnden Deutschkenntnissen sind schwer zu bekommen. Ein Gericht entschied, dass der Mann jedoch theoretisch arbeiten könnte und bezog ein sogenanntes fiktives Einkommen“ in die Berechnung des Unterhaltssatzes mit ein. Der Vater reichte beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde ein.

[mehr] <http://www.vaeteraufbruch.de/index.php?id=42&tx_ttnews[tt_news]=15678&cHash=88bea6fd2c706469afd548b071254730>

 

 

 

 

Verfassungsbeschwerde erfolgreich Unterhaltssätze sollen strenger geprüft werden

Freitag, 06.07.2012, 16:40

Geschiedene Väter mit schlecht bezahlten Jobs können aufatmen. Künftig soll die Anrechnung sogenannter fiktiver Einkünfte auf die Unterhaltszahlungen strenger geprüft werden. Drei Väter hatten vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt.

...

Die anderen beiden Kläger sind körperlich behindert und leben von Sozialleistungen. Sie sollten 285 beziehungsweise 225 Euro monatlich zahlen. In dem einen Fall hatte das Amtsgericht Ludwigslust unterstellt, dass der Mann bei überregionalen Bemühungen“ einen Job als Nachtportier oder Pförtner finden könnte. Im anderen Fall ging das Amtsgericht Köln davon aus, dass der Mann fiktiv zur Zahlung fähig sei, da er keine Angaben zu seinen Bemühungen um eine Arbeit gemacht habe“.

...

http://www.focus.de/finanzen/recht/drei-vaeter-mit-verfassungsbeschwerde-erfolgreich-unterhaltssaetze-sollen-strenger-geprueft-werden_aid_778327.html

 

 

 

 

 


 

 

Viele Unterhaltspflichtige glauben irrtümlich, der in den Unterhaltsleitlinien angegebene sogenannte Selbstbehalt wäre das gleiche wie das sogenannte Existenzminimum. Dies ist ein Irrtum. Das Existenzminimum ist die Sozialhilfe. Wie viel das für einen persönlich ist, kann man sich im Sozialamt ausrechnen lassen. Es dürfte in den meisten Fällen unterhalt des Selbstbehaltes liegen. Ein weiterer Meinung ist, der Selbstbehalt würde dem Unterhaltspflichtigen in jedem Fall verbleiben. Das ist häufig ein Irrtum. Der Trick dabei. Das Familiengericht setzt ein fiktives Einkommen fest, also ein Einkommen, was der Verpflichtete zwar nicht hat, aber das Gericht so tut, als könnte er es haben, wenn er denn nur wollte. Schade, dass die Gerichte selbst kaum Unterhaltspflichtige einstellen, die mehr verdienen möchten, sonst könnte das ja tatsächlich zutreffen.

Aus alledem folgt häufig die Schwarzarbeit. Unterhaltspflichtige, besonders häufig wahrscheinlich Selbstständige, gehen einer Schwarzarbeit nach, weil sie mit dem, was die Gerichte meinen, was zum Leben ausreichen müsste, eben nicht zum Leben auskommen. Insbesondere selbstständige Arbeitnehmer haben oft unabdingbare Ausgaben, die sie nicht erfüllen könnten, wenn sie nur das Existenzminimum zur Verfügung hätten. Ehe sie fruchtlose Gespräche mit den eintreibenden Jugendämtern und diversen Rechtsanwälten führen, nutzen sie daher die Möglichkeiten der Schwarzarbeit zur Aufstockung des Einkommens.

 


 

 

 

-----Ursprüngliche Nachricht-----

Von:

Gesendet: Dienstag, 19. Oktober 2004 00:16

An: vaeternotruf.de

Betreff: AW: Kindesunterhalt - Selbstbehalt & Co.

 

 

 

Existenzminimum

 

Hallo!

Wieder mal bin ich über Eure Seiten gestolpert und kann den Sarkasmus bzw.

Zynismus (schwarzer Humor) nur teilen - man wird mit der Zeit so, denn wenn man im Netz nach Rechtsentscheidungen bzw. Hilfestellungen in den Punkten in meinem Betreff sucht, dann geh ich jedesmal mit noch schlechterer Laune aus dem Netz raus, weil es nichts gibt, was man tun kann.

Mein Fall ist wie folgt (falls es interessiert):

Ich bin 35 jahre alt und bin Vater von 2 Jungs (9 + 7 Jahre). Geschieden bin ich seit 2001 und laut Vergleich habe ich ca. 730,- DM bzw. 370,00 EUR zu zahlen.

Auch in meiner arbeitslosen Zeit, da ich meinen Job verloren habe, denn, als ich meinen neuen Job angetreten hatte, der besser dotiert gewesen ist, hat mich meine Ex ausm Haus geschmissen und die Scheidung eingereicht. Aber nun ja, das sind alte Kamellen ..

Mittlerweile, nach mehr als 2 Jahren Arbeitslosigkeit und Fortbildungsmaßnahmen habe ich wieder einen Job mit knapp 35 - 37 Stunden/Woche und einem Nettogehalt von knapp 835 EUR monatlich. Davon zahle ich immer noch meinen Kindesunterhalt i.H.v. 370 EUR und hätte ich nicht noch ein kleines Nebengewerbe, was bislang keine Gewinne abwirft, mir aber die Möglichkeit gibt aufgrund von Investitionen Software-Updates bzw. auch mal neue Hardware zu kaufen, überhaupt keine Möglichkeit vorwärts zu kommen - denn fast 50 % meines Gehaltes gehen für den Kindesunterhalt drauf - der Rest für Miete, Telefon, Lebensunterhalt & Co. Ein Auto kann ich mir, seit der Scheidung, noch immer nicht leisten - das Familien-Auto, wie auch den restlichen Güterstand hat alles meine EX behalten, weil ich einfach nervlich fertig gewesen bin zum damaligen Zeitpunkt. Das gemeinsame Konto zu trennen war schon ein Akt für sich gewesen und ich hatte einfach keine Lust mehr und wollte nur noch meine Ruhe ... nun ja ...

Jedenfalls - wie kann ich meinen Selbstbehalt behalten? Anwälte raten mir zu einer Abänderungsklage, was aber nicht erfolgversprechend ist, da es sonst möglich ist, daß mir fiktive Einkommen angerechnet werden (Meine Meinung:

Eine "Ich-wünsch-mir-was-Sendung" für das Gericht!) - oder auch fiktive Gewinne von meinem Nebengewerbe aus. Das Jugendamt meint, eine Abänderungsklage muss nicht unbedingt sein, weil es nur mit unnötigen Kosten verbunden ist und meinen, ich sollte ein Abänderungsschreiben ans Jugendamt stellen, was aber auch nicht erfolgversprechend ist, wegen fiktiven Einkommen etc. & Co. - also hab ich es seinerzeit gelassen, dieses Thema nur anzurühren und bin froh, daß ich derzeit überhaupt in Ruhe gelassen werde, nicht doch noch mehr zu zahlen, da ich mittlerweile ein sogenannter Mangelfall bin - (erhöhte Erwerbsobliegenheit).

Aber was kann mir passieren, wenn ich einfach die Zahlungen einstelle?

Unterhaltspflicht ... Strafgesetzbuch ... Zwangshaft ... etc. ... etc. ... etc. ... ich habe Angst davor, diesen Schritt zu wagen, obwohl mir zig Leute sagen, daß der und der doch auch nichts zahlt und davonkommt - oder der und der sogar mit einem neuen Wagen herumfährt und auch nichts zahlt ... aber das ist alles Hörensagen und ich weiss einfach nicht mehr weiter. Mein Geld reicht letztendlich hinten und vorne nicht und ich komme gerade so zurecht .. aber mehr auch nicht - wie ich es bezeichne ist es ein ÜBERLEBEN aber kein LEBEN ...

Ich bin mittlerweile auch der Meinung, daß Väter, die einfach nur zahlen und zwar mit existenziellen Einschneidungen ihres Lebens, einfach keine Lobby haben in diesem Staat - es geht immer nur vom Kindeswohl aus, aber obwohl das Grundgesetz sagt, daß jeder Mensch vor dem Gesetz gleich ist, sind scheinbar andere immer noch gleicher bzw. die sind gleicher, wo der Staat für sorgt.

Ich habe sogar mit diesem Thema mit meiner eigenen Anwältin gestritten und habe versucht ihr zu erklären, da sie mir geraten hat doch einen Job in Frankfurt oder München zu suchen, wie ich das bewerkstelligen sollte?

Schliesslich - ich bewerbe mich - Bewerbungsmappen kosten Geld und bei mindestens 1 Bewerbung pro Tag auf Stellen die überhaupt erst einmal da sein müssen, benötige ich also ca. 30 Bewerbungsmappen für den einen Monat und unter Berücksichtigung des Rückgangs nochmal weitere 30 Bewerbungsmappen für den nächsten Monat - also insgesamt 60 Mappen. Meine Unterlagen sind ziemlich umfangreich, was mir pro Mappe Kosten in Höhe von 15 - 20 EUR auferlegt - d.h. mal locker: 1.200 EUR - die ich nicht habe. Ausgehend davon, daß viele Unternehmen die Mappen nicht zurückschicken (mir mit insgesamt 15 Mappen passiert), gibt es auch Verluste.

Was aber dann? Man stelle sich vor, es gibt ein Vorstellungsgespräch - man hat Fahrtkosten, zumindest ich, da ich über kein Auto verfüge und müsste mit der Bahn fahren, die nicht gerade billig ist - Hin- & Rückfahrt. Dann evtl. eine Zusage, d.h. ich müsste umziehen. Wer bezahlt mir diese Umzugskosten, geschweige denn mal davon, daß sich da der Teufel in den Schwanz beisst, denn viele Arbeitgeber geben keinen Job, ohne in der Nähe zu wohnen - Vermieter wiederum geben keine Wohnung ohne Arbeitsvertrag bzw. Gehaltsbescheinigungen.

Wie also soll ein Vater, der bereits mehr als 50 % seines Selbstbehaltes an Kindesunterhalt abgibt, einen anderen Job suchen, wenn diese Kosten auf ihn zukommen? Von den laufenden Kosten mal abgesehen ...

Diese Diskussion habe ich mit meiner eigenen Anwältin geführt, die keinem der Argumente zugänglich war, weil sie es aus Sicht der FamilienrichterIn gesehen hat - und das macht einen depressiv, im Ernst.

Aber vielleicht, aber auch nur vielleicht, habt ihr wenigstens einen kleinen Rat, was man vielleicht tun könnte ...

Vielen Dank für die Antwort und auch vielen Dank für die Zeit, die Ihr Euch zum lesen meiner E-Mail genommen habt.

Bis denne ...

 

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Aktualisierung

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1.) Ich habe wieder einen Anwalt um Rat gefragt, diesmal einen Online-Anwalt.

Die Auskunft hat mich 40,- EUR gekostet und endete so, wie ich es gewohnt bin.

Es sollte eine Äbänderungsklage durchgeführt werden, aber die Aussichten auf Erfolg sind, wie üblich, gering. Weiterhin darf ich auf KEINEN FALL die Zahlungen einstellen, da aufgrund des Vergleiches ein Titel vorliegt, aus dem dann unverzüglich gepfändet werden kann. Ich frag mich nur wovon, da ja, soweit mir bekannt ist, das Pfändungsminimum vor "Kindes"Gläubigern (erstrangig) bei (tata) 730,- EUR liegt (wo sind die 840,- EUR geblieben)? Wo ist das Existenzminimum??

Kurzum - wieder kein Erfolg und es bleibt alles beim alten.

Fazit: Es bleibt alles bei dem alten Zustand. Ich verdiene netto knapp 830,- EUR. Zahle davon 370,- EUR KU. Der Rest von 460,- EUR verbleibt, so daß ich davon meine Miete (240,-), Strom (40,-), Gas (27,-), Kabel-TV (14,50) zahlen kann. Von Dingen, die ich beruflich brauche, wie Telefon und Handy mal ganz zu schweigen, hätte ich damit noch so ganze 138,50 EUR übrig. Nach Abzug von Telefon (ca. 60,- EUR), Handy (ca. 15,- EUR),

Online (für die netten preisgünstigeren Online-Bewerbungen und weil ich es beruflich brauche, weil das hab ich gelernt)(27,-) bleiben mir noch satte 36,50 EUR. Naja ... könnte schlimmer sein.

Ich könnte tot sein ...

 

2.) Ich habe mir die Mühe gemacht, mal eine E-Mail an unsere Bundesregierung zu tippen. Es ging nicht nur um HARTZ IV, was ja nach wie vor ein aktuelles Thema ist, sondern auch um Dinge wie Zahnersatzversicherung, flegeversicherung UND Existenz- minimum/Selbstbehalt.

Die E-Mail wurde beantwortet von einem Presse- & Informationsreferenten .... und wurde weitergeleitet an das Bundesministerium für Wirschaft & Arbeit. Das war nun vor knapp 6 Wochen gewesen und es gibt keine Antwort - und ich schätze einmal, daß es auch keine Antwort geben wird.

Mache sich jeder selbst seine Gedanken darüber, aber ich bin mehr und mehr desillusioniert.

 

Frank, 19.10.04

 

 


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