Hauptwohnsitz
Hauptwohnung
- Nebenwohnung - Doppelwohnsitz
Hauptwohnung kontra Nebenwohnung beim
Wechselmodell - ein Leerstück über die Irrungen und Wirrungen am
Bundesverwaltungsgericht
Leitsätze:
Der melderechtliche Berichtigungsanspruch ist darauf gerichtet, eine
unrichtigeEintragung durch die richtige zu ersetzen.
Benutzt ein Einwohner mit mehreren Wohnungen im Inland keine Wohnung
vorwiegend und kann auch kein Schwerpunkt der Lebensbeziehungen an einem
Ort festgestellt werden, hat er gegenüber den Meldebehörden zu erklären,
welche Wohnung Hauptwohnung ist. Für minderjährige Einwohner üben in diesen
Fällen die Personensorgeberechtigten das Bestimmungsrecht aus.
Können sich getrennt lebende, gemeinsam sorgeberechtigte Eltern nicht über die
Hauptwohnung ihres Kindes einigen, ist die frühere Familienwohnung dessen
Hauptwohnung, wenn ein Elternteil sie nach der Trennung weiter bewohnt.
Urteil des 6. Senats vom 30. September 2015 - BVerwG 6 C 38.14
I. VG Ansbach vom 26. Januar 2012
Az: VG AN 5 K 11.01169
II. VGH München vom 19. Dezember 2013
Az: VGH 5 BV 12.721
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 6 C 38.14
VGH 5 BV 12.721
Verkündet
am 30. September 2015
…
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung
vom 30. September 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller, Hahn
und Prof. Dr. Hecker
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Dezember 2013
wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen,
welche diese selbst trägt.
G r ü n d e :
Der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagte die Wohnung seiner Ehefrau,
von der er getrennt lebt, als Hauptwohnung der beiden minderjährigen
Kinder im Melderegister eingetragen hat.
Der Kläger zog im Februar 2011 aus der Familienwohnung in E. aus und bezog
dort eine eigene Wohnung. Das Sorgerecht für die in den Jahren 2000 und
2003 geborenen Söhne steht dem Kläger und seiner zu dem Verfahren beigeladenen
Ehefrau gemeinsam zu. Sie haben vereinbart, dass die Kinder die
Wohnungen beider Eltern genau gleichviel bewohnen (paritätisches Wechselmodell).
Die Beklagte trug die bisherige Familienwohnung als Hauptwohnung
der Kinder, die neue Wohnung des Klägers als deren Nebenwohnung in das
Melderegister ein. Nachdem es die Beklagte abgelehnt hatte, diese Eintragungen
zu ändern, hat der Kläger Klage mit den Anträgen erhoben, die Beklagte zu
verpflichten, ab dem 15. Februar 2011 beide Wohnungen als Hauptwohnungen
der Kinder, hilfsweise beide Wohnungen ohne Bezeichnung als Haupt- oder
Nebenwohnung im Melderegister einzutragen. Während des Berufungsverfahrens ist
zunächst die Beigeladene im September 2012 innerhalb E. umgezogen, dann ist der
Kläger im April 2013 in die frühere Familienwohnung in E. gezogen. Die Klage auf
Berichtigung des Wohnungsstatus der Kinder im Melderegister
hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. In dem Berufungsurteil hat der
Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei berechtigt,
Ansprüche der Kinder auf Berichtigung ihrer Wohnungsdaten im Melderegister
in eigenem Namen geltend zu machen. Diese Prozessstandschaft folge aus der
landesgesetzlich bestimmten Pflicht eines sorgeberechtigten Elternteils, den
Einzug eines noch nicht sechzehnjährigen Kindes in seine Wohnung und dessen
Auszug zu melden. Die Ansprüche bestünden jedoch nicht, weil die Beklagte die
Wohnung der Beigeladenen zutreffend als Hauptwohnung eingetragen
habe. Der meldegesetzliche Grundsatz, dass eine von mehreren Wohnungen
Hauptwohnung, die andere Wohnung Nebenwohnung sein müsse, gelte uneingeschränkt.
Danach sei die Eintragung zweier Wohnungen als Hauptwohnung
gesetzlich ausgeschlossen. Benutze ein Minderjähriger die Wohnungen seiner
getrennt lebenden, gemeinsam sorgeberechtigten Eltern zeitlich genau gleichviel
und lasse sich auch nicht feststellen, wo der Schwerpunkt seiner
Lebensbeziehungen liege, müssten die Eltern die Hauptwohnung einvernehmlich
bestimmen.
Komme eine Einigung nicht zustande, bestehe kein Anspruch auf Berichtigung des
eingetragenen Wohnungsstatus, weil der Nachweis der Unrichtigkeit nicht geführt
werden könne. Mit der Revision trägt der Kläger unter anderem vor, die
gesetzlichen Kriterien für die Bestimmung einer Wohnung als Hauptwohnung
erfassten das paritätische Wechselmodell nicht. Diese Gesetzeslücke dürfe nicht
durch die Anwendung eines gesetzlich nicht
vorgesehenen Bestimmungskriteriums geschlossen
werden. Die Eintragung einer Hauptwohnung ohne gesetzliche Grundlage sei
grundrechtswidrig. Eine solche Eintragung sei auch nicht erforderlich, wenn die
von einem Minderjährigen gleichviel benutzten Wohnungen beider Elternteile in
einer Gemeinde lägen. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Hauptwohnung
der Kinder verfahrensfehlerhaft durch die Anwendung einer Beweislastregel
bestimmt, obwohl der entscheidungserhebliche Sachverhalt erschöpfend aufgeklärt
worden sei.
II .
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Berufungsurteil
beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Das angefochtene Berufungsurteil beruht auf der Auslegung und Anwendung
von Landesrecht, nämlich des Bayerischen Meldegesetzes vom 8. Dezember 2006 -
BayMG - (GVBl. S. 990). Die tragenden rechtlichen Erwägungen des
Verwaltungsgerichtshofs sind revisionsgerichtlich daraufhin nachzuprüfen, ob
sie mit den bundesrahmenrechtlichen Vorgaben des Melderechtsrahmengesetzes
- MRRG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. August 2013 (BGBl. I
S. 3458), vereinbar sind (BVerwG, Urteile vom 20. März 2002 - 6 C 12.01 -
NJW 2002, 2579 und vom 21. Juni 2006 - 6 C 5.05 - BVerwGE 126, 140
Rn. 16). Das Melderechtsrahmengesetz, das der Bundesgesetzgeber aufgrund seiner
mit Wirkung ab 1. September 2006 aufgehobenen Rahmenkompetenz für das Meldewesen
nach Art. 75 Nr. 5 GG a.F. erlassen hat, gilt nach Art. 125b Abs. 1
Satz 1 GG noch bis zum Inkrafttreten des Bundesmeldegesetzes vom 3. Mai 2013
(BGBl. I S. 1084) am 1. November 2015 fort. Es hat eine Verpflichtung der Länder
zur Anpassung ihrer Landesmeldegesetze begründet (vgl. § 23 Abs. 1
MRRG). Soweit der Bundesgesetzgeber von einer durch die Rahmenkompetenz
gedeckten Befugnis zum Erlass inhaltlich abschließender melderechtlicher
Regelungen Gebrauch gemacht hat, sind die Landesgesetzgeber verpflichtet
gewesen, diese Regelungen inhaltlich unverändert in das Landesmeldegesetz zu
übernehmen. Hierzu gehören die Regelungen des Melderechtsrahmengesetzes, die
sich mit dem Innehaben mehrerer Wohnungen befassen (BVerwG, Urteil vom 20. März
2002 - 6 C 12.01 - NJW 2002, 2579).
1. Nach § 7 Nr. 2, § 9 Satz 1 MRRG haben die Landesgesetzgeber Betroffenen
gegenüber der Meldebehörde ein Recht auf Berichtigung oder Ergänzung
einzuräumen,
wenn das Melderegister unrichtig oder unvollständig ist. Betroffener ist
derjenige, zu dessen Person die Daten und Hinweise gespeichert sind (§ 8
Abs. 1 Nr. 1 MRRG). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 12 MRRG gehören zu diesen
personenbezogenen Daten gegenwärtige und frühere Anschriften sowie Haupt- und
Nebenwohnung. Das bayerische Meldegesetz hat diese Regelungen inhaltsgleich
umgesetzt (Art. 8 Nr. 2; Art. 10 Abs. 1 Satz 1; Art. 9 Abs. 1 Nr. 1; Art. 3
Abs. 1 Nr. 11 BayMG). Danach können nur den Kindern des Klägers, nicht aber dem
Kläger selbst, Ansprüche auf Berichtigung des melderechtlichen Status der von
den Kindern genutzten Wohnungen zustehen. Melderechtlich sind nur die
Kinder Betroffene, weil es sich bei den Eintragungen um Daten zu ihrer Person
handelt. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Kläger für berechtigt gehalten,
Ansprüche
seiner Kinder im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft im eigenen Namen
zu verfolgen. Er hat der Regelung des Art. 13 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz
BayMG, der den Wohnungsinhaber zur Meldung des Ein- und Auszugs einer seiner
Personensorge unterliegenden, noch nicht sechzehnjährigen Person
verpflichtet, zugleich dessen Befugnis entnommen, im eigenen Namen auf eine
Berichtigung der Wohnungsdaten des Minderjährigen im Melderegister hinzuwirken
(gesetzliche Prozessstandschaft). An diese Auslegung des Landesmeldegesetzes ist
der Senat gebunden, weil sich die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem
Melderechtsrahmengesetz nicht stellt. Dieses enthält keine entsprechende
Regelung über die Meldepflicht personensorgeberechtigter Wohnungsinhaber. In der
weiten Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs stellt Art. 13
Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz BayMG eine andere gesetzliche Bestimmung im Sinne
des § 42 Abs. 2 VwGO dar, die eine Klage ohne Betroffenheit in eigenen
Rechten zulässt. Die Landesgesetzgeber sind befugt, derartige Regelungen zu
treffen (stRspr; vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1993 - 7 A 3.92 - BVerwGE
92, 263 <264>). 2. Ein Anspruch auf Berichtigung des Melderegisters nach § 7 Nr.
2, § 9 Satz 1
MRRG (Art. 8 Nr. 2, Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayMG) besteht unter zwei
Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen: Nach dem Wortlaut des § 9 Satz
1
MRRG (Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayMG) muss zum einen ein Datum im Melderegister
unrichtig oder unvollständig eingetragen sein. Dies ist der Fall, wenn der
Inhalt des Melderegisters nicht den melderechtlichen Vorschriften entspricht.
Hinzukommen muss, dass der Anspruch darauf gerichtet ist, anstelle des
unrichtigen
Datums das richtige, d.h. das melderechtsgemäße Datum einzutragen. Es gibt
keinen Anspruch, eine unrichtige Eintragung durch eine andere, ebenfalls
unrichtige Eintragung zu ersetzen. Durch eine derartige Eintragung würde
das Melderegister nicht berichtigt, d.h. melderechtlich richtig gestellt,
vielmehr würde seine Unrichtigkeit fortgeschrieben. Der Berichtigungsanspruch
des Betroffenen tritt neben die von Amts wegen bestehende Pflicht der
Meldebehörde, die Richtigkeit des Melderegisters von Amts wegen sicherzustellen
(§ 4a Abs. 1
Satz 1 MRRG, Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BayMG).
Im vorliegenden Fall ist keine der beiden Anspruchsvoraussetzungen gegeben:
Die vom Kläger angestrebten Eintragungen sowohl seiner Wohnung als auch
der Wohnung der Beigeladenen jeweils als Hauptwohnung der Kinder, hilfsweise
die Eintragungen beider Wohnungen ohne Bezeichnung als Haupt- oder Nebenwohnung,
würden das Melderegister unrichtig machen, weil sie melderechtlich zwingend
ausgeschlossen sind (unter 3.). Ungeachtet dessen gibt das Melderegister die
Wohnungsdaten der Kinder jedenfalls für die Zeit zwischen dem Auszug des Klägers
aus der Familienwohnung im Februar 2011 und dem Umzug
der Beigeladenen im September 2012 richtig wieder. Die Eintragungen der von der
Beigeladenen weitergenutzten früheren Familienwohnung als Hauptwohnung und der
Wohnung des Klägers als Nebenwohnung stehen in Einklang
mit den melderechtlichen Bestimmungen (unter 4.).
3. a) Hat ein Einwohner mehrere Wohnungen im Inland, so ist nach § 12 Abs. 1
Satz 1 MRRG eine dieser Wohnungen seine Hauptwohnung. Diesen bindend
vorgegebenen melderechtlichen Grundsatz hat der Landesgesetzgeber in
Art. 15 Abs. 1 BayMG wortgleich umgesetzt. Die Bedeutung dieser Regelungen
erschließt sich ohne weiteres aus ihrem eindeutigen und nicht auslegungsfähigen
Wortlaut: Zum einen ist es gesetzlich ausgeschlossen, dass ein Einwohner
mit mehreren Wohnungen im Inland mehr als eine Hauptwohnung hat. Zum anderen
muss eine der Wohnungen die Hauptwohnung sein. Dieser sich aus dem
Gesetzeswortlaut ergebende Regelungsinhalt ergibt sich
auch aus Gesetzessystematik, Normzweck und Entstehungsgeschichte der
Bestimmungen. Das vorrangige gesetzliche Kriterium der vorwiegenden Benutzung
für die Bestimmung der Hauptwohnung ist ebenso wie das Hilfskriterium des
Schwerpunkts der Lebensbeziehungen darauf angelegt, dass es nur in Bezug auf
eine von mehreren Wohnungen erfüllt sein kann (§ 12 Abs. 2 MRRG, Art. 15 Abs. 2
BayMG). Der Normzweck geht aus den Gesetzesmaterialien hervor:
Der Bundesgesetzgeber hält den Grundsatz "ein Einwohner, eine Hauptwohnung"
für erforderlich, um mit der Hauptwohnung einen eindeutigen, leicht
feststellbaren und zugleich den Lebensverhältnissen des Einwohners
entsprechenden
Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit zahlreicher Behörden sowie
für Rechte und Pflichten festzulegen, welche an die Wohnung gebunden sind
(vgl. BT-Drs. 8/3825 S. 20 und 31). Wie der Vertreter des Bundesinteresses
dargelegt hat, dient die Eintragung einer Hauptwohnung im Melderegister bei der
Benutzung mehrerer Wohnungen der einfachen Bestimmung der behördlichen
Entscheidungszuständigkeiten im Pass-, Personalausweis-, Staatsangehörigkeits-,
Ausländer-, Personenstands- und Schulrecht sowie für die Gewährung staatlicher
und kommunaler Leistungen. Auch knüpfen statistische Erhebungen
zur Feststellung der Einwohnerzahlen, deren Ergebnisse etwa für den
Länderfinanzausgleich, den kommunalen Finanzausgleich und für staatliche
Planungen ausschlaggebend sind, an die Hauptwohnung an, um Verzerrungen
durch die mehrfache Erfassung von Einwohnern zu vermeiden. Dementsprechend
behält das ab dem 1. November 2015 geltende Bundesmeldegesetz den
Grundsatz "ein Einwohner, eine Hauptwohnung" in der bisherigen Form bei. Dass
dieser gesetzliche Grundsatz auch für minderjährige Einwohner gilt, die
mehrere Wohnungen benutzen, folgt aus den meldegesetzlichen Regelungen, die sich
eigens mit der Bestimmung der Hauptwohnung minderjähriger Einwohner
befassen (§ 12 Abs. 2 Satz 3 MRRG; Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayMG).
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 1 MRRG (Art. 15 Abs. 1
BayMG) ist die Bestimmung einer von mehreren Wohnungen als Hauptwohnung
auch dann erforderlich, wenn die Wohnungen in einer politischen Gemeinde
liegen. Das Melderechtsrahmengesetz enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass der
Grundsatz "ein Einwohner, eine Hauptwohnung" für diese Fallgestaltung nicht
gilt. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 12 Abs. 1 Satz 1 MRRG (Art. 15
Abs. 1 BayMG) und seines Normzwecks kann auf die Bestimmung einer von mehreren
Wohnungen eines Einwohners im Inland als Hauptwohnung auch
dann nicht verzichtet werden, wenn die gesetzlichen Bestimmungskriterien der
vorwiegenden Benutzung und des Schwerpunkts der Lebensbeziehungen (§ 12
Abs. 2 MRRG; Art. 15 Abs. 2 BayMG) nicht greifen. Dies ist der Fall, wenn der
Einwohner keine Wohnung vorwiegend, sondern mehrere Wohnungen zeitlich genau
gleichviel benutzt und nicht festgestellt werden kann, dass der Schwerpunkt der
Lebensbeziehungen an einem Wohnungsort liegt. Die gesetzlich angeordnete
uneingeschränkte Geltung des meldegesetzlichen Grundsatzes "ein
Einwohner, eine Hauptwohnung" soll die Funktion des Melderegisters als zentrale
Informationsquelle für eine Vielzahl von Behörden und Anknüpfungspunkt für
zahlreiche Verwaltungshandlungen in den verschiedensten Verwaltungsbereichen
sicherstellen. Daher muss die Hauptwohnung unter Berücksichtigung
der meldegesetzlichen Wertungen bestimmt werden, wenn die gesetzlichen
Bestimmungskriterien nicht weiterführen (vgl. unter 4.).
b) Der Grundsatz "ein Einwohner, eine Hauptwohnung" wird nach § 12 Abs. 3
MRRG, dem Art. 15 Abs. 3 BayMG wörtlich entspricht, durch den weiteren
meldegesetzlichen Grundsatz ergänzt, dass jede weitere Wohnung des Einwohners
Nebenwohnung ist. Auch die Bedeutung dieser Regelung ergibt sich aus dem
eindeutigen, nicht auslegungsfähigen Wortlaut: Jede Wohnung eines Einwohners,
die nicht seine Hauptwohnung ist, muss als Nebenwohnung in das Melderegister
eingetragen werden. Daraus folgt in Verbindung mit der Regelung des § 12 Abs. 1
Satz 1 MRRG (Art. 15 Abs. 1 BayMG), dass die Eintragung
mehrerer Wohnungen ohne Bestimmung als Haupt- oder Nebenwohnung
melderechtlich ebenso ausgeschlossen ist wie die Eintragung mehrerer
Hauptwohnungen. Diejenigen Wohnungen eines Einwohners, die nicht Hauptwohnung
sind, sind zwangsläufig Nebenwohnungen.
Nach alledem bestehen die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche seiner Kinder
nicht, weil sie darauf gerichtet sind, unrichtige Wohnungsdaten in das
Melderegister einzutragen. Die hauptsächlich angestrebten Eintragungen beider
Wohnungen der Eltern als Hauptwohnungen würden den zwingenden meldegesetzlichen
Grundsatz verletzen, dass nur eine von mehreren Wohnungen
Hauptwohnung sein kann (§ 12 Abs. 1 Satz 1 MRRG; Art. 15 Abs. 1 BayMG).
Die hilfsweise angestrebten Eintragungen der beiden Wohnungen ohne
Einstufung
als Haupt- und Nebenwohnung würden diesen Grundsatz verletzen, weil er auch
zwingend anordnet, dass eine von mehreren Wohnungen Hauptwohnung
sein muss. Zudem läge ein Verstoß gegen den ergänzenden meldegesetzlichen
Grundsatz vor, dass jede Wohnung, die nicht die Hauptwohnung ist, zwangsläufig
Nebenwohnung ist (§ 12 Abs. 3 Satz 1 MRRG; Art. 15 Abs. 3
BayMG).
4. Darüber hinaus stehen den Kindern des Klägers Ansprüche auf Berichtigung
des Melderegisters jedenfalls für die Zeit zwischen dessen Auszug aus der
Familienwohnung im Februar 2011 und dem Umzug der Beigeladenen im September 2012
nicht zu, weil das Melderegister für diese Zeitspanne die Wohnungsdaten der
Kinder richtig wiedergibt. Nach dem Auszug des Klägers wurde
die Familienwohnung Hauptwohnung, die neue Wohnung des Klägers wurde
Nebenwohnung der Kinder.
Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 MRRG und dem wortgleichen Art. 15 Abs. 2 Satz 1
BayMG ist Hauptwohnung die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners. Nach dem
zweiten Halbsatz des Satzes 3 dieser Vorschriften ist Hauptwohnung
eines minderjährigen Einwohners, dessen Personensorgeberechtigte getrennt leben,
die Wohnung desjenigen Personensorgeberechtigten, die von dem Minderjährigen
vorwiegend benutzt wird. Nach Satz 5 ist in Zweifelsfällen die vorwiegend
benutzte Wohnung dort, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen
des Einwohners liegt. Die vorwiegende Benutzung bestimmt sich danach, wo sich
der Einwohner am häufigsten aufhält. Hierfür sind die Aufenthaltszeiten an den
Orten, in denen
sich die Wohnungen befinden, rein quantitativ festzustellen und miteinander zu
vergleichen. Auf die Aufenthaltszeiten in den Wohnungen selbst kann es nur
ankommen, wenn diese sich an einem Ort befinden. Die Meldebehörde kann
die Angaben des Einwohners zugrunde legen, wenn diese in sich schlüssig und
glaubhaft sind (BVerwG, Urteile vom 15. Oktober 1991 - 1 C 24.90 - BVerwGE
89, 110 <113 f.> und vom 20. März 2002 - 6 C 12.01 - NJW 2002, 2579). Auch das
Bestimmungskriterium des Schwerpunkts der Lebensbeziehungen des Einwohners nach
§ 12 Abs. 2 Satz 5 MRRG (Art. 15 Abs. 2 Satz 5 BayMG) bezieht sich auf den Ort,
in dem die Wohnungen liegen, und nur bei deren Belegenheit in einer politischen
Gemeinde auf die Wohnungen selbst. Es darf erst herangezogen werden, wenn sich
durch einen Vergleich der Aufenthaltszeiten
nicht hinreichend sicher feststellen lässt, welche Wohnung vorwiegend benutzt
wird (BVerwG, Urteil vom 20. März 2002 - 6 C 12.01 - NJW 2002, 2579). Die
Feststellung des Schwerpunkts der Lebensbeziehungen verlangt eine wertende
Betrachtung der Lebensverhältnisse des Einwohners, insbesondere der Art der
Wohnung und des Aufenthalts, der familiären oder sonstigen persönlichen
Bindungen
sowie des beruflichen und gesellschaftlichen Engagements an den jeweiligen Orten
(Medert/Süßmuth/Dette-Koch, Melderecht des Bundes und der Länder, § 12 MRRG Rn.
19). Hält sich ein Minderjähriger nach dem paritätischen Wechselmodell zeitlich
genau
gleichviel in den Wohnungen seiner getrennt lebenden Eltern auf, steht fest,
dass er keine der beiden Wohnungen vorwiegend benutzt. Daher muss in
diesen Fällen versucht werden, seine Hauptwohnung nach dem Hilfskriterium
des Schwerpunkts der Lebensbeziehungen zu bestimmen. Es liegt nahe anzunehmen,
dass beim Auszug eines Elternteils aus der Familienwohnung bis auf weiteres dort
der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen der minderjährigen Kinder
liegt. Denn die Kinder haben an dem Ort bzw. in der Umgebung dieser Wohnung
zumindest einen Teil ihres bisherigen Lebens verbracht, während Ort
bzw. Umgebung der neuen Wohnung des ausgezogenen Elternteils für sie in
der Regel fremd sind. Diese Annahme trägt allerdings nicht, wenn wie im
vorliegenden Fall beide Wohnungen in einer Gemeinde räumlich nahe beieinander
liegen. Daher ist die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs, die
Kinder hätten keinen Schwerpunkt der Lebensbeziehungen in einer Wohnung,
im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die hiergegen erhobene Rüge des Klägers,
der Verwaltungsgerichtshof habe den Überzeugungsgrundsatz nach § 108
Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt, bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat nicht dargelegt,
welche entscheidungserhebliche Tatsache das Gericht bei seiner Würdigung
übersehen haben könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1984 - 6 C
134.81 - BVerwGE 68, 338 <339>; Beschluss vom 18. November 2008 - 2 B
63.08 - NVwZ 2009, 399 Rn. 27). In der Sache wendet er sich gegen die
materiell-rechtliche Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass eine
Hauptwohnung
eines Minderjährigen auch dann bestimmt werden muss, wenn seine getrennt
lebenden Eltern die Benutzung ihrer Wohnungen nach dem paritätischen
Wechselmodell vereinbart haben. Steht fest, dass es nicht möglich ist, eine
Hauptwohnung nach den Kriterien des § 12 Abs. 2 MRRG (Art. 15 Abs. 2 BayMG) zu
bestimmen, kann der Betroffene
diese Bestimmung durch Erklärung gegenüber den Meldebehörden vornehmen. Diese
Lösung berücksichtigt die meldegesetzlichen Wertungen, weil auch die
gesetzlichen Bestimmungskriterien der vorwiegenden Benutzung und des
Schwerpunkts der Lebensbeziehungen an die individuellen Verhältnisse des
Betroffenen anknüpfen. Der Betroffene entscheidet durch seine Lebensführung,
welche Wohnung seine Hauptwohnung ist. Daher erscheint es folgerichtig, ihm
deren Bestimmung zu überlassen, wenn er aufgrund seiner Lebensführung weder eine
Wohnung vorwiegend benutzt noch sich ein Schwerpunkt der Lebensbeziehungen
herausgebildet hat. Demzufolge obliegt die Bestimmung der Hauptwohnung eines
minderjährigen Einwohners in einem derartigen Fall den
Personensorgeberechtigten; es handelt sich um eine Angelegenheit der elterlichen
Sorge im Sinne von §§ 1626,
1627 BGB. Dies bedeutet, dass sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern über
die Bestimmung einigen müssen. Auch wenn sie dazu wie im vorliegenden Fall
dauerhaft nicht in der Lage sind, scheidet die Anrufung des Familiengerichts
nach § 1628 Satz 1 BGB aus, weil die Bestimmung seiner Hauptwohnung nicht von
erheblicher Bedeutung für das Kind ist (OLG München, Beschluss vom 25. Januar
2008 - 12 UF 1776/07 - NJW-RR 2008, 1534). Daher bleibt bei Berücksichtigung der
meldegesetzlichen Wertungen nur, als Hauptwohnung des
Kindes die Wohnung des Elternteils festzulegen, die bis zur Trennung der Eltern
die alleinige Wohnung der Familie war. Hierfür spricht, dass sich die
Lebensverhältnisse
der Kinder nicht in einem melderechtlich relevanten Maß verändert haben, weil
die neue Wohnung des ausgezogenen Elternteils weder vorwiegend benutzt wird noch
sich dort der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen
befindet. Solange das paritätische Wechselmodell praktiziert wird, ist aus
Anlass jedes weiteren Umzugs eines Elternteils erneut zu prüfen, ob die
Hauptwohnung der Kinder nunmehr nach dem Schwerpunkt der Lebensbeziehungen
festgestellt werden kann (§ 12 Abs. 2 Satz 5 MRRG; Art. 15 Abs. 2
Satz 5 BayMG). Ist dies weiterhin nicht möglich, bleibt nur übrig, die neue
Wohnung
des Elternteils, der zunächst in der früheren Familienwohnung geblieben
war, als Hauptwohnung der Kinder festzulegen. 5. Die unter 4. dargelegte
Bestimmung der Hauptwohnung eines Minderjährigen
bei Unmöglichkeit einer Einigung der Eltern begegnet keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken. Das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Recht der
sorgeberechtigten Eltern zur Bestimmung des Aufenthalts ihrer minderjährigen
Kinder wird nicht eingeschränkt. Das Melderecht knüpft stets an die
Entscheidungen
der Eltern zur Aufenthaltsbestimmung an, ohne sie in Frage zu stellen. Zudem ist
das gemeinsame Sorgerecht der Eltern darauf angelegt, dass die Eltern in
Angelegenheiten der elterlichen Sorge auch bei Meinungsverschiedenheiten zu
einer einvernehmlichen Lösung finden. Gelingt ihnen dies dauerhaft nicht, müssen
notgedrungen staatliche Instanzen an ihrer Stelle entscheiden. Der Schutzbereich
der Grundrechte auf Freizügigkeit nach Art. 11 Abs. 1 GG
und auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1
Abs. 1 GG wird durch die Bestimmung von Wohnungen zu Haupt- oder Nebenwohnung
nicht berührt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. März 1993 - 1 BvR
1296/92 - DVBl. 1993, 601). Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, §
162 Abs. 3, § 154 Abs. 3
VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind dem Kläger nicht
aufzugeben, weil die Beigeladene im Revisionsverfahren keinen Sachantrag
gestellt hat und somit kein Kostenrisiko eingegangen ist.
Neumann Dr. Heitz Dr. Möller
Hahn Richter am BVerwG
Prof. Dr. Hecker
ist aus dem Bundesverwaltungsgericht ausgeschieden und kann deshalb nicht
unterschreiben.
Neumann
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 €
festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG). Neumann Dr. Heitz Dr. Möller
Hahn Richter am BVerwG
Prof. Dr. Hecker
ist aus dem Bundesverwaltungsgericht ausgeschieden und kann deshalb nicht
unterschreiben.
Neumann
Kommentar Väternotruf
Was ist schwerer, ein Kilogramm Birnen oder ein Kilogramm
Äpfel
Natürlich die Birnen - so das Bundesverwaltungsgericht -
denn diese hat Gott früher geschaffen als die Äpfel. Und alles was früher
geschaffen wurde, das ist eben schwerer.
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