Heimkinder


 

 

 

Das Milliardengeschäft mit den Heimkindern 

28.12.2015

http://www.welt.de/politik/deutschland/article150385271/Das-Milliardengeschaeft-mit-den-Heimkindern.html

 

 

 

 

 

 

 

Überfraktionelle Forderung nach Entschädigung von misshandelten Heimkindern

Kinder und Jugendliche, die während einer kommunalen oder kirchlichen Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zwischen 1949 und 1975 zu Opfern von Unrecht und Misshandlungen geworden sind, sollen entschädigt werden. Dies fordern die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und von Bündnis 90/Die Grünen in einem gemeinsamen Antrag (17/6143). Die Bundesregierung soll in Abstimmung mit den betroffenen Bundesländern und den Kirchen zeitnah entsprechende Regelungen entwickeln und dem Bundestag vorlegen. Diese sollen sich an den Lösungsvorschlägen orientieren, die der Runde Tisch „Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“, dessen Einrichtung der Bundestag im November 2008 einstimmig beschlossen und der am 19. Januar dieses Jahres dem Bundestagspräsidenten seine Empfehlungen überreicht hatte, orientieren. Dazu gehöre die finanzielle Entschädigung einzelner Opfer ohne Anrechnung auf Renten und Transferleistungen, die Prävention vor weiteren Misshandlungen und die Einrichtung regionaler Anlauf- und Beratungsstellen.

Die Entschädigung westdeutscher Heimkinder soll gemäß der Empfehlungen des Runden Tisches über einen bundesweiten Fonds in Höhe von 120 Millionen Euro finanziert werden. Der Bund, die alten Bundesländer und die Kirchen sollen dafür jeweils 40 Millionen Euro bereitstellen. Die Entschädigung von Kindern, die in den Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen der DDR Unrecht erlitten hatten, soll nach den gleichen Maßstäben erfolgen.

Quelle: heute im bundestag vom 9.6.2011

 

 

Kommentar Väternotruf:

So richtig es ist, Opfer der westdeutschen staatskapitalistischen Diktatur und seines ostdeutschen Pendants nach 1949 zu entschädigen, so wunderlich ist es doch, dass die heutigen Steuerzahler/innen ohne Unterschied für die Staatsverbrechen der Vergangenheit haften sollen.

Was hat aber ein Mensch, der 1960 geboren wurde für eine Schuld an Staatsverbrechen, die vor 1978 passiert sind Keine. Richtig wäre es die für die damaligen Staatsverbrechen Schuldigen zur Kasse zu bitten. Einzug des Vermögens in passender Höhe wäre eine gute Möglichkeit. Und wenn die damaligen Verbrecher schon gestorben sind, dann müssen halt die Erben zu Kasse gebeten werden. Das wäre eine nachhaltige und weise Politik. Bei der Gelegenheit könnte man auch gleich noch die Millionen von nichtverheirateten Vätern entschädigen, die von den beiden Staatsdiktaturen in Ost- und Westdeutschland jahrzehntelang auf das gröbste aus der elterlichen Verantwortung ausgesperrt wurden. Mit 120 Millionen € wird man da nicht auskommen. 1,2 Milliarden € werden es ganz sicher werden.

 

 


 

 

Ex-DDR-Heimkinder können auf Entschädigung hoffen

Donnerstag, 04. Juni 2009 15.40 Uhr

Karlsruhe (dpa) - Frühere Heimkinder aus der DDR können auf Entschädigung für ihre Zeit in den Heimen hoffen. Das Gesetz zum Ausgleich von DDR-Unrecht befasse sich nicht nur mit Freiheitsentzug wegen Straftaten und politischer Verfolgung, befand das Bundesverfassungsgericht laut einer Mitteilung von Donnerstag. Es gab damit der Klage eines Ex-Heimkindes aus Ostdeutschland statt und hob eine Entscheidung des Naumburger Oberlandesgerichts auf.

Der Beschwerdeführer hatte seit den 1960er Jahren in mehreren Heimen in der DDR gelebt. Wegen «sich verfestigender Fehlverhaltensweisen» wurde er später dem «Kombinat der Sonderheime» zugewiesen, zuletzt wurde er bis Januar 1972 in einen streng bewachten «Jugendwerkhof» eingewiesen.

Nach dem Rehabilitierungsgesetz müssen Entscheidungen von Behörden aufgehoben werden, mit denen ein Leben unter haftähnlichen Bedingungen angeordnet wurde. Voraussetzung ist allerdings, dass diese Entscheidungen unvereinbar sind mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung. Ob entschädigt wird oder nicht, hängt vom Einzelfall ab.

Der heute 54-jährige Kläger machte in Karlsruhe geltend, er sei erst durch die «Heimerziehung» in einer Weise verhaltensauffällig geworden, die schließlich zur Einweisung ins «Kombinat Sonderheime» geführt habe. In den Heimen seien Seele und Körper geschädigt worden. Er sei unter anderem durch Arrest, Essensentzug, stundenlanges Stehen und Schlafentzug misshandelt worden.

Bislang hatten die ordentlichen Gerichte nur die Zeit in dem letzten, geschlossenen Jugendwerkhof anerkannt. Die Einweisung sei kein Freiheitsentzug gewesen; politische Verfolgung liege nicht vor, hatten sowohl das Landgericht Magdeburg als auch das OLG Naumburg entschieden.

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes hält diese enge Auslegung verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht stand. Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, wegen Freiheitsentzugs auch über strafrechtliche und politische Verfolgung hinaus zu entschädigen. Der Anwendungsbereich des Gesetzes werde «in nicht vertretbarer, dem gesetzgeberischen Willen entgegenstehender Weise verengt», entschieden die Richter. (Az.:2 BvR 718/08)

http://www.justiz.nrw.de/Presse/dpa_ticker/DPA_04063/index.php

 

 


 

 

 

Verein ehemaliger Heimkinder fordert 25 Milliarden Euro Entschädigung

Im Vorfeld der dritten Sitzung des „Runden Tischs Heimerziehung“, der am 15. und 16. Juni in Berlin stattfinden wird, hat der Verein ehemaliger Heimkinder (VEH) seine politischen Forderungen konkretisiert. Auf der Mitgliederversammlung des Vereins am Pfingstwochenende in Mainz wurde mit großer Mehrheit ein Antrag verabschiedet, der u.a. die Einrichtung eines Entschädigungsfonds in Höhe von 25 Milliarden Euro vorsieht. Zusätzlich fordern die ehemaligen Heimkinder einen rentenversicherungsrechtlichen Ausgleich für die Zwangsarbeiten, die sie leisten mussten, sowie sofortige Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die Behandlung der Traumata, unter denen viele ehemalige Heimkinder leiden.

Experten sprechen in Bezug auf die zumeist in katholischen und evangelischen Institutionen erfolgte Heimerziehung der 50er und 60er Jahre von systematischen Menschenrechtsverletzungen. In Irland und Kanada haben Klagen von Heimkindern bereits zu Entschädigungen in Milliardenhöhe geführt. Zur Begründung der Entschädigungsforderung in Deutschland führte der Rechtsanwalt des VEH, Gerrit Wilmans, aus: „Auch wenn die Forderung auf den ersten Blick hoch erscheint, ist sie angesichts der großen Zahl der Betroffenen und der Schwere des erlittenen Unrechts, das ganze Biografien zerstört hat, maßvoll. Auch im internationalen Vergleich liegt die Forderung bezogen auf den Einzelfall absolut im Schnitt.“ Monika Tschapek-Güntner, die frisch gewählte erste Vorsitzende des Vereins, sagte: „Es darf keinen Unterschied machen, ob die grausamen Misshandlungen von Kindern und Jugendlichen in Irland, Kanada oder Deutschland stattgefunden haben. Jede dieser Taten ist eines zivilisierten Staates unwürdig und ist gleichermaßen zu entschädigen, unabhängig davon, wo sie geschehen sind.“

Der Vorstand des VEH erklärte, dass die Entschädigungssumme nicht vorwiegend vom Steuerzahler getragen werden solle. Zwar habe der Staat seine Aufsichtspflicht grob verletzt, in erster Linie verantwortlich seien jedoch die zumeist kirchlichen Heimträger sowie die beteiligten Industrie-, Gewerbe und Landwirtschaftsbetriebe, die von der Zwangsarbeit der Heimkinder profitierten. Der Vorsitzende der Giordano Bruno Stiftung, Herbert Steffen, der die Mitgliederversammlung der ehemaligen Heimkinder leitete, formulierte es so: „Die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände haben in den letzten Jahrzehnten viele Milliarden vom Steuerzahler erhalten. Sie sind nachweislich im Besitz eines kolossalen Vermögens. Es wäre ein Skandal, würden sie sich jetzt ihrer Verantwortung entziehen! Gerade sie sind gefordert, alles zu tun, um das Unrecht zu kompensieren, das den Heimkindern widerfahren ist.“

Weitere Informationen (incl. Originaldokumente): http://hpd.de/node/7135

Quelle: ots-Originaltext: HPD – Humanistischer Pressedienst vom 2.6.2009

 

 

 

Kommentar Väternotruf:

Wenn schon die ehemaligen Heimkinder von der Bundesregierung 25 Milliarden Euro Entschädigung fordern, dann können die nichtverheirateten Väter mit Leichtigkeit 100 Milliarden Euro Entschädigung für das jahrzehntelange und bis heute von der Bundesregierung praktizierte Unrecht in Sachen Umgangsrecht und Sorgerecht einfordern. Wenn man dann noch die Hunderttausende von Kindern nimmt, denen die sorgerechtliche und umgangsrechtliche Unrechtspraxis in der BRD und in der DDR den Kontakt zum Vater versperrt hat, dürfen es locker 200 Milliarden Euro Entschädigung sein.

Also dann mal los und die ersten Musterklagen führen. Diese Bundesregierung hat, wie auch die früheren, noch erheblichen Nachholbedarf in Sachen Rechtsstaatlichkeit.

 

 


 

 

Freitag, 16. November 2007

Jugendfürsorge in Glückstadt

Skandal wird aufgerollt

Otto Behnck schüttelt immer wieder den Kopf: "Falscher Film", "Das ist irre", "Kann sich heute keiner mehr vorstellen" - so lauten Satzfetzen, die aus ihm raussprudeln. Der heute 56-Jährige war 1970 als Jugendlicher Insasse der Landesfürsorgeanstalt in Glückstadt an der Elbe, einem der berüchtigtsten westdeutschen Jugendheime der Nachkriegszeit. Verbrochen hatte Behnck nichts, er trug nur damals das Haar etwas zu lang und hatte Stress mit seinen Eltern. Drei Monate lang knüpfte er im Heim in Glückstadt Fischernetze. Für 1000 Maschen gab es eine "Aktive", eine Zigarette. Ein Anderer erhielt nach vier Jahren Arbeit in der Ziegelei 164 Mark. "Das war Zwangsarbeit", sagt Behnck. "Und die muss noch bezahlt werden." Nun soll das Thema aufgerollt werden.

Bis 1945 war das Gebäude in Glückstadt Konzentrationslager für Arbeitshäftlinge. Fünf Jahre später wurden hier aufmüpfige Jugendliche und Straftäter staatlicher Obhut anvertraut - bis 1974. Später wurde der historisch belastete Komplex abgerissen. Schläge, unbezahlte Zwangsarbeit und Drillich-Anzüge im Stil von KZ-Uniformen - Glückstadt war nach den Berichten früherer Insassen kein Hort der Nächstenliebe.

Bundestag prüft Entschädigungsansprüche

Medienberichte, Entschädigungsforderungen und 7000 im Staatsarchiv in Schleswig aufgetauchte Akten verleihen diesem bisher tabuisierten Justizskandal neue Brisanz. Offensichtlich seien die Betroffenen erst jetzt in der Lage, über ihre Erfahrungen zu reden, sagt Schleswig-Holsteins Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD). Die Frage von Entschädigungszahlungen müsse vom Petitionsausschuss des Bundestages geprüft werden. Die Ministerin will aber eine Aufarbeitung der Akten ermöglichen, dies wird 200.000 Euro kosten.

 

Otto Behnck in Glückstadt.Das Kieler Ministerium hat den Heimerziehungsforscher Prof. Christian Schrapper von der Universität Koblenz nun mit einer Analyse der Causa Glückstadt beauftragt. Er schätzt, dass in den 50er bis 70er Jahren bis zu 70.000 Jugendliche pro Jahr in staatliche Fürsorge kamen. Davon zu unterscheiden sind Hunderttausende Kinder und Jugendliche, die zum Beispiel als Waisenkinder in Heimen lebten. "Glückstadt gehörte unter den Fürsorgeeinrichtungen sowohl vom Zustand als auch vom Personal her zu den am wenigsten guten Heimen", sagt Schrapper diplomatisch. Er hält Berichte von Menschen wie Otto Behnck für authentisch.

Beschimpft und geprügelt

Behnck erzählt von Dingen wie diesen: Nach einem gescheiterten Fluchtversuch kam ein Erzieher nachts in sein Zimmer, zog die Decke weg und schrie "Du Hund! Du Hund!" Dabei schlug er mit einem Totschläger immer wieder zwischen die Beine des damals 19-Jährigen. Behnck war nach Glückstadt gebracht worden, weil sich seine Eltern guten Glaubens an das Jugendamt gewandt hatten. "Ich war Hippie, damit kamen sie nicht klar." Das Amtsgericht Ahrensburg ordnete "Staatliche Fürsorge" an.

Die Papiere eines Insassen der Landesfürsorgeanstalt

Die Polizei verhaftete Behnck in der elterlichen Wohnung, im Streifenwagen ging es nach Glückstadt, einer Kleinstadt 30 Kilometer westlich von Hamburg. "Es war alles so irreal, ich konnte es nicht glauben, ich war 19." Diese Maßnahme war möglich, weil in Westdeutschland ein junger Mensch bis in die 70er Jahre erst mit 21 Jahren volljährig wurde. Weihnachten 1970 besuchten ihn plötzlich die Eltern. "Meine Mutter wurde kreidebleich wegen der Zustände." Die Eltern setzten vor Gericht durch, dass sie wieder die Fürsorge übertragen bekamen.

Landesfürsorge ersetzt Arbeitslager

Im damaligen Verhalten der Erzieher und den Methoden sieht Behnck eine vielfältige Kontinuität zur Nazi-Zeit. So habe es Karteikarten gegeben, die noch aus der NS-Zeit stammten. Die Aufschrift "Arbeitserziehungslager" darauf wurde mit Bleistift durchgestrichen und mit "Landesfürsorgeheim" überschrieben. Als Grund der Einlieferung stand auf der Karte des mit 15 Jahren nach Glückstadt gekommenen Frank Leesemann: "Asozial, kriminell, kann sich der Gesellschaft nicht anpassen." Er hatte ein Mofa gestohlen.

"Die Ideologie lebte weiter. Ducken und Ja sagen, als solche Menschen sollten wir Glückstadt verlassen", sagt Behnck, der heute als Markthändler sein Geld verdient. Er spricht von Selbstmorden, die sich ereignet haben. Auch das mit dem Brechen und Kaputtmachen habe geklappt. Er zählt Namen von Heimkumpels auf und beschreibt den Werdegang nach der Entlassung: "9 Jahre Knast, 17 Jahre Knast, 20 Jahre Knast". Der Boock war auch in Glückstadt, sagt Behnk. Er meint Peter-Jürgen Boock, den Terroristen der Roten Armee-Fraktion. "Da ist mächtig was schiefgelaufen."

Von Georg Ismar, dpa

http://www.n-tv.de/880488.html

 

 

Weiterer Artikel:

 

http://www.welt.de/welt_print/article1365251/Das_Schicksal_der_Heimkinder.html

 

 


 

 

26.09.2007

 

Halle

 

Sparen auf Kosten von Heimkindern

Offiziell plant Halle ein Präventionskonzept in der Jugendhilfe: Am liebsten würde die Kommune Kinder, die in Heimen leben, schnell in ihre Problemfamilien zurückschicken. VON MICHAEL BARTSCH

In Halle droht bis zum Monatsende eine Zwangsrückführung aller in Heimen untergebrachten Kinder und Jugendlichen in ihre Problemfamilien. Eine interne Dienstanweisung des zuständigen Fachbereiches Kinder, Jugend und Familie der Stadt vom 3. September verlangt eine sofortige Überprüfung aller 314 Fälle, in denen Hilfen zur Erziehung nicht anders als durch Heimerziehung erbracht werden können - mit dem Ziel einer Beendigung dieses Aufenthalts.

Nach offizieller Lesart von Fachbereichsleiter Lothar Rochau soll damit ein Konzept durchgesetzt werden, das Heimaufenthalte durch präventives Sozialmanagement überflüssig macht. Tatsächlicher Anlass aber ist eine Deckungslücke im Jugendhilfeetat der Stadt in Sachsen-Anhalt von knapp 1,7 Millionen Euro, die geschlossen werden soll. Die Dienstanweisung weist ausdrücklich auf die "Verbindung mit der Haushaltkonsolidierung" hin. Die Stadt will so bis Jahresende knapp 2,2 Millionen sparen, wobei pro Heimplatz monatliche Kosten von 3.100 Euro angesetzt werden.

Um mittelfristig vier Millionen zu sparen, erarbeiteten zwei Gutachter im Auftrag der Stadt bereits ein sogenanntes "Pro-Aktiv"-Konzept. Das Jugendamt formulierte ohne Beteiligung der überwiegend freien Träger der Jugendhilfe daraus ein Fachkonzept. Durch 50 "Quartiersrunden" mit Sozialpädagogen und Vertretern öffentlicher und sozialer Einrichtungen sollen Milieus aufgewertet und Problemfälle früh erkannt werden.

Dagegen haben Fachleute wie Johannes Herwig-Lempp von der Hochschule Merseburg prinzipiell nichts. Ein solch präventives Konzept, wenn es denn als Modellversuch erfolgreich sein sollte, könne aber erst in drei bis vier Jahren greifen. Wenn man jetzt überstürzt und aus durchsichtigen Gründen Heimkinder nach Hause schicke, sei das so, "als ob Krankenhäuser zugunsten von Gymnastikgruppen aufgelöst würden", so Herwig-Lempp.

Widerstand regt sich auch bei den freien Trägern der Jugendhilfe, die etwa 250 dieser Heimplätze stellen. In einer Stellungnahme ihres Arbeitskreises sehen sie in diesem "deutschlandweit einmaligen Vorgang" eine Diskreditierung ihrer bisherigen Arbeit. Jede einzelne Entscheidung für ambulante oder stationäre Betreuung sei sorgfältig in Abstimmung mit den Betroffenen sowie dem Jugend-Fachbereich der Stadt getroffen worden. "Eine Rückkehr aller Kinder und Jugendlichen in ihre Familien innerhalb weniger Wochen anzuweisen ist fachlich gesehen grober Unfug, sozial- und strafrechtlich fahrlässig und menschlich ignorant", heißt es im Schreiben des Arbeitskreises. Unterzeichner Steffen Kröner von der Arbeiterwohlfahrt sieht Rechtsansprüche der Betroffenen aus dem Sozialgesetzbuch VIII verletzt. Weil es sich um eine Pflichtleistung der Kommune handele, dürfe sie auch nicht durch ein Budget begrenzt werden.

Sein Kollege Frank Germann vom Paritätischen Wohlfahrtsverband weist darauf hin, dass es in 70 Prozent der Fälle ohnehin gelinge, die Kinder und Jugendlichen nach 13 bis 15 Monaten Heimbetreuung wieder in ihre Familien zu integrieren. Dem "Pro-Aktiv"-Quartierskonzept liege der Irrtum zugrunde, dass eine Milieuverbesserung automatisch intakte Familienverhältnisse zur Folge habe.

Fachbereichsleiter Rochau wandte sich auf taz-Nachfrage gegen eine Dramatisierung. Es gehe vorerst nur um eine Überprüfung und neue Kategorisierung der Fälle. Ziel sei es allerdings, von der "Versäulung" des Sozialgesetzbuches mit der Ultima Ratio einer Heimunterbringung wegzukommen und vernetzte lokale Präventionsstrukturen aufzubauen. "Die Jugendhilfe muss auf den fachlichen Prüfstand, sonst ufert sie aus", sagte Rochau. Das Kindeswohl stehe weiterhin im Vordergrund. Nach Beobachtung der Freien Träger hat ihr Widerstand die Absichten der Stadtverwaltung gebremst, sodass bis Mittwoch noch keine Heimkinder entlassen wurden.

 

http://www.taz.de/index.php?id=digi-artikel&ressort=in&art=5238&no_cache=1&src=GI

 

 

 

Kommentar Väternotruf:

 

"Fachbereichsleiter Rochau wandte sich auf taz-Nachfrage gegen eine Dramatisierung. Es gehe vorerst nur um eine Überprüfung und neue Kategorisierung der Fälle. Ziel sei es allerdings, von der "Versäulung" des Sozialgesetzbuches mit der Ultima Ratio einer Heimunterbringung wegzukommen und vernetzte lokale Präventionsstrukturen aufzubauen. "Die Jugendhilfe muss auf den fachlichen Prüfstand, sonst ufert sie aus", sagte Rochau. Das Kindeswohl stehe weiterhin im Vordergrund."

 

Dem können wir nur zustimmen.

 

Panikmache stellt dagegen die Bemerkung des TAZ-Journalisten dar:

"Nach Beobachtung der Freien Träger hat ihr Widerstand die Absichten der Stadtverwaltung gebremst, sodass bis Mittwoch noch keine Heimkinder entlassen wurden."

Kein Kind wird mal eben so aus einem Heim entlassen. Schließlich gibt es einen Sorgeberechtigten, das sind auch bei einer Heimunterbringung oft die Eltern oder ein Vormund. Dieser hat das Recht über den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen und kann gegebenenfalls auch über eine Klage vor dem Verwaltungsgericht erreichen, dass bei Notwendigkeit die recht hohen monatlichen Heimkosten von ca. 4-6.000 Euro weiterhin vom Jugendamt getragen werden

 

 


 

 

 

Grüne fordern Entschädigung für Heimkinder

 

Berlin - Die Grünen wollen ehemaligen Heimkindern Gerechtigkeit widerfahren lassen und fordern deshalb eine neue Bundesstiftung, die Entschädigungen zahlt und Hilfe leistet. „Mehr als eine halbe Million Menschen sind im Deutschland der 50er und 60er Jahre in solchen Einrichtungen unter gruseligen Bedingungen eingesperrt worden“, sagte Fraktionschefin Renate Künast dem Tagesspiegel: „Der Bundestag muss das Unrecht, das ihnen angetan wurde, anerkennen, ihre Geschichte muss aufgearbeitet und sie selbst müssen entschädigt werden.“ Ein Antrag der Grünen, den die Fraktion am Dienstag verabschieden will, sieht vor, dass Staat sowie Kirchen und Wohlfahrtverbände als Träger der Heime die Stiftung finanzieren.

Der Bundestag solle ausdrücklich feststellen, „dass Menschen bis in die Mitte der 70er Jahre durch Heimunterbringung systematisch Entwürdigung und Misshandlung unterworfen waren“, forderte die Grünen-Politikerin. „Mit ein paar Anhörungen des Bundestages geben wir uns da nicht zufrieden“, sagte Künast: „Viele der ehemaligen Heimkinder leiden noch heute unter massiven psychischen und körperlichen Misshandlungen und manchmal auch unter sexuellem Missbrauch.“ Zugleich appellierte sie an die Träger der Heime, „sich ihrer Verantwortung zu stellen und sich für das Unrecht zu entschuldigen“.

Nach Ansicht Künasts bildeten körperliche Züchtigung und Gewalt „eine der entscheidenden Grundlagen der Erziehung in den Heimen“. Es sei deshalb richtig, den inzwischen abgeschafften Fürsorgeheimen eine „Anstaltserziehung mit Gefängnischarakter“ zuzuschreiben. Die Erziehungsmethoden seien selbst nach den Maßstäben der 50er Jahre „brutal und menschenrechtswidrig“.

Die Stiftung „Ehemalige Heimkinder“ soll Entschädigungen leisten und finanzielle Ansprüche von traumatisierten Menschen erfüllen sowie Unterstützung wie etwa ärztliche oder therapeutische Hilfe bezahlen.

tagesspiegel.de - 24.04.2007

http://www.tagesspiegel.de/politik/archiv/24.04.2007/3220322.asp

 

Weitergeleitet von Alexander Markus Homes, Autor des Buches "Heimerziehung: Lebenshilfe oder Beugehaft? Gewalt und Lust im Namen Gottes" (Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt - ISBN 3-8334-4780-X).

 

 

 

 


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