Helmut Kohl
Kanzler-Sohn schreibt Memoiren
Ich, der Sohn vom Kohl
24.01.2011
Von Michael König
"Seine wahre Familie war die CDU": Der älteste Sohn des Altbundeskanzlers Helmut Kohl, Walter Kohl, arbeitet sich auf 274 Seiten Autobiographie an seinem Vater ab. Die ersten Auszüge klingen nach einer schweren Kindheit - aber mit Happyend.
Es sei ein schönes Gespräch gewesen, erinnert sich Walter Kohl. Eines, wie er es sich öfters gewünscht hätte. All seinen Mut habe er zusammengenommen und diesem Menschen sein Leid geklagt. "Ich hatte einen großen Nachholbedarf an Aussprache, und ich war ihm sehr dankbar für die Gelegenheit. Es kam in diesem Moment so viel hoch, dass ich nicht anders konnte, als meinen Tränen freien Lauf zu lassen."
Der weinende Junge war damals 14 Jahre alt. Sein fürsorglicher Gesprächspartner: Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer. Der Kanzlersohn und das spätere Opfer der RAF kannten sich nicht, es war ihr erstes Treffen. Dennoch, so stellt es Walter Kohl in seinem Buch Leben oder gelebt werden dar, sei ihm Schleyer näher gewesen, als es der Vater oft war. "Alle meine Versuche", ein klärendes Gespräch mit seinem Vater zu führen, "scheiterten und endeten in einem Kreislauf aus Streit, Missverständnissen und neuem Schmerz."
"Ich wollte so sein dürfen wie andere Gleichaltrige"
274 Seiten dick ist das Werk, in dem Walter Kohl seine Kindheit aufarbeitet. Erste Auszüge sind diese Woche im Focus nachzulesen. "In Szenen von filmischer Dichte" schildere Walter Kohl seinen Weg, schwärmt das konservative Münchner Magazin. "Als hätte der Kanzlersohn von Kindesbeinen an auf Super 8 zu Hause mitgedreht, während draußen in der Welt der Hauptfilm der Bundesrepublik entstand."
In den vorab veröffentlichten Passagen tritt die Geschichte der BRD allerdings deutlich zurück - hinter das Schicksal, der "Sohn vom Kohl" zu sein, wie Walter Kohl schreibt. Das habe ihm jahrelang die Lebensfreude geraubt. Sein Vater, Bundeskanzler von 1982 bis 1998, habe ihm oft vorgehalten, er verstünde nicht, "welche Vorteile ich aufgrund meiner Herkunft hätte. Ich aber wollte gar keine Vorteile - ich wollte einfach nur so sein dürfen wie andere Gleichaltrige."
"Wie von Sinnen"
Walter Kohl wird 1963 als ältester Sohn der Familie geboren. Heute sei der Diplom-Volkswirt und "überzeugte Christ", so heißt es bei seinem Verlag, in der Automobilzulieferindustrie tätig und arbeite "gleichzeitig daran, Wege der Versöhnung zu entwickeln und zu vermitteln". Was sein Verhältnis zu seinem Vater angeht, hat er das offenbar geschafft - auch wenn die beiden keinen Kontakt miteinander haben. Den Leser spannt er jedoch zunächst mit vielen Details seines Lebens im Schatten des ewigen Kanzlers auf die Folter.
Ein "Leben hinter Panzerglas" sei das gewesen, schreibt Kohl: Die vielen Polizisten in der Wohnsiedlung, die meterhohen Festungsmauern um das Elternhaus im pfälzischen Oggersheim herum. Hinzu kam das Leid der Mutter, Hannelore Kohl, deren Lichtallergie ein Leben hinter dunklen Vorhängen nötig machte und die sich 2001 das Leben nahm. Seine Mutter sei "die allerwichtigste Person im Familienkosmos" gewesen, schreibt Walter Kohl.
An ihrem Totenbett habe er "wie von Sinnen" geweint und geschrien und später selbst an den Freitod gedacht: "Meine Überlegungen liefen auf einen Tod im Wasser hinaus, denn das würde unverdächtig sein." Die Sorge um seinen eigenen Sohn habe ihn davon abgehalten.
"Ich durfte kein Kohlianer mehr sein"
Helmut Kohl sei "nie ein Vater wie andere Väter" gewesen, "er war immer ein Sonderfall". Er sei früher stets "auf leisen Sohlen" nach Hause gekommen, "den Kopf voller Gedanken". Er habe ihn als "Gast" empfunden, schreibt der Sohn: "Seine wahre Familie heißt CDU, nicht Kohl. (...) Wir liefen auf seiner politischen Bühne mit, als Teil des Bühnenbildes, aber ohne tragende Rolle." Er habe es nicht geschafft, seinen Vater zu erreichen: "Nun sind mehr als 40 Jahre vergangen, aber die Grundaufstellung dieser Vater-Sohn-Beziehung ist unverändert geblieben."
Besonders schlecht schneidet in der Beurteilung des Sohnes die neue Ehefrau von Helmut Kohl ab: "Sie gab mir ganz unverblümt zu verstehen, dass sie meinen Vater am liebsten für sich ganz allein haben wollte." Von der Hochzeit seines Vaters mit Maike Kohl-Richter habe er 2008 per Telegramm erfahren: "Eine Tatsache war geschaffen worden. Sie war final und nicht mehr zu diskutieren." Der Vater habe sich später von ihm losgesagt. "Auf meine direkte Frage: 'Willst du die Trennung?' antwortete er mir knapp mit 'Ja!' - damit waren für mich alle weiteren Interpretationsmöglichkeiten ausgeschlossen. (...) Ich durfte kein Kohlianer mehr sein. Die Würfel waren gefallen."
Dennoch habe er seinen Frieden mit seinem Vater gemacht, schreibt Walter Kohl: "Als sein Sohn bleibe ich ihm, trotz Trennung, immer verbunden." Für die seelischen Verletzungen, die er seinem Vater zugeführt habe, übernehme er die volle Verantwortung: "Diese Fehler tun mir leid." Er habe mittlerweile "losgelassen, und das fühlt sich gut an".
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