Kinderkriminalität


 

 

 

Wustrauer Forderungen vom 27. 10. 2000- erarbeitet anläßlich einer Tagung der Deutschen Richterakademie zum Thema „Kriminelle Kinder/Kinderkriminalität als Aufgabe der Familiengerichte" -

Die hier versammelten Familienrichter, Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte aus verschiedenen Bundesländern haben festgestellt, daß die Entwicklungen im Kinder- und Jugendbereich zu Zuständen geführt haben, die nicht verantwortbar sind. Der Schutz des Kindes verlangt die Vermeidung widersprüchlichen Verhaltens staatlicher Institutionen und Kommunen.

Polizei, Gericht, Jugendamt, Sozialamt, Schule und Kindereinrichtungen arbeiten getrennt voneinander, teilweise sogar gegeneinander. Ihr Handeln ist zum Wohle des Kindes zusammenzuführen.

Folgendes ist zu veranlassen:

 

- im Bereich der Jugendhilfe

1. Bundeszuständigkeit für die Sicherstellung der Jugendhilfeaufgaben durch die Jugendämter (Organisation/Finanzierung).

2. Berichtspflicht von Polizei, Sozialamt, Schule und Kindereinrichtungen gegenüber dem Jugendamt, bereits wenn Kinder auffällig werden, in der Konsequenz auch Änderung des § 50 III SGBVIII.

3. Realisierung der Trennung von Jugendhilfe und Führung von Vormundschaften/Pflegschaften durch Gewinnung ehrenamtlicher Vormünder/Pfleger entsprechend dem Verfahren bei der Gewinnung von Jugendschöffen (§ 53 I SGBVIII).

4. In Jugendhilfeverfahren Einrichtung einer dem Verfahrenspfleger entsprechenden Person zur Wahrung der Interessen des Kindes (z. B. bei Teamentscheidungen).

5. Einrichtung einer besonderen Abteilung bei den Jugendämtern als Familiengerichtshilfe entsprechend der Jugendgerichtshilfe.

6. Anordnungen der Gerichte sind von den Jugendämtern umzusetzen und zu finanzieren.

7. Erweiterung der tatsächlichen Unterbringungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen in geschlossenen Einrichtungen (zur Zeit nur 137 Plätze in Deutschland!).

 

- im Bereich des Gerichts

1. In Umsetzung der UN-Kinderkonvention (Art. 9, 18) ist § 613 ZPO dahingehend zu erweitern, daß der Lebensmittelpunkt und Umgangskontakte der Kinder (Beziehungssituation) zu erörtern sind.

2. Folge der Nummer 1 muß ein entsprechender Gebührentatbestand für Anwälte sein.

3. Gleichwertige Vergütung des Verfahrenspflegers mit den Interessenvertretern der Erwachsenen.

4. Staatliche Qualifikation des Familienrichters durch Fortbildung in pädagogischer und kinderpsychologischer Hinsicht analog dem Fachanwalt für Familienrecht.

5. Schaffung des Kindschafts- und Jugendrichters in Personalunion ("Erziehungsrichter").

6. Pflicht zur Einbeziehung der Erkenntnisse der Familiengerichte durch die Staatsanwaltschaft bei JGG-Verfahren.

 

veröffentlicht in

"Zeitschrift für das gesamte Familienrecht", 2001, 83

Mitgeteilt vom Vorsitzenden Richter am OLG Dieter Maunz, Dresden

 

 


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