Kindernotdienst
Sexistische Darstellungen beim Kindernotdienst?
Der bereits im Jahr 2005 von uns gerügte Kindernotdienst in Berlin, ein unter Landesaufsicht stehender Beratungs- und Krisendienst für Kinder und deren Eltern, der als Teil des Berliner Jugendamtes auch Kinder in Obhut nehmen kann, zeigt auf Monitoren in der Berliner U-Bahn im Januar 2007 einen Filmbeitrag, in dem er auf sein Angebot aufmerksam macht.
Ähnlich wie schon im Jahr 2005 wird in dem kurzem Filmspot ein Mann (Vater) gezeigt, der in einer eskalierenden Situation mit einem Jungen (Sohn), dem Jungen mit körperlicher Gewalt droht. Wie auch im Jahr 2005 suggeriert die einseitige Darstellung mit einem männlichen potentiellen Täter, dass Gewalt gegen Kinder und insbesondere gegen Jungen nur von Männern (Vätern) ausgehen würde, nicht aber im gleichen Maße von Frauen (Müttern), wobei auch hier Mädchen oft Opfer sind.
Beschwerden über solche einseitigen Darstellungen kann man direkt an den Kindernotdienst senden:
Gesellschaftspolitisch skandalös ist es darüber hinaus, dass es in Berlin zwar einen Mädchennotdienst - www.maedchennotdienst.de gibt, nicht aber einen Jungennotdienst. Jungen in Krisensituationen und als Opfer von Gewalt sind dem Berliner Senat offenbar weniger wert als Mädchen.
27.01.2007
Väterfeindliche Einstellung beim Berliner Kindernotdienst?
Zur Zeit läuft in der Berliner U-Bahnwerbung (Monitore) eine Werbung vom Berliner Kindernotdienst mit Sitz in der Gitschiner Straße 48/49 in Berlin, Telefon (030) 61 00 61
Zu sehen ist dabei ein Mann, möglicherweise soll es einen Vater darstellen, der sein Kind (einen Jungen) schlägt.
Eingeblendet wird der Text "Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung" und die Telefonnummer vom Kindernotdienst sowie die Internetadresse www.kindernotdienst.de.
Die unter dem Label des Kindernotdienst firmierende Darstellung präsentiert der ohnehin zumeist schon desinformierten Öffentlichkeit einen schlagenden Vater, nicht aber die schlagende Mutter, die es nach vorliegenden Untersuchungen (siehe "Kind-Prax", 4/2004, S. 125) wesentlich häufiger gibt als schlagende Väter. Der Kindernotdienst bedient damit herrschende sexistische Klischees vom gewalttätigen Mann (Täter) und unschuldigen Frauen.
31.03.2005
In einer vorherigen Kampagne hat der Kindernotdienst durch die Art der gewählten Darstellung den Eindruck vermittelt, dass nur Männer gewalttätig gegen ihrer Partnerinnen sind und nicht auch umgekehrt Frauen gegen ihre Partner.
.
Mütter schlagen häufiger als Väter
"Sozialwissenschaftliche Erhebungen und Darlegungen zu Ausmaß und Verteilung körperlichen Strafens (in den Vereinigten Staaten) zeigen zahlreiche Differenzierungen (Giles-sims et al., 1995; Day et al., 1998; Straus & Stewart, 1999). Demnach schlagen Mütter häufiger als Väter, ..."
"Leichte körperliche Bestrafung. Psychologischer Erkenntnisstand, fachliche und öffentliche Debatte. Teil 1"
Josef A. Rohmann
in "Kind-Prax, 04/2004, S. 125
In den letzten Tagen haben und einige mails und Newsletters erreicht, mit der Frage:
> Männerfeindliche Einstellung beim Berliner Kindernotdienst?
>
>
> Zur Zeit läuft in der Berliner U-Bahnwerbung (Monitore) eine Werbung vom
> Berliner Kindernotdienst mit Sitz in der Gitschiner Straße 48/49 in Berlin,
> Telefon (030) 61 00 61
>
> www.kindernotdienst.de
>
> info@kindernotdienst.de
Wir würden uns freuen, wenn Sie sich die Mühe machen und die folgende Stellungnahme dazu zu lesen und bei Bedarf auch weiter zu leiten.
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Stellungnahme zu dem Kindernotdienst-Spot im Berliner Fenster:
Der Kindernotdienst hat vier Spots zur Information über das Beratungsangebot im KND entwickelt, die gleichsam einen Teil der präventiven Öffentlichkeitsarbeit darstellen.
Spot 1)
Zeigt ein Handgemenge, zwei "verwischte" Personen, ein Mann und eine Frau. Sie schreien sich an, die Frau geht vor - möglicherweise schreit sie den Mann an - der Mann geht vor, - holt aus - möglicherweise schlägt er die Frau. Im Hintergrund sieht man zwei Kinder, sie sind stumme Zuschauer, sie ducken sich weg, sie haben Angst, sie sind Zeugen dieses Streits, dieses Handgemenges, dieser Schlägerei, dieser Misshandlung...
Dazu gibt es den Text, der verschränkt mit den Bildern eingeblendet wird.
Kinder sollen sich gewaltfrei einigen...
Erwachsene auch!
Beratung für Familien in Krisensituationen.
Wir wissen nicht, wie die Geschichte in diesem Spot angefangen hat und wir wissen nicht wie sie endet...
Wir wissen aber, dass Kinder unter der Atmosphäre der häuslichen Gewalt enorm leiden. Wir wissen, dass sie leiden, wenn Eltern sich streiten schlagen, einander anschreien, misshandeln oder sogar töten. Kinder, die im Kindernotdienst Aufnahme finden, haben häufig so etwas erlebt. Teilweise sind sie selber seit Jahren von Misshandlungen betroffen oder müssen miterleben, wie ihre Geschwister geschlagen werden. Überwiegend werden wir in unserer Arbeit mit akuten Krisensituationen, und bei den dann folgenden Aufnahmen, mit Schilderungen über körperliche Angriffe eines Lebenspartners gegen die Mutter konfrontiert. Durch telefonische Beratungen von Angehörigen, Vätern, Lebenspartnern der Mütter oder Dritten, erfahren wir auch, (auf Nachfrage, ob es zu tätlichen Auseinandersetzungen gekommen ist), dass es zu wechselseitiger Gewalt kam, oder dass der Mann von seiner Partnerin z.B. angegriffen, mit Gegenständen beworfen oder geohrfeigt wurde. Anzeigen wegen "häuslicher Gewalt" sind uns hier nicht bekannt geworden.
Auch wenn diese Fälle von "häuslicher Gewalt" anteilig seltener vorkommen, können sie weder unter den Tisch gekehrt noch vernachlässigt werden. Auch in diesen Fällen sind die Kinder oft Zeugen der häuslichen Gewalt. Auch hier sind sie Mitbetroffene, sind verängstigt und verstört und brauchen Unterstützung. Die Forderung nach einer sofortigen Beendigung der Gewalttaten, einer "Inverantwortungnahme" der Gewaltausübenden, gilt selbstverständlich auch auch hier.
Schauen wir uns die Dynamik der Gewalthandlungen an, stellt sich immer heraus, dass sehr wohl beide Partner einen Anteil am Gewaltgeschehen haben und beide für ihr Tun oder für ein unterlassenes Handeln verantwortlich sind. Wir müssen an dieser Stelle sowohl den/die gewalttätig Agierenden, als auch den/die Gewalt Akzeptierenden zugestehen, sich offenbar genau so und eben nicht anders entschieden zu haben. Eine Einteilung in Täter und Opfer ist bei der Frage der Selbstbestimmung und Verantwortungsübernahme für die minderjährigen Kinder nur wenig hilfreich, wenn die Erwachsenen ihre jeweils eigenen Anteile am Gewaltgeschehen nicht reflektieren.
Unserer Erfahrung nach ist die häusliche Gewalt meist nur "die Spitze eines Eisberges" dar. Von Gewalt betroffene Partner oder Partnerinnen leben häufig seit Jahren in Beziehungen, die von einer Atmosphäre gegenseitiger Gewalt, Missachtung und verbalen Beschimpfungen gekennzeichnet sind.
Der Kindernotdienst bietet übrigens allen Betroffenen Rat und Unterstützung an. Sowohl Väter als auch Mütter (wenn alle Frauenhäuser belegt sind) , wenn sie Schutz und Hilfe nach häuslicher Gewalt benötigen, können im KND gemeinsam mit ihren Kindern kurzfristig Aufnahme finden! Dieses Angebot besteht seit drei Jahren und ist vielleicht noch wenig bekannt.
Bei weiteren Fragen zu diesem Thema wenden sie sich bitte unter 610061 an uns.
Im Berliner Kindernotdienst sind 12 Kinder seit Oktober 2004 aufgenommen worden, deren Mütter (5) vom Vater getötet wurden. In drei Fällen direkt vor den Augen der Kinder. 82 Kinder wurden nach häuslicher Gewalt im Jahr 2004 im Kindernotdienst aufgenommen. Die von Gewalt Geschädigten waren in diesen Fällen fast ausschließlich Mütter mit ihren Kindern.
Siehe Anlage Stellungnahme zur häusliche Gewalt
zu Spot 2)
Hier wird eine Frau gezeigt, möglicherweise die Mutter (verwischt), die vor Zigaretten, Tabletten und verschiedenen alkoholischen Getränken sitzt. Sie ist - wahrscheinlich ziemlich im Rausch, das Kind neben ihr, ein Mädchen, findet keine Beachtung. Die Mutter hat keinen Blick für sie...
Entscheiden Sie sich für ihr Kind,... gegen die Sucht..... Wir können Sie unterstützen!
Wir wissen nicht, wann sie angefangen hat sich zu berauschen, wie gut oder wie schlecht sie sich um ihr Kind kümmert, ob das Kind mit der Mutter alleine ist oder ob die Familie gut eingebunden ist...
Wir wissen aber, dass die Alkohol-, Drogen und Tablettensucht eines oder beider Elternteile für Kinder ein riesiges Problem ist. Enorm viele der im KND aufgenommenen Kinder, sind entwichklungsverzögert, vernachlässigt, verwahrlost, allein gelassen und müssen in sehr jungen Jahren viel zu viel Verantwortung übernehmen. Manche Kinder sehen ihre Mutter oder ihren Vater an der Sucht sterben. Sie leiden enorm und sind als Jugendliche äußerst gefährdet, nach ähnlichen Lösungsmitteln zu greifen...
Die hier gezeigte Mutter soll dem Zuschauer nicht vermitteln, alle Mütter trinken und vernachlässigen ihre Kinder.
Anzunehmen ist eher, dass jeder registriert, es gibt Eltern - hier dargestellt als eine Mutter , die haben Suchtprobleme und das ist insbesondere für die Kinder ein Problem.
Wir bieten an, bei diesem Problem zu helfen. Allen Beteiligten - und auch Leuten, die sich um Kinder sorgen.
zu Spot 3)
Hier wird ein Kind - ein Junge ca. 12 Jahre- gezeigt, der einen Erwachsenen- einem Mann - möglicherweise den Vater, möglicherweise dem Lebenspartner der Mutter, möglicherweise einem Lehrer oder einem Fremden - einen Vogel zeigt und die Zunge raus streckt. Der Erwachsene lässt sich provozieren - er deutet einen Schlag an, oder schlägt möglicherweise zu. Das Kind zuckt zusammen, duckt sich weg. Vielleicht war der Schlag schmerzhaft. Vielleicht schütz sich das Kind, weil es Angst hat es könnte noch weiter gehen...
Lassen sie sich den Rücken stärken...
bevor sie schwach werden...
Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung.
Wir wissen nicht was das Kind gesagt und getan hat, wir wissen nicht wie sehr es den Mann oder Vater provoziert hat, wie sehr die Erziehung des Pubertierenden bisher gelungen ist, wie herzlich oder kalt die Beziehung zu seinen Eltern ist...
Wir wissen aber, dass Jungen und Mädchen in diesem Alter einerseits besonders provokant sein können und deshalb besonders gefährdet sind, von ihren Müttern und/oder Vätern oder Dritten geohrfeigt, geschlagen oder misshandelt zu werden. Kinder erzählen uns etwa im gleichen Maße von ihren Müttern oder Vätern (Lebenspartnern der Mütter, Stiefvater) geschlagen worden zu sein.
Der hier gezeigte Mann soll dem Zuschauer nicht vermitteln, dass alle Männer oder Väter ihre Kinder oder Söhne schlagen. Wir wissen auch um das glückliche und friedliche Zusammenleben zigtausenden Familien, in denen Gewalt kategorisch abgelehnt wird. Mit diesen Familien, haben wir im Kindernotdienst auch so gut wie nie zu tun!
Unsere Intention war es, dem Zuschauer zu zeigen, dass es auch ein provokantes Verhalten von Kindern/Jugendlichen gibt, auf das man/frau gewaltfrei reagieren sollte, auch wenn es schwer fällt.
Lassen Sie sich den Rücken stärken bevor sie schwach werden...
Wir können sie dabei unterstützen!
Wir erhalten täglich viele, viele Anrufe von Eltern, die Sorge haben auszurasten, die mit den Nerven fertig sind, die nicht mehr weiter wissen.
Beratung für Mütter und Väter gehört zu unserer täglichen Beratungsarbeit. Sie finden Gehör, Rat, Vermittlung, Krisenintervention. Wenn es nötig ist, fahren wir auch vor Ort. Rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr.
Die verkürzte Formel des Väternotrufs:"Schlagender Mann wurde dargestellt, also ist der Kindernotdienst männerfeindlich" ist wirklich sehr undifferenziert und auch unzutreffend. Dennoch tut es mir leid, wenn es Väter gibt, die dies als Botschaft aus dem Spot gezogen haben sollten. Vielleicht sagt dies ja eher etwas über die Brisanz und das gegenseitige Misstrauen zu dem Thema der gemeinsamen Elternschaft aus. In der Tat bekommen wir seit 25 Jahren viele Fälle von völlig ungerechtfertigter Zurückweisung, gegenüber interessierten, liebevollen und bemühten Väter mit. Über die Kinder werden schreckliche Grabenkämpfe der Erwachsenen ausgetragen. Sorgerechts-, Umgangs-, und Unterhaltsstreitigkeiten werden bis aufs Messer geführt und es gibt am Ende nur Verlierer. Kinder leiden unendlich unter diesen Streits und Stress. Sehr viele Kinder, die in den Kindernotdienst kommen, kennen ihren Vater überhaupt nicht, haben keinen Kontakt zu ihm oder der Kontakt wurde bisher von der Mutter nicht gestattet. Viele Väter sind aber auch ihrerseits an einem Kontakt zu den Kindern überhaupt nicht interessiert oder lehnen den Kontakt sogar in Notlagen ihrer Kinder völlig ab.
. Wir unterstützen Mädchen und Jungen bei ihrem Wunsch Kontakt zu ihrem Vater aufzunehmen bzw. Umgang mit ihm zu haben. Wir setzen uns vehement für das Recht der Kinder auf beide Elternteile, also auch für den regelmäßigen Kontakt und Umgang der Kinder mit ihrem Vater, ein.
Der 4. Spot des KND befasst sich genau mit diesem Thema. Zu sehen sein wird ein Mann und eine Frau, die erst einander zu - dann einander abgewandt sind. Ein kleines Kind (verwischt), das die Arme ausstreckt und einen Vater der die Arme ausstreckt. Sie werden sich aber nicht in die Arme nehmen, weil der Kontakt verhindert wird. Dazu wird ein Text eingeblendet, der darauf aufmerksam macht, dass Kinder ein Recht auf Umgang mit beiden Eltern haben... auf Mutter .... und Vater. (zur Veröffentlichung zur Zeit fehlt noch die Finanzierung, aber die Ausstrahlung im Berliner Fenster ist ab September geplant)
Da es erfreulicherweise immer mehr Väter gibt, die sich auch als alleinerziehende Väter um ihre Kinder kümmern, haben wir unerfreulicherweise auch immer häufiger damit zu tun, dass die Kinder gibt, die keinen Kontakt mehr zu ihren Müttern haben dürfen oder sollen.
Pauschalisierungen helfen bei diesem Thema wirklich niemanden weiter.
Selbstverständlich können Väter oder Männer, die sich um Kinder sorgen auch ausschließlich an einem männlichen Berater im Kindernotdienst wenden.
Ich bedanke mich für die Weiterleitung an die entsprechenden Beratungsstellen und Notrufe für Männer. Ich bitte um Kennzeichnung meines Textes im Namen und Einrichtung. Auszüge aus der Stellungnahme bitte ich als solche zu kennzeichnen.
Ich verbleibe mit freundlichen Gruß und stehe Ihnen für weitere Fragen gerne zur Verfügung.
Beate Köhn,
Mitarbeiterin im Kindernotdienst
Berlin, den 7.04.05
Verletzter Leib, geschundene Seele
Seit vier Wochen liegt die misshandelte Marie im Krankenhaus - ihr Leid hätte womöglich verhindert werden können
Vier Wochen ist es her, dass Marie befreit wurde. Anfang Dezember hatten Polizisten in der Wasserstadt Spandau das damals 17 Monate alte Mädchen an sein Bett gefesselt gefunden. Ein Nachbar hatte die Polizei alarmiert, weil das Kind unaufhörlich schrie. Kein Wunder, wie sich herausstellte: Der Körper des Kindes war übersät mit Blutergüssen, Bisswunden und Narben - Verletzungen, die dem Mädchen seine Mutter zugefügt hat. Marie liegt noch immer in einem Spandauer Krankenhaus. "Sie ist noch nicht so weit, dass sie die Klinik verlassen kann", sagt Spandaus Jugendstadträtin Ursula Meys (SPD).
Mutter in Untersuchungshaft
Maries Zustand sei nicht stabil. Konkreter will die Stadträtin nicht werden. Ebenso wenig das Krankenhaus. Was das Kind erlitten haben muss und in welchem Zustand es sich befindet, lässt sich nur ermessen, wenn man sich vor Augen führt, dass vier Wochen stationäre Behandlung nicht ausgereicht haben, um ihre körperlichen und seelischen Wunden so weit zu heilen, dass es die Klinik verlassen könnte.
Maries Mutter hatte bereits bei ihrer Festnahme Anfang Dezember der Polizei gestanden, ihrer Tochter die Verletzungen zugefügt zu haben. Sie sitzt seitdem wegen Misshandlung Schutzbefohlener in Untersuchungshaft. Sollte sie verurteilt werden, kann eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren verhängt werden.
Doch der kleinen Marie hätten all die Qualen womöglich erspart bleiben können, sagen Spandauer Kommunalpolitiker. Zwischen den Parteien ist deshalb in den vergangenen Wochen viel gestritten worden. Denn Mitarbeiter des Gesundheitsamts hatten bereits im September 2002 von einer Verwandten der Familie einen Hinweis erhalten, dass die Mutter mit der Erziehung des damals drei Monate alten Kindes überfordert sei. Als sich die Behördenmitarbeiter zu einem Hausbesuch anmeldeten, erschien die Mutter von sich aus im Amt. Bei diesem Treffen sahen die Mitarbeiter jedoch keinen Anhaltspunkt für Misshandlungen und kümmerten sich nicht noch einmal um den Fall. Einer internen Untersuchung des Bezirksamtes zufolge haben sich die Mitarbeiter korrekt verhalten.
Doch nach Ansicht der Spandauer FDP gab es, einem internen Dienstvermerk zufolge, Hinweise einer Zeugin auf körperliche Züchtigung. Ein entsprechendes Papier sei den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses am Mittwochabend präsentiert worden. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Karl-Heinz Bannasch wirft der verantwortlichen Gesundheitsstadträtin Birgit Bialkowski (SPD) deshalb vor, "den Versuch unternommen zu haben, die Öffentlichkeit über die genauen Vorgänge im Jahr 2002 zu täuschen". Seine Fraktion will deshalb Ende des Monats einen Missbilligungsantrag gegen Bialkowski stellen. Die Stadträtin selbst legte ihren Standpunkt am Donnerstag nochmals dar - und bleibt dabei.
Ob die Mutter ihre Tochter jemals wieder bekommt, ist fraglich. Der gesetzliche Vormund des Kindes ist vorläufig das Jugendamt. Das zuständige Familiengericht hatte das entschieden. Gefahr im Verzuge heißt die juristische Begründung. Ihre Konsequenz ist der Verlust des Sorgerechts. Vorläufig, wie es im Moment noch heißt. Sehr bald könnte daraus aber etwas Endgültiges werden. Daran glaubt Stadträtin Meys fest.
Sie sucht deshalb bereits nach einer Pflegefamilie, die das Kind dauerhaft aufnehmen will. Am Ende eines langen Kennenlern- und Bewährungsprozesses steht dann die Adoption. Beauftragt mit der Elternsuche wurde der Pflegekinderdienst FIP, ein Ableger des heilpädagogischen Zentrums Wadzek-Stiftung. Bewerber, die Kinder aufnehmen möchten, werden nach einem umfangreichen Kriterienkatalog überprüft. Eltern müssen ihre Eignung nachweisen, zum Beispiel indem sie erläutern, warum sie ein Kind aufnehmen wollen. Sie sollen ihre Lebensgeschichte erzählen, sich kooperativ zeigen, ihre pädagogischen Vorstellungen darlegen. Mitarbeiter des Dienstes unterstützen Pflegeeltern, wenn sie Kinder aufgenommen haben.
Bis zur Volljährigkeit in Pflege
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Kind in Pflege zu nehmen. In Krisenpflegestellen werden Kinder kurzfristig, manchmal innerhalb weniger Stunden untergebracht. Eine Variante wäre auch eine Dauerpflegestelle, in der ein Kind bis zur Volljährigkeit bleiben kann. In Maries Fall sind das noch mehr als 16 Jahre.
Der Mann, der die Polizei gerufen hat, habe richtig gehandelt, sagt Stadträtin Meys. Man könne nur immer wieder appellieren, sich bei Schwierigkeiten an die Ämter zu wenden - egal ob man sie beobachtet oder selbst Probleme hat. In Spandau gibt es einen Krisendienst, der von 8 bis 18 Uhr unter Tel. 0177/3303506 zu erreichen ist. Der Kindernotdienst für die ganze Stadt hat die Nummer 61 00 61.
Berliner Zeitung
09.01.2004
Ressort: Lokales
Autor: Julia Haak, Marcel Gäding
Seite: 16
Berlinerin ohrfeigte Tochter: 250 Euro Buße
BERLIN - Zwei Ohrfeigen sind zwei zu viel, entschied das Amtsgericht Tiergarten. Eine allein erziehende Mutter (35) hatte sie ihrer 12-jährigen Tochter verpasst. "Die Frau hat damit die Grenze der Züchtigung überschritten", sagte der Richter. Sie muss 250 Euro Buße an den Kinderschutzbund zahlen. Das Urteil hat das Aktenzeichen 430- 57/02. Wie das Bürgerliche Gesetzbuch die Rechte der Eltern festlegt und was Berliner Väter und Mütter zur "ausgerutschten Hand" sagen.
Zwei Ohrfeigen sind zwei zu viel - Mutter muss zahlen
NEUKÖLLN - Kinder können Eltern zur Weißglut bringen: Wenn sie bocken, Pflichten vergessen, bei Ermahnungen auf Durchzug schalten... Und so manchem Erwachsenen brennt dann die Sicherung durch - so wie Cornelia B. (35). Wegen zweier Ohrfeigen stand die allein Erziehende gestern vor dem Amtsgericht.
"Ich bin keine Prügelmutter", erklärte die blonde Friseuse. "Aber meine Tochter ist sehr schwierig." Vor allem lüge sie ziemlich viel.
Hatte die pubertierende Pia (12, Name geändert) vor der Polizei noch von einer Misshandlung mit dem CD-Ständer gesprochen, gab das Mädchen gestern zu: "Die Schläge mit dem CD-Ständer gab es nicht." Der sei lediglich umgefallen, als die Mutter wütend mit dem Arm über den Schreibtisch fuhr. Pia: "Sie hatte mehrmals gesagt, ich solle die leergegessene Müsli-Schale wegräumen." Auch der von dem Mädchen angezeigte Schlag während einer Autofahrt entpuppte sich nun als ein Versehen.
Lediglich zwei Ohrfeigen blieben von der Anklage übrig und die gab Cornelia B. auch zu: "Pia sollte sich beim Müllrunterbringen beeilen. Ich hatte das Mittagessen fertig." Doch nach zwanzig Minuten war die Tochter immer noch nicht zurück. Pia: "Ich hatte einen Kumpel getroffen und mich verquatscht." Cornelia B.: "Als ich im Treppenhaus nach ihr sah, lag da der ganze Müll verteilt." Pia: "Der Beutel war geplatzt." Cornelia B.: "Ich war sauer und habe ihr im Affekt eine geknallt." Pia flüchtete zum Kindernotdienst...
"Schon mit zwei Ohrfeigen ist die Grenze der Züchtigung überschritten", erklärte der Richter, stellte aber das Verfahren gegen die reuige, nicht vorbestrafte Frau trotzdem ein. Allerdings muss sie 250 Euro Buße an den Kinderschutzbund zahlen.
Karin Hendrich
Berliner Kurier, 12.08.2002