Widerstand und Widerspruch gegen Kindergeldkürzungsgesetz


 

 

Das "vereinfachte Verfahren" erleichtert es dem Elternteil, bei dem das Kind überwiegend lebt (in der Regel der Mutter), einen sofort vollstreckbaren Titel gegen den anderen, dem sog. "barunterhaltspflichtigen" Elternteil (in der Regel dem Vater) zu erwirken. Und zwar ohne eingehende richterliche Prüfung. Dass dies für einen Rechtsstaat eine äußerst fragliche Angelegenheit ist, liegt in der Natur der Sache. Ich erinnere an dieser Stelle ausdrücklich daran, dass es noch nicht einmal ein Jahr her ist, dass die Bundesrepublik Deutschland vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen Trennungsvater gegenüber zu Schadenersatz verurteilt worden ist (Fall Elsholz). Und zwar nicht zuletzt auch wegen einer Verletzung des Art. 6 EMRK, dem Recht auf ein faires Verfahren. Wichtig ist daher, frühzeitig, am besten schon vor dem Jugendamt, trotz der Gesetzeslage unbeirrt auf ein streitiges Verfahren hinzuwirken und nicht nur die Verletzung von Grundrechten, sondern auch die von Menschenrechten zu rügen.

Der Fehler, dies zu unterlassen, wird übrigens sehr häufig gemacht. Auch von Anwälten. Es werden ganze Ordner an Schriftsätzen produziert, aber keine Grund- und Menschenrechtsverletzungen vorgetragen. Dies trägt nicht nur nicht zu einer frühzeitigen fachgerichtlichen Prüfung und Klärung der Rechtslage bei, sondern verbaut auch, wenn der Rechtsweg erschöpft ist, die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde.

Und: Wer meint, in einer Verfassungsbeschwerde hätten Rügen einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention nichts zu suchen, weil das Bundesverfassungsgericht nur Grundrechtsverletzungen prüft, mag zwar prinzipiell Recht haben, legt sich aber eventuell selbst Steine in den Weg, wenn er vor hat, sich im Falle eines Misserfolgs anschließend beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu beschweren.

Hier nochmals das Beispiel von Trennungsvater Fritz:

Sachverhalt:

Das Kind lebt bei der Mutter. Fritz hat regelmäßigen Kontakt zu seinem Kind.

Auf die Aufforderung des JA, einen neuen Titel nach der seit 01.01.01 gültigen Gesetzeslage zu unterschreiben, hat Franz mit den pappa.com-Musterschriftsätzen für das JA und das AmtsG reagiert. Nach Einleitung des vereinfachten Verfahrens hat der Rechtspfleger Mitte März 2001 kurzerhand einen Unterhaltsfestsetzungsbeschluss erlassen.

Im Beschluss wird ausgeführt:

Durch Artikel 1 des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts sei § 1612 b Abs. 5 des BGB mit Wirkung ab 01.01.2001 dahin gehend geändert worden, dass zukünftig eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit der Unterhaltspflichtige ausser Stande ist, Unterhalt in Höhe von 135 Prozent des Regelbetrages zu leisten. Durch diese Gesetzesänderung solle erreicht werden, dass dem Kind ein mindestens zum Lebensunterhalt notwendiger Geldbetrag (=Existenzminimum) verbleibt.

Dieses Existenzminimum wurde mit 135 % des Regelbetrags der jeweiligen Altersstufe festgelegt. Die Einwendungen des Antragsgegners gemäß Schreiben vom XX.XX.2001 seien nicht durchgreifend. Das JA sei als Beistand berechtigt, das minderjährige Kind C., in dem vorliegenden Verfahren zu vertreten. Gemäß § 1712 I Nr. 2 BGB vertrete der Beistand das Kind in Unterhaltsverfahren. Das vorliegende Verfahren sei nicht auszusetzen, da die gesetzlichen Vorschriften (Artikel 1 - 4 des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts) in Kraft seien. Die Durchführung eines streitigen Verfahrens sei nicht vorgesehen, da gemäß § 655 VI ZPO § 651 I 1 ZPO nicht anwendbar sei. Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe werde zurückgewiesen, da die Einwendungen des Antragsgegners keinen Erfolg hätten (§ 114 ZPO.) 

FRITZ REAGIERT MIT DER FOLGENDEN BESCHWERDE:

Absender

Amtsgericht ...

Aktenzeichen ...

In Sachen

...

gegen

Franz ...

wegen Unterhalt im vereinfachten Verfahren

erhebe ich hiermit gegen den Beschluss des Amtsgerichts (Aktenzeichen) vom XX.XX.2001

B E S C H W E R D E ,

und stelle

A N T R A G :

1.) Der Beschluss wird aufgehoben.

2.) Der Vollzug des Beschlusses wird bis zu einer weiteren Entscheidung des Gerichts einstweilen ausgesetzt.

B E G R Ü N D U N G :

Die Begründung des Beschlusses lässt nicht erkennen, aus welchen Gründen mir die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt worden ist.

Die Entscheidung, den monatlich zu leistenden Kindesunterhalt von DM ... auf DM ... zu erhöhen, beruht auf einem verfassungswidrigen Gesetz. Insoweit verweise ich auf die Ausführungen in meinen Schriftsätzen vom .. und vom ..

Ich rüge ausdrücklich die Verletzung des rechtstaatlichen Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Außerdem rüge ich eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK. Ebenso moniere ich eine Verletzung des Rechts, eine wirksame Beschwerde einlegen zu können (Art. 13 EMRK.) Die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes verbietet es, ein eröffnetes Rechtsmittel ineffektiv zu machen und oder für den Beschwerdeführer "leerlaufen" zu lassen (vgl. BVerfG, 2 BvR 978/97 vom 10.5.1998, Absatz-Nr. 10). Genau dies aber wird in meinem Fall durch das vereinfachte Verfahren bewirkt.

In § 655 Abs. 5 S. 2 BGB ist nämlich ausdrücklich bestimmt (was auch in der Rechtsbehelfsbelehrung betont wird), dass ich im Rahmen der hiermit erhobenen (sofortigen) Beschwerde lediglich Einwendungen gegen die Berechnung der nach § 1612 b Abs. 5 BGB anzurechnenden Leistungen geltend machen kann, nicht aber gegen deren verfassungswidrige Berechnungsgrundlage. Aus diesem Grund ist die Durchführung des streitigen Verfahrens schon von Verfassungs wegen geboten.

Datum und Unterschrift

 

 

Zu diesem Thema besuchen Sie bitte auch folgende websites

www.pappa.com

www.vafk.de


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