Lotterleben


 

 

 

Geld zuerst für Kinder

Das deutsche Unterhaltsrecht soll reformiert werden. Reicht das Geld nicht aus, um alle Ansprüche zu befriedigen, wird zunächst einmal der Nachwuchs berücksichtigt

BERLIN taz Das deutsche Unterhaltsrecht ist ehefeindlich. Das findet zumindest Ingeborg Rakete-Dombek, Leiterin der Arbeitsgruppe Familienrecht im Deutschen Anwaltsverein. "Wer will noch heiraten, wenn er weiß: Gehts schief, muss ich auf ewig für die Ex zahlen?"

Deshalb begrüßt der Anwaltsverein das neue Großprojekt von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries: die Reform des Unterhaltsrechtes. Zypries möchte Kinder vor Armut bewahren und den Gattenunterhalt befristen - ein Lotterleben auf Kosten des Ex soll nicht mehr möglich sein.

Wie genau die Reform aussehen könnte, hat Zypries erstmals vor drei Wochen auf dem Deutschen Juristentag dargelegt. Sie plädiert für eine "neue Rangfolge". Bislang haben Kinder und Ehegatten das gleiche Recht auf Unterhalt. Reicht das Geld nicht für alle, wird es aufgeteilt. "Kinder müssen Vorrang haben", fordert hingegen Zypries. Schließlich können sie sich keinen Job suchen. Erst wenn ihre Ansprüche abgegolten sind, dürfen auch die Partner auf Unterhalt hoffen. Hier sollen Expartner, die Kinder aufziehen, zuerst berücksichtigt werden - selbst wenn das Paar nicht verheiratet war. "Sie sind in der gleichen Situation, darum sollte man sie gleich behandeln", sagt Zypries. Nur wenn dann noch Geld übrig ist - ein Selbstbehalt von 840 Euro bleibt dem Zahler -, fließt das an nicht erziehende Expartner.

Zypries greift damit auf, was Experten schon lange kritisieren: die gültige Rechtslage benachteiligt die Zweitfamilie. Die kinderlose Erstfrau prasst im Luxus, während die neue Familie darbt. Dieses Szenario soll es künftig nicht mehr geben. Rakete-Dombe begrüßt auch das Abschaffen einer anderen "überkommenen Tradition": den lebenslangen Unterhalt für einen Menschen, der eigentlich arbeiten könnte. "Ich erlebe das immer wieder. Frauen sagen: Warum soll ich mir einen Job suchen, wo er doch zahlen muss?"

Bislang hindert sie daran wenig. Wer aber den Ex schikaniert, einen neuen Partner hat oder ohne Not seinen guten Job aufgibt - der verwirkt schon jetzt seinen Anspruch auf Unterhalt.

Künftig aber soll es üblich sein, die Zahlungen zeitlich zu befristen oder zumindest nach und nach zu reduzieren. "Stärkung der nachehelichen Eigenverantwortung", nennt Zypries das. Dieses Denken liegt im Trend, findet Rakete-Dombek: "Wir haben ja heute auch in der Sozialpolitik ein anderes Leitbild. Wir wollen die Leute aktivieren." Sie ist sich aber sicher: In vielen Fällen wird es bei lebenslangen Überweisungen bleiben. Etwa wenn das Paar mehr als zehn Jahre verheiratet war, wenn ein Partner krank ist oder jahrelang die Schwiegereltern pflegte.

Zypries möchte in den nächsten Wochen einen Gesetzentwurf vorstellen. Gleichzeitig gerät das Unterhaltsrecht an anderer Stelle in die Kritik. Das Oberlandesgericht Hamm legte jetzt die Klage einer Alleinerziehenden dem Bundesverfassungsgericht vor. Die Frau empfand es als ungerecht, dass sie als Versorgerin unehelicher Kinder viel kürzer Unterhalt erhalte als eine geschiedene Mutter. Die Richter gaben ihr Recht. Sie sahen nicht die Frau selbst benachteiligt, wohl aber ihr Kind. Für eheliche Kinder nämlich gilt: Bis sie acht Jahre alt sind, braucht die Mutter gar nicht zu arbeiten. Weitere sieben Jahre genügt ein Teilzeitjob. Waren die Eltern unverheiratet, haben Mutter oder Vater aber nur in den ersten drei Jahren Anspruch auf Unterhalt. Die Hammer Richter beanstandeten: Ein uneheliches Kind habe das gleiche Recht wie ein eheliches, zu Hause betreut zu werden. "Aus Sicht des Kindes darf es keine Rolle spielen, ob die Eltern miteinander verheiratet waren oder nicht", urteilten sie.

"Ich denke, dass die Zeit, wie lange eine Mutter zu Hause bleiben darf, kürzer wird", sagt Familienrechtsexpertin Rakete-Dombek. Ohnehin seien starre Schemata wenig hilfreich, findet sie. "Viel sinnvoller aber wäre es, den Einzelfall zu prüfen." Wenn eine Frau etwa in Berlin lebt, wo es viele Kitas gibt, oder in einem Haus mit der enkelbegeisterten Oma - sollte sie dann nicht früher zurück in den Beruf? "Wenn eine Frau zu lange aus dem Job aussteigt, gibt es kein Zurück. Wer acht oder noch mehr Jahre Babypause macht - der hängt lebenslang am Geldbeutel des Ex."

COSIMA SCHMITT

taz Nr. 7488 vom 15.10.2004, Seite 6, 144 Zeilen (TAZ-Bericht), COSIMA SCHMITT

 

 

 

http://www.taz.de/pt/2004/10/15/a0102.nf/text

 

 

 

 


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