Mahatma Gandhi


 

 

 

 

Gandhi, Mohandas Karamchand, genannt Mahatma, (1869-1948), Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung und Verfechter des gewaltlosen Widerstands zur Durchsetzung politischer Ziele.

Gandhi wurde am 2.Oktober 1869 in Porbandar im heutigen Bundesstaat Gujarat geboren, studierte in London Jura und ließ sich 1891 in Bombay als Anwalt nieder. 1893 ging er als Rechtsberater einer indischen Firma nach Durban in der britischen Kronkolonie Natal in Südafrika, wo er sich als Angehöriger einer „niederen Rasse" behandelt sah. Empört darüber, dass indischen Einwanderern in großem Umfang bürgerliche Freiheiten und politische Rechte verweigert wurden, nahm er unverzüglich den Kampf für die Grundrechte der Inder in Südafrika auf.

 

Passiver Widerstand

Gandhi blieb 20Jahre lang in Südafrika und wurde in dieser Zeit mehrmals inhaftiert. 1894 gründete er den Natal Indian Congress, in dem er den Widerstand der indischen Einwanderer gegen die diskriminierenden Rassengesetze organisierte. Unter dem Eindruck persönlich erfahrener Gewalt und beeinflusst von Lew Tolstoj, der christlichen Bergpredigt und Henry David Thoreau und dessen berühmtem Essay Civil Disobedience (Ziviler Ungehorsam) entwickelte Gandhi eine Politik des gewaltlosen Kampfes, des passiven Widerstands und der Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Behörden. Gandhi selbst hielt die Bezeichnungen passiver Widerstand und ziviler Ungehorsam für seine Absichten für ungeeignet und prägte für seine Politik den Begriff Satyagraha (Sanskrit: Hingabe an die Wahrheit), d.h. unbedingtes Festhalten an dem als wahr Erkannten und, im Sinne dieses Wahren, gewaltloser Widerstand gegen jedes Unrecht.

Während des Burenkrieges baute Gandhi ein Sanitätskorps für die britische Armee auf und leitete eine Einheit des Roten Kreuzes. Nach dem Krieg setzte er seine Kampagne für die Rechte der Inder fort, jetzt auch im Transvaal, und gründete 1910 die Tolstoj-Farm in der Nähe von Durban, eine landwirtschaftliche Kooperative für Inder. 1914 machte die Regierung der Südafrikanischen Union den Indern bedeutende Zugeständnisse, z.B. schaffte sie die Kopfsteuer für Inder ab.

 

Kampagne für die Selbstverwaltung

1914 kehrte Gandhi nach Indien zurück und übernahm die Führung in einem schwierigen Konflikt: dem Kampf der Inder für die Selbstverwaltung. Nach dem 1.Weltkrieg nahm er, wieder unter der Devise Satyagraha den passiven Widerstand gegen Großbritannien auf. Als das britische Parlament 1919 die so genannten Rowlatt Acts verabschiedete, die die während des Krieges eingeführten Ausnahmerechte der britischen Behörden in Indien verlängerten, um mit den so genannten revolutionären Aktivitäten fertig zu werden, breitete sich die Satyagraha,-Bewegung über ganz Indien aus und fand Millionen Anhänger. Eine Demonstration in Amritsar gegen die Rowlatt Acts endete 1919 mit einem Massaker an Indern durch britische Soldaten. Da die britische Regierung keine Anstalten machte, den Indern politisch entgegenzukommen, rief Gandhi 1920 zu einer Kampagne der Asahayoga (Nichtbeteiligung) auf. Inder im Staatsdienst quittierten den Dienst, Regierungsbehörden, z.B. Gerichtshöfe, wurden boykottiert und indische Kinder wurden von den staatlichen Schulen genommen. Im ganzen Land blockierten Inder mit Sitzstreiks die Straßen und weigerten sich selbst nach Gewaltanwendung seitens der Polizei, aufzustehen und die Straßen freizumachen. Gandhi wurde verhaftet, musste aber bald darauf wieder freigelassen werden.

Die wirtschaftliche Unabhängigkeit Indiens war zentrales Anliegen und zugleich logische Folge von Gandhis Bewegung Swaraj (Sanskrit: Selbstverwaltung). Er rief daher zum Boykott aller britischen Waren und Firmen auf und regte zugleich die Wiederbelebung der traditionellen indischen Heimspinnerei und -weberei an, um Indien einerseits von der britischen Textilindustrie unabhängig zu machen, andererseits die drückende Armut auf dem Lande - Folge der Ausbeutung durch britische Industrielle - zu beseitigen. Symbolhaft für die von ihm propagierte Rückkehr zum einfachen Dorfleben und für die Erneuerung des heimischen Handwerks benutzte Gandhi fortan selbst ein Spinnrad.

Gandhi führte ein Leben, das ganz im Zeichen des Gebets, des Fastens, der Askese und der Meditation stand. Da er materiellen Besitz ablehnte, trug er den Lendenschurz und das Tuch der untersten Kaste und ernährte sich einfach und streng vegetarisch. Die Inder verehrten ihn wie einen Heiligen und verliehen ihm den Ehrentitel Mahatma (Sanskrit: Große Seele). Gandhis Eintreten für das buddhistische Prinzip der Gewaltlosigkeit, Ahimsa (Sanskrit: Nichttöten) genannt, war seiner Ansicht nach auch Ausdruck einer der Hindu-Religion entsprechenden Lebensweise. Er war der Überzeugung, dass Großbritannien angesichts der indischen Praxis der Gewaltlosigkeit eines Tages selbst die Nutzlosigkeit der Gewalt erkennen und aus Indien abziehen werde.

1921 übertrug der Indian National Congress (INC), der Vorkämpfer der Unabhängigkeitsbewegung, Gandhi weit reichende Vollmachten. Die indische Bevölkerung allerdings erfasste die Lehre des Ahimsa nicht in ihrem vollen Ausmaß, und es brachen bewaffnete Aufstände gegen die britische Herrschaft aus, die ein solches Ausmaß an Gewalttätigkeit erreichten, dass Gandhi das Scheitern seiner Kampagne des zivilen Ungehorsams eingestand und sie für beendet erklärte. Die britische Regierung nahm ihn 1922 fest und verurteilte ihn zu sechs Jahren Haft.

Nach seiner vorzeitigen Entlassung aus dem Gefängnis 1924 zog sich Gandhi zunächst aus der großen Politik zurück und widmete sich einer Kampagne zur gesellschaftlichen Anerkennung der kastenlosen Parias, der Unberührbaren. 1930 rief er erneut zu zivilem Ungehorsam auf, nachdem sich Großbritannien geweigert hatte, einer Forderung des INC nachzukommen und Indien den Status eines Dominion zuzuerkennen. Er forderte die indische Bevölkerung auf, die Zahlung von Steuern, insbesondere der Salzsteuer, zu verweigern. Im so genannten „Salzmarsch", einem Demonstrationszug von Ahmedabad bis ans Arabische Meer, protestierten Hunderttausende von Indern unter Gandhis Führung gewaltlos gegen das britische Salzmonopol. Gandhi wurde erneut verhaftet, aber bereits 1931 wieder freigelassen. Nachdem die Briten auf einige seiner Forderungen eingegangen waren, brach er die Protestkampagne ab. Im selben Jahr vertrat Gandhi den INC auf einer Verfassungskonferenz in London, konnte sich mit seinen Forderungen jedoch nicht durchsetzen.

 

Kampf gegen das Kastensystem

1932 rief Gandhi erneut zu zivilem Ungehorsam gegen die Briten auf. In der Folge wurde er wiederholt verhaftet und benutzte seine Gefängnisaufenthalte zu Fastenaktionen, um gegen die britische Verfassungspolitik zu protestieren. Damit besaß er ein überaus wirksames Druckmittel gegenüber den britischen Behörden, die bei seinem Tod im Gefängnis den Ausbruch einer Revolution in Indien befürchten mussten. Im September 1932 begann Gandhi im Gefängnis ein „Fasten bis zum Tode", um die volle staatsbürgerliche Anerkennung für die Parias zu erreichen. Die Briten begingen in Gandhis Augen eine Ungerechtigkeit, indem sie die Unberührbaren als eigene Gruppe innerhalb der indischen Gesellschaft behandelten. Gandhi, der selbst der Kaste der Vaishya (Kaufleute) angehörte, hatte sich damit zum Führer einer Bewegung gemacht, die sich die Beseitigung des sozial und wirtschaftlich ungerechten Kastenwesens in Indien zum Ziel gesetzt hatte.

1934 trat Gandhi vom Vorsitz des INC zurück, sein Nachfolger wurde Jawaharlal Nehru. Gandhi reiste durch ganz Indien, setzte sich für das Prinzip des Ahimsa ein und forderte das Ende der „Unberührbarkeit". Gandhis politischer Einfluss war weiterhin so groß, dass die begrenzte Selbstverwaltung, die die Briten 1935 den Indern zugestanden, nicht ohne seine Zustimmung eingeführt werden konnte. Als 1939 die Schaffung einer Föderation indischer Fürstentümer mit dem Rest von Indien bevorstand, kehrte Gandhi wieder ins aktuelle politische Geschehen zurück, und zwar mit einer Fastenaktion, mit der er den Herrscher des Staates Rajkot zur Aufgabe seiner autokratischen Herrschaft zwingen wollte. Gandhis Aktion löste Unruhen aus, die die Kolonialregierung zum Eingreifen veranlassten; seinen Forderungen wurde nachgegeben.

 

Unabhängigkeit

Bei Ausbruch des 2.Weltkrieges forderten die Kongresspartei und Gandhi eine klare Formulierung der Kriegsziele und der damit verbundenen Konsequenzen für Indien. Als Reaktion auf die unbefriedigende Antwort der Briten beschloss die Partei, Großbritannien im Krieg nicht zu unterstützen, wenn Indien nicht sofort die völlige Unabhängigkeit erhielte. Die Briten wiesen diese Forderungen zurück und boten Kompromisslösungen an, die wiederum von den Indern abgelehnt wurden. 1942 wurde Gandhi interniert, zwei Jahre später jedoch wegen seines schlechten Gesundheitszustands wieder freigelassen.

1944 trat der indische Unabhängigkeitskampf in seine entscheidende Phase: Die britische Regierung hatte eingewilligt, die Unabhängigkeit unter der Voraussetzung zu gewähren, dass die beiden rivalisierenden Nationalbewegungen, die Muslimliga und die Kongresspartei, ihre Meinungsverschiedenheiten beilegten. Obgleich Gandhi strikt gegen eine Teilung Indiens war, lenkte er letzten Endes ein, in der Hoffnung, dass die Erfüllung der Forderung der Muslime nach einem eigenen Staat zur Erhaltung des Friedens beitragen würde. Somit entstanden 1947 die beiden unabhängigen Staaten Indien und Pakistan. Während der Unruhen, die nach der Teilung Indiens ausbrachen, appellierte Gandhi an Hindus und Muslime, friedlich zusammenzuleben. Eine Welle der Gewalt erfasste auch Kalkutta, eine der größten Städte Indiens, und Gandhi fastete, bis sich die Unruhen legten. Am 30.Januar 1948 wurde Gandhi auf dem Weg zu seiner abendlichen Gebetsversammlung von Nathuram Godse, einem fanatischen Hindu, ermordet. Am 30.Januar 1997, 49 Jahre nach Gandhis Tod, wurde auf Beschluss des obersten Gerichts von Indien ein letzter Rest der Asche Gandhis, die seit 1950 in der indischen Staatsbank aufbewahrt worden war, in den Ganges gestreut.

 

 

Heute 55 Jahre nach Gandhis gewaltsamen Tod engagieren sich Tausende Männer und Frauen gewaltfrei gegen die staatliche Diskriminierung nichtehelicher Kinder und ihrer Väter in Deutschland. Die "Kolonialmächte" im Bundesjustizministerium, dem Bundesgerichtshof bis hin zum Bundesverfassungsgericht können die Entwicklung zur Gleichberechtigung bremsen, aufhalten können sie sie letztlich nicht, das lehrt die Geschichte.

 

 

 

 


zurück