Maskenzwang
Nur ein Schwächeanfall der Justiz? Noch einmal: Das Urteil des
Landgerichts Erfurt gegen Christian Dettmar
15.12.2023
Das Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte hat sich bereits in zwei
Beiträgen zum Strafverfahren gegen den Weimarer Amtsrichter Christian Dettmar
geäußert: Der erste Artikel analysierte die Anklageschrift der
Staatsanwaltschaft Erfurt (im Folgenden: Artikel zur Anklage), der zweite
kommentierte kurz nach Verkündung das Urteil des Landgerichts Erfurt vom
23.08.2023 (im Folgenden: Artikel zur Urteilsverkündung). Zwei Jahre
Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Rechtsbeugung, so lautete das Urteil der 2.
Strafkammer des Landgerichts, das nicht rechtskräftig ist. Inzwischen liegt die
schriftliche Urteilsbegründung vor.1 Dies ist der Anlass für diesen Beitrag. In
ihm soll die Argumentation der Kammer nachgezeichnet und der Kritik unterzogen
werden. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, wie ein solches Urteil überhaupt
möglich ist: Ist es allein durch Unvermögen zu erklären oder muss man auch nach
anderen Gründen suchen?
Der Beitrag setzt die beiden früheren Artikel
inhaltlich voraus. Insbesondere werden rechtliche Erläuterungen zum Tatbestand
des § 339 StGB, die in dem Artikel zur Anklage gegeben wurden, hier nicht noch
einmal wiederholt.
1. Überblick
Das schriftliche Urteil des
Landgerichts Erfurt umfasst 139 Seiten. Zum Aufbau eines Strafurteils muss man
Folgendes wissen: Es besteht aus Rubrum (Angaben der Verfahrensart, der
Verfahrensbeteiligten, ihrer Rollen, der Verhandlungstage u. a.), Urteilstenor
(= Urteilsformel) und den Gründen. Die Gründe sind üblicherweise in fünf
Abschnitte unterteilt: (1) persönliche Verhältnisse des Angeklagten, (2)
Sachverhalt, von dem das Gericht ausgeht („Was ist passiert?“), (3)
Beweiswürdigung („Woher weiß das Gericht das?“), (4) rechtliche Würdigung
(„Welche Straftatbestände sind damit erfüllt?“), (5) Strafzumessung („Wie ist
die Tat zu ahnden?“).
Die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten
werden in dem Urteil auf einer Seite geschildert, die Darstellung des
Sachverhalts nimmt 44 Seiten ein, die Beweiswürdigung sogar 77 Seiten. Minutiös
werden hier die Einlassung des Angeklagten, die Aussagen von Zeugen, der Inhalt
von Schriftstücken, E-Mails und SMS wiedergegeben. Die rechtliche Würdigung ist
mit 11 Seiten dagegen eher knapp, die Strafzumessung findet auf 4 Seiten Platz.
Die Feststellungen zum Sachverhalt müssen hier nicht explizit erörtert werden,
weil das äußere Geschehen zwischen Gericht und Verteidigung im Wesentlichen
unstrittig ist.2 Strittig ist die rechtliche Würdigung, weshalb sich der Beitrag
vor allem darauf konzentriert.
2. Anklagevorwürfe, die den Tatbestand
nicht erfüllen
Wie in dem Artikel zur Anklage dargelegt,3 hat die
Staatsanwaltschaft dem Angeklagten eine Vielzahl von (angeblichen)
Rechtsverletzungen vorgeworfen, die alle den Tatbestand der Rechtsbeugung
erfüllen sollen. Bis zum Schluss der Hauptverhandlung hat sie daran keine
Abstriche gemacht. Auch der Vorwurf, Rechtsbeugung liege vor, weil der
Angeklagte gewusst habe, dass (angeblich) die Verwaltungsgerichte zuständig
gewesen seien, wurde bis zum Plädoyer aufrechterhalten (und auch in der
Begründung der von ihr eingelegten Revision wiederholt).4
Die Kammer
erklärt auf knapp eineinhalb Seiten, dass nach ihrer Auffassung sämtliche von
der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe bis auf einen nicht den Tatbestand des
§ 339 StGB erfüllen. Den Zuständigkeitsvorwurf räumt sie unter Verweis auf die
Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberlandesgericht ab und die anderen
Vorwürfe mit der Begründung, dass jeweils keine für den Tatbestand der
Rechtsbeugung ausreichend schwerwiegende Rechtsverletzung (ein „elementarer
Rechtsverstoß“) vorliege.
3. Der Vorwurf der Befangenheit
a.
Unterlassen der Selbstablehnung als tatbestandsmäßige Handlung oder Befangenheit
an sich?
Der einzige Vorwurf, der der Kammer zufolge von der Anklage
übrigbleibt und der die Verurteilung wegen Rechtsbeugung tragen soll, ist der
der Voreingenommenheit und Befangenheit. Der einleitende Satz dieses Teils der
Begründung lautet: „Der Angeklagte hat sich der Rechtsbeugung jedoch dadurch
schuldig gemacht, indem (sic!) er die verfassungsrechtlich gebotene richterliche
Unabhängigkeit aus sachfremden Motiven missachtet hat.“ (S. 125)
Abgesehen davon, dass sachangemessene Motive für eine Missachtung der
richterlichen Unabhängigkeit nicht vorstellbar sind,5 kann das bloße Fehlen
gebotener Achtung niemals einen Straftatbestand erfüllen. Im geltenden
Strafrecht wird tatbestandsmäßiges Verhalten, das in einem Tun oder einem
Unterlassen bestehen kann, bestraft. Gedanken, Gefühle, Überzeugungen sind nicht
strafbar.
Ganz so meint die Kammer das auch nicht, wenngleich sie bei der
Frage des Vorsatzes (dazu unter Abschnitt 5 mehr) nur prüft, ob Vorsatz
bezüglich der (angeblichen) Befangenheit bestand, also die Befangenheit als
Tathandlung behandelt. In dem dem zitierten Satz nachfolgenden Satz wird
vielmehr deutlich, dass sie der Auffassung ist, die Rechtsbeugung bestehe darin,
dass der Angeklagte das Verfahren trotz seiner Befangenheit geführt und
entschieden habe. Die gesamte richterliche Tätigkeit bei dem Verfahren soll
gewissermaßen den Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllen, weil sie im Zustand der
Befangenheit erfolgt sei. Auch das ist aber falsch und zwar aus dem einfachen
Grund, dass es keine Rechtspflicht für Richter gibt, bei der Leitung eines
Verfahrens unbefangen zu sein bzw. keinen Anlass für eine Besorgnis der
Befangenheit zu liefern. Dies klingt vielleicht für den juristischen Laien
überraschend, erklärt sich aber damit, dass zum einen in vielen Fällen der
Richter die Besorgnis der Befangenheit gar nicht selbst in der Hand hat, etwa
wenn sie sich aus persönlichen Beziehungen zu den Beteiligten ergibt (Beispiel:
zu einer Partei des Verfahrens besteht eine enge Freundschaft), und es zum
anderen kein „Selbstablehnungsrecht“ gibt, das es einem Richter ermöglichen
würde, sein Ausscheiden aus einem Verfahren selbst herbeizuführen.
Die
einzige Pflicht, die insoweit besteht, ist die zur Selbstablehnung (hier gem. §
6 FamFG i. V. m. § 48 ZPO).6 Wird diese von dem darüber zur Entscheidung
berufenen Richter als begründet beurteilt, scheidet der Richter aus dem
Verfahren aus. Wird sie aber für unbegründet erachtet, muss der Richter das
Verfahren weiterführen und zwar auch dann, wenn die Entscheidung falsch ist,
weil tatsächlich die Besorgnis der Befangenheit besteht.
Als
Rechtsverletzung i. S. v. § 339 StGB kommt danach allein das Unterlassen einer
gebotenen Selbstablehnung in Betracht. Sieht man hier klar, wird eine wesentlich
sachlichere Betrachtung möglich, als wenn – wie im Urteil – mit hoher
moralischer Aufladung das gesamte Verfahren vom Beginn bis zur Entscheidung zur
Rechtsbeugungshandlung erklärt wird.
Zwar führt die Kammer auch an, dass
der Angeklagte (nach ihrer Auffassung) verpflichtet gewesen wäre, eine
Selbstanzeige anzubringen, aber das soll nur ein untergeordneter Teil der Tat
sein. Sie meint, weil der Angeklagte nicht nur die Selbstanzeige unterlassen
habe, sondern auch das Verfahren geführt und entschieden habe, liege der
Schwerpunkt auf einem aktiven Tun und nicht auf einem Unterlassen (S. 127).7 Das
ist, wie dargelegt, falsch. Es kommt grundsätzlich nur ein Unterlassungsdelikt
in Betracht. Das hätte wiederum eine Absenkung der Mindeststrafe – eine sog.
Strafrahmenverschiebung – von einem Jahr auf 3 Monate Freiheitsstrafe (§ 13 Abs.
2, § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB) und über § 47 Abs. 2 StGB sogar die Verhängung einer
Geldstrafe ermöglicht.8
b. Rechtsbeugung durch Unterlassen der
Selbstablehnung
Man muss an dieser Stelle noch einmal einen Schritt
zurücktreten, um die Besonderheiten des Vorwurfs der Rechtsbeugung durch
Unterlassen einer Selbstablehnung in den Blick zu bekommen.
Die
Behauptung der Besorgnis der Befangenheit ist in Gerichtsverfahren, vor allem in
Strafverfahren keine Seltenheit. Die meisten Ablehnungsanträge von Verteidigern
haben zwar keinen Erfolg, aber es gibt selbstverständlich auch Fälle, in denen
die Besorgnis der Befangenheit für begründet erklärt wird. In all diesen Fällen
könnte man fragen, ob der betreffende Richter nicht verpflichtet gewesen wäre,
noch vor der Ablehnung durch einen anderen Beteiligten eine Selbstablehnung bzw.
Selbstanzeige anzubringen. Und da er dies offensichtlich nicht getan hat, würde
sich nach der Logik der Kammer (und der Staatsanwaltschaft) stets die Frage
eines Verdachts der Rechtsbeugung durch Unterlassen der Selbstanzeige stellen.
Tatsächlich wird die Frage aber in der Praxis so gut wie nie gestellt. In
der Rechtsprechung und in der Kommentarliteratur zu § 48 ZPO und § 30 StPO wird
bei den Folgen einer pflichtwidrig unterlassenen Selbstablehnung ausschließlich
erörtert, ob dies in der Revisions- oder Berufungsinstanz gerügt werden kann,
und es wird außerdem darauf hingewiesen, dass eine pflichtwidrig unterlassene
Selbstablehnung für sich allein oder in der Zusammenschau mit weiteren Umständen
ein Ablehnungsgesuch rechtfertigen könne.9 Nirgendwo wird hier erörtert, dass
eine pflichtwidrig unterlassene Selbstablehnung als Rechtsbeugung strafbar sein
könnte.
Soweit aus den veröffentlichten Entscheidungen zu § 339 StGB
ersichtlich, gibt es nur einen einzigen Fall, bei dem ein Richter bei
unterlassener Selbstablehnung wegen Rechtsbeugung angeklagt wurde:10 Bei diesem
Fall hatte ein Richter als Gefälligkeit für einen Bekannten, der einen
Zivilprozess am Amtsgericht führte, ein Ablehnungsgesuch gegen den für das
Verfahren zuständigen Amtsrichter verfasst. Nachdem das Ablehnungsgesuch von dem
dafür zuständigen Richter als unbegründet verworfen worden war, verfasste er
auch die Beschwerde dagegen. Als die Beschwerde dann aufgrund des
Geschäftsverteilungsplanes (was nicht vorhersehbar war) in seinem Dezernat
landete, unterließ er die Selbstablehnung und entschied selbst über die
Beschwerde. Dass dies ein wirklich schwerwiegender Fall richterlichen
Fehlverhaltens ist und der Richter unter keinen, wirklich keinen denkbaren
Umständen die Selbstablehnung hätte unterlassen dürfen, dürfte unter Richtern
und Staatsanwälten Konsens sein.11 Die Verurteilung wegen Rechtsbeugung zu einer
Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten auf Bewährung wurde vom
Bundesgerichtshof bestätigt.12
Dass dies der einzige Fall einer
Verurteilung wegen Rechtsbeugung wegen unterlassener Selbstanzeige ist, zeigt
zugleich, dass nur im absoluten Ausnahmefall eine pflichtwidrig unterlassene
Selbstanzeige das Gewicht einer für den Tatbestand des § 339 StGB erforderlichen
elementaren Rechtsverletzung haben kann.
Dies ergibt sich auch daraus,
dass darauf zu achten ist, dass eine Rechtsverletzung, die für sich genommen
nicht das Gewicht eines elementaren Rechtsverstoßes i. S. v. § 339 StGB hat,
nicht über den „Umweg“ der unterlassenen Selbstablehnung doch noch den Vorwurf
der Rechtsbeugung begründen soll. Denn ein Verstoß gegen das Verfahrensrecht,
der für einen Rechtsbeugungsvorwurf nicht gewichtig genug ist, kann doch ohne
weiteres die Besorgnis der Befangenheit begründen. Würde nun in diesem Fall das
Unterlassen der Selbstanzeige als Rechtsverletzung i. S. v. § 339 StGB gewertet,
würde dies zu einem Wertungswiderspruch führen.
Zu bedenken ist insoweit
auch, dass letztlich bei jedem Rechtsbeugungsfall auch ein Fall der Befangenheit
vorliegt, denn bei einer Rechtsbeugung zum Vor- oder Nachteil einer Partei
besteht begriffsnotwendig auch die Besorgnis der Befangenheit. Es ist bisher
aber noch kein Gericht auf die Idee gekommen, nachdem es bei einer
Rechtsbeugungsanklage die Verwirklichung des Tatbestandes verneint hat, im
Anschluss zu prüfen, ob der Richter wegen des angeklagten Verhaltens sich nicht
hätte selbst ablehnen müssen und das Unterlassen nun seinerseits einen
Rechtsbeugungsvorwurf tragen könnte.
Daraus ergibt sich vorliegend die
Frage, wie ein nicht ergebnisoffenes Führen des Verfahrens oder eine nicht
korrekte Auswahl der Sachverständigen13 – Vorwürfe, die niemals den Tatbestand
der Rechtsbeugung erfüllen können – über die sich daraus (angeblich) ergebende
Befangenheit und die unterlassene Selbstanzeige dann doch eine Rechtsbeugung
begründen sollen. Diese Frage stellt sich die Kammer aber schon deshalb nicht,
weil nach ihrer Auffassung bereits die Verfahrensleitung im Zustand der
Befangenheit das tatbestandsmäßige Verhalten sein soll.
Diese
grundsätzlichen Einwände vorangestellt, soll im Folgenden dennoch die
Argumentation der Kammer im Einzelnen nachgezeichnet werden.
c. Eine
eigene Meinung als Befangenheitsgrund?
Der Vorwurf der Befangenheit soll
sich nach dem Urteil aus Folgendem ergeben:
Der Angeklagte sei schon ab
Februar 2021 entschlossen gewesen, „eine gerichtliche Entscheidung zur
Maskenpflicht mit Öffentlichkeitswirkung zu treffen“. In diese Entscheidung habe
er Sachverständigengutachten einführen wollen, „um damit den Argumentationsdruck
für weitere gerichtliche Entscheidungen zu erhöhen.“ Zur „Verschleierung seiner
Voreingenommenheit“ habe er für eine Anregung eines Verfahrens nach § 1666 BGB
gezielt nach geeigneten Betroffenen gesucht und während des Verfahrens darauf
geachtet, „dass seine vorgefasste Position … nicht nach außen erkennbar wird.“
Auch dass er das Anregungsschreiben der Familie B. „mitbearbeitet“ habe, soll
ihn befangen machen (bis hier S. 125 f.). Bei der Auswahl der Sachverständigen
habe er keine Objektivität walten lassen, sondern diese ergebnisorientiert
ausgewählt (S. 128). Insgesamt sei das Verfahren von ihm nicht ergebnisoffen
geführt worden (S. 127). Und schließlich sei er auch befangen „aufgrund seiner
vorgefassten Auffassungen zu der SARS-CoV-2-Pandemie und der
Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen“ (S. 127).
Auf den letztgenannten
Vorwurf soll hier zuerst eingegangen werden: Die Kammer behauptet tatsächlich,
der Angeklagte hätte in dieser Sache nicht entscheiden dürfen, weil er sich im
Vorfeld bereits intensiv mit der Coronakrise und insbesondere den
Coronamaßnahmen auseinandergesetzt und sich eine Meinung dazu gebildet hatte.
Wenn das stimmen würde, dürften auch Richter, die wissenschaftliche Literatur
über illegale Drogen gelesen haben und sich eine Meinung zum Thema gebildet
haben, kein Betäubungsmittelverfahren mehr führen. Das ist so absurd, dass man
dazu gar nichts weiter sagen muss.14 Es stellt sich allerdings die Frage, warum
der Kammer die Absurdität nicht selbst auffällt.
Die Antwort scheint zu
sein, dass die Kammer in Bezug auf Kritik an Coronamaßnahmen selbst befangen ist
und diese Befangenheit sie daran hindert, hier klar zu sehen. Der implizite
Obersatz, der das Denken der Kammer steuert, ist nämlich nicht: „Richter, die
sich bereits vor einem Verfahren mit (nichtjuristischen) Fragen aus anderen
Wissenschaften, die für das Verfahren bedeutsam sind, beschäftigt haben, dürfen
solche Verfahren nicht führen“, der implizite Obersatz (der allerdings nicht
explizit reflektiert werden darf, weil dann doch die Absurdität offenkundig
würde) lautet vielmehr: „Coronamaßnahmenkritiker dürfen keine Verfahren zu
Coronamaßnahmen führen.“ Dieser implizite Obersatz „funktioniert“ deshalb für
die Kammer, weil grundsätzliche Kritik an der Coronapolitik in ihrem
Verständnishorizont als vernunftwidrig, in gewisser Weise sogar illegitim,
während Konformität mit dieser Politik als vernunftgemäß gilt. Die Idee, dem
Angeklagten könnte zum Vorwurf gemacht werden, dass er sich eine kritische
Meinung zu den Coronamaßnahmen gebildet hat, während einem vorbehaltlosen
Befürworter der Maßnahmen ein solcher Vorwurf niemals gemacht würde, beruht
damit letztlich auf der im gesellschaftlichen Diskurs erfolgten Abwertung der
Maßnahmenkritiker als „Querdenker“, „Coronaleugner“, „Wissenschaftsleugner“,
auch wenn die Kammer solche Vokabeln nicht verwendet und an anderen Stellen des
Urteils wiederholt betont, dass sie über die Frage, ob der Beschluss des
Angeklagten in der Sache richtig war, nicht entschieden habe. Mit dem Vorwurf an
den Angeklagten, er habe wegen seiner kritischen Meinung zu den Coronamaßnahmen
das Verfahren nicht führen dürfen, ist jedenfalls ein erster Tiefpunkt des
Urteils erreicht.
d. Der Vorwurf fehlender Unparteilichkeit bei einem
Verfahren von Amts wegen
Im Artikel zur Anklage15 war ausführlich die
Frage erörtert worden, was eigentlich Befangenheit bei einem amtswegigen
Verfahren nach § 1666 BGB bedeutet.
Die Kammer beschäftigt sich mit
dieser Frage nicht. Sie zitiert, wie schon die Staatsanwaltschaft in der
Anklageschrift, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in denen das Gebot
von Unparteilichkeit und Neutralität der Richter aus Art. 97 Abs. 1 und Art. 101
Abs. 1 S. 2 Grundgesetz abgeleitet wird,16 wirft dem Angeklagten vor, diesem
Gebot von Unparteilichkeit und Neutralität nicht genügt zu haben und damit ist
die Argumentation auch schon fast beendet. Dass die zitierten Aussagen vom
Bundesverfassungsgericht alle im Kontext von Parteiverfahren getroffen wurden,
also in Verfahren, die von einer Partei und nicht vom Gericht begonnen werden
und in denen sich zwei Parteien im Streit gegenüberstehen, und sich daher die
Frage stellt, inwieweit diese Aussagen der Interpretation bedürfen, wenn es um
amtswegige Verfahren geht, wird von der Kammer dabei übergangen.
In einem
Kinderschutzverfahren gibt es keine sich gegenüberstehenden Parteien, es gibt
ein oder mehrere betroffene Kinder und das Verfahren wird von Amts wegen vom
Gericht eingeleitet, wenn ein Verdacht der Kindeswohlgefährdung besteht. Man
kann sagen: Der Richter ist von der ersten Minute des Verfahrens an auf der
Seite des Kindes und damit parteiisch. Man kann die Rolle des Familienrichters
in einem solchen Verfahren sogar mit der Rolle eines Staatsanwaltes im
Ermittlungsverfahren vergleichen: Wie ein Staatsanwalt hat der Richter das
Verfahren einzuleiten, sofern es einen Anfangsverdacht gibt und hat den
Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (durch Anhörung von Beteiligten, ggf.
auch Zeugenvernehmungen, Einholung von Gutachten etc.).17 Von der
Staatsanwaltschaft wird aber keine Unparteilichkeit und Neutralität (Wem
gegenüber auch, dem Verbrechen?) erwartet. Was von ihr erwartet wird, ist
Objektivität. Die Staatsanwaltschaft ist der Wahrheit verpflichtet und hat
deshalb nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung des
Beschuldigten dienenden Umstände zu ermitteln (§ 160 StPO). Und dieselbe
Objektivität in der Sache wird selbstverständlich auch von einem Richter in
einem Kindesschutzverfahren nach § 1666 BGB erwartet.
Um aber die Frage
zu beurteilen, ob der Angeklagte die gegenüber der Sache erforderliche
Objektivität hat walten lassen, also insbesondere bei der Aufklärung der Frage,
ob die Maskenpflicht in der Schule das Wohl der betroffenen Kinder gefährdet,
müsste die Kammer sich mit der Sache selbst beschäftigen. Das lehnt sie aber ab
und behauptet, dazu nicht verpflichtet zu sein. Welche Gefahren tatsächlich von
dem SARS-CoV-2-Virus ausgingen, welchen Anteil Kinder am Infektionsgeschehen
hatten, ob Maskenpflichten einen relevanten Einfluss auf das Infektionsgeschehen
haben und welche Folgen physischer, psychischer und psychisch-sozialer Art eine
Maskenpflicht für Kinder hat – diese Fragen hat die Kammer sämtlich für
irrelevant für die Entscheidung erklärt und einen Beweisantrag der Verteidigung,
der auf die Aufklärung dieser Fragen gerichtet war, zurückgewiesen.
Ganz
kommt die Kammer in dem Urteil allerdings an der Frage des amtswegigen
Verfahrens doch nicht vorbei. Ein diesbezüglicher Einwand der Verteidigung wird
zumindest erwähnt, um dann aber mit einer beinahe kuriosen Argumentation
beiseitegeschoben zu werden:
„Der Einwand des Angeklagten, ein
amtswegiges Verfahren gemäß § 24 FamFG hätte keiner Anregung bedurft, sondern er
hätte die Verfahren von Amts wegen einleiten können, entkräftet nicht den
verwirklichten Rechtsbeugungstatbestand.18 Grundsätzlich ist eine Einleitung
eines Kinderschutzverfahrens von Amts wegen gemäß §§ 1666 BGB, 24 FamFG möglich.
Entscheidend ist insofern aber, dass der Angeklagte bewusst gerade keine
Einleitung des Kinderschutzverfahrens von Amts wegen vorgenommen hat, wodurch
die von ihm vertretene Auffassung einer Kindeswohlgefährdung durch die
Maskenpflicht und der weiteren, bezüglich der SARS-CoV-2-Pandemie geltenden
Regelungen nach außen hin erkennbar gewesen wäre. Selbst wenn die Verfahren von
Amts wegen eingeleitet werden können, ist ein solches Verfahren nach dem Gebot
der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens ergebnisoffen in der gebotenen
Neutralität zu führen.“ (S. 128)
Dem Einwand, dass bei § 1666 BGB immer
das Gericht das Verfahren einleitet und bei hinreichendem Verdacht auch
einleiten muss, weshalb es grundsätzlich unproblematisch gewesen sei, dass der
Angeklagte das Verfahren selbst angestrebt und der das Verfahren anregenden
Familie B. Hilfestellung hinsichtlich der Formulierung der Verfahrensanregung
gegeben habe, wird also mit der Behauptung begegnet, der Angeklagte habe das
Verfahren gar nicht von Amts wegen eingeleitet. Die Kammer hat offensichtlich
nicht verstanden, dass „Einleitung von Amts wegen“ nur heißt, dass das Gericht
entscheidet, ob im Hinblick auf einen bestimmten Sachverhalt ein Verfahren
begonnen wird. Das geschieht bei § 1666 BGB fast immer aufgrund einer Anregung
von Dritten (meist dem Jugendamt). „Einleitung von Amts wegen“ und „aufgrund
einer Anregung“ schließen sich daher überhaupt nicht aus.
Die Kammer
meint offensichtlich: Wäre der Angeklagte in eine Schule gegangen, hätte sich
mit Schülern über die Maskenpflicht unterhalten, sich ihre Namen sagen lassen
und anschließend hinsichtlich dieser Schüler Verfahren eingeleitet, dann wäre
das unproblematisch. Weil er aber auf eine Anregung einer Familie gewartet
habe,19 sei er befangen. In dieser Richtung hat der Vorsitzende der Kammer in
der mündlichen Urteilsbegründung am 23.08.2023 an den Angeklagten gerichtet
formuliert: „Ich weiß nicht, ob man dann zu einer Rechtsbeugung gekommen wäre,
wenn Sie den mutigen Weg gegangen wären, ein Verfahren von Amts wegen
eingeleitet hätten und dann so entschieden hätten – quasi mit offenem Visier.“20
Abgesehen davon, dass der Vorwurf fehlenden Mutes an den Angeklagten etwas
grotesk erscheint, räumt die Kammer damit selbst ein, dass es dem Angeklagten
letztlich nicht vorgeworfen werden kann, dass er das Verfahren wollte und darauf
aktiv hingearbeitet hat. Genau dieser Vorwurf wird dem Angeklagten aber an
anderer Stelle wieder und wieder gemacht! Dort, wo die Kammer sich für einen
kurzen Moment gezwungen sieht, doch die Besonderheiten eines Verfahrens nach §
1666 BGB zur Kenntnis zu nehmen, muss sie diesen Vorwurf fallenlassen und an
ihre Stelle tritt sozusagen ein „Heimlichkeitsvorwurf“, der aber nur in neue
Widersprüche hineinführt. Denn die Aussage des Vorsitzenden bei der mündlichen
Urteilsbegründung bedeutet im Ergebnis, dass es Rechtsbeugung ist bzw. sein
kann, wenn ein Richter etwas verbirgt, was er gar nicht verbergen muss. Dass das
abwegig ist, liegt auf der Hand.
Festzuhalten ist daher: Der Angeklagte
war verpflichtet, ein Verfahren nach § 1666 BGB anzustreben und einzuleiten,
sobald er den Verdacht einer Kindeswohlgefährdung hatte. Dass die
Verfahrenseinleitung aufgrund einer Anregung erfolgt, ist keine Besonderheit
dieses Verfahrens, zu der der Angeklagte gegriffen hat, weil er irgendetwas
verschleiern wollte, sondern es ist der Normalfall.
Genauso
selbstverständlich durfte der Angeklagte Familie B. auch Unterstützung bei der
Formulierung der Anregung geben. Anregungen gemäß § 24 FamFG können gemäß § 25
FamFG auch „zur Niederschrift der Geschäftsstelle“ abgegeben werden. Diese
Niederschrift muss nicht durch einen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 153
Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz) erfolgen, auch der Richter (oder
Rechtspfleger) kann dies tun.21 Bei dieser Niederschrift soll der Urkundsbeamte
dafür Sorge tragen, dass sie inhaltlich dem Begehren des Erklärenden entspricht.
Insoweit besteht im Rahmen der Fürsorgepflicht und der Möglichkeiten eine
Verpflichtung, den mutmaßlichen Willen zu erfragen sowie für eine klare
Formulierung des Begehrens zu sorgen.22
Wenn dies alles rechtlich möglich
war, durfte der Angeklagte zweifelsohne auch die bereits vorformulierte Anregung
der Familie B., die ihm per E-Mail übersandt wurde, gegenlesen und auf
Unklarheiten oder Fehler hinweisen, bevor sie dann tatsächlich eingereicht
wurde. Nichts ist daran rechtswidrig, aber die Kammer ist in völliger Verkennung
der Rechtslage der Auffassung, das „Mitbearbeiten“ der Anregung der Familie B.
disqualifiziere den Angeklagten als Richter in diesem Verfahren und zwar
mindestens im gleichen Maße wie den Freiburger Richter das Verfassen der
Beschwerde für seinen Bekannten.
e. Gute Gutachten, aber von den
falschen Sachverständigen?
Auch bei dem Vorwurf, der Angeklagte habe bei
der Auswahl der Sachverständigen Kämmerer, Kappstein und Kuhbandner keine
Objektivität walten lassen, sondern sei „ergebnisorientiert“ vorgegangen,
verstrickt sich die Kammer in Widersprüche, wenn sie meint, sie könne dem
Angeklagten die Wahl der Sachverständigen vorwerfen, ohne sich auch nur
ansatzweise mit den Gutachten zu beschäftigen.
Die Auswahl von
Gutachtern durch Gerichte erfolgt nie im Lostrommelverfahren. Die Gerichte
versuchen stets Gutachter zu beauftragen, von denen sie – aufgrund eigener
Erfahrungen mit ihnen in früheren Verfahren, aufgrund von Empfehlungen von
Kollegen oder aus sonstiger Kenntnis der Arbeit der Gutachter – in Inhalt und
Darstellung überzeugende Gutachten erwarten. Das kann man ergebnisorientiert
nennen. Wenn also die Gutachten der drei Sachverständigen allen
wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, vielleicht sogar hervorragend sind – was
die Kammer nicht ausschließen kann, da sie sich ja mit den Gutachten inhaltlich
nicht befasst hat – kann der Angeklagte also keinen Fehler gemacht haben, man
müsste ihn sogar dazu beglückwünschen, dass er bei der Auswahl „den richtigen
Riecher“ hatte. Die Kammer aber meint, dass der Angeklagte unabhängig von der
Qualität der Gutachten diese Gutachter nicht hätte beauftragen dürfen – und ist
damit im nächsten Paradox gelandet. Auch dieses Paradox fällt der Kammer
offensichtlich nur deshalb wieder nicht auf, weil Vorurteile gegenüber
Coronakritikern (unreflektiert) als berechtigt angesehen werden: Die
Sachverständigen können so gut sein, wie sie wollen, als maßnahmenkritische
Wissenschaftler dürfen sie jedenfalls nicht von einem Gericht beauftragt werden
und ein Richter, der das dennoch tut, ist eben befangen.23
f.
Zwischenfazit
Man kann den Vorwurf der Befangenheit noch einmal so
zusammenfassen:
Die Kammer wirft dem Angeklagten vor, er habe gezielt das
Verfahren angestrebt und darauf hingearbeitet, obwohl sie weiß, dass
Familienrichter verpflichtet sind, Verfahren nach § 1666 BGB anzustreben und
einzuleiten, wenn sie den Verdacht einer Kindeswohlgefährdung haben. Sie
behauptet, er hätte der Mutter der betroffenen Kinder keine Hilfe bei der
Formulierung der Anregung geben dürfen, obwohl dies rechtlich vollkommen
unproblematisch ist. Sie behauptet, der Angeklagte habe das Verfahren nicht
führen dürfen, weil er sich schon zuvor eine „verfestigte“ Meinung zu den
Coronamaßnahmen gebildet habe, während sie bei einem Richter, der die
Coronamaßnahmen vorbehaltlos befürwortete, niemals auf diesen Gedanken gekommen
wäre. Sie behauptet, der Angeklagte hätte die drei Sachverständigen nicht
beauftragen dürfen, obwohl die Gutachten möglicherweise hervorragend sind. Und
schließlich wirft sie dem Angeklagten vor, er habe seine (angebliche)
Voreingenommenheit verschleiert und während des Verfahrens darauf geachtet, dass
seine vorgefasste Position nicht nach außen erkennbar wird, obwohl – das ist an
dieser Stelle nachzutragen – er nicht nur die Beweisbeschlüsse an alle
Beteiligten übersandt hat, sondern dem Freistaat Thüringen als
Verfahrensbeteiligtem auch einen Katalog mit 18 Fragen übersandt hat,24 aus
denen eine kritische Haltung zu den Coronamaßnahmen bereits deutlich ablesbar
war.
4. „… zugunsten oder zum Nachteil einer Partei“
§ 339 StGB
setzt als tatbestandlichen „Erfolg“ voraus, dass die Rechtsverletzung zu einem
unrechtmäßigen Vorteil oder Nachteil auf Seiten einer Partei führt. Partei ist
in diesem Sinne jeder Beteiligte des Verfahrens, dem ein anderer mit
widerstreitenden rechtlichen Interessen gegenübersteht.25 Bei einer Verletzung
des materiellen Rechts, etwa, wenn eine eindeutige Rechtsnorm des materiellen
Rechts falsch oder nicht angewandt wird, ist dies unproblematisch gegeben: Die
Entscheidung ist im Ergebnis rechtswidrig und da eine Entscheidung immer
mindestens für eine Partei vor- oder nachteilig ist, ist der Vor- oder Nachteil
unrechtmäßig erlangt.
Bei einer Verletzung des Verfahrensrechts ist dies
anders. Diese muss nicht notwendig zu einer falschen Entscheidung führen. Zwar
hat eine Verfahrensrechtsverletzung meist eine zumindest vorübergehende
Verbesserung oder Verschlechterung der prozessualen Position einer Partei zur
Folge, dies lässt aber der Bundesgerichtshof in seiner restriktiven Auslegung
des Tatbestandes nicht als tatbestandlichen Vor- bzw. Nachteil genügen. Die
Verfahrensverletzung muss (zumindest) zu einer konkreten (nicht nur abstrakten)
Gefahr einer falschen Endentscheidung, d. h. einer gegen das materielle Recht
verstoßenden und damit rechtswidrigen Entscheidung geführt haben.
Wann
eine konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung gegeben ist, hat der
Bundesgerichtshof vor allem in Fällen entschieden, bei denen die
Verfahrensrechtsverletzung darin bestand, dass ein unzuständiger Richter
entschieden hat (etwa, wenn ein nach dem Bereitschaftsdienstplan nicht
zuständiger Richter in einer Haftsache entscheidet). Eine konkrete Gefahr einer
falschen Entscheidung besteht nach dem BGH in diesen Fällen dann, wenn der
Richter das Verfahren an sich zieht, weil er einer Prozesspartei sachfremd einen
Gefallen tun will oder er sonstige außerhalb des Verfahrens liegende Motive
verfolgt.26 Eine konkrete Gefahr, dass die Entscheidung von sachfremden
Erwägungen beeinflusst wird, soll auch dann gegeben sein, wenn der Richter eine
Zuständigkeit an sich zieht, um einen zur Entscheidung berufenen anderen Richter
auszuschließen, um auf diesem Wege zu einem seinen Intentionen entsprechenden
Ergebnis zu kommen, das bei Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften nicht oder
voraussichtlich nicht zu erreichen gewesen wäre.27
Die Frage, ob in dem
Kinderschutzverfahren eine Partei einen unrechtmäßigen Vor- oder Nachteil
erlangt hat, stellt sich selbstverständlich erst dann, wenn man zuvor – wie die
Kammer – eine elementare Rechtsverletzung bejaht hat. Die Kammer zitiert dazu
auch die soeben referierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, um dann aber
zu schreiben:
„Der Angeklagte hat durch die von ihm von vornherein
geplante und zielgerichtete Entscheidung als voreingenommener Richter einen
elementaren Verfahrensverstoß begangen, der die Unrechtmäßigkeit der getroffenen
Entscheidung zur Folge hat. Die Frage, ob die von dem Angeklagten getroffene
Anordnung unter Berücksichtigung der Ausführungen der eingeholten
Sachverständigengutachten inhaltlich richtig gewesen ist, vermag angesichts der
Schwere des in Rede stehenden Verfahrensverstoßes an der Beurteilung der
Rechtswidrigkeit der Entscheidung nichts zu ändern. Denn die Rechtmäßigkeit
einer gerichtlichen Entscheidung wird auch durch die Einhaltung der
rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätze geprägt.“
Abgesehen davon, dass
sachangemessene Motive für eine Missachtung der richterlichen Unabhängigkeit
nicht vorstellbar sind,5 kann das bloße Fehlen gebotener Achtung niemals einen
Straftatbestand erfüllen. Im geltenden Strafrecht wird tatbestandsmäßiges
Verhalten, das in einem Tun oder einem Unterlassen bestehen kann, bestraft.
Gedanken, Gefühle, Überzeugungen sind nicht strafbar.
Ganz so meint die
Kammer das auch nicht, wenngleich sie bei der Frage des Vorsatzes (dazu unter
Abschnitt 5 mehr) nur prüft, ob Vorsatz bezüglich der (angeblichen) Befangenheit
bestand, also die Befangenheit als Tathandlung behandelt. In dem dem zitierten
Satz nachfolgenden Satz wird vielmehr deutlich, dass sie der Auffassung ist, die
Rechtsbeugung bestehe darin, dass der Angeklagte das Verfahren trotz seiner
Befangenheit geführt und entschieden habe. Die gesamte richterliche Tätigkeit
bei dem Verfahren soll gewissermaßen den Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllen,
weil sie im Zustand der Befangenheit erfolgt sei. Auch das ist aber falsch und
zwar aus dem einfachen Grund, dass es keine Rechtspflicht für Richter gibt, bei
der Leitung eines Verfahrens unbefangen zu sein bzw. keinen Anlass für eine
Besorgnis der Befangenheit zu liefern. Dies klingt vielleicht für den
juristischen Laien überraschend, erklärt sich aber damit, dass zum einen in
vielen Fällen der Richter die Besorgnis der Befangenheit gar nicht selbst in der
Hand hat, etwa wenn sie sich aus persönlichen Beziehungen zu den Beteiligten
ergibt (Beispiel: zu einer Partei des Verfahrens besteht eine enge
Freundschaft), und es zum anderen kein „Selbstablehnungsrecht“ gibt, das es
einem Richter ermöglichen würde, sein Ausscheiden aus einem Verfahren selbst
herbeizuführen.
Die einzige Pflicht, die insoweit besteht, ist die zur
Selbstablehnung (hier gem. § 6 FamFG i. V. m. § 48 ZPO).6 Wird diese von dem
darüber zur Entscheidung berufenen Richter als begründet beurteilt, scheidet der
Richter aus dem Verfahren aus. Wird sie aber für unbegründet erachtet, muss der
Richter das Verfahren weiterführen und zwar auch dann, wenn die Entscheidung
falsch ist, weil tatsächlich die Besorgnis der Befangenheit besteht.
Als
Rechtsverletzung i. S. v. § 339 StGB kommt danach allein das Unterlassen einer
gebotenen Selbstablehnung in Betracht. Sieht man hier klar, wird eine wesentlich
sachlichere Betrachtung möglich, als wenn – wie im Urteil – mit hoher
moralischer Aufladung das gesamte Verfahren vom Beginn bis zur Entscheidung zur
Rechtsbeugungshandlung erklärt wird.
Zwar führt die Kammer auch an, dass
der Angeklagte (nach ihrer Auffassung) verpflichtet gewesen wäre, eine
Selbstanzeige anzubringen, aber das soll nur ein untergeordneter Teil der Tat
sein. Sie meint, weil der Angeklagte nicht nur die Selbstanzeige unterlassen
habe, sondern auch das Verfahren geführt und entschieden habe, liege der
Schwerpunkt auf einem aktiven Tun und nicht auf einem Unterlassen (S. 127).7 Das
ist, wie dargelegt, falsch. Es kommt grundsätzlich nur ein Unterlassungsdelikt
in Betracht. Das hätte wiederum eine Absenkung der Mindeststrafe – eine sog.
Strafrahmenverschiebung – von einem Jahr auf 3 Monate Freiheitsstrafe (§ 13 Abs.
2, § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB) und über § 47 Abs. 2 StGB sogar die Verhängung einer
Geldstrafe ermöglicht.8
b. Rechtsbeugung durch Unterlassen der
Selbstablehnung
Man muss an dieser Stelle noch einmal einen Schritt
zurücktreten, um die Besonderheiten des Vorwurfs der Rechtsbeugung durch
Unterlassen einer Selbstablehnung in den Blick zu bekommen.
Die
Behauptung der Besorgnis der Befangenheit ist in Gerichtsverfahren, vor allem in
Strafverfahren keine Seltenheit. Die meisten Ablehnungsanträge von Verteidigern
haben zwar keinen Erfolg, aber es gibt selbstverständlich auch Fälle, in denen
die Besorgnis der Befangenheit für begründet erklärt wird. In all diesen Fällen
könnte man fragen, ob der betreffende Richter nicht verpflichtet gewesen wäre,
noch vor der Ablehnung durch einen anderen Beteiligten eine Selbstablehnung bzw.
Selbstanzeige anzubringen. Und da er dies offensichtlich nicht getan hat, würde
sich nach der Logik der Kammer (und der Staatsanwaltschaft) stets die Frage
eines Verdachts der Rechtsbeugung durch Unterlassen der Selbstanzeige stellen.
Tatsächlich wird die Frage aber in der Praxis so gut wie nie gestellt. In
der Rechtsprechung und in der Kommentarliteratur zu § 48 ZPO und § 30 StPO wird
bei den Folgen einer pflichtwidrig unterlassenen Selbstablehnung ausschließlich
erörtert, ob dies in der Revisions- oder Berufungsinstanz gerügt werden kann,
und es wird außerdem darauf hingewiesen, dass eine pflichtwidrig unterlassene
Selbstablehnung für sich allein oder in der Zusammenschau mit weiteren Umständen
ein Ablehnungsgesuch rechtfertigen könne.9 Nirgendwo wird hier erörtert, dass
eine pflichtwidrig unterlassene Selbstablehnung als Rechtsbeugung strafbar sein
könnte.
Soweit aus den veröffentlichten Entscheidungen zu § 339 StGB
ersichtlich, gibt es nur einen einzigen Fall, bei dem ein Richter bei
unterlassener Selbstablehnung wegen Rechtsbeugung angeklagt wurde:10 Bei diesem
Fall hatte ein Richter als Gefälligkeit für einen Bekannten, der einen
Zivilprozess am Amtsgericht führte, ein Ablehnungsgesuch gegen den für das
Verfahren zuständigen Amtsrichter verfasst. Nachdem das Ablehnungsgesuch von dem
dafür zuständigen Richter als unbegründet verworfen worden war, verfasste er
auch die Beschwerde dagegen. Als die Beschwerde dann aufgrund des
Geschäftsverteilungsplanes (was nicht vorhersehbar war) in seinem Dezernat
landete, unterließ er die Selbstablehnung und entschied selbst über die
Beschwerde. Dass dies ein wirklich schwerwiegender Fall richterlichen
Fehlverhaltens ist und der Richter unter keinen, wirklich keinen denkbaren
Umständen die Selbstablehnung hätte unterlassen dürfen, dürfte unter Richtern
und Staatsanwälten Konsens sein.11 Die Verurteilung wegen Rechtsbeugung zu einer
Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten auf Bewährung wurde vom
Bundesgerichtshof bestätigt.12
Dass dies der einzige Fall einer Verurteilung wegen Rechtsbeugung wegen
unterlassener Selbstanzeige ist, zeigt zugleich, dass nur im absoluten
Ausnahmefall eine pflichtwidrig unterlassene Selbstanzeige das Gewicht einer für
den Tatbestand des § 339 StGB erforderlichen elementaren Rechtsverletzung haben
kann.
Dies ergibt sich auch daraus, dass darauf zu achten ist, dass eine
Rechtsverletzung, die für sich genommen nicht das Gewicht eines elementaren
Rechtsverstoßes i. S. v. § 339 StGB hat, nicht über den „Umweg“ der
unterlassenen Selbstablehnung doch noch den Vorwurf der Rechtsbeugung begründen
soll. Denn ein Verstoß gegen das Verfahrensrecht, der für einen
Rechtsbeugungsvorwurf nicht gewichtig genug ist, kann doch ohne weiteres die
Besorgnis der Befangenheit begründen. Würde nun in diesem Fall das Unterlassen
der Selbstanzeige als Rechtsverletzung i. S. v. § 339 StGB gewertet, würde dies
zu einem Wertungswiderspruch führen.
Zu bedenken ist insoweit auch, dass
letztlich bei jedem Rechtsbeugungsfall auch ein Fall der Befangenheit vorliegt,
denn bei einer Rechtsbeugung zum Vor- oder Nachteil einer Partei besteht
begriffsnotwendig auch die Besorgnis der Befangenheit. Es ist bisher aber noch
kein Gericht auf die Idee gekommen, nachdem es bei einer Rechtsbeugungsanklage
die Verwirklichung des Tatbestandes verneint hat, im Anschluss zu prüfen, ob der
Richter wegen des angeklagten Verhaltens sich nicht hätte selbst ablehnen müssen
und das Unterlassen nun seinerseits einen Rechtsbeugungsvorwurf tragen könnte.
Daraus ergibt sich vorliegend die Frage, wie ein nicht ergebnisoffenes
Führen des Verfahrens oder eine nicht korrekte Auswahl der Sachverständigen13 –
Vorwürfe, die niemals den Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllen können – über
die sich daraus (angeblich) ergebende Befangenheit und die unterlassene
Selbstanzeige dann doch eine Rechtsbeugung begründen sollen. Diese Frage stellt
sich die Kammer aber schon deshalb nicht, weil nach ihrer Auffassung bereits die
Verfahrensleitung im Zustand der Befangenheit das tatbestandsmäßige Verhalten
sein soll.
Diese grundsätzlichen Einwände vorangestellt, soll im Folgenden dennoch die
Argumentation der Kammer im Einzelnen nachgezeichnet werden.
c. Eine
eigene Meinung als Befangenheitsgrund?
Der Vorwurf der Befangenheit soll
sich nach dem Urteil aus Folgendem ergeben:
Der Angeklagte sei schon ab
Februar 2021 entschlossen gewesen, „eine gerichtliche Entscheidung zur
Maskenpflicht mit Öffentlichkeitswirkung zu treffen“. In diese Entscheidung habe
er Sachverständigengutachten einführen wollen, „um damit den Argumentationsdruck
für weitere gerichtliche Entscheidungen zu erhöhen.“ Zur „Verschleierung seiner
Voreingenommenheit“ habe er für eine Anregung eines Verfahrens nach § 1666 BGB
gezielt nach geeigneten Betroffenen gesucht und während des Verfahrens darauf
geachtet, „dass seine vorgefasste Position … nicht nach außen erkennbar wird.“
Auch dass er das Anregungsschreiben der Familie B. „mitbearbeitet“ habe, soll
ihn befangen machen (bis hier S. 125 f.). Bei der Auswahl der Sachverständigen
habe er keine Objektivität walten lassen, sondern diese ergebnisorientiert
ausgewählt (S. 128). Insgesamt sei das Verfahren von ihm nicht ergebnisoffen
geführt worden (S. 127). Und schließlich sei er auch befangen „aufgrund seiner
vorgefassten Auffassungen zu der SARS-CoV-2-Pandemie und der
Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen“ (S. 127).
Auf den letztgenannten
Vorwurf soll hier zuerst eingegangen werden: Die Kammer behauptet tatsächlich,
der Angeklagte hätte in dieser Sache nicht entscheiden dürfen, weil er sich im
Vorfeld bereits intensiv mit der Coronakrise und insbesondere den
Coronamaßnahmen auseinandergesetzt und sich eine Meinung dazu gebildet hatte.
Wenn das stimmen würde, dürften auch Richter, die wissenschaftliche Literatur
über illegale Drogen gelesen haben und sich eine Meinung zum Thema gebildet
haben, kein Betäubungsmittelverfahren mehr führen. Das ist so absurd, dass man
dazu gar nichts weiter sagen muss.14 Es stellt sich allerdings die Frage, warum
der Kammer die Absurdität nicht selbst auffällt.
Die Antwort scheint zu
sein, dass die Kammer in Bezug auf Kritik an Coronamaßnahmen selbst befangen ist
und diese Befangenheit sie daran hindert, hier klar zu sehen. Der implizite
Obersatz, der das Denken der Kammer steuert, ist nämlich nicht: „Richter, die
sich bereits vor einem Verfahren mit (nichtjuristischen) Fragen aus anderen
Wissenschaften, die für das Verfahren bedeutsam sind, beschäftigt haben, dürfen
solche Verfahren nicht führen“, der implizite Obersatz (der allerdings nicht
explizit reflektiert werden darf, weil dann doch die Absurdität offenkundig
würde) lautet vielmehr: „Coronamaßnahmenkritiker dürfen keine Verfahren zu
Coronamaßnahmen führen.“ Dieser implizite Obersatz „funktioniert“ deshalb für
die Kammer, weil grundsätzliche Kritik an der Coronapolitik in ihrem
Verständnishorizont als vernunftwidrig, in gewisser Weise sogar illegitim,
während Konformität mit dieser Politik als vernunftgemäß gilt. Die Idee, dem
Angeklagten könnte zum Vorwurf gemacht werden, dass er sich eine kritische
Meinung zu den Coronamaßnahmen gebildet hat, während einem vorbehaltlosen
Befürworter der Maßnahmen ein solcher Vorwurf niemals gemacht würde, beruht
damit letztlich auf der im gesellschaftlichen Diskurs erfolgten Abwertung der
Maßnahmenkritiker als „Querdenker“, „Coronaleugner“, „Wissenschaftsleugner“,
auch wenn die Kammer solche Vokabeln nicht verwendet und an anderen Stellen des
Urteils wiederholt betont, dass sie über die Frage, ob der Beschluss des
Angeklagten in der Sache richtig war, nicht entschieden habe. Mit dem Vorwurf an
den Angeklagten, er habe wegen seiner kritischen Meinung zu den Coronamaßnahmen
das Verfahren nicht führen dürfen, ist jedenfalls ein erster Tiefpunkt des
Urteils erreicht.
d. Der Vorwurf fehlender Unparteilichkeit bei einem Verfahren von Amts wegen
Im Artikel zur Anklage15 war ausführlich die Frage erörtert worden, was
eigentlich Befangenheit bei einem amtswegigen Verfahren nach § 1666 BGB
bedeutet.
Die Kammer beschäftigt sich mit dieser Frage nicht. Sie
zitiert, wie schon die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift, Entscheidungen
des Bundesverfassungsgerichts, in denen das Gebot von Unparteilichkeit und
Neutralität der Richter aus Art. 97 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz
abgeleitet wird,16 wirft dem Angeklagten vor, diesem Gebot von Unparteilichkeit
und Neutralität nicht genügt zu haben und damit ist die Argumentation auch schon
fast beendet. Dass die zitierten Aussagen vom Bundesverfassungsgericht alle im
Kontext von Parteiverfahren getroffen wurden, also in Verfahren, die von einer
Partei und nicht vom Gericht begonnen werden und in denen sich zwei Parteien im
Streit gegenüberstehen, und sich daher die Frage stellt, inwieweit diese
Aussagen der Interpretation bedürfen, wenn es um amtswegige Verfahren geht, wird
von der Kammer dabei übergangen.
In einem Kinderschutzverfahren gibt es
keine sich gegenüberstehenden Parteien, es gibt ein oder mehrere betroffene
Kinder und das Verfahren wird von Amts wegen vom Gericht eingeleitet, wenn ein
Verdacht der Kindeswohlgefährdung besteht. Man kann sagen: Der Richter ist von
der ersten Minute des Verfahrens an auf der Seite des Kindes und damit
parteiisch. Man kann die Rolle des Familienrichters in einem solchen Verfahren
sogar mit der Rolle eines Staatsanwaltes im Ermittlungsverfahren vergleichen:
Wie ein Staatsanwalt hat der Richter das Verfahren einzuleiten, sofern es einen
Anfangsverdacht gibt und hat den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (durch
Anhörung von Beteiligten, ggf. auch Zeugenvernehmungen, Einholung von Gutachten
etc.).17 Von der Staatsanwaltschaft wird aber keine Unparteilichkeit und
Neutralität (Wem gegenüber auch, dem Verbrechen?) erwartet. Was von ihr erwartet
wird, ist Objektivität. Die Staatsanwaltschaft ist der Wahrheit verpflichtet und
hat deshalb nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung des
Beschuldigten dienenden Umstände zu ermitteln (§ 160 StPO). Und dieselbe
Objektivität in der Sache wird selbstverständlich auch von einem Richter in
einem Kindesschutzverfahren nach § 1666 BGB erwartet.
Um aber die Frage
zu beurteilen, ob der Angeklagte die gegenüber der Sache erforderliche
Objektivität hat walten lassen, also insbesondere bei der Aufklärung der Frage,
ob die Maskenpflicht in der Schule das Wohl der betroffenen Kinder gefährdet,
müsste die Kammer sich mit der Sache selbst beschäftigen. Das lehnt sie aber ab
und behauptet, dazu nicht verpflichtet zu sein. Welche Gefahren tatsächlich von
dem SARS-CoV-2-Virus ausgingen, welchen Anteil Kinder am Infektionsgeschehen
hatten, ob Maskenpflichten einen relevanten Einfluss auf das Infektionsgeschehen
haben und welche Folgen physischer, psychischer und psychisch-sozialer Art eine
Maskenpflicht für Kinder hat – diese Fragen hat die Kammer sämtlich für
irrelevant für die Entscheidung erklärt und einen Beweisantrag der Verteidigung,
der auf die Aufklärung dieser Fragen gerichtet war, zurückgewiesen.
Ganz
kommt die Kammer in dem Urteil allerdings an der Frage des amtswegigen
Verfahrens doch nicht vorbei. Ein diesbezüglicher Einwand der Verteidigung wird
zumindest erwähnt, um dann aber mit einer beinahe kuriosen Argumentation
beiseitegeschoben zu werden:
„Der Einwand des Angeklagten, ein
amtswegiges Verfahren gemäß § 24 FamFG hätte keiner Anregung bedurft, sondern er
hätte die Verfahren von Amts wegen einleiten können, entkräftet nicht den
verwirklichten Rechtsbeugungstatbestand.18 Grundsätzlich ist eine Einleitung
eines Kinderschutzverfahrens von Amts wegen gemäß §§ 1666 BGB, 24 FamFG möglich.
Entscheidend ist insofern aber, dass der Angeklagte bewusst gerade keine
Einleitung des Kinderschutzverfahrens von Amts wegen vorgenommen hat, wodurch
die von ihm vertretene Auffassung einer Kindeswohlgefährdung durch die
Maskenpflicht und der weiteren, bezüglich der SARS-CoV-2-Pandemie geltenden
Regelungen nach außen hin erkennbar gewesen wäre. Selbst wenn die Verfahren von
Amts wegen eingeleitet werden können, ist ein solches Verfahren nach dem Gebot
der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens ergebnisoffen in der gebotenen
Neutralität zu führen.“ (S. 128)
Dem Einwand, dass bei § 1666 BGB immer
das Gericht das Verfahren einleitet und bei hinreichendem Verdacht auch
einleiten muss, weshalb es grundsätzlich unproblematisch gewesen sei, dass der
Angeklagte das Verfahren selbst angestrebt und der das Verfahren anregenden
Familie B. Hilfestellung hinsichtlich der Formulierung der Verfahrensanregung
gegeben habe, wird also mit der Behauptung begegnet, der Angeklagte habe das
Verfahren gar nicht von Amts wegen eingeleitet. Die Kammer hat offensichtlich
nicht verstanden, dass „Einleitung von Amts wegen“ nur heißt, dass das Gericht
entscheidet, ob im Hinblick auf einen bestimmten Sachverhalt ein Verfahren
begonnen wird. Das geschieht bei § 1666 BGB fast immer aufgrund einer Anregung
von Dritten (meist dem Jugendamt). „Einleitung von Amts wegen“ und „aufgrund
einer Anregung“ schließen sich daher überhaupt nicht aus.
Die Kammer
meint offensichtlich: Wäre der Angeklagte in eine Schule gegangen, hätte sich
mit Schülern über die Maskenpflicht unterhalten, sich ihre Namen sagen lassen
und anschließend hinsichtlich dieser Schüler Verfahren eingeleitet, dann wäre
das unproblematisch. Weil er aber auf eine Anregung einer Familie gewartet
habe,19 sei er befangen. In dieser Richtung hat der Vorsitzende der Kammer in
der mündlichen Urteilsbegründung am 23.08.2023 an den Angeklagten gerichtet
formuliert: „Ich weiß nicht, ob man dann zu einer Rechtsbeugung gekommen wäre,
wenn Sie den mutigen Weg gegangen wären, ein Verfahren von Amts wegen
eingeleitet hätten und dann so entschieden hätten – quasi mit offenem Visier.“20
Abgesehen davon, dass der Vorwurf fehlenden Mutes an den Angeklagten etwas
grotesk erscheint, räumt die Kammer damit selbst ein, dass es dem Angeklagten
letztlich nicht vorgeworfen werden kann, dass er das Verfahren wollte und darauf
aktiv hingearbeitet hat. Genau dieser Vorwurf wird dem Angeklagten aber an
anderer Stelle wieder und wieder gemacht! Dort, wo die Kammer sich für einen
kurzen Moment gezwungen sieht, doch die Besonderheiten eines Verfahrens nach §
1666 BGB zur Kenntnis zu nehmen, muss sie diesen Vorwurf fallenlassen und an
ihre Stelle tritt sozusagen ein „Heimlichkeitsvorwurf“, der aber nur in neue
Widersprüche hineinführt. Denn die Aussage des Vorsitzenden bei der mündlichen
Urteilsbegründung bedeutet im Ergebnis, dass es Rechtsbeugung ist bzw. sein
kann, wenn ein Richter etwas verbirgt, was er gar nicht verbergen muss. Dass das
abwegig ist, liegt auf der Hand.
Festzuhalten ist daher: Der Angeklagte war verpflichtet, ein Verfahren nach §
1666 BGB anzustreben und einzuleiten, sobald er den Verdacht einer
Kindeswohlgefährdung hatte. Dass die Verfahrenseinleitung aufgrund einer
Anregung erfolgt, ist keine Besonderheit dieses Verfahrens, zu der der
Angeklagte gegriffen hat, weil er irgendetwas verschleiern wollte, sondern es
ist der Normalfall.
Genauso selbstverständlich durfte der Angeklagte
Familie B. auch Unterstützung bei der Formulierung der Anregung geben.
Anregungen gemäß § 24 FamFG können gemäß § 25 FamFG auch „zur Niederschrift der
Geschäftsstelle“ abgegeben werden. Diese Niederschrift muss nicht durch einen
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (§ 153 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz)
erfolgen, auch der Richter (oder Rechtspfleger) kann dies tun.21 Bei dieser
Niederschrift soll der Urkundsbeamte dafür Sorge tragen, dass sie inhaltlich dem
Begehren des Erklärenden entspricht. Insoweit besteht im Rahmen der
Fürsorgepflicht und der Möglichkeiten eine Verpflichtung, den mutmaßlichen
Willen zu erfragen sowie für eine klare Formulierung des Begehrens zu sorgen.22
Wenn dies alles rechtlich möglich war, durfte der Angeklagte zweifelsohne
auch die bereits vorformulierte Anregung der Familie B., die ihm per E-Mail
übersandt wurde, gegenlesen und auf Unklarheiten oder Fehler hinweisen, bevor
sie dann tatsächlich eingereicht wurde. Nichts ist daran rechtswidrig, aber die
Kammer ist in völliger Verkennung der Rechtslage der Auffassung, das
„Mitbearbeiten“ der Anregung der Familie B. disqualifiziere den Angeklagten als
Richter in diesem Verfahren und zwar mindestens im gleichen Maße wie den
Freiburger Richter das Verfassen der Beschwerde für seinen Bekannten.
e.
Gute Gutachten, aber von den falschen Sachverständigen?
Auch bei dem
Vorwurf, der Angeklagte habe bei der Auswahl der Sachverständigen Kämmerer,
Kappstein und Kuhbandner keine Objektivität walten lassen, sondern sei
„ergebnisorientiert“ vorgegangen, verstrickt sich die Kammer in Widersprüche,
wenn sie meint, sie könne dem Angeklagten die Wahl der Sachverständigen
vorwerfen, ohne sich auch nur ansatzweise mit den Gutachten zu beschäftigen.
Die Auswahl von Gutachtern durch Gerichte erfolgt nie im
Lostrommelverfahren. Die Gerichte versuchen stets Gutachter zu beauftragen, von
denen sie – aufgrund eigener Erfahrungen mit ihnen in früheren Verfahren,
aufgrund von Empfehlungen von Kollegen oder aus sonstiger Kenntnis der Arbeit
der Gutachter – in Inhalt und Darstellung überzeugende Gutachten erwarten. Das
kann man ergebnisorientiert nennen. Wenn also die Gutachten der drei
Sachverständigen allen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen, vielleicht sogar
hervorragend sind – was die Kammer nicht ausschließen kann, da sie sich ja mit
den Gutachten inhaltlich nicht befasst hat – kann der Angeklagte also keinen
Fehler gemacht haben, man müsste ihn sogar dazu beglückwünschen, dass er bei der
Auswahl „den richtigen Riecher“ hatte. Die Kammer aber meint, dass der
Angeklagte unabhängig von der Qualität der Gutachten diese Gutachter nicht hätte
beauftragen dürfen – und ist damit im nächsten Paradox gelandet. Auch dieses
Paradox fällt der Kammer offensichtlich nur deshalb wieder nicht auf, weil
Vorurteile gegenüber Coronakritikern (unreflektiert) als berechtigt angesehen
werden: Die Sachverständigen können so gut sein, wie sie wollen, als
maßnahmenkritische Wissenschaftler dürfen sie jedenfalls nicht von einem Gericht
beauftragt werden und ein Richter, der das dennoch tut, ist eben befangen.23
f. Zwischenfazit
Man kann den Vorwurf der Befangenheit noch einmal so
zusammenfassen:
Die Kammer wirft dem Angeklagten vor, er habe gezielt das
Verfahren angestrebt und darauf hingearbeitet, obwohl sie weiß, dass
Familienrichter verpflichtet sind, Verfahren nach § 1666 BGB anzustreben und
einzuleiten, wenn sie den Verdacht einer Kindeswohlgefährdung haben. Sie
behauptet, er hätte der Mutter der betroffenen Kinder keine Hilfe bei der
Formulierung der Anregung geben dürfen, obwohl dies rechtlich vollkommen
unproblematisch ist. Sie behauptet, der Angeklagte habe das Verfahren nicht
führen dürfen, weil er sich schon zuvor eine „verfestigte“ Meinung zu den
Coronamaßnahmen gebildet habe, während sie bei einem Richter, der die
Coronamaßnahmen vorbehaltlos befürwortete, niemals auf diesen Gedanken gekommen
wäre. Sie behauptet, der Angeklagte hätte die drei Sachverständigen nicht
beauftragen dürfen, obwohl die Gutachten möglicherweise hervorragend sind. Und
schließlich wirft sie dem Angeklagten vor, er habe seine (angebliche)
Voreingenommenheit verschleiert und während des Verfahrens darauf geachtet, dass
seine vorgefasste Position nicht nach außen erkennbar wird, obwohl – das ist an
dieser Stelle nachzutragen – er nicht nur die Beweisbeschlüsse an alle
Beteiligten übersandt hat, sondern dem Freistaat Thüringen als
Verfahrensbeteiligtem auch einen Katalog mit 18 Fragen übersandt hat,24 aus
denen eine kritische Haltung zu den Coronamaßnahmen bereits deutlich ablesbar
war.
4. „… zugunsten oder zum Nachteil einer Partei“
§ 339 StGB
setzt als tatbestandlichen „Erfolg“ voraus, dass die Rechtsverletzung zu einem
unrechtmäßigen Vorteil oder Nachteil auf Seiten einer Partei führt. Partei ist
in diesem Sinne jeder Beteiligte des Verfahrens, dem ein anderer mit
widerstreitenden rechtlichen Interessen gegenübersteht.25 Bei einer Verletzung
des materiellen Rechts, etwa, wenn eine eindeutige Rechtsnorm des materiellen
Rechts falsch oder nicht angewandt wird, ist dies unproblematisch gegeben: Die
Entscheidung ist im Ergebnis rechtswidrig und da eine Entscheidung immer
mindestens für eine Partei vor- oder nachteilig ist, ist der Vor- oder Nachteil
unrechtmäßig erlangt.
Bei einer Verletzung des Verfahrensrechts ist dies
anders. Diese muss nicht notwendig zu einer falschen Entscheidung führen. Zwar
hat eine Verfahrensrechtsverletzung meist eine zumindest vorübergehende
Verbesserung oder Verschlechterung der prozessualen Position einer Partei zur
Folge, dies lässt aber der Bundesgerichtshof in seiner restriktiven Auslegung
des Tatbestandes nicht als tatbestandlichen Vor- bzw. Nachteil genügen. Die
Verfahrensverletzung muss (zumindest) zu einer konkreten (nicht nur abstrakten)
Gefahr einer falschen Endentscheidung, d. h. einer gegen das materielle Recht
verstoßenden und damit rechtswidrigen Entscheidung geführt haben.
Wann eine konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung gegeben ist, hat der
Bundesgerichtshof vor allem in Fällen entschieden, bei denen die
Verfahrensrechtsverletzung darin bestand, dass ein unzuständiger Richter
entschieden hat (etwa, wenn ein nach dem Bereitschaftsdienstplan nicht
zuständiger Richter in einer Haftsache entscheidet). Eine konkrete Gefahr einer
falschen Entscheidung besteht nach dem BGH in diesen Fällen dann, wenn der
Richter das Verfahren an sich zieht, weil er einer Prozesspartei sachfremd einen
Gefallen tun will oder er sonstige außerhalb des Verfahrens liegende Motive
verfolgt.26 Eine konkrete Gefahr, dass die Entscheidung von sachfremden
Erwägungen beeinflusst wird, soll auch dann gegeben sein, wenn der Richter eine
Zuständigkeit an sich zieht, um einen zur Entscheidung berufenen anderen Richter
auszuschließen, um auf diesem Wege zu einem seinen Intentionen entsprechenden
Ergebnis zu kommen, das bei Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften nicht oder
voraussichtlich nicht zu erreichen gewesen wäre.27
Die Frage, ob in dem
Kinderschutzverfahren eine Partei einen unrechtmäßigen Vor- oder Nachteil
erlangt hat, stellt sich selbstverständlich erst dann, wenn man zuvor – wie die
Kammer – eine elementare Rechtsverletzung bejaht hat. Die Kammer zitiert dazu
auch die soeben referierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, um dann aber
zu schreiben:
„Der Angeklagte hat durch die von ihm von vornherein
geplante und zielgerichtete Entscheidung als voreingenommener Richter einen
elementaren Verfahrensverstoß begangen, der die Unrechtmäßigkeit der getroffenen
Entscheidung zur Folge hat. Die Frage, ob die von dem Angeklagten getroffene
Anordnung unter Berücksichtigung der Ausführungen der eingeholten
Sachverständigengutachten inhaltlich richtig gewesen ist, vermag angesichts der
Schwere des in Rede stehenden Verfahrensverstoßes an der Beurteilung der
Rechtswidrigkeit der Entscheidung nichts zu ändern. Denn die Rechtmäßigkeit
einer gerichtlichen Entscheidung wird auch durch die Einhaltung der
rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätze geprägt.“
Abgesehen davon, dass
der zweite Satz sprachlich (wohl nicht zufällig!) verunglückt ist, zeigt dieser
Absatz, dass die Kammer die Rechtsprechung des BGH nicht verstanden hat und
deshalb auch nicht den Sachverhalt subsumieren kann. Wenn die von dem
Angeklagten getroffene Anordnung inhaltlich richtig gewesen ist, was die Kammer
für möglich hält (!), ist die Entscheidung nicht falsch und dann hat durch sie
auch keine Partei einen unrechtmäßigen Vor- oder Nachteil erlangt. Der
Freispruch für einen Unschuldigen wird nicht deshalb falsch, weil im Prozess
Verfahrensvorschriften verletzt wurden. Genau das ist ja der Ausgangspunkt der
Überlegungen des BGH zur Frage des Vor- bzw. Nachteils bei einem
Verfahrensverstoß!28 Die Kammer hat dagegen das Problem nicht einmal erkannt,
wenn sie schreibt, der (angebliche) Verfahrensverstoß mache die Entscheidung
rechtswidrig. Das ist erschreckend.
5. Rechtsbeugungsvorsatz?
Rechtsbeugung kann nur vorsätzlich begangen werden. Der Vorsatz des Täters muss
sich auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen, also nicht nur auf die
Verletzung einer Rechtsnorm, sondern auch auf die Begünstigung oder
Benachteiligung einer Partei.29 Bedingter Vorsatz ist ausreichend.
Da –
die rechtliche Bewertung des Sachverhalts durch die Kammer im Übrigen
vorausgesetzt – als einzige Tathandlung das Unterlassen der Selbstanzeige in
Betracht kommt, würde (bedingter) Vorsatz hier verlangen, dass dem Angeklagten
bewusst war, dass er möglicherweise verpflichtet sein könnte, eine Selbstanzeige
anzubringen, die Verletzung dieser Pflicht aber billigend in Kauf nahm und dass
er außerdem davon ausging, dass durch das Unterlassen der Selbstanzeige die
konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung geschaffen wurde und auch das
billigend in Kauf nahm.
Da die Kammer, wie oben dargelegt, aber die Befangenheit an sich als
Rechtsbeugungshandlung betrachtet, prüft sie nur, ob der Angeklagte Vorsatz
hinsichtlich seiner (angeblichen) Befangenheit hatte. Dabei meint sie, der
Vorsatz ergebe sich daraus, dass der Angeklagte Anfang März 2021 in einer E-Mail
geschrieben hatte, er wolle sich „kein Befangenheitsproblem einhandeln“, dass er
eine Zeugin, von der er sich eine Anregung für das Verfahren erhoffte, bat, sie
solle eine eventuelle Nachricht nicht an ihn weiterleiten, sondern ihm separat
Bescheid geben, dass er die Sachverständigen von seiner privaten E-Mail-Adresse
angeschrieben habe und dass er nicht mit der verfahrensanregenden Kindesmutter
direkt kommuniziert habe, sondern über einen Zeugen.
Die naheliegende
Interpretation der Äußerung, er wolle sich „kein Befangenheitsproblem
einhandeln“, heißt allerdings nur, dass er keinen Anlass für einen
Befangenheitsantrag geben, also nicht den Anschein von Befangenheit vermitteln
wollte. Dass er sich tatsächlich für befangen gehalten hat, ergibt sich daraus
nicht. Auch die anderen von der Kammer angeführten „Indizien“ lassen nicht den
Schluss zu, dass der Angeklagte der Meinung war, er dürfte das Verfahren wegen
Befangenheit an sich nicht führen und müsste versuchen, sich durch eine
Selbstablehnung selbst „aus dem Rennen zu nehmen“. Das wäre vielleicht auch der
Kammer klargeworden, hätte sie Vorsatz hinsichtlich des Unterlassens der
Selbstanzeige und nicht hinsichtlich Befangenheit geprüft und sich daher die
Frage gestellt, ob sie dem Angeklagten nachweisen kann, dass er den Gedanken
hatte, dass er (möglicherweise) eine Selbstanzeige anbringen müsste. Diesen
Beweis zu führen erscheint nach allem, was die Kammer ermittelt hat, unmöglich.
Nur am Rande sei bemerkt, dass sich die Kammer bei der Vorsatzfrage auch mit
der Einlassung des Angeklagten zur Sache30 hätte auseinandersetzen müssen. Die
Kammer referiert zwar auf fast 10 Seiten (S. 47-56), was der Angeklagten in der
mündlichen Verhandlung gesagt hat, um dann aber nur lapidar zu schreiben, dass
diese Einlassung durch die Beweisaufnahme widerlegt sei. Von einer echten
Auseinandersetzung mit der Einlassung, bei der die Kammer die Darstellung der
Vorgänge durch den Angeklagten hinsichtlich Schlüssigkeit und Plausibilität
genau durchzubuchstabieren gehabt hätte, kann nicht ansatzweise die Rede sein.
Dass sie die Frage des Vorsatzes nicht nur hinsichtlich der mutmaßlichen
Tathandlung, sondern auch hinsichtlich eines unrechtmäßigen Vorteils oder
Nachteils für eine Partei bzw. einer insoweit bestehenden konkreten Gefahr
prüfen müsste, wird von der Kammer gleich ganz übersehen und deshalb nicht
erörtert.
6. Was die Staatsanwaltschaft in dem Verfahren antreibt
Die Staatsanwaltschaft hat in ihrem Plädoyer eine Verurteilung zu einer
Freiheitsstrafe von 3 Jahren beantragt. Auch Richter, die wenig Sympathien für
den Angeklagten und seinen Beschluss vom 08.04.2021 hatten, dürften angesichts
eines solchen Antrages etwas erschrocken sein. Eine Freiheitsstrafe von mehr als
zwei Jahren, die (gem. § 56 Abs. 2 StGB) nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt
werden kann, wegen einer Tat der Rechtsbeugung hat es in Deutschland, soweit aus
den veröffentlichten Entscheidungen ersichtlich, in den letzten 30 Jahren nur
ein einziges Mal gegeben.31 Der Staatsanwaltschaft genügte es nicht, dass
Richter Dettmar bei einer Verurteilung sein Richteramt verlieren würde. Sie
wollte ihn im Gefängnis sehen.
Was die Staatsanwaltschaft zu dieser Unerbittlichkeit antreibt, ist nicht ganz
leicht zu erkennen, weil der Jurist, der im Rechtsstaat der Bundesrepublik
sozialisiert wurde, damit nicht unbedingt rechnet. Dabei muss man die
Staatsanwaltschaft nur bei ihrem Wort nehmen:
In der Anklageschrift
werden ganz zu Beginn die Vorwürfe gegen den Angeklagten so zusammengefasst,
dass es ihm allein aus persönlichen Motiven darauf angekommen sei, im
einstweiligen Anordnungsverfahren eine mit Sachverständigengutachten unterlegte
unanfechtbare Entscheidung mit Breitenwirkung in der Öffentlichkeit zu fällen,
mit der die Unwirksamkeit und die Schädlichkeit von Coronamaßnahmen habe
festgestellt und die zu Grunde liegenden landesrechtlichen Vorschriften für
verfassungswidrig erklärt werden sollen.
Man kann sich an dieser Stelle
wundern, warum die Anklage nicht, wie üblich, mit der Schilderung des
mutmaßlichen tatbestandlichen Verhaltens beginnt, sondern mit der Darlegung von
Motiven und Absichten des Angeklagten. Auch am Ende der Anklage wird erneut
wiederholt, dass es ihm um die Veröffentlichung der Gutachten gegangen sei und
er mit seiner Entscheidung „seinen Beitrag im Kampf gegen die staatlichen
Maßnahmen“ habe leisten wollen.
Auch in ihrem Plädoyer in der Verhandlung
vom 18.08.2023 hat die Vertreterin der Staatsanwaltschaft bereits zu Beginn
zusammenfassend erklärt, der Angeklagte habe unter Ausnutzung seiner Autorität
und Macht als Richter mit seiner Entscheidung und den Gutachten „ein Fanal“
gegen die seinerzeit bestehenden staatlichen Maßnahmen setzen wollen. Der
Vorwurf, ein Fanal setzen zu wollen, wurde von ihr im Plädoyer noch zweimal
wiederholt und gegen Ende erklärte sie, dem Angeklagten sei es nicht um die
Kinder gegangen, sondern um „eine Generalabrechnung mit den staatlichen
Coronamaßnahmen“. Bei der Begründung des Antrages erklärte sie dann, dass es
strafschärfend zu berücksichtigen sei, dass der Angeklagte über Wochen geplant
habe, wie er „seine Position als Familienrichter ausnützen könne, um die
staatlichen Coronamaßnahmen an den Pranger zu stellen.“
Im Artikel zur
Anklage (Abschnitt 4) war diese Hervorhebung der behaupteten Motive und
Absichten des Angeklagten noch so gedeutet worden, dass die einzelnen Vorwürfe
von Rechtsverletzungen in eine „Rahmenerzählung vom Missbrauch des Verfahrens
für andere Zwecke“ eingebettet würden. Diese Deutung bedarf der Korrektur, denn
damit ist die Intention der Staatsanwaltschaft nicht präzise erfasst. Es handelt
sich nicht um eine Rahmenerzählung, sondern um den eigentlichen Vorwurf der
Staatsanwaltschaft: Der Kernvorwurf gegen den Angeklagten lautet nicht, dass er
in dem Verfahren (angeblich) bestimmte prozessuale Normen in schwerwiegender
Weise verletzt hat, sondern dass er als Richter öffentlichkeitswirksam die
staatlichen Coronamaßnahmen kritisiert hat!
Das ist nur deshalb für den
Juristen so schwer zu erkennen – dem juristischen Laien fällt es vielleicht
leichter –, weil dieser Vorwurf überhaupt keinen Straftatbestand erfüllt. Die
Politik der Landesregierung öffentlich zu kritisieren, ist in einer Demokratie
nicht strafbar, auch dann nicht, wenn dies durch einen Richter geschieht.
Die einzelnen Vorwürfe von Rechtsverletzungen sind für die
Staatsanwaltschaft daher nur von Bedeutung, um die Erfüllung des
Rechtsbeugungstatbestandes behaupten zu können. Sie sind gewissermaßen nur
notwendige Bedingung der Strafbarkeit, aber nicht der eigentliche Grund. Damit
erklärt sich auch die Beliebigkeit des bunten Straußes an
Rechtsverletzungsvorwürfen, den die Staatsanwaltschaft in der Anklage
präsentiert hat, bis hin zu dem absurden Vorwurf, der Angeklagte habe sich der
Rechtsbeugung schuldig gemacht, indem er die Eignung des Verfahrensbeistandes
der Kinder nicht ordentlich geprüft habe.
Wenn die Staatsanwaltschaft aber dem Angeklagten im Kern vorwirft, dass er die
Politik der Landesregierung kritisiert hat, was – noch einmal! – nicht strafbar
ist, dann hat sie hier von Anfang an ein Verfahren politischer Justiz betrieben.
Sie verfolgt Richter Dettmar, weil er die Coronapolitik kritisiert hat und
verhehlt dies noch nicht einmal. Wer dachte, politische Strafjustiz32 gibt es
nur in Diktaturen und autoritären Staaten, wird durch die Staatsanwaltschaft
Erfurt eines Besseren belehrt.
Sieht man das klar, überrascht auch der
Antrag von 3 Jahren Freiheitsstrafe nicht mehr und auch nicht, dass die
Staatsanwaltschaft Revision mit der Begründung eingelegt hat, 2 Jahre seien
nicht schuldangemessen. Für die Staatsanwaltschaft ist das Handeln von Richter
Dettmar eine Art Staatsverbrechen und das muss dann auch hart geahndet werden.
7. Zusammenfassung
Die Kammer sagt: Mit dem, was in den drei
Gutachten steht, müssen wir uns nicht beschäftigen, weil es für die Entscheidung
irrelevant ist. Sie verkennt damit, dass die Frage, ob ein elementarer
Rechtsverstoß vorliegt, immer auf der Grundlage einer wertenden
Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist.33 Die Kammer sagt damit – und nichts daran
ist überspitzt, alles logische Konsequenz ihrer Argumentation: „Selbst wenn
durch den Beschluss des Angeklagten – wenn er Bestand gehabt hätte – viele
Kinder vor erheblichen physischen und/oder psychischen Schäden bewahrt worden
wären und die Aufhebung des Beschlusses durch das Oberlandesgericht genau zu
diesen Schäden geführt hat, wäre der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von 2
Jahren zu verurteilen. Richter, die zwar Kindern helfen, dabei aber Rechtsregeln
verletzen, sind hart zu bestrafen.“
Das ist unmenschliches Strafrecht.
Es lohnt sich, den Fall noch einmal als Narration wiederzugeben, in der auch
der Anlass und gesellschaftliche Hintergrund des von dem Angeklagten geführten
Verfahrens sowie die in ihm aufgeworfenen tatsächlichen Fragen vorkommen. Dies
erscheint auch wichtig, um den Kontrast zu dem von der Staatsanwaltschaft
eingeführten und von der Kammer zumindest teilweise übernommenen Narrativ von
dem unerhörten und verwerflichen Anschlag eines Richters auf die Politik der
Landesregierung deutlich zu machen.
Bei allen Fragen, die die Kammer
offen gelassen hat, ist dabei nach dem Grundsatz in dubio pro reo („im Zweifel
für den Angeklagten“) die für den Angeklagten günstigste Möglichkeit
zugrundezulegen. Die Geschichte, die in Anspruch nimmt, im Einklang mit den
Feststellungen des Urteils zu stehen und nichts Wesentliches wegzulassen, lautet
so:
Zugunsten des Angeklagten ist davon auszugehen, dass die Thüringische
Landesregierung die mit dem SARS-CoV-2-Virus verbundenen Gefahren für die
Bevölkerung weit überschätzt hat. Es ist auch davon auszugehen, dass die
Maskenpflicht in der Schule keinen relevanten positiven Einfluss auf das
Infektionsgeschehen hatte.34 Weiter ist davon auszugehen, dass durch die
Maskenpflicht (und weitere Maßnahmen wie Abstandsgebot und Testpflicht) in der
Schule das Wohl der betroffenen Kinder in physischer und/oder psychischer
und/oder psychosozialer Hinsicht gefährdet wurde. Schließlich ist davon
auszugehen, dass die Coronamaßnahmen in der Schule bei einer relevanten Anzahl
von Schülern zumindest mitverantwortlich sind für Schäden wie Angsterkrankungen,
Depressionen, Essstörungen, selbstverletzendes Verhalten und Schulversagen. Da
der Angeklagte sich schon frühzeitig intensiv mit den Coronamaßnahmen
beschäftigt hatte und sich bereits eine – möglicherweise auch verfestigte –
Meinung zu ihnen gebildet hatte, hatte er den Verdacht einer
Kindeswohlgefährdung durch die Maßnahmen. Als Familienrichter, der bei einem
Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung ein Verfahren gem. § 1666 BGB einzuleiten
hat, hat er auf ein solches Verfahren aktiv hingearbeitet. Davon, dass ihm als
Familienrichter das Recht die entsprechenden Kompetenzen verliehen hätte, ging
er aus. Da er negative Konsequenzen eines Verfahrens zur Kindeswohlgefährdung
durch Coronamaßnahmen in der Schule für die betroffenen Kinder bzw. ihre Familie
nicht ausschließen konnte, wollte er ein solches Verfahren nur aufgrund der
Anregung von Eltern, die die damit verbundenen Risiken bewusst einzugehen bereit
waren, beginnen. Um einen etwaigen Beschluss auf eine solide fachliche Grundlage
zu stellen und ihm mehr Überzeugungskraft zu verschaffen, holte er drei
Gutachten von qualifizierten Wissenschaftlern ein. Zu seinen Gunsten ist davon
auszugehen, dass die in den Gutachten getroffenen wissenschaftlichen
Feststellungen vollumfänglich zutreffend sind. Mit seiner Entscheidung wollte
der Angeklagte die von ihm durch die Gutachten als hinreichend bewiesen
erachteten Kindeswohlgefährdung(en) für die betroffenen Schüler abwenden.35
Darüber hinaus war ihm auch an Öffentlichkeitswirksamkeit für seinen Beschluss
gelegen, da nicht nur an den beiden Schulen, auf die sich seine Entscheidung
bezog, sondern deutschlandweit Kinder von der Maskenpflicht in der Schule
betroffen waren und er hoffte, dass andere Gerichte sich seiner Rechtsauffassung
anschließen und zugunsten von Kindern entscheiden könnten. So kam es zu dem
Beschluss vom 08.04.2021 und zu dem, was dann folgte.
8. Die Frage nach den Ursachen
Wie ist eine solche Entscheidung möglich?
Unter 3. c. und e. ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die Kammer in
ihrem Denken ganz offensichtlich nicht unbeeinflusst ist von der Abwertung und
Ausgrenzung grundsätzlicher Kritik an der Coronapolitik im öffentlichen Diskurs
als vernunftwidrig und illegitim.
Hinzu kommt ein weiteres. Die Kammer
sah sich auch hinsichtlich des konkreten Verfahrens einem massiven Einfluss
durch die öffentliche bzw. veröffentlichte Meinung ausgesetzt: Von Beginn an
wurde der Beschluss vom 08.04.2021 zu einem Skandal und Richter Dettmar quasi
zur Unperson erklärt. Beteiligt daran waren die regionale und die überregionale
Presse, das Thüringer Bildungsministerium, Anzeigeerstatter wie die
Vizepräsidentin des Thüringer Landtags und nicht zuletzt die Staatsanwaltschaft
Erfurt, die nicht nur gegenüber der Presse, sondern auch mit den Durchsuchungen
bei dem Beschuldigten, bei Sachverständigen und Zeugen die Botschaft
vermittelte, dass es sich hier um einen geradezu beispiellosen Fall von
Kriminalität eines Richters handele. Dieser Vorverurteilung in der
veröffentlichten Meinung folgte eine Anklageschrift, in der die
Staatsanwaltschaft sich alle Mühe gab, das Verhalten von Richter Dettmar als
geradezu infamen Skandal darzustellen und ein möglichst negatives Bild von der
Person des Angeklagten zu zeichnen.
Diesem massiven Druck hätte sich die
Kammer erst einmal entziehen müssen, um ruhig und sachlich die Argumente von
Staatsanwaltschaft und Verteidigung zu prüfen. Das war ihr offensichtlich nicht
möglich. Wie bereits bemerkt: Die vielen logischen Brüche in der Argumentation
sind nicht einfach durch Unvermögen zu erklären (obwohl das
juristisch-argumentative Niveau tatsächlich erschreckend ist!). Sie weisen
darauf hin, dass auf Seiten der Kammer vor aller sachlichen Beschäftigung ein
Vorurteil bestand, das dem der veröffentlichten Meinung entsprach: Was Richter
Dettmar getan hatte, war „etwas ganz Schlimmes“, etwas Unverzeihliches. Musste
es dann nicht Rechtsbeugung sein?
Es sind auch nicht nur die Widersprüche
in der Argumentation, die darauf hindeuten, dass das Urteil nicht (allein) auf
der argumentativen Prüfung des Sachverhalts, sondern (auch) auf den bestehenden
Vorurteilen beruht. Auch dass eine wirkliche Auseinandersetzung mit der
Einlassung des Angeklagten und dem Vorbringen der Verteidigung im Urteil
überhaupt nicht stattfindet, kann nur so erklärt werden, dass die Kammer nicht
bereit war, sich auf Gegenargumente ernsthaft einzulassen. Und es sind auch
nicht nur die Argumente des Angeklagten und der Verteidigung, die im Urteil
„herumstehen“, als wären sie Teil einer fremden Realität, mit der die Kammer
nichts zu tun haben will. Es ist auch die Sache selbst, auf die sich die Kammer
am Ende nicht einlassen will. Die Weigerung, die Besonderheiten eines
amtswegigen Verfahrens zur Kenntnis zu nehmen, ist vielleicht das krasseste
Beispiel dafür. Am Ende drängt sich der Eindruck auf, dass die Kammer sich von
einem von Anfang an eingeschlagenen Weg nicht abbringen lassen wollte.
Das alles kann man Befangenheit nennen und es ist eine bittere Ironie des
Verfahrens, dass hier Richter, denen es selbst an der notwendigen Objektivität,
inneren Unabhängigkeit und Souveränität für ein hochpolitisiertes Strafverfahren
fehlte – wobei sie sich insofern aber sicher keine Sekunde lang im Verdacht
hatten –, über einen Kollegen zu Gericht saßen und ihn wegen (angeblicher)
Befangenheit zu einer Strafe verurteilten, die bei Rechtskraft den Verlust
seiner beruflichen Existenz bedeuten würde.
Endnoten
1
Das schriftliche Urteil wurde (bisher) nicht
veröffentlicht, liegt KRiStA aber vor. Allgemein zugänglich ist auf der Webseite
eines der Verteidiger des Angeklagten eine professionelle stenografische
Mitschrift der mündlichen Urteilsbegründung.
2
Die subjektive Seite
(Vorsatz) wird von der Kammer im Sachverhalt (entgegen den Üblichkeiten) nicht
dargestellt, sondern erst in der rechtlichen Würdigung erörtert.
3
Abschnitte 3 bis 7.
4
Angesichts dessen wird deutlich, dass es der
Staatsanwaltschaft in dem Verfahren keineswegs allein um die Wahrheit, sondern
offenbar (auch) um andere Dinge ging. Denn dieser Vorwurf war schon durch die
Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das OLG Jena in dem Beschluss vom
14.05.2021 vom Tisch, weil das OLG damit erklärte, dass die Frage auch aus
seiner Sicht keineswegs abschließend geklärt sei (vgl. Artikel zur Anklage,
Abschnitt 3).
5
Die Kammer übernimmt für das Urteil häufig Sätze und
Formulierungen aus der Anklageschrift, die sie teilweise umformuliert. Das
gelingt nicht immer. Die Vorlage (S. 4 der Anklage) lautete hier: „… führte der
Angeschuldigte unter Missachtung der verfassungsrechtlich gebotenen
richterlichen Unabhängigkeit allein aus persönlichen sachfremden Motiven heraus,
…“
6
Im Zivilrecht (§ 48 ZPO) ist von Selbstablehnung die Rede, im
Strafrecht (§ 30 StPO) von Selbstanzeige. Dies ist nur ein begrifflicher, kein
sachlicher Unterschied.
7
Dies dürfte von dem Urteil des LG Freiburg,
03.03.2009, 2 KLs 210 Js 4263/08, BeckRS 2009, 29798, Rn. 19, übernommen worden
sein.
8
Ein Beispiel für eine Verurteilung wegen Rechtsbeugung durch
Unterlassen und zu einer Geldstrafe ist der Fall des Hamburger Richters Schill.
Schill, dem vorgeworfen wurde, er habe die Bearbeitung einer Beschwerde gegen
einen Ordnungshaftbeschluss absichtlich verzögert, um eine frühere Entlassung
der Inhaftierten durch das Beschwerdegericht zu verhindern, wurde in erster
Instanz vom Landgericht Hamburg zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen
verurteilt. In der Revision wurde das Urteil vom BGH (04.09.2001, 5 StR 92/01,
juris) aufgehoben.
9
BeckOK ZPO/Vossler ZPO § 48 Rn. 7; Zöller/Vollkommer
ZPO § 48 Rn. 11; KK-StPO/Heil StPO § 30 Rn. 6; BeckOK StPO/Cirener StPO § 30 Rn.
6.
10
LG Freiburg, 03.03.2009, 2 KLs 210 Js 4263/08, BeckRS 2009, 22988.
11
Der Angeklagte hat in dem Verfahren laut Urteilsfeststellungen auch
eingeräumt, dass ihm klar war, dass er eine Selbstanzeige hätte machen müssen
(a. a. O. Rn. 10).
12
BGH, Beschluss vom 05.08.2009, 1 StR 366/09. – Die
Kammer führt den Fall auch an und meint tatsächlich, dass der Unrechtsgehalt der
Handlungen des Angeklagten Dettmar deutlich höher zu bewerten sei als im
Freiburger Fall, weil er nicht nur über eine von ihm mitbearbeitete Anregung
entschieden habe, sondern zielgerichtet darauf hingewirkt habe, dass er ein
Verfahren in seiner Zuständigkeit zur Entscheidung bekommt und deren Ergebnis
von vornherein vorgefasst war (S. 134). Dass dies eine geradezu phänomenale
rechtliche Fehlbewertung ist, wird im Folgenden noch im Detail aufgezeigt.
13
Dazu sogleich näher unter c. und d.
14
S. dazu bereits Artikel zur
Urteilsverkündung.
15
Abschnitt 5.
16
Das ausschließliche Zitieren
des Grundgesetzes und von Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an dieser
Stelle, anstatt sich mit der umfangreichen Rechtsprechung zur Befangenheit
auseinanderzusetzen, dient erkennbar dazu, die Vorwürfe möglichst „hoch
anzuhängen“.
17
Dass der Richter am Ende dann auch noch selbst über die
Sache abschließend entscheiden muss, während der Staatsanwalt „nur“ Anklage
erheben kann, ist für den Vergleich ohne Belang.
18
Ein Einwand kann
selbstverständlich nur ein Argument entkräften, nicht einen verwirklichten
Straftatbestand. Solche sprachlichen Schwächen, die nicht für scharfes Denken
sprechen, sind keine Seltenheit in dem Urteil.
19
Der Angeklagte hat in
seiner Einlassung dazu erklärt, dass er das Verfahren wegen von vornherein für
möglich gehaltener negativer Konsequenzen keiner Familie zumuten wollte, die das
Verfahren nicht selbst gewollt habe.
20
Stenografisches Protokoll der
Hauptverhandlung am Landgericht Erfurt am 23.08.2023 S. 13.
21
Sternal/Sternal FamFG § 25 Rn. 26; BeckOK FamFG/Burschel/Perleberg-Kölbel FamFG
§ 25 Rn. 6.
22
Sternal/Sternal a. a. O, Rn. 24.
23
Die
Staatsanwaltschaft hatte in der Anklage noch ganz offen die Auffassung
vertreten, dass die Gutachter schon deshalb nicht hätten beauftragt werden
dürfen, weil sie Mitglieder in dem Verein Mediziner und Wissenschaftler für
Gesundheit, Freiheit und Demokratie (MWGFD) e. V. waren.
24
Im Urteil
wörtlich wiedergegeben auf den Seiten 22-24.
25
LK-StGB/Hilgendorf, § 339,
Rn. 81; MüKoStGB/Uebele StGB § 339 Rn. 58.
26
BGHSt 42, 343, juris Rn. 24.
27
BGHSt 42, 343, juris Rn. 26.
28
Wörtlich z. B. BGH, 20.09.2000, 2
StR 276/00: “Allerdings liegt es bei Verfahrensverstößen nicht ohne weiteres auf
der Hand, dass durch die Rechtsverletzung eine Besserstellung oder
Benachteiligung einer Partei bewirkt wird. Die Nichtbeachtung von
Zuständigkeitsnormen kann für sich genommen für das Ergebnis indifferent sein,
da der Richter bei der Sachentscheidung an die gleichen rechtlichen Bestimmungen
gebunden ist, wie der an sich zuständige Richter.“
29
MüKoStGB/Uebele StGB
§ 339 Rn. 61, Schönke/Schröder/Heine/Hecker StGB § 339 Rn. 13 m. w. N.
30
Erwiderung des Angeklagten auf die Verlesung der Anklageschrift.
31
LG
Hagen, 18.11.2021, 46 KLs 8/21, juris. Das Landgericht Hagen verurteilte mit
dieser Entscheidung eine Richterin wegen Rechtsbeugung in 10 Fällen, davon in
einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung und in 6 Fällen in Tateinheit mit
Verwahrungsbruch und Urkundenunterdrückung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3
Jahren und 6 Monaten. In die Gesamtstrafe gingen zwei Einzelstrafen von 2 Jahren
und 6 Monaten (Einsatzstrafe) bzw. 2 Jahre und 2 Monate Freiheitsstrafe ein, die
übrigen Einzelstrafen lagen unter 2 Jahren. Das Urteil wurde vom BGH
(29.11.2022, 4 StR 149/22, juris) im gesamten Strafausspruch aufgehoben und im
Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass die tateinheitliche
Urkundenunterdrückung in allen 6 Fällen entfiel.
32
Vgl. dazu Ostendorf,
Politische Strafjustiz in Deutschland.
33
Vgl. dazu schon Artikel zur
Anklage, Abschnitte 1 und 8 und Artikel zur Urteilsverkündung.
34
Aktuell
dazu Welt 08.12.2023: Forscher finden keinen Beweis für Wirksamkeit der
Corona-Maskenpflicht für Kinder.
35
Das hält die Kammer nicht nur für
möglich, sondern davon geht sie positiv aus (S. 136).
Schock-Urteil: Mutiger Maskenrichter von Weimar zu zwei Jahren Haft
verurteilt Gericht setzt die Strafe zur Bewährung aus
VERÖFFENTLICHT AM 23. Aug 2023
Das Landgericht Erfurt hat den Weimarer
Familienrichter Christian Dettmar zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt
wegen Rechtsbeugung. Das Gericht setzte die Strafe zur Bewährung aus, so dass
ihm zumindest der Gang ins Gefängnis erspart bleibt; seine berufliche Existenz
wäre aber vernichtet, wenn das Urteil rechtskräftig wird. Dies könnte auch das
Ziel des ganzen Verfahrens gewesen sein – ein klares Zeichen zu setzen dafür,
dass Widerstand gegen absurde staatliche Zwangsmaßnahmen existenzvernichtend
sein kann. Zum Vergleich: In Augsburg wurde 2021 ein Richter lediglich zu einer
Geldstrafe von 1.800 Euro verurteilt, nachdem er Tausende Kinderporno-Bilder in
seinen Besitz gebracht hatte – unter anderem aus Strafakten, für die er
zuständig war (dazu unten mehr).
Die Staatsanwältin, die der
rot-rot-grünen Landesregierung gegenüber weisungsgebunden ist, wollte Dettmar
sogar ins Gefängnis schicken und hatte drei Jahre Haft ohne Bewährung gefordert.
Der Verteidiger des bereits suspendierten Richters hatte auf Freispruch
plädiert..
Der Staatsanwältin ist das Urteil offenbar nicht hart genug,
sie kündigte sofort an, dass sie eine Revision beim Bundesgerichtshof prüfen
werde – offenbar mit dem Ziel, Dettmar doch noch ins Gefängnis zu bringen. Auch
die Verteidiger des Richters sagten laut MRD, sie würden Rechtsmittel prüfen.
Sollte das Urteil Bestand haben, würde Dettmar nicht nur sein Richteramt,
sondern auch seine Pension verlieren.
Der Vorsitzende Richter sagte laut
MDR in der Begründung für die Entscheidung, der Angeklagte habe ein Urteil
gefällt, „das er von vornherein so beabsichtigt hatte“. Das Verfahren am
Amtsgericht Weimar, in dem er seine Entscheidung fällte, habe er aktiv
generiert.
Der Familienrichter habe dazu den Verein „Kritische Richter
und Staatsanwälte“ mitgegründet, so das Gericht. Der damals am Amtsgericht
Weimar tätige Jurist ordnete im April 2021 an, dass die Kinder an zwei Weimarer
Schulen keine Masken mehr tragen müssten. Er begründete seine einstweilige
Anordnung mit dem Kindeswohl.
Interessant ist, wie der MDR in seinem
Bericht manipuliert. Darin heißt es etwa: „Der Jurist habe gar keine
Zuständigkeit für die ihm vorgelegte Frage gehabt, entschied zum Beispiel das
Thüringer Oberlandesgericht. Der Bundesgerichtshof hat diese Auffassung
inzwischen bestätigt.“ Dass zwischenzeitlich aber das Karlsruher
Oberlandesgericht genau umgekehrt entschieden hat, enthält der MDR seinen
Zuhörern vor. Dabei ist dies entscheidend: Es belegt, dass Dettmar damit vor der
Entscheidung des Bundesgerichtshofs durchaus gute Gründe gehabt haben konnte,
eine andere Meinung zu haben als später die obersten Richter.
Mutiger
Widerstand
Der Weimarer Familienrichter Christian Dettmar hatte Anfang
April 2021 bundesweit für Schlagzeilen gesorgt: In einem Gerichtsentscheid
verbot er die Masken-, Abstands- und Testpflicht an zwei Weimarer Schulen. In
seinen Augen war sie Kindeswohlgefährdung. Damals galt eine solche Ansicht noch
als Ketzerei. Heute setzt sie sich immer mehr durch. Doch Dettmar hatte es
gewagt, sich gegen die staatlichen Maßnahmen zu stellen. Und so schlug die
Justiz mit voller Härte gegen ihn zu. Und auch gegen andere Beteiligte. Es gab
Durchsuchungen von Wohnungen und Büroräumen von Richter Dettmar, dem
Verfahrensbeistand der Kinder, einer Mutter sowie von den Gutachtern Prof.
Ulrike Kämmerer, Prof. Dr. Christian Kuhbandner, Prof. Dr. Ines Kappstein und
Uli Masuth, und einem Kandidaten der Partei „dieBasis“. Handys, Computer und
Unterlagen wurden dabei von der Polizei beschlagnahmt. Zustände, wie man sie
sonst aus autoritären Staaten gewohnt ist. Fast erübrigt es sich zu erwähnen,
dass die Entscheidung des Richters aufgehoben wurde.
In dem Verfahren
hatte die Staatsanwältin den Sachverhalt im voll besetzten Saal des Erfurter
Landgerichts umgedreht in einer Art und Weise, die an Romane von Kafka und
Orwell erinnerte: Der Angeklagte habe sein Amt mit Füßen getreten und dem
Rechtsstaat geschadet. Sie warf Dettmar also genau das vor, was Kritiker ihr und
ihrer ganzen Behörde vorwerfen. Die Staatsanwältin ist gebunden an Weisungen der
rot-rot-grünen Landesregierung bzw. der grünen Justizministerin Doreen Denstädt,
einer ehemaligen Sachbearbeiterin bei der Polizei, die durch die Quote ins Amt
gerutscht ist.
Besonders pikant: Zu Beginn der Ermittlungen war der
damalige Justizminister noch Dirk Adams von den Grünen. Der hat sich seine
politischen Sporen als Mitarbeiter im Wahlkreisbüro der Abgeordneten Katrin
Göring-Eckardt verdient und sich für Schnellverfahren nach Corona-Protesten
ausgesprochen – also für genau das, womit sich die Grünen bei Kriminellen oft
sehr schwertun.
Gerechte Justiz?
Der Prozess ist auch deshalb brisant, weil die
Justiz bisher fast ausschließlich gegen Kritiker der Corona-Maßnahmen vorgeht,
sowie Ärzte und Richter, die sich diesen widersetzten. Die Verantwortlichen für
diese Maßnahmen schont die Justiz ebenso wie die Hetzer, die massive Vorbehalte
und Hass gegen Ungeimpfte schürten.
Statt einer kritischen Aufarbeitung
der Corona-Zeit erleben wir aktuell das Gegenteil – eine Jagd der Justiz auf
diejenigen, die für eine Aufarbeitung stehen.
Zum Schluss hier noch der
oben bereits erwähnte Vergleich. Dettmar wurde zu zwei Jahren verurteilt, weil
er eine, wie wir heute wissen, absurde Regelung außer Kraft setzte. In Augsburg
wurde 2021 ein Richter wegen Besitzes von Kinderpornografie zu einer Geldstrafe
von 1.800 Euro verurteilt. Der Mann war dafür bekannt, besonders harte Urteile
zu fällen. 2018 brummte er einem Bäckerei-Verkäufer 1800 Euro Strafe auf
(genauso viel wie er später selbst bekam)– weil der Schnitzel und Wurst für
19,87 Euro geklaut hatte! Der Richter hatte sich Tausende
Kindesmissbrauchsdarstellungen besorgt – unter anderem aus Strafakten, die er
als Richter hatte. Er wurde, anders als der Maskenrichter, nur zu einer
Geldstrafe verurteilt. Vorausgegangen war ein „Deal“ – dafür, dass der
Kinderporno-Konsument sein Richteramt niederlegte, bekam der eine derart milde
Strafe. Ein Augsburger Jurist erzählte mir kürzlich, dieser Fall habe ihm den
Glauben an die Justiz genommen.
https://reitschuster.de/post/schock-urteil-mutiger-maskenrichter-von-weimar-zu-zwei-jahren-haft-verurteilt/
Familienrichter kippte Maskenpflicht an Schulen: Staatsanwaltschaft fordert Haft
Von Heike Pührer
22. August 2023
Eine Prozessbeobachterin berichtete unserer Redaktion im Verfahren gegen den
Weimarer Familienrichter Christian Dettmar vom letzten Verhandlungstag in Erfurt
(18. August 2023) – vor der Urteilsverkündung. Der Richter ist wegen
Rechtsbeugung im Amt angeklagt.
Mitte Juni begann am Erfurter Landgericht die Verhandlung gegen den Weimarer
Familienrichter Christian Dettmar (60) wegen mutmaßlicher Rechtsbeugung im Amt.
Er hob die Corona-Maßnahmen an zwei Weimarer Schulen im April 2021 auf, weil er
die Gefahr einer Kindeswohlgefährdung sah.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft habe Dettmar allein aus persönlichen
„sachfremden“ Motiven mit Gutachten eine „unanfechtbare Entscheidung“
herbeigeführt, so der Vorwurf. Um das Wohl der Kinder soll es ihm dabei nicht
gegangen sein, wirft man dem dreifachen Vater vor.
Nun also stand der letzte Verhandlungstag vor der Urteilsverkündung an. An ihm
nahm Heike Pührer teil. Sie ist Mitgründerin der „Bewegung Zwickau“, einer
Bürgerbewegung, die als Montagsdemo gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen
entstand und sich nach eigenen Angaben für „Demokratie, in der die Macht vom
Volke ausgeht“, einsetzt. Seitdem trifft man sich regelmäßig zu öffentlichen
Demonstrationen mit dem Hauptmotto: „Wir müssen reden!“ Hier ihr Bericht aus dem
Gerichtssaal:
Für den heutigen Tag waren die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der
Verteidigung sowie das letzte Wort von Familienrichter Christian Dettmar
angekündigt. Nach doppelter Überprüfung der Kleidung und der Person durch
Justizbeamte erreichte man den gut gefüllten Gerichtssaal (circa 30
Interessierte inklusive Presse). Gewünscht hatte ich mir einen überfüllten Saal
oder eine große Menschenmenge vor dem Gericht.
...
Vor den Plädoyers der Staatsanwältin und der Rechtsanwälte ging es bis 13:45 Uhr in die Mittagspause. Wie vorher schon angekündigt, hielt die Staatsanwältin ein zweistündiges zähes Plädoyer mittels chronologischer Auflistung von E-Mails, Chatverläufen von WhatsApp und Telegram. Sie bezogen sich auf die Mitarbeit des Familienrichters im sich neu gegründeten Verein KriStA – Netzwerk kritischer Richter und Staatsanwälte (www.netzwerkkrista.de).
...
Die vielen Wiederholungen dienten wohl dazu, die Mutmaßungen der
Staatsanwaltschaft als einzige Wahrhaftigkeit in die Köpfe der Richter und
Schöffen zu meißeln. Zum Schluss wurde von der Staatsanwaltschaft eine Strafe
für den Familienrichter von drei Jahren Haft gefordert.
Kurzes Plädoyer von Verteidiger Strate
Nach einer kurzen Pause begann der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. h.c. Gerhard
Strate aus Hamburg mit seinem sehr kurzen Plädoyer. Die von der
Staatsanwaltschaft in diesem langen Vortrag gemutmaßten Ziele des Richters
Dettmar dementierte er. Auch dass ein Familienrichter sich im Vorfeld Fachwissen
über eventuell zu verhandelnde Fälle aneignet und eine gewisse Vorarbeit leiste,
sei durchaus in Ordnung. „Die Kindeswohlgefährdung stand aufgrund des staatlich
angeordneten Maskenzwangs und den ständigen Tests, bei denen schon damals die
Korrektheit der Ergebnisse widerlegt waren, sehr wohl im Vordergrund“, so
Strate.
Den zweiten Teil begann Rechtsanwalt Peter Tuppat, der zweite Verteidiger des
Familienrichters, damit, dass ein Freispruch zwingend erforderlich sei. Die
Vehemenz der Staatsanwaltschaft, den Richter zu verfolgen, ohne die inhaltlich
richtige Einschätzung des Richters einzubeziehen, sei erschütternd. Schließlich
ginge es Herrn Dettmar um die Gesundheit und das Wohl unserer Kinder. Die hier
vorgetragene Geschichte mit „hätte“, „könnte“ und so weiter hielte dabei nicht
stand und seien nur Mutmaßungen.
...
Staatsanwaltschaft will Weimarer Maskenrichter in Knast bringen Drei
Jahre Gefängnis gefordert, weil er Kinder von Masken befreite
VERÖFFENTLICHT AM 20. Aug 2023
174 Kommentare
Der Weimarer
Familienrichter Christian Dettmar hatte Anfang April 2021 bundesweit für
Schlagzeilen gesorgt: In einem Gerichtsentscheid verbot er die Masken-,
Abstands- und Testpflicht an zwei Weimarer Schulen. In seinen Augen war sie
Kindeswohlgefährdung. Damals galt eine solche Ansicht noch als Ketzerei. Heute
setzt sie sich immer mehr durch. Doch Dettmar hatte es gewagt, sich gegen die
staatlichen Maßnahmen zu stellen. Und so schlug die Justiz mit voller Härte
gegen ihn zu. Und auch gegen andere Beteiligte. Es gab Durchsuchungen von
Wohnungen und Büroräumen von Richter Dettmar, dem Verfahrensbeistand der Kinder,
einer Mutter sowie von den Gutachtern Prof. Ulrike Kämmerer, Prof. Dr. Christian
Kuhbandner, Prof. Dr. Ines Kappstein und Uli Masuth, und einem Kandidaten der
Partei „dieBasis“. Handys, Computer und Unterlagen wurden dabei von der Polizei
beschlagnahmt. Zustände, wie man sie sonst aus autoritären Staaten gewohnt ist.
Fast erübrigt es sich zu erwähnen, dass die Entscheidung des Richters aufgehoben
wurde.
Doch damit endete der Rachefeldzug nicht. Richter Dettmar, einer
der wenigen, der für das Grundgesetz und gegen dessen Verletzung entschied,
steht nun seinerseits in Erfurt vor Gericht. Ihm, der sich der damals weit
verbreiteten Rechtsbeugung widersetzte, wird nun ausgerechnet Rechtsbeugung
vorgeworfen. Das wirkt wie aus einem absurden Theater-Stück. Doch es geht noch
weiter: Im Prozess gegen den suspendierten Familienrichter hat die
Staatsanwaltschaft am Freitag drei Jahre Haft gefordert, wie der „MDR“ mitteilt.
Der Vorwurf der Staatsanwältin: Der 60-Jährige habe die Maskenpflicht an
zwei Weimarer Schulen aufgehoben, obwohl er dafür nicht zuständig gewesen sei.
Dabei gibt es viele gute Gründe, die für eine Zuständigkeit sprachen (siehe
hier). Der MDR ignoriert das und gibt die Meinung der Staatsanwaltschaft als
seine eigene aus: „Der Richter war gar nicht zuständig.“
Die
Staatsanwältin verdrehte den Sachverhalt im voll besetzten Saal im Erfurter
Landgericht in einer Art und Weise, die an Romane von Kafka und Orwell
erinnerten: „Der Angeklagte habe sein Amt mit Füßen getreten und dem Rechtsstaat
geschadet.“
Sie wirft Dettmar also genau das vor, was Kritiker ihr und
ihrer ganzen Behörde vorwerfen. Die Staatsanwältin ist gebunden an Weisungen der
rot-rot-grünen Landesregierung bzw. der grünen Justizministerin Doreen Denstädt,
einer ehemaligen Sachbearbeiterin bei der Polizei, die durch die Quote ins Amt
gerutscht ist.
Besonders pikant: Zu Beginn der Ermittlungen war der
damalige Justizminister noch Dirk Adams von den Grünen. Der hat sich seine
politischen Sporen als Mitarbeiter im Wahlkreisbüro der Abgeordneten Katrin
Göring-Eckardt verdient und sich für Schnellverfahren nach Corona-Protesten
ausgesprochen – also für genau das, womit sich die Grünen bei Kriminellen oft
sehr schwertun.
Vor Gericht zitierte die Staatsanwältin „aus Mails und
Chats, die nach ihrer Überzeugung belegen, dass der Angeklagte gezielt nach
Kindern suchte und suchen ließ, für deren Namen er zuständig war“, wie der MDR
berichtet.
Laut Staatsanwaltschaft soll Dettmar elementare
Verfahrensvorschriften missachtet und materielles Recht verletzt haben. „Sein
Beschluss gegenüber Leitungen und Lehrenden zweier Schulen sowie den
Vorgesetzten der Schulleitungen sei ‚willkürlich'“, so die Staatsanwältin laut
„MDR“: „Dabei habe er schließlich zwei Kinder gefunden, deren Eltern ihm die
Einleitung eines Kinderschutzverfahrens ermöglichten. Diese seien für ihn aber
nur Mittel zum Zweck gewesen, um gegen Corona-Schutzmaßnahmen vorzugehen“.
Die Verteidiger plädierten auf Freispruch, so der „MDR“. Sie machten
geltend, Richter Dettmar habe nur das Wohl der Kinder im Auge gehabt. Auch der
angeklagte Richter Dettmar selbst beteuerte, er habe bei seiner Entscheidung nur
an die Kinder gedacht und würde sie jederzeit wieder so treffen. Das Urteil wird
in der nächsten Woche erwartet.
Der Prozess ist auch deshalb brisant,
weil die Justiz bisher fast ausschließlich gegen Kritiker der Corona-Maßnahmen
vorgeht, sowie Ärzte und Richter, die sich diesen widersetzten. Die
Verantwortlichen für diese Maßnahmen schont die Justiz ebenso wie die Hetzer,
die massive Vorbehalte und Hass gegen Ungeimpfte schürten.
https://reitschuster.de/post/staatsanwaltschaft-will-weimarer-maskenrichter-in-knast-bringen/
Dieses Strafverfahren ist ein politisches Verfahren“ Prozess gegen Sensationsrichter Dettmar vertagt
20.04.2023
Am Dienstag hätte vor dem Landgericht Erfurt der von vielen Beobachtern mit Spannung erwartete Prozess gegen den Sensationsrichter Christian Dettmar beginnen sollen. Bis Anfang Juli waren insgesamt zehn Verhandlungstage angesetzt. Eigentlich. Doch wenige Tage vor dem Auftakt verkündete das Gericht am vergangenen Freitag die Vertagung auf den 15. Juni 2023. Als Grund wurde die Bestellung eines weiteren Verteidigers zur Verfahrensabsicherung genannt. Dettmar wird bereits durch den Wahlverteidiger Gerhard Strate vertreten. Da dieser aber aus Hamburg kommt, bestellte das Gericht als Pflichtverteidiger zudem Peter Tuppat, einen Rechtsanwalt aus dem nähergelegenen Jena. Darüber hinaus sehen Juristen die Vertagung des Prozesses gegen Dettmar auch aus verfahrenstechnischen Gründen als sinnvoll an. Aktuell ist vor dem Oberlandesgericht Jena noch ein Beschwerdeverfahren in dieser Sache anhängig, dessen Ausgang eine durchaus relevante Bedeutung für das Verfahren in der Hauptsache beigemessen wird. ...
Zwischen den Zeilen der Erklärung der kritischen Richter und Staatsanwälte wird immer wieder deutlich: Die Staatsanwaltschaft Erfurt kann sich eine Niederlage vor Gericht kaum erlauben, sie braucht einen Schuldspruch gegen Richter Christian Dettmar. ...
https://reitschuster.de/post/dieses-strafverfahren-ist-ein-politisches-verfahren/
Drei Teilnehmer einer Corona-Demo aus dem März 2022 stehen vor dem Amtsgericht Freiburg.
06.10.2023:
Weil sie eine aufgelöste Demonstration gegen Corona-Maßnahmen im März 2022 nicht verlassen haben, wurden drei Angeklagte zu je 150 Euro Bußgeld verurteilt. Der Prozess zog sich länger als geplant.
Knapp 1000 Teilnehmende waren am 19. März 2022 bei einer Demonstration auf dem Platz der Alten Synagoge gegen die Corona-Maßnahmen. Wäre da nicht die schwarze Robe und der Sitzplatz am Kopf des Gerichtssaals, könnte man meinen, Richter Manuel Thiele wäre in der Verhandlung am Freitagmorgen im Amtsgericht Freiburg der Angeklagte und nicht der Richter. Die in der Szene bekannte Rechtsanwältin Beate Bahner stellt gleich zu Beginn der Verhandlung rechtliche Grundlagen der Pandemie in Frage. ...
Bahner stellt in Frage, dass Corona gefährlich ist, unter anderem, da nur wenige und vor allem alte und vorerkrankte Menschen sterben. ...
Alle drei Angeklagten werden zu einem Bußgeld in Höhe von 150 Euro verurteilt, zudem müssen sie die Kosten des Verfahrens tragen. ...
https://www.badische-zeitung.de/drei-teilnehmer-einer-corona-demo-vor-gericht.
Kommentar:
Statt der drei aufrichtigen Demonstranten hätte
Richter Thiele mal lieber einige andere Personen, wie etwa Lothar Wieler,
Christian Drosten, Jens Spahn und Karl Lauterbach, zu Geldstrafen verurteilen
sollen, wegen Alarmismus und Panikmache. Wenn es nicht Demonstranten wie die
hier von Richter Thiele verurteilten gegeben hätte, wäre der Maskenzwang noch
Tausend Jahre geblieben und die geplanten staatlichen Zwangsimpfungen schaurige
Wirklichkeit geworden. Richter Thiele steht noch ganz am Anfang seiner
juristischen Laufbahn als Richter, wollen wir hoffen, dass er nicht noch mal
Menschen, die sich gegen staatlichen Coronawahn engagieren, verurteilt. Unser
Urteil steht jedenfalls erst mal fest: Richter Thiele, Note 5, setzen und
nachdenken, was habe ich falsch gemacht.
Manuel Thiele (geb. ....) - Richter auf Probe im
OLG-Bezirk Karlsruhe (ab , ..., 2023) - im Handbuch der Justiz 2022 unter dem Namen
Manuel Thiele nicht
aufgeführt. Amtsgericht Freiburg - GVP 01.01.2023, 01.09.2023: Richter
auf Probe. 06.10.2023: "Drei Teilnehmer
einer Corona-Demo aus dem März 2022 stehen vor dem Amtsgericht Freiburg. Weil
sie eine aufgelöste Demonstration gegen Corona-Maßnahmen im März 2022 nicht
verlassen haben, wurden drei Angeklagte zu je 150 Euro Bußgeld verurteilt. Der
Prozess zog sich länger als geplant. Knapp 1000 Teilnehmende waren am 19. März
2022 bei einer Demonstration auf dem Platz der Alten Synagoge gegen die
Corona-Maßnahmen. Wäre da nicht die schwarze Robe und der Sitzplatz am Kopf des
Gerichtssaals, könnte man meinen, Richter Manuel Thiele wäre in der Verhandlung
am Freitagmorgen im Amtsgericht Freiburg der Angeklagte und nicht der Richter.
Die in der Szene bekannte Rechtsanwältin Beate Bahner stellt gleich zu Beginn
der Verhandlung rechtliche Grundlagen der Pandemie in Frage. ... Bahner stellt
in Frage, dass Corona gefährlich ist, unter anderem, da nur wenige und vor allem
alte und vorerkrankte Menschen sterben. ... Alle drei Angeklagten werden zu
einem Bußgeld in Höhe von 150 Euro verurteilt, zudem müssen sie die Kosten des
Verfahrens tragen. ..." -
https://www.badische-zeitung.de/drei-teilnehmer-einer-corona-demo-vor-gericht.
Freispruch Euer Ehren! Statt der drei aufrichtigen Demonstranten hätte
Richter Thiele mal lieber einige andere Personen, wie etwa Lothar Wieler,
Christian Drosten, Jens Spahn und Karl Lauterbach, zu Geldstrafen verurteilen
sollen, wegen Alarmismus und Panikmache. Wenn es nicht Demonstranten wie die
hier von Richter Thiele Verurteilten gegeben hätte, wäre der Maskenzwang noch
Tausend Jahre geblieben und die geplanten staatlichen Zwangsimpfungen schaurige
Wirklichkeit geworden. Immerhin, die drei Verurteilten können froh sein, dass
sie nicht im Iran auf der Anklagebank sitzen, da hätte es dreißig Jahre
Gefängnis und 100 Peitschenhiebe gegeben, grad so wie bei Narges Mohammadi, die
für ihren Widerstand gerade den Friedensnobelpreis bekommen hat. Richter Thiele steht noch ganz am Anfang seiner
juristischen Laufbahn als Richter, wollen wir hoffen, dass er nicht noch mal
Menschen, die sich gegen staatlichen Coronawahn engagieren, verurteilt. Unser
Urteil steht jedenfalls erst mal fest: Richter Thiele, Note 5, setzen und
nachdenken: Was habe ich falsch gemacht.
Maskenball bei Richter Meckies am Amtsgericht Tiergarten - keine Maske "über Mund und Nase" im Freien - 100 Euro
Verhandlung am 07.11.2022 um 12.30 im Raum 2115 wegen Nichttragen der Merkelmaske - https://odysee.com/@dieBasisBerlin:f/OhneMaskeImFreien100Euro720p:0.
Aus dem Protokoll, Anmerkungen in blau vom Väternotruf:
"Der Betroffene wird wegen einer vorsätzlichen Verstoßes gegen § 2 Absatz 1 Satz 1 Vierte SARS-CoV-2 Infektionsschutzmaßnahmenverordnung zu einer Geldbuße von 100,00 € verurteilt. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen. .... Die Feststellungen resultieren auf der geständigen Einlassung des Betroffenen ... Am 16.03.2022 ... nahm der Betroffene an einer Versammlung unter dem Motto .... teil. Die Versammlung fand auf dem Platz des 18. März vor dem Brandenburger Tor statt - wo war Olaf Scholz, telefonieren mit Putin statt mitzudemonstrieren? Obwohl von der begleitenden Polizei auf die Notwendigkeit einer Mund - Nasen Bedeckung - hingewiesen wurde, trug der Betroffene keine Maske über Mund und Nase. Vielmehr hatte er seine Maske - also die vom Staat verordnete sogenannte Karl-Lauterbach-Maske, also gerade nicht "seine", vergleiche hierzu die Ausführungen des Philosophen Max Stirner in seinem epochalen Werk Der Einzige und sein Eigenthum - auf die Stirn geschoben - die Stirn ist bekanntlicherweise bei den meisten Menschen über Mund und Nase, bei Richter Meckies vielleicht nicht, das wäre eine zoologische Jahrhundertsensation. Wenn der Betroffene also die Lauterbach-Maske auf der Stirn trug, dann trug er diese doch ganzz korrekt über Mund und Nase oder hätte er mit der Maske vielleicht seinen Arsch abdecken sollen, der liegt bekanntlich bei den meisten Menschen unterhalb von Stirn und Nase, Ausnahmen bestätigen die Regel. ... Er halte die Regelungen zum Tragen einer Maske für verfassungswidrig. ... Der Verstoß ist an sich geringfügig, erhält aber durch den Hintergrnnd einer Pandemie mit der Gefahr einer unkontrollierten Vermehrung des Virus und entsprechenden Verlusten an Menschleben Gewicht. ...". Wussten Sie übrigens, dass laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2021 13.595 Menschen bei Haushaltsunfällen verstorben, die vielen, teils auch schwer Verletzten gar nicht mitgerechnet, sollte man deshalb den Aufenthalt in Haushälten verbieten und alle Leute statt dessen im Amtsgericht Tiergarten unterbringen, gute Betreuung durch fleißige Richter gibts ja dort, wie man sieht und die Treppe wird auch keiner runterfallen, wenn man diese schließt. Die Alten und Gehbehinderte in das Erdgeschoss, die bis 70-jährigen in Etage 1, die bis 60 Jährigen in Etage 2 und ganz oben im Dachgeschoss die Babys und Kleinkinder, rührige Richterinn und Richter des Amtsgerichtes kümmern sich um die Versorgen der Menschen und Entsorgung der Abfälle jeglicher Art. Wie man sieht, eine Jahrhundertentscheidung, die Berlinerinnen und Berliner dürfen stolz auf ihren tapferen Richter sein, ich würde ihn für seine Leistung zum Senator für Justiz vorschlagen. Berlin braucht mehr solcher verbeamteter Helden.
Dr. Alexander Meckies (geb. zensiert durch Anordnung des "Berliner Beauftragten für Datenschutz" 1972) - Richter am Amtsgericht Tiergarten (ab 19.09.2006, ..., 2022) - im Handbuch der Justiz 2006 ab 01.08.2003 als Richter auf Probe im Kammergerichts-Bezirk aufgeführt. Im Handbuch der Justiz 2018 ab 19.09.2006 als Richter am Amtsgericht Tiergarten aufgeführt. Im Handbuch der Justiz 2020 und 2022 nicht aufgeführt. Amtsgericht Tiergarten - GVP 01.01.2010: Allgemeine Sachen (nur Strafsachen) sowie (Straf- und Bußgeldsachen) - Abteilung 239. Amtsgericht Tiergarten - GVP 17.10.2022: Bußgeldsachen - Abteilung 331 - 4. Allgemeine Bußgeldsachen Einschließlich der nach §§ 52 Abs. 2 Satz 3, 69 Abs. 1 Satz 2, 108 Abs. 1, 110 Abs.2 i.V.m. § 62 OWiG zu treffenden Entscheidungen und der Entscheidungen gem. §§ 96, 97,103, 104 (ohne Absatz 1 Nr.4) OWiG. Zuständig u.a. für Bußgeldsachen wegen Nichttragen der Lauterbach Maske, na Sie wissen schon, diese schwachsinige Maske, die die deutsche Panikregierung den Bürgerinnen und Bürgern neben vielen anderen freiheitseinschränkenden Maßnahmen aufgezwungen hat.
Maskenpflicht an Schulen
07.10.2022
Rezension des Beschlusses des BGH vom 03.11.2021, Az. XII ZB 289/21
Mit Beschluss vom 03.11.2021, Az. XII ZB 289/21, hat der BGH die Entscheidung
des OLG Jena vom 14.05.2021 (Az. 1 UF 136/21) bestätigt. Das OLG Jena hatte die
bundesweit Aufsehen erregende Entscheidung des AG Weimar vom 09.04.2021 (Az. 9 F
148/21) zur Verfassungswidrigkeit der Maskenpflicht und des Abstandsgebots an
Schulen aufgehoben.
Diese Rezension setzt sich mit der Entscheidung des BGH vom 03.11.2021 kritisch
auseinander und untersucht, ob die im Verfahren aufgeworfenen wichtigen
Rechtsfragen vom BGH unter Berücksichtigung der wesentlichen bis zur
Entscheidung vorhandenen Rechtsprechung und Meinungen in der juristischen
Literatur erörtert wurden.
1. Erfordernis der Durchführung einer Vorabentscheidung nach § 17a III 2 GVG
Der BGH geht in seinem Beschluss vom 03.11.2021 davon aus, dass das AG Weimar
gehalten gewesen wäre, vorab nach § 17a III 2 GVG eine Entscheidung über die
Rechtswegzuständigkeit zu treffen. Das Unterlassen der Vorabentscheidung führe
laut BGH dazu, dass die Frage der Rechtswegzuständigkeit noch im Rahmen eines
Rechtsmittels gegen die Sachentscheidung geprüft werden könne. Daneben könne
eine inkorrekte Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges nach dem
Grundsatz der Meistbegünstigung auch mit der sofortigen Beschwerde
angefochten werden (vgl. BAG NJW 1993, 2458, 2459).
Dabei setzt sich der BGH nicht damit auseinander, dass nach der bisherigen
herrschenden Meinung § 17a GVG in echten Amtsverfahren in Familiensachen nach §
24 FamFG – wie es das Verfahren nach § 1666 BGB wegen Kindeswohlgefährdung ist –
nicht anwendbar ist (vgl. Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 17a
GVG, Rn. 21; OLG Karlsruhe vom 28.04.2021, Az. 20 WF 70/21; OLG Zweibrücken
NJW-RR 99, 1682; OLG Nürnberg vom 26.04.2021, Az. 9 WF 342/21, 9 WF 343/21; OLG
Bamberg vom 17.05.2021, Az. 7 WF 124/21). So haben OLG Karlsruhe und OLG Bamberg
in den oben zitierten Entscheidungen den jeweiligen Beschluss des
Familiengerichts, der eine Rechtswegverweisung an das Verwaltungsgericht
vorsah, aufgehoben und an das Familiengericht zurückverwiesen. Die Anwendung
des § 17a GVG durch das Familiengericht würde voraussetzen, dass eine Verweisung
des Verfahrens nach den Verfahrensregeln überhaupt möglich ist. In den echten
Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und in den Antragsverfahren ist
dies der Fall, nicht aber in den Amtsverfahren, denn hier obliegt die Einleitung
des Verfahrens der eigenständigen Entschließung des zuständigen Gerichtes (vgl.
OLG Zweibrücken NJW-RR 99, 1682; OLG Karlsruhe Az. 20 WF 70/21; OLG Nürnberg vom
26.04.2021 Az. 9 WF 342/21, 9 WF 343/21). Dies ergibt sich auch aus der
Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/6308, 318): „In Verfahren, die von Amts wegen
einzuleiten sind, fehlt es bereits im Ausgangspunkt an der Beschreitung eines
Rechtsweges, so dass für die Anwendung der Vorschrift in diesen Fällen von
vornherein kein Raum ist.“ Das AG Weimar hätte demnach § 17a GVG entgegen der
bis dahin herrschenden Rechtsmeinung anwenden sollen; und dies, obwohl eine
Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht – wie der BGH selbst
annimmt (vgl. NJW-RR 2022, 217) – wegen unüberwindbarer verschiedener
Prozessmaximen beider Verfahrensordnungen (vgl. auch BVerwG vom 16.06.2021 – 6
AV 1/21, 6 AV 2/21 NVwZ-RR 2021, 740) nicht in Betracht kommt. In der zitierten
Entscheidung des BVerwG vom 16.06.2021 hat das BVerwG entschieden, dass der
Verweisungsbeschluss des Familiengerichts Tecklenburg an das Verwaltungsgericht
Münster rechtswidrig war: „Über Maßnahmen gemäß § 1666 BGB entscheidet das
Amtsgericht/Familiengericht jedoch selbstständig von Amts wegen. Es hätte
keine Verweisung aussprechen, sondern – da familiengerichtliche Anordnungen
gegenüber Behörden rechtlich ausgeschlossen sind – entweder auf die Eröffnung
eines Verfahrens verzichten oder ein bereits eröffnetes Verfahren einstellen
müssen.“
Die Argumentation des BGH ist in sich nicht schlüssig, da sie dem Zweck der
Vorschrift von § 17a GVG zuwiderläuft. Mit einer Vorabprüfung der Zuständigkeit
geht es gerade darum, das zuständige Gericht zu ermitteln und dann den
Rechtsstreit an das zuständige Gericht abzugeben bzw. zu verweisen. Wenn aber
bereits von vornherein aufgrund der unterschiedlichen Prozessmaximen beider
Verfahrensordnungen keine Verweisung an das Verwaltungsgericht möglich ist, dann
ist eine Vorabentscheidung nach § 17a III 2 GVG sinn- und zweckwidrig.
Zudem widerspricht das Erfordernis der Durchführung einer Vorabentscheidung nach
§ 17a III 2 GVG dem gesetzgeberischen Willen, wonach Entscheidungen in Verfahren
der einstweiligen Anordnung in Familiensachen nach § 57 S. 1 FamFG nicht
anfechtbar sind. Der Beschluss über die Vorabentscheidung nach § 17a III 2 GVG
ist nach § 17a IV 3 GVG mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Dadurch würde
ein Rechtsmittel möglich, obwohl die Entscheidung in Verfahren der
einstweiligen Anordnung in Familiensachen nach § 57 S. 1 FamFG unanfechtbar ist.
2. Kann die öffentliche Hand „Dritter“ im Sinne von § 1666 IV BGB sein?
Laut dem Beschluss des BGH vom 03.11.2021 können Dritte im Sinne von § 1666 IV
BGB keine Behörden oder sonstige Träger der öffentlichen Gewalt sein. Dies
begründet der BGH damit, dass die Familiengerichte die Jugendämter nicht zur
Unterlassung von Maßnahmen der Jugendhilfe, wie etwa einer Inobhutnahme,
verpflichten könnten (vgl. BGH FamRZ 2021, 1402, Rn. 13) und auch nicht befugt
seien, andere staatliche Stellen in ihrem Tun oder Unterlassen anzuweisen. Dies
würde einen Eingriff in das Gewaltenteilungsprinzip bedeuten.
Dieses Argument trägt bereits deshalb nicht, weil der BGH den
Verwaltungsgerichten diesen Eingriff explizit zubilligt und eine Hierarchie, die
den Verwaltungsgerichten herausgehobene Machtbefugnisse zuweisen würde, unter
den fünf Gerichtszweigen nicht existiert.
Dabei verkennt der BGH, dass es bereits in Zeiten vor Corona Entscheidungen der
Familiengerichte gab, in denen die Familiengerichte Träger der öffentlichen Hand
verpflichteten. So war nach der bisherigen Rechtsprechung anerkannt, dass
„Dritter“ im Sinne von § 1666 IV BGB auch eine psychiatrische Klinik mit einer
geschlossenen Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie – und damit ein
öffentlich-rechtlicher Verwaltungsträger – sein kann (vgl. Staudinger/Coester
(2020) BGB § 1666, Rn. 237; AG Kassel, DAVorm 1996, 411;
Johannsen/Henrich/Althammer/Jokisch BGB § 1666, Rn. 124; MüKoBGB/Lugani, 8.
Aufl. 2020, BGB § 1666, Rn. 214, 215). Das AG Kassel hatte mit seinem Beschluss
vom 19.04.1996 (Az. 741 X H 112/96, vgl. DAVorm 1996, 411) die örtlich
zuständige psychiatrische Klinik im Wege einer einstweiligen Anordnung nach §
1666 BGB verpflichtet, ein psychisch schwer gestörtes Kind dort stationär
aufzunehmen. Die örtlich zuständige Klinik hatte zuvor wegen Überbelegung eine
Aufnahme des Kindes abgelehnt. Laut AG Kassel vom 19.04.1996 sei die betreffende
Klinik zur Aufnahme verpflichtet, denn sie habe eine regionale
Versorgungsverpflichtung. Es könne nicht Sache der Sorgeberechtigten, des
Jugendamtes oder des Gerichts sein, aus eigener Initiative nicht zuständige
Kliniken um Aufnahme zu ersuchen.
Einen weiteren Aspekt lässt der BGH unbeachtet: § 1666 BGB setzt Art. 3 der
UN-Kinderrechtskonvention um. Eine Verletzung von Vorschriften der
UN-Kinderrechtskonvention wurde von der Mutter der betroffenen Kinder bereits in
ihrer Anregung geltend gemacht (vgl. Beschluss des AG Weimar vom 09.04.2021, Az.
9 F 148/21). Nach Art. 3 I der UN-Kinderrechtskonvention ist bei allen
Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder
privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden
oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, das Wohl des Kindes ein
Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist. Gemäß Art. 3 II der
UN-Kinderrechtskonvention verpflichten sich die Vertragsstaaten, dem Kind unter
Berücksichtigung der Rechte und Pflichten seiner Eltern, seines Vormundes oder
anderer für das Kind gesetzlich verantwortlicher Personen den Schutz und die
Fürsorge zu gewährleisten, die zu seinem Wohlergehen notwendig sind; zu diesem
Zweck treffen die Vertragsstaaten alle geeigneten Gesetzgebungs- und
Verwaltungsmaßnahmen. Unter Berücksichtigung des Willens des Gesetzgebers (vgl.
BT-Drs. 16/6308, 318), wonach allein auf die objektiv bestehende Gefahr für das
Kind abgestellt werden soll, und unter Berücksichtigung der
völkerrechtskonformen Auslegung von Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention muss §
1666 IV BGB auf Personen anwendbar sein, die in Ausübung einer staatlichen
Funktion handeln, denn ein vergleichbarer Schutz kommt einem
verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu. Nur über § 1666 BGB findet auch das
Kindeswohl entsprechend Art. 3 I der UN-Kinderrechtskonvention vorrangig
Berücksichtigung. Zwar trifft es zu, dass in Verwaltungsverfahren, in denen es
um die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen nach § 42 SGB VIII geht, das
Kindeswohl vorrangig auch vor dem Verwaltungsgericht Berücksichtigung findet,
jedoch handelt es sich bei den parallel vor den Verwaltungsgerichten geführten
Verfahren nicht um Verfahren der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen nach
§ 42 SGB VIII. Vor den Verwaltungsgerichten besteht die Möglichkeit, die
Maskenpflicht an Schulen im Wege von § 80 V VwGO auf Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung gegenüber der von der Schule ausgesprochenen Anweisung
des Maskentragens (Verwaltungsakt) oder die entsprechende Vorschrift über die
Maskenpflicht an Schulen in der Corona-Verordnung des Freistaats Thüringen über
den Normenkontrollantrag nach § 47 I VwGO (Eilverfahren nach § 47 VI VwGO)
anzugreifen. In beiden Verfahren müssen die Verwaltungsgerichte prüfen, ob die
entsprechende Regelung zur Maskenpflicht in Thüringen verfassungsgemäß ist. § 42
SGB VIII spielt bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit keine Rolle, sodass das
Kindeswohl vor dem Verwaltungsgericht gerade in diesen Verfahren keine
vorrangige Berücksichtigung findet. Dies geschieht nur im Verfahren nach § 1666
BGB vor dem Familiengericht.
Bei einem entsprechenden Verfahren vor dem Familiengericht entstehen auch keine
Kosten. Dies liegt daran, dass bei Nichteinleitung des Verfahrens auch keine
Gerichtskosten anfallen (Schneider/Volpert/Fölsch, FamGKG Nr. 1313, Rn. 11).
Leitet das Familiengericht hingegen ein Verfahren ein, dann fallen mit dem
ersten Tätigwerden des Gerichts Verfahrenskosten an, die aber erst mit der
Endentscheidung nach § 81 FamFG einem Kostenträger auferlegt werden. Im
Regelfall werden die Kosten nach § 81 FamFG nicht der Person auferlegt, die aus
echter Sorge um das Kind dem Familiengericht einen Sachverhalt zur Prüfung der
Verfahrenseinleitung unterbreitet. Dies ergibt sich aus dem Grundgedanken des
Kinderschutzes und der gesetzlichen Ausgestaltung des § 1666er-Verfahrens als
Amtsverfahren nach § 24 FamFG. Die Auferlegung von Kosten auf die anregende
Person setzt grobes Verschulden voraus und kann daher nur in seltenen
Ausnahmefällen zum Tragen kommen. Im Regelfall wird daher bei einer Anregung
nach § 24 FamFG das Familiengericht von selbst tätig, ohne dass der Anregende
Kosten zu verauslagen hätte. Anders dagegen das Verfahren vor den
Verwaltungsgerichten. Selbst in Eilverfahren werden Verwaltungsgerichte nur
tätig, wenn von dem Kläger oder Antragenden entsprechende Kosten verauslagt
wurden. Zwar gibt es vor den Verwaltungsgerichten auch die Möglichkeit der
Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO. Um Prozesskostenhilfe zu erhalten, ist
jedoch immer ein umfangreiches Formular auszufüllen, das über die
Vermögensverhältnisse Auskunft gibt. Dieser doch erhebliche bürokratische
Aufwand entfällt im Verfahren nach § 24 FamFG vor dem Familiengericht. Ein
weiterer Unterschied zum Familienverfahren besteht darin, dass vor dem
Familiengericht kein besonderer Antrag vorausgesetzt wird und das
Familiengericht bei jeglicher Anregung – oder sogar ohne Anregung bei lediglich
eigener Kenntniserlangung von Amts wegen –, wenn es die Schwelle zur
Kindeswohlgefährdung überschritten sieht, tätig werden muss (§ 1666 I BGB: „[…]
so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen […]“ – Hervorhebung durch
Verf.). Dagegen ist für ein Tätigwerden der Verwaltungsgerichte ein formeller
Antrag Voraussetzung. In den meisten Fällen nehmen sich Betroffene daher einen
Rechtsbeistand.
Die Tatsache, dass die Verwaltungsgerichte nur nach Einzahlung eines
entsprechenden Kostenvorschusses oder bei Prozesskostenhilfe nach Ausfüllen
eines umfangreichen Formulars zu den Vermögensverhältnissen tätig werden,
während das Familiengericht im § 1666er-Verfahren ohne Kostenvorschuss von Amts
wegen oder ohne formellen Antrag schon aufgrund einer Anregung tätig werden
muss, zeigt deutlich, dass das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten mit
höheren bürokratischen (und finanziellen) Hürden verbunden ist. Dieser
zusätzliche Aufwand vor dem Verwaltungsgericht wird Art. 3 der
UN-Kinderrechtskonvention nicht gerecht, da dieser ein möglichst
unbürokratisches Verfahren bei der Möglichkeit einer Kindeswohlgefährdung
fordert.
Die von Gietl (vgl. NZFam 2022, 63) vertretene Ansicht, wonach es dem
Gesetzgeber bei § 1666 IV BGB lediglich darum gegangen sei, dass das
Familiengericht die Möglichkeit bekomme, gegen Kindeswohl gefährdende Dritte
vorzugehen, ohne den Umweg über das Zivilrecht zu machen (vgl. BT-Drs. 8/2788,
59; vgl. OLG Frankfurt a.M. COVuR 2021, 654), lässt ebenfalls außer Betracht,
dass § 1666 IV BGB auch Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention umsetzt. Bei den
Verwaltungsgerichten herrscht zwar der Amtsermittlungsgrundsatz, jedoch wird
dort weder das Kindeswohl vorrangig berücksichtigt noch handelt es sich um ein
gegenüber dem § 1666er-Verfahren vor dem Familiengericht unbürokratisches
Verfahren. Denn das Verwaltungsgericht wird auch in Eilverfahren erst nach
Einzahlung eines Kostenvorschusses bzw. bei Prozesskostenhilfe nach Ausfüllen
eines umfangreichen Formulars zu den Vermögensverhältnissen und nur aufgrund
eines formellen Antrags tätig.
Ein weiterer Aspekt, den der BGH außer Betracht lässt, ist die Vorschrift des §
1837 BGB. Dass das Familiengericht Maßnahmen nach § 1666 BGB grundsätzlich auch
gegenüber einer Person ergreifen kann, welche eine öffentliche Aufgabe
wahrnimmt, ergibt sich auch aus § 1837 BGB. Gemäß § 1837 IV BGB gilt § 1666 BGB
im Verhältnis zum Vormund entsprechend. Eine Privilegierung des in öffentlicher
Funktion handelnden Vormundes ist in § 1837 III BGB lediglich hinsichtlich der
Festsetzung eines Zwangsgeldes vorgesehen, indem es heißt: „Das Familiengericht
kann den Vormund und den Gegenvormund zur Befolgung seiner Anordnungen durch
Festsetzung von Zwangsgeld anhalten. Gegen das Jugendamt oder einen Verein wird
kein Zwangsgeld festgesetzt.“ Grund für diese Privilegierung ist ausweislich der
Gesetzesbegründung, dass die Festsetzung eines Zwangsgeldes „mit der Stellung
auch des Behördenbetreuers, der die Betreuung in Wahrnehmung einer öffentlichen
Aufgabe ausübt, nicht zu vereinbaren“ wäre (BT-Drs. 11/4528). Jedenfalls ist von
dieser Privilegierung ausdrücklich nur die Vollstreckung einer
familiengerichtlichen Maßnahme betroffen und nicht die familiengerichtliche
Anordnung an sich.
Hierzu wird auf den Aufsatz von KRiStA „Corona-Maßnahmen vor dem Familiengericht
– eine ungewöhnliche Entwicklung“, der diese Thematik eingehender behandelt,
verwiesen. Ergebnis jenes Aufsatzes ist, dass – anders als der BGH in seiner
Entscheidung meint – aus der fehlenden Kompetenz des Familiengerichts zu
Anordnungen gegenüber dem Jugendamt im Rahmen der Verantwortungsgemeinschaft
nicht auf eine fehlende Kompetenz des Familiengerichts zur Anordnung gegenüber
einem in öffentlicher Funktion tätigen Dritten geschlossen werden kann.
3. Gefährdung des Kindeswohls durch Maskentragen in der Schule
Der Frage, ob durch das Maskentragen in der Schule das Kindeswohl gefährdet sein
kann, hat sich der BGH nicht gewidmet. Dies ist formaljuristisch korrekt, da
beim BGH nur die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde bezüglich
der Rechtswegzuständigkeit nach § 17a IV 5 GVG anhängig war. Von der sich
anbietenden Möglichkeit, im Rahmen eines obiter dictums hierzu Stellung zu
nehmen, hat der BGH trotz der für Millionen von Kindern dringenden Relevanz
keinen Gebrauch gemacht. Dies ist bedauerlich, zumal der BGH des Öfteren
durchaus auch zu relativ unbedeutenden Fragen beiläufig Stellung nimmt.
Für viele, die sich mit der BGH-Entscheidung nicht eingehender befasst haben,
entstand aber der Eindruck, dass der BGH mit dieser Entscheidung über die
Rechtmäßigkeit des Maskentragens in Schulen befunden hätte. Dies trifft nicht
zu.
Die Frage, ob Maskentragen in Schulen gesundheitsschädlich und damit das
Kindeswohl gefährdet ist, drängt sich weiterhin aus nachfolgenden Gründen auf:
Erstens lagen dem Beschluss des AG Weimar vom 09.04.2021 drei gerichtliche
Sachverständigengutachten zugrunde, wovon zwei Gutachten die Nutzlosigkeit und
Schädlichkeit des Maskentragens darlegten. Zweitens richtete das AG Weimar einen
Fragenkatalog an die im Verfahren beteiligten Ministerien für Bildung und
Gesundheit. Die Fragen wurden innerhalb der gesetzten Frist nicht beantwortet
(vgl. AG Weimar vom 09.04.2021, Az. 9 F 148/21, juris, Rn. 145 – 151). Gefragt
wurde unter anderem, ob die physischen und psychischen Auswirkungen des
Maskentragens bei Kindern untersucht wurden bzw. die Unbedenklichkeit des
Maskentragens bei Kindern durch Studien oder wissenschaftliche Quellen belegt
werden könne. Das Schweigen der Ministerien des Freistaats Thüringen zur Frage
einer Unbedenklichkeitsprüfung von Masken sollte gerade hierzulande aufhorchen
lassen, da in Deutschland bereits jedes Spielzeug TÜV-geprüft sein muss.
Daher wird hier im Rahmen eines Exkurses auf die Fragen eingegangen, ob das
Maskentragen gesundheitsschädlich ist und ob durch das Maskentragen an Schulen
das Infektionsgeschehen reduziert werden kann:
Bereits lange vor Corona war bekannt und wissenschaftlich belegt, dass das
Maskentragen Gesundheitsschäden hervorrufen kann. So zeigte eine Dissertation
von Ulrike Butz aus dem Jahr 2005 zur Rückatmung von CO2 bei Verwendung von
OP-Masken als hygienischem Mundschutz an medizinischem Personal eine verstärkte
Rückatmung von Kohlenstoffdioxid und einen signifikanten Anstieg von CO2 im
Blut. Da Hyperkapnie verschiedene Hirnfunktionen einschränken kann, rief diese
Dissertation die Hersteller von chirurgischen Operationsmasken dazu auf,
Filtermaterialien mit höherer Permeabilität für Kohlenstoffdioxid zu verwenden.
Eine Studie von Beder et al. aus dem Jahr 2008 ergab, „dass Chirurgen nach
Operationen, die sogar nur 30 Minuten dauerten, eine verminderte
Sauerstoffsättigung hatten. Auch mit Beginn der Corona-Pandemie hat sich nichts
an der Einschätzung geändert, dass das Maskentragen gesundheitsschädlich ist. So
zeigte eine im April 2021 veröffentlichte Metastudie nach Auswertung von 65
Studien gesundheitliche Beeinträchtigungen durch das Maskentragen. Die
Auswertung zeigte Veränderungen in der Atmungsphysiologie von Maskenträgern mit
einem gehäuften gemeinsamen Auftreten von Atmungsbeeinträchtigungen und einem
Abfall der Sauerstoffsättigung (67 %), N95-Maske und CO2-Anstieg (82 %),
N95-Maske und Abfall der Sauerstoffsättigung (72 %), N95-Maske und Kopfschmerzen
(60 %), Beeinträchtigung der Atmung und Temperaturanstieg (88 %), aber auch
Temperaturanstieg und Feuchtigkeit (100 %) unter den Masken. Ein längeres
Maskentragen in der Bevölkerung könnte in vielen medizinischen Bereichen zu
relevanten Effekten und Folgen führen, so die Wissenschaftler.
Daneben war allgemein bekannt, dass in Schweden auch während der Corona-Pandemie
keine Maskenpflicht an Schulen bestand. Die schwedischen Schüler mussten zu
keinem Zeitpunkt Masken tragen, ohne dass sich in Schweden die Schulen zu
Hotspots entwickelt hätten und ohne dass es dort zu einem erhöhten
Sterbegeschehen gekommen wäre. Zwischenzeitlich verzeichnet Schweden sogar
weniger Corona-Tote als Deutschland. Auch in einigen US-Bundesstaaten wurde
bereits im Frühjahr 2021 die Maskenpflicht an Schulen aufgehoben, ohne dass sich
dort die Corona-Lage gegenüber den US-Staaten mit Maskenpflicht in der Schule
verschlechtert hätte. Im Gegenteil: Es zeigte sich kein Unterschied zwischen den
US-Staaten mit Maskenpflicht und denen ohne Maskenpflicht im Hinblick auf das
Corona-Infektionsgeschehen. Das Gleiche gilt für etliche afrikanische Staaten,
die in Schulen schon seit Längerem auf Masken verzichten.
Aufgrund der Tatsache, dass es bereits vor Corona wissenschaftliche Belege für
die gesundheitsschädliche Wirkung von Masken gab und der Tatsache, dass andere
Länder wie Schweden, einige US-Bundesstaaten und etliche afrikanische Länder
ohne eine Maskenpflicht in Schulen durch die Pandemie kommen bzw. kamen, waren
die Ergebnisse der gerichtlichen Sachverständigengutachten von Kappstein und
Kuhbandner nicht abwegig, sondern deckten sich mit den bisherigen
wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Erfahrungen aus der Praxis. Kappstein
nimmt in ihrem Gutachten auf 150 wissenschaftliche Quellen Bezug. Kuhbandner
wertet in seinem Gutachten 96 wissenschaftliche Quellen aus. Kappstein setzt
sich in ihrem Gutachten ausführlich mit der Gegenposition auseinander und
berücksichtigt alle vorhandenen wissenschaftlichen Publikationen, die einen
Nutzen von Masken sehen, insbesondere solche des RKI, der WHO, des CDC und des
ECDC.
Kappstein kommt zu dem Ergebnis, dass es keine tragfähigen Belege dafür gibt,
dass Gesichtsmasken unterschiedlicher Art das Infektionsrisiko durch SARS-CoV-2
nennenswert oder sogar überhaupt senken können (vgl. Rn. 682).
Kuhbandner kommt zusammenfassend zu einem gleichen Ergebnis wie Kappstein (Rn.
1017), nämlich, dass es bisher keine hochwertige wissenschaftliche Evidenz dafür
gibt, dass durch das Tragen von Gesichtsmasken das Infektionsrisiko nennenswert
gesenkt werden kann.
Bei seinen Ausführungen zu Gesundheitsschäden durch das Maskentragen (Rn. 1021 –
1142) nimmt Kuhbandner Bezug auf die Empfehlung der WHO vom 01.12.2020, auf eine
Publikation in der Fachzeitschrift Medical Hypothesis vom Januar 2021, auf eine
Veröffentlichung im British Medical Journal vom August 2020 hinsichtlich der
psychischen, biologischen und immunologischen Risiken speziell für Kinder und
Schüler und auf die Monatsschrift Kinderheilkunde. In letzterer Publikation
wurden verschiedene Beschwerden aufgezählt: Kopfschmerzen,
Konzentrationsschwierigkeiten, Unwohlsein, Beeinträchtigung beim Lernen,
Benommenheit/Müdigkeit, Schwindel, Augenflimmern, Bauchschmerzen,
Appetitlosigkeit, trockener Hals, Übelkeit etc. Im Weiteren werden im Gutachten
Schäden wie Munderkrankungen und Verformung der Ohrmuschel thematisiert. Das
Maskentragen führe in psychischer Hinsicht zu einer Einschränkung der
nonverbalen Kommunikation, negativer Verzerrung des emotionalen Erlebens und
Beeinträchtigung der Empathie. Darüber hinaus bestehe die Gefahr der
Diskriminierung (Rn. 1116) und des Auslösens und Aufrechterhaltens von
entwicklungspsychologisch unangemessenen Ängsten (Rn. 1122).
Folglich kann nach den gerichtlichen Sachverständigengutachten von Kuhbandner
und Kappstein ein Nutzen von Masken in Schulen zur Reduzierung des
Infektionsrisikos nicht bejaht werden. Nach dem gerichtlichen
Sachverständigengutachten von Kuhbandner führt das Maskentragen bei Schülern zu
Schäden physischer, psychischer und pädagogischer Art (Rn. 1142). Kuhbandner
führt auch aus (Rn. 1144), dass es keine randomisierten Studien zu
langanhaltendem Maskentragen bei Kindern gibt.
Eine Kindeswohlgefährdung durch das Maskentragen in Schulen ist nach dem
gerichtlichen Sachverständigengutachten von Kuhbandner zu bejahen. Umso
bedauerlicher ist es, dass sich ein Anstieg von psychischen Erkrankungen bei
Kindern bereits manifestiert hat. So hat sich die Anzahl der Suizidversuche bei
Kindern fast verdreifacht und laut einer Studie der Universität Krems wiesen 62
% der Mädchen und 38 % der Jungen eine mittelgradige depressive Symptomatik auf.
Natürlich kann hier nicht gesagt werden, inwieweit speziell das Maskentragen für
die psychische Erkrankung der Kinder ursächlich war. Solange aber eine
Mitursächlichkeit des Maskentragens an dem Anstieg der psychischen Erkrankungen
bei Kindern nicht ausgeschlossen werden kann, ist zum Wohle der Kinder von einer
Maskenpflicht abzusehen. Die Nutzlosigkeit und Schädlichkeit von Masken, gerade
in Bezug auf Kinder, wird in letzter Zeit vermehrt von Wissenschaftlern
angemahnt.
4. Fazit
Dass in einem § 24 FamFG-Verfahren nach § 1666 BGB eine Vorabentscheidung nach §
17a III 2 GVG durchgeführt werden muss, erscheint unter Berücksichtigung der
bisher ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung, des Gesetzeswortlauts von §
57 S. 1 FamFG und der Tatsache, dass sogar laut BGH eine Rechtswegverweisung vom
Familiengericht ans Verwaltungsgericht nicht möglich ist, rechtlich zumindest
fragwürdig.
Schulen bzw. Schulleiter als „Dritte“ im Sinne von § 1666 IV BGB einzuordnen,
erscheint angesichts der Entscheidung des AG Kassel vom 19.04.1996 sowie der
Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention in Art. 3 und aufgrund der Vorschrift des
§ 1837 BGB rechtlich nicht nur gut vertretbar, sondern als die sogar
vorzugswürdige Rechtsauffassung. Dass „Dritte“ im Sinne von § 1666 IV BGB auch
Akteure der öffentlichen Hand sein können, war bislang – soweit ersichtlich –
nahezu unbestrittene Meinung in der Kommentarliteratur.
Der BGH hat sich den Fragen, ob das Maskentragen in Schulen gesundheitsschädlich
ist und das Infektionsgeschehen reduziert, nicht gewidmet und musste sich diesen
Fragen aus formaljuristischen Gesichtspunkten auch nicht stellen. Allerdings
wäre eine Beschäftigung mit diesen Sachfragen angesichts der dringenden Relevanz
für Millionen von Kindern wünschenswert gewesen. Denn ausweislich der Gutachten
von Kuhbandner und Kappstein, welche beide im vom BGH überprüften Beschluss des
AG Weimar vollständig abgedruckt waren, reduziert das Maskentragen in Schulen
das Infektionsgeschehen nicht. Kuhbandner hält in seinem Gutachten fest, dass
das Maskentragen für Kinder gesundheitsschädlich ist.
Der Beschluss des BGH vom 03.11.2021 (Az. XII ZB 289/21) bleibt damit – auch
ungeachtet des vorgenannten Punktes – hinter den an eine höchstrichterliche
Entscheidung zu stellenden Erwartungen zurück, weil er sich mit den im Verfahren
aufgeworfenen wesentlichen Rechtsfragen in erheblichen Teilen nur oberflächlich
oder gar nicht auseinandersetzt.
BGH, Maskenpflicht, Rechtsweg, Schule
https://netzwerkkrista.de/2022/10/07/maskenpflicht-an-schulen/