Mutterwohl
Dem Mutterwohl gilt in Deutschland noch immer die individuelle und gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Das fängt bei kleinen Kindern an, die die Bedürftigkeit ihrer Mutter wahrnehmen und ihr schlimmstenfalls "eine gute Mutter" werden (Parentifizierung, narzisstischer Missbrauch). Aber auch der Staat sorgt sich um das Mutterwohl. Diese Sicherung hat zwei Seiten. Zum einen ist es eine gesellschaftliche Rollenzuschreibung an die Frau und Mutter, sie soll sich um die Kinder kümmern, der Mann um das feindliche Leben, Geld verdienen, Krieg führen, etc.
Zum anderen ist es aber auch ein gesellschaftlicher Kotau vor der Mutter und der Muttermacht, individuell gesehen ein Kotau vor der eigenen Mutter, von der sich der/die einzelne noch nicht gelöst, abgenabelt hat.
Dem Mutterwohl wird bis an die Grenze der Kindeswohlgefährdung der Vorrang vor dem Kindeswohl eingeräumt. Dies zeigt sich aktuell an der staatlichen Diskriminierung nichtverheirateter Väter und ihrer Kinder beim Sorgerecht. Der Vater kann die bessere Erziehungskompetenz, die stabileren Bindungen, die besseren materiellen Voraussetzungen und eine höhere Bindungstoleranz gegenüber der Mutter aufweisen, das Kind kann selbst den Willen haben, beim Vater zu wohnen, alles im "normalen" Sorgerechtsstreit wichtige Kriterien - das Kind bleibt trotzdem bei der Mutter. Denn Mutterwohl geht in Deutschland vor Kindeswohl.
Das dass so bleibt, dafür sorgen sich in Deutschland täglich tausende Menschen, angefangen von der Bundesjustizministerin, der Bundesfamilienministerin, den familienpolitischen Sprecher/innen der im Bundestag vertretenen Parteien, bis hin zum "kleinen" Richter am Amtsgericht, der keine Courage hat, einen Fall von "Mutterwohl geht vor Kindeswohl" dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, um eine Überprüfung des Mutterwohlparagrafen 1626a BGB zu veranlassen.
20.12.2001