Psychische Erkrankung
In der professionellen und psychiatrischen Praxis ist es üblich, wenn auch nicht immer hilfreich, Begriffe für bestimmte "psychische Erkrankungen" zu verwenden, so z.B. Depression, Schizophrenie, Borderline-Syndrom, Psychose, manisch-depressiv u.ä..
Die Neurosen werden nicht zu den "psychischen Erkrankungen" gerechnet. Neurotisch ist jeder Mensch mehr oder weniger, Psychoanalytiker, Familienrichter und Jugendamtsmitarbeiter/innen und Gutachter/innen eingeschlossen.
Die Verwendung von Begriffen geschieht aus dem Bedürfnis der Professionellen nach (schneller) Orientierung (Diagnostik) und im besten Fall mit dem Ziel der richtigen Intervention. Die Verwendung von Begriffen ist auf Grund ihres zuschreibenden Charakters nicht ganz unkritisch, andererseits scheint man zur Zeit wohl ohne sie nicht auszukommen.
Psychische "Erkrankungen" können zum einen "Ursache" von Partnerschafts-, Trennungs-, Umgangs- und Sorgerechtskonflikten sein. Zum anderen wirken die genannten Konflikte auf die psychische Stabilität, bzw. Instabilität der beteiligten Personen, bzw. den Familienmitgliedern und können bei entsprechender Intensität bzw. geringer Belastbarkeit der Beteiligten "Ursache" psychischer Erkrankungen sein. Im systemischen Denken gibt es keine "Ursachen". Trotzdem gibt es natürlich Entstehungsgeschichten psychischer Erkrankungen.
Langanhaltende Umgangsvereitelungen, bei denen kein realer und wichtiger Hintergrund für die Unterbindung des Umganges zu finden ist weisen nicht selten auf eine psychische Erkrankung des umgangsvereitelnden Elternteils hin. Bei den beteiligten Professionellen scheint dabei nicht selten die Neigung zu bestehen, sich in das Ausgrenzungsverhalten des vereitelnden Elternteils einbinden zu lassen. Vielleicht in der bewußten oder unbewußten Absicht, diesen Elternteil durch die Belassung des vollen Zugriffs auf das Kind psychisch stabilisieren zu wollen. Dahinter steckt bestenfalls die Absicht damit "den Kindern etwas gutes tun wollen".
Da die Langzeitwirkungen der Betreuung von Kindern durch psychisch kranke Mütter oder Väter erst nach Jahren oder gar nach Jahrzehnten deutlich werden (so sind Sexualstraftäter häufig bei psychisch instabilen übergriffigen Müttern groß geworden - und es wäre interessant, einmal die "Entwicklungskarrieren" zurückzuverfolgen, woran aber bei Forschung und Politik kein Interesse zu bestehen scheint, statt dessen wird populistisch und vulgärfeministisch nach mehr und härteren Strafen gerufen oder Männer im Block denunziert), kann es sein, dass aktuell kein Handlungsbedarf von Seiten der Professionellen gesehen wird.
Zitat einer Jugendamtsmitarbeiterin zum Hinweis eines Vaters auf eine mögliche psychische Erkrankung einer Muter: "Was meinen sie, was wäre, wenn wir jeder psychisch kranken Mutter das Kind wegnehmen würden?" Womit sie nicht ganz unrecht hat, nur darf das nicht dazuführen, dass psychisch kranke Mütter ungehindert durch staatliche Kindeswohlwächter/innen den Vater ausgrenzen dürfen und dem Kind somit die Möglichkeit nehmen, außerhalb der belasteten Mutter-Kind-Beziehung stabilisierende und zur Identitätsentwicklung beitragende Beziehungen zu haben.
Philipp, 8.10.01
"Eingriffe in die elterliche Sorge wegen psychischer Erkrankungen der Sorgeberechtigten"
Ines Uphoff
in: "Recht & Psychiatrie", 1/2001, S. 11-13
"Recht und Psychiatrie" (R & P)
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Literatur:
Kreismann/Straus: "Ich hasse dich - verlaß mich nicht, Die schwarzweiße Welt der Borderlinepersönlichkeit", Kösel, München 1992
Gruen, A. : "Der Verrat am Selbst", dtv 1993
Wardetzki, B. : "Weiblicher Narzißmus", Kösel, München 1994
Strauss, K. : "Neue Konzepte zum Borderline-Syndrom, Stationäre Behandlung nach den Methoden der Transaktionsanalyse", Junferman, Paderborn 1994
Rohde-Dachser, Ch. : "Das Borderline-Syndrom", Verlag Hans Huber, Bern 1995