Scheidungsdrama


 

 

 

 

Alle sind getroffen

In dem Schwarzwaldort Waldbronn wurde ein Politiker der Grünen ermordet – er half einer Frau gegen den gewalttätigen Ehemann

Von Edith Kopf, Waldbronn

Es ist ein beschaulicher Ort. Eine Schwarzwald-Idylle. Die Grundstückspreise können sich sehen lassen. Die Häuser auch. Waldbronn ist ein Ort ohne üble Nachrede, ohne Verbrechen, ohne Kapitalverbrechen. Jedenfalls kann sich niemand an ein solches erinnern.

Jetzt erreicht Waldbronn einen Bekanntheitsgrad, den hier niemand für möglich oder gar gewünscht hätte. In Waldbronn wurde am letzten Donnerstag ein Mann ermordet. Das Opfer ist der Realschullehrer Heribert Purreiter. Der Mord an dem beliebten Lokalpolitiker der Grünen in der 12 000 Einwohner-Gemeinde im Landkreis Karlsruhe ist in aller Munde. Ob im Heilwasser der Albtherme, beim Spaziergang im Kurpark oder beim örtlichen Lebensmittelhändler, das Verbrechen an dem 49-jährigen Gemeinderat, der erst vor wenigen Tagen zum zweiten stellvertretenden Bürgermeister gewählt worden war, ist nicht nur Thema Nr. 1, es erschüttert die Menschen über das Maß einer puren Sensation weit hinaus.

Dass ein 50-Jähriger aus der kleinen Schwarzwaldgemeinde dafür verantwortlich ist, sorgt für einen weiteren Schock. Ein Mörder, mitten im Ort. Der Mann, der jetzt zusammen mit einem weiteren 45 Jahre alten Verdächtigen in Haft genommen wurde, tat wohl, was keiner für möglich hielt: Er machte Purreiter für seine unbewältigte Scheidungsgeschichte verantwortlich, tötete ihn oder ließ ihn töten.

Was auch die Grünen schockiert: Der Mord hat zwar keinen politischen Hintergrund, er ereignete sich aber direkt im Milieu der Grünen. Das Unheil nahm vor rund zwei Jahren seinen Lauf, wenn stimmt, was Polizei und insbesondere Freunde und Familie des 49-Jährigen glauben. Purreiter unterstützte die Frau des tatverdächtigen 50-Jährigen gegen ihren gewalttätigen Ehemann. Die Frau des mutmaßlichen Mörders ist im Vorstand des Ortsverbands der Grünen. Die heute 43-Jährige wollte mit ihren beiden Töchtern raus aus einer von Gewalt geprägten Ehe. Etliche Hilferufe bei der Polizei stehen für die Leidensgeschichte der Frau. Die Anzeigen mündeten schließlich in einem vor Gericht erwirkten Annäherungsverbot. Auch Purreiter selbst berichtete mehrfach von Bedrohungen durch den Mann und sah sich übler Nachrede ausgesetzt, seit er und seine Frau versuchten zu helfen. Donnerstagnacht folgten Schüsse. Er kam von der Jahreshauptversammlung seiner Partei, als ihn die Täter vor seinem Haus erwarten. Im Umfeld des Realschullehrers wird von einem Auftragsmord gesprochen.

Keine Bestätigung gibt es dafür bislang von der Polizei. Gleiches gilt für das Gerücht, es werde noch nach einem dritten Mann gesucht. Einzig ein Zeugenaufruf mit dem Foto eines Wagens aus dem angrenzenden Landkreis Rastatt nährt die Vorstellung, dass Purreiter von gedungenen Tätern erschossen wurde.

Ein politischer Hintergrund für den Mord ist nicht denkbar, ist man sich in Waldbronn einig. Purreiter hatte viele von sich überzeugt, seit er Mitte der 80er Jahre in die Gemeinde zog und dort beharrlich für Umweltschutz, nachhaltige Politik und mehr Demokratie eintrat. Der Mann, der am 13. November seinen 50. Geburtstag feiern wollte, engagierte sich kontinuierlich, überwand Vorbehalte in der konservativen Gemeinde gegenüber den Grünen, gewann auch die Achtung des einen oder anderen Christdemokraten, die seit Jahr und Tag die stärkste politische Kraft bilden. Lohn dieses Einsatzes war 1989 Purreiters Einzug in den Gemeinderat, zu dem dieses Jahr bei der Kommunalwahl im Juni noch ein Sitz im Kreistag kam.

Wie viel Respekt sich der Vater von drei jetzt 16, 20 und 22 Jahre alten Kindern binnen weniger Jahre in seiner Wahlheimat Waldbronn erworben hatte, wurde auch 2001 bei der Bürgermeisterwahl deutlich. Purreiter trat an, „damit die Grünen das Feld nicht kampflos räumten“ und holte beachtliche 8,9 Prozent. Angesichts der sonstigen Mehrheitsverhältnisse im Ort – derzeit haben die Grünen zwei Sitze im 18-köpfigen Gemeinderat – muss dies auch als Lohn für den unermüdlichen Einsatz der Realschullehrers gewertet werden. Er interessierte sich dafür, was die Menschen bewegt, hörte ihnen zu, vertrat und begründete seine Ansichten, ließ sich aber nie zu persönlichen Angriffen oder schlicht plakativen Behauptungen hinreißen.

Bürgermeister Harald Ehrler von der CDU sprach allen aus dem Herzen, als er sein Entsetzen über den Mord formulierte. „Purreiter wird uns allen fehlen.“

 

18.10.2004

www.tagesspiegel.de

 

 

 


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