Schulschwänzer


 

 

Der tapfere Schulschwänzer

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Filmdaten

Deutscher Titel: Der tapfere Schulschwänzer

Originaltitel: Der tapfere Schulschwänzer

Produktionsland: DDR

Erscheinungsjahr: 1967

Länge: 67 Minuten

Originalsprache: Deutsch

 

Stab

Regie: Winfried Junge

Drehbuch: Wera Küchenmeister,

Claus Küchenmeister,

Winfried Junge

Musik: Peter Gotthardt

Kamera: Claus Neumann

Schnitt: Lotti Mehnert

 

Besetzung

* André Kallenbach: Thomas Lohmann

* Hartmut Tietz: Dieter, Freund von Thomas

* Günter Ott: Vater von Thomas

* Jessy Rameik: Lehrerin

* Christoph Engel: Schuldirektor

* Ilse Voigt: Oma Krüger

* Susanne Weser: Andrea

* Lutz Erdmann: Arzt

* Dieter Stark: Wirt

* Karl-Heinz Liedko: Abschnittsbevollmächtigter

 

Der tapfere Schulschwänzer ist ein vom DEFA-Studio für Spielfilme, Künstlerische Arbeitsgruppe (KAG) „Berlin“, produzierter Kinderfilm aus dem Jahr 1967. Regie führte inmitten der „kulturellen Eiszeit“, einer Epoche die im Dezember 1965 nach dem XI. Plenum des ZK der SED mit einschneidenen Verboten und Beschränkungen hereinbrach, der Dokumentarfilmer Winfried Junge. Der Kinderfilm blieb des Regisseurs einzige Spielfilminszenierung.

Der Streifen wurde am 17. Dezember 1967 erstmals im Berliner Filmtheater Kosmos gezeigt und am 12. Dezember 1973, am Vorabend des Pioniergeburtstages, erstmals im Fernsehen der DDR ausgestrahlt.

Handlung

An einem schönen Sonnentag muss Thomas aus der Klasse 4a wie immer eine Station mit der Berliner U-Bahn fahren, um zur Schule zu gelangen. Doch der Tag ist zu schön, um ihn auf der Schulbank zu verbringen. So beschließt er, noch ein Stück weiter mit der U-Bahn zu fahren und durch Berlin zu bummeln. Dabei entdeckt er einen Wohnungsbrand und alarmiert die Feuerwehr. So wird er zum Lebensretter für die Bewohner. Doch als die Feuerwehr in die Schule kommt und Thomas dafür auszeichnen will, kommt plötzlich ans Tageslicht, dass er die Schule geschwänzt hat.

 

http://de.wikipedia.org/wiki/Der_tapfere_Schulschw%C3%A4nzer

 

 


 

 

exakt vom 24.07.2007

Knast statt Unterricht - Schulschwänzer vor Gericht

Manuskript des Beitrages

von Anja Riediger

Experten schätzen, dass mittlerweile rund 100.000 Schüler in Deutschland regelmäßig die Schule schwänzen. Drastische Strafen scheinen die Schwänzer nicht abzuschrecken.

An Tagen wie diesem hat Richter Christian Kropp im Amtsgericht Sondershausen schon um 08:00 Uhr morgens schlechte Laune. Anhörungstermine mit hartnäckigen Schulschwänzern, denen Zwangsarrest droht, stehen an. Hunderte solcher Verfahren rauben landesweit Richtern den letzten Nerv.

O-Ton: Christian Kropp, Richter, Amtsgericht Sondershausen

"In den letzten Jahren hat sich das Aufkommen solcher Verfahren boomartig verdrei-, vervierfacht bei uns, in diesem kleinen Bereich. Wir sind ja keine Großstadt wie Erfurt oder Gera, für unsere Verhältnisse. Wir hatten im Jahr schon 60, 70, 80 Verfahren. Das ist frustrierend, wenn man nur noch solche Aktenpakete bekommt. Das kennt man nicht."

Zur gleichen Zeit in der Berufsschule "Am Schacht". In Thüringen kommen Tag für Tag rund 1.400 Schüler einfach nicht zum Unterricht. Die Klassenzimmer des Berufsvorbereitenden Jahres sind besonders leer. Eigentlich ist das eine Chance für die Jugendlichen, ihren Hauptschulabschluss nachzuholen. Doch das interessiert viele nicht.

O-Ton: Detlef Hummel, Lehrer

"Ich rufe Euch einzeln auf."

Trauriger Alltag für Lehrer Detlef Hummel. In dieser Klasse fehlt über die Hälfte aller Schüler - unentschuldigt.

O-Ton: Detlef Hummel, Lehrer

"Beatrix - fehlt. Steffi - fehlt. Toni? Habt Ihr den heute früh schon irgendwo gesehen? Und Michael? - Wenn ich mir den Michael Lensen anschaue, ich bin ja ein Fachlehrer hier, den hab ich in diesem Schuljahr noch nicht einen Tag gesehen."

"Wo sind denn die anderen?"

O-Ton: Schüler

"Keine Ahnung. Im Bette. Galerie. Bier trinken."

O-Ton: Detlef Hummel, Lehrer

"Das Problem Schulschwänzen ist für uns wirklich schwierig. Ich denke mal, als Schule sind wir da ohnmächtig. Wir registrieren das. Wir versuchen die Aussprachen mit den Eltern. Aber mehr oder weniger passiert da nichts."

Zwölf Kilometer westlich von Sondershausen versuchen wir, Michael Lensen zu treffen. Das Schüler-Phantom, das Lehrer Hummel noch nie gesehen hat. Mit 15 ist er einer der jüngeren notorischen Schwänzer. Wir haben Glück, treffen seinen Vater an.

O-Ton: Vater

Reporter: "Da war er nicht da. Da wollten wir mal fragen, wo er ist und ob er noch zur Schule kommt."

"Da müssen wir mal reinkucken, ob er überhaupt drinnen ist."

Michaels Vater will nichts dazu sagen. Er hat viel durchgemacht. Seine Frau war alkoholkrank, vor zweieinhalb Jahren starb sie. Von vier Kindern sind zwei noch schulpflichtig. Vater Lensen hat sich offensichtlich damit abgefunden, dass Michael nicht zur Schule geht.

O-Töne: Michael, Schulschwänzer

Reporter: "Wir wollten dich mal fragen wegen der Schule. Wir waren heute morgen in der Berufsschule. Und du warst nicht da. Kommst du noch?"

"Nö."

Reporter: "Warum nicht?"

"Weil ich keinen Bock darauf habe."

Um nicht mit Arrest bestraft zu werden, hätte Michael gemeinnützige Arbeitsstunden leisten müssen. Doch auch da hat der junge Mann schon 95 Fehlstunden angesammelt.

O-Töne: Michael, Schulschwänzer

Reporter: "Bis wann musste die machen?"

"Bis Ende des Monats."

Reporter: "Und wenn nicht?"

"Dann krieg ich vier Wochen Dauerarrest."

Reporter: "Was denkst Du darüber?"

"Wenn ich Dauerarrest kriege - ist mir eigentlich egal."

Michael schlägt also zu Hause die Zeit tot. Und wo ist die 17-jährige Jenny, die seit Februar nicht in der Berufsschule auftauchte? In einem kleinen Dorf bei Sondershausen soll sie bei ihren Eltern wohnen. Schon mehrfach redeten Klassenleiter und Schuldirektor den Eltern ins Gewissen. Doch die Mutter Brunhilde Gutjahr will nichts bemerkt haben.

O-Ton: Brunhilde Gutjahr, Mutter

Reporter: "Sie dachten, dass sie in der Schule ist?"

"Ja. Sie fährt früh weg und kommt heim, wie normale Schule. Wir arbeiten. Wir gehen früh halb fünf aus dem Haus. Wir sind im Stall unten alle beide."

Auf Nachfrage, wo denn Jenny im Moment sei, heißt es dann, die Eltern hätten ihre Tochter schon seit Tagen nicht mehr gesehen. Zurück zum Amtsgericht. Um die Mittagszeit beginnen die Anhörungstermine. Richter Kropp, hier auch "Richter Gnadenlos" genannt, kennt schon alle seine Klienten aus anderen Strafverfahren. Ob heute überhaupt jemand erscheint, ist fraglich.

Die erste vorgeladene Schulschwänzerin ist tatsächlich gekommen. Die 17-jährige Stefanie fehlte bisher einen Monat beim Unterricht. Ihre Mutter ist sauer.

O-Ton: Mutter

"Sie sagt immer groß, stellst den Wecker mit. Kommst runter und weckst mich. Ich weck sie, aber ich krieg sie nicht aus dem Bett. An den Haaren kann ich sie ja nicht raus zerren. Ich geh paar mal runter und da hab ich schon so einen Hals."

O-Ton: Stefanie

"Und wenn ich jetzt weiß, dass ich das Schuljahr nicht schaffe. - Warum soll ich mich jetzt noch hinsetzen und was lernen, wenn ich sowieso wiederholen muss?"

O-Ton: Christian Kropp, Richter, Amtsgericht Sondershausen

"Dann gehen wir mal rein."

Im Gerichtssaal wird Stefanie beteuern, sie hätte immerhin die ihr aufgebrummten Arbeitsstunden komplett abgeleistet. Nun muss das Gericht recherchieren, ob das stimmt. Wenn ja, kann ihr der Arrest erlassen werden. Aber ob sie morgen zur Schule gehen wird, will Stefanie noch nicht versprechen.

Als nächste erscheint Steffi, 16 Jahre alt, mit ihrer Mutter. Die Drohung vom Jugendarrest schreckt sie nicht ab, denn sie hat schon mal eine Woche absolviert.

O-Ton: Steffi

"Dann hab ich mich mit den Leuten vertragen. Das war eigentlich schon so wie Wohnheim, würde ich mal sagen."

O-Töne: Mutter

Reporter: "Hat es was genützt?"

"Nein. Es war nicht abschreckend."

Reporter: "Können Sie was machen, wenn Steffi nicht zur Schule geht?"

"Nein, eigentlich nicht. Ich hab alles probiert. Ich war auf dem Jugendamt. Fast jede Woche bin ich aufs Jugendamt gerannt. Aber es hat nichts gebracht."

O-Ton: Christian Kropp, Richter, Amtsgericht Sondershausen

"Dann kommen Sie mal rein."

Stefanie versichert dem Richter, sie wolle nun ihre 100 Strafstunden abarbeiten, um den nächsten Arrest zu verhindern. Sofort, ganz fleißig. Nun ja ...

O-Ton: Christian Kropp, Richter, Amtsgericht Sondershausen

"Ich hab so negative Erfahrungen, dass ich gar nichts erwarte. Da hat eine dieser beiden, die es mir heute erklärt haben, hoch und heilig versprochen, Arbeitsstunden zu machen. - Da rechne ich gar nicht mit. - Wenn doch, freut's mich. Was ich mache, ist vielfach sinnlos, ganz ehrlich gesagt. Denn sie sind nicht zu motivieren, die jungen Leute von heute. Nicht zu motivieren, in die Schule zu gehen, nicht zu motivieren, zu arbeiten. Arrest wird als Spaß, als Fun empfunden. Das macht man noch mal und noch mal. Man lebt ja in der sozialen Hängematte, bei Mutti und Papi, daheim. Man hat sich keine Gedanken zu machen, wie es weitergeht. Und so läuft das weiter, wie ein Kreislauf."

Christian Kropp jedenfalls hat für sich entschieden: jetzt ist Schluss. In Zukunft will er die Arrest-Verfahren bei hartnäckigen Wiederholungstätern einfach abbrechen. Zeit und Geld der Justizbehörden sind ihm für die Schulschwänzer zu schade.

Zuletzt aktualisiert: 25. Juli 2007

http://www.mdr.de/exakt/4699510.html

 

 


 

Bildung

Berliner Schüler fehlten 139.074 Tage unentschuldigt

Montag, 29. September 2008 22:50 - Von Florentine Anders

 

Der Bezirk Neukölln hält einen traurigen Rekord: Nirgendwo sonst in Berlin schwänzen Schüler die Schule so oft wie hier, wie die Antwort auf eine Kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus zeigt. Das Schwänzen wird für die Eltern teuer. Ein unentschuldigter Tag kostet fünf Euro – und mehr.

Insgesamt haben die Schulen im ersten Halbjahr des vergangenen Schuljahres in den siebten bis zehnten Klassen 139.074 unentschuldigte Fehltage registriert. Zählt man die entschuldigten Fehlzeiten wegen Krankheit, Reisen oder Familienfeiern hinzu, kommen die Schüler auf 642.646 Tage. Das heißt: 21 Prozent der versäumten Tage an den Schulen bleiben unentschuldigt.

Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Abgeordneten Mieke Senftleben hervor. Am häufigsten schwänzen die Schüler in Neukölln den Unterricht. Hier wurden 21.861 Tage als unentschuldigt auf den Halbjahreszeugnissen vermerkt. Aber auch die entschuldigten Fehltage sind hier sehr hoch. Insgesamt versäumten die Schüler in Neukölln in dem halben Schuljahr 71.925Tage. Zu den Spitzenreitern gehören außerdem die Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg.

Am besten schneiden Pankow, Treptow-Köpenick und Steglitz-Zehlendorf ab. Die wenigsten Fehltage wurden in den Bezirken Pankow und Treptow-Köpenick bei den Schülern der siebenten bis zehnten Klassen verzeichnet. Am stärksten verbreitet ist das Schwänzen unter den Schülern an Hauptschulen. An zweiter Stelle stehen die Förderschulen und an dritter Stelle die verbundenen Haupt- und Realschulen. Seltener ist das unentschuldigte Fehlen an Gymnasien. Die Grundschulen wurden in der Statistik nicht erfasst.

An Hauptschulen ist das Problem am stärksten ausgeprägt. Von der gesamten Unterrichtszeit wurden hier im vergangenen Schuljahr 5,5 Prozent geschwänzt. Den Bildungsstadtrat von Neukölln, Wolfgang Schimmang (SPD), überrascht das nicht. Seit Jahren kämpfe der Bezirk gegen das Schwänzen der Schüler an, trotzdem würden die Zahlen nicht zurückgehen. Das Schwänzen sei vor allem ein Problem in den bildungsfernen Schichten. 15 Prozent der Eltern würden schon die Anmeldung ihrer Kinder in der ersten Klasse versäumen.

In Neukölln werden unentschuldigte Fehltage hart geahndet. Wenn ein Schüler trotz Gesprächen mit den Eltern weiter fehlt, wird die Schulaufsicht von der Schule eingeschaltet. Dann erhalten die Eltern eine schriftliche Abmahnung. Sollte auch das keine Wirkung zeigen, wird ein Bußgeldbescheid ausgestellt. Ein unentschuldigter Tag kostet in Neukölln fünf Euro. Hinzu kommt eine einmalige Bearbeitungsgebühr von 50 Euro. Im vergangenen Jahr gab es 1000 Versäumnisanzeigen und 180 Bußgeldbescheide im Bezirk. Verweigert der Schüler weiterhin den Unterricht, wird die Polizei eingeschaltet. Insgesamt hat der Bezirk in 30 Fällen die Schüler von der Polizei zur Schule bringen lassen. Im Januar soll in Buckow das erste Internat für Dauerschwänzer eingerichtet werden.

Laut Schulgesetz sollen die Schulen nach zehn Tagen eine Versäumnisanzeige bei der Schulaufsicht machen. "Die Frist ist zu lang", sagt Mieke Senftleben, bildungspolitische Sprecherin der FDP. Die Maßnahmen müssten sofort greifen. Zudem fordert sie einen engeren Austausch zwischen den Grundschulen und Oberschulen.

Nicht beantworten konnte die Bildungsverwaltung die Frage der FDP-Abgeordneten nach den Fehlzeiten der Lehrer. Der Hauptpersonalrat habe der Auswertung dieser Daten ausdrücklich widersprochen, heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage. "Das ist ein Skandal", sagt Mieke Senftleben. Gerade diese Zahlen könnten aufschlussreich sein. Möglicherweise gebe es genau in den Schulen mit vielen Schwänzern auch viele kranke Lehrer.

http://www.morgenpost.de/berlin/article898975/Berliner_Schueler_fehlten_139_074_Tage_unentschuldigt.html

 

 


 

 

 

22.01.2008

FOCUS

Schulschwänzer

Mutter zu Bewährungsstrafe verurteilt

Wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht ist eine Mutter vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden.

Das Gericht sah es am Dienstag als erwiesen an, dass drei ihrer schulpflichtigen Kinder so lange der Schule fernblieben, dass sie in ihrer schulischen Entwicklung gefährdet sind. Die 17-jährige Tochter, die 2007 die Schule offiziell beendete, hatte nach Angaben eines Mitarbeiters vom Schulamt das komplette zweite Halbjahr gefehlt. Ihr 15-jähriger Bruder hatte es bis Ende des Schuljahres 2006/2007 auf insgesamt 477, dessen siebenjährige Schwester bereits auf 94 Fehltage gebracht.

Kinder aus „Bequemlichkeit“ nicht geschickt

Dem Urteil zufolge hatte es die 33-jährige Frau, die sich im Wesentlichen allein um die Kinder kümmert, aus „Gleichgültigkeit und Bequemlichkeit“ unterlassen, alles zu tun, damit ihre Kinder zur Schule gehen. Sie habe aber auch keine Hilfe in Anspruch genommen. Nach Aussage der Angeklagten hatte sie es gar nicht bemerkt, dass die Kinder so häufig schwänzten. Wenn es ihr aufgefallen sei, dann hätten sie Ärger mit ihr bekommen, „aber es hat nichts genützt“, sagte sie.

Der Richter sprach von einem „Dominoeffekt in der Familie“, der inzwischen auch den sechsjährigen Sohn der Angeklagten, der die erste Klasse besucht, erfasst habe. Um der Mutter das „Unrecht vor Augen zu führen“ und aus „generalpräventiven Gründen“ hielt das Gericht eine Bewährungsstrafe für angemessen. Sollten ihre Kinder wieder schwänzen, droht der Mutter nun das Gefängnis. „Wer keine Schulbildung hat, hat verdammt schlechte Chancen in diesem Land“, mahnte der Richter. löh/ddp

 

 

http://www.focus.de/panorama/welt/schulschwaenzer_aid_234627.html

 

 

 


 

 

22.01.2008 Schrift

Eine Mutter vor Gericht

Schulschwänzen mit Dominoeffekt

Wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht ist eine 33-jährige Mutter in Berlin zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. 

VON UTA EISENHARDT

Verstöße gegen die Schulpflicht gelten als Ordnungswidrigkeiten. Doch wer seine Kinder nicht regelmäßig zur Schule schickt, riskiert neben einem Bußgeld auch eine Verurteilung wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht. So erging es jetzt der Deutschpolin Krystyna H., die mindestens seit Dezember 2004 bei dreien ihrer fünf Kinder die Schulpflicht missachtete. In diesen drei Jahren sammelte allein ihr heute 14-jähriger Sohn über 500 Fehltage. Gestern wurde die 33-Jährige vom Amtsgericht Tiergarten zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt. Drei Jahre lang muss sie die Auflagen des Gerichts erkennbar erfüllen. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit einem Bewährungshelfer und dem Jugendamt, das ihr seit einem halben Jahr eine Familienhelferin zur Seite stellt.

"Ich verspreche, dass ich jetzt meine Kinder jeden Tag zur Schule schicke", sagt die kleine, füllige Frau mit dem stumpfen Gesichtsausdruck. Ihre Beteuerung klingt wie: "Bitte lassen Sie mich in Ruhe!" Das Wort "Bewährung", das sie nach der Verurteilung dem Vater ihrer Kinder zuruft, klingt fast wie ein Siegesschrei. Wahrscheinlich hat die sechsmal vorbestrafte Kleinkriminelle, die nach eigenen Angaben deutsche Texte nur schlecht lesen kann, nicht verstanden, dass sie dem Gefängnis noch nie so nahe war.

 

 

Denn selbst als ihr vor sieben Monaten die Anklage zugestellt wurde, änderte sich bis heute nichts an ihrem Verhalten. Im Sommer des vergangenen Jahres endete zwar für ihre älteste, 17-jährige Tochter die Schulpflicht, doch die Lücke füllte sofort der jüngste Sohn: Der Erstklässler schwänzte bis zum heutigen Tag bereits 38-mal die Schule - über ein Drittel des Unterrichts. "Das war wie ein Dominoeffekt innerhalb der Familie", schlussfolgerte Amtsrichter Volker Kaehne. "Einer fängt an, die anderen machen mit." Die anderen, das sind der 14-jährige Juliano, die 7-jährige Lorena und jener Erstklässler, dessen Verstoß gegen die Schulpflicht jedoch noch gar nicht von der Anklage erfasst wurde.

"Meine Töchter und mein Sohn wollten nicht in die Schule gehen", sagt die Angeklagte dem Richter. "Ich habe sie geweckt und zur Schule geschickt, aber wohin sie gegangen sind, weiß ich nicht." Das Schwänzen habe sie erst bemerkt, als der Schuldirektor bei ihr anrief. Die Kinder erschienen nämlich stets pünktlich am Nachmittag zu Hause. Sie wolle schon, dass die Kinder zur Schule gehen, um etwas zu lernen, sagt Krystyna H. Aber sie hätten nicht auf sie gehört, und sie habe nicht gewusst, dass es so etwas wie eine Familienhelferin gibt. Das dementiert ein Mitarbeiter des Schulamtes als Zeuge vor Gericht. Man habe der Angeklagten seit langem diverse Hilfen angeboten, nachdem die Verhängung von Bußgeldern nichts genutzt habe. Doch erst als man H. wegen der inzwischen 4.000 Euro Bußgeld in Erzwingungshaft setzen wollte, habe diese sich gerührt. Man einigte sich mit ihr auf 20-Euro-Raten, doch auch diese seien bislang nicht gezahlt worden.

Weil die drei Kinder auch in diesem Schuljahr nicht regelmäßig zur Schule kamen, plant das Schulamt nun den Gang ans Familiengericht. Dort kann man der unfähigen Mutter auch das Sorgerecht entziehen. Warum sie die Kinder nicht bis zur Schule begleitet habe, will die Staatsanwältin wissen. Sie habe ein zweijähriges Kind, antwortet die Angeklagte. "Bis zur Schule ist es ein bisschen weit. Muss man mit der U-Bahn fahren." Was sie sagt, klingt nach Gleichgültigkeit und Bequemlichkeit - und nach Unbildung.

http://www.taz.de/regional/berlin/aktuell/artikel/1/schulschwaenzen-mit-dominoeffekt/?src=SZ&cHash=f2e9d80c28

 

 

 

 


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