Sippenhaft
Die Frau des Attentäters
Anna Riek
Einen Tag nach dem missglückten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 musste Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg ihren Kindern mitteilen, dass ihr Mann Claus hingerichtet worden war. Sie sagte ihnen auch, dass sie ein fünftes Kind erwartete. Jene Tochter Konstanze, die ihren Vater nie kennenlernte, hat jetzt ein Buch über ihre Mutter geschrieben. [mehr]
Konstanze Schulthess zeichnet das Porträt ihrer Mutter Nina Schenk Gräfin von Stauffenberg als eine starke, selbständige Frau, die von den Nazis in "Sippenhaft" genommen wurde. Getrennt von ihren Kindern durchlitt sie eine Irrfahrt durch Gefängnisse, das KZ Ravensbrück, Flüchtlingslager und Krankenhäuser. Ihre Mutter Nina sei keineswegs die ahnungslose, unzufriedene Ehefrau im Hintergrund gewesen -sondern eine ebenbürtige Partnerin, in die Attentatspläne eingeweiht und überzeugt, dass Claus das Richtige tue.
Am Abend des 20. Juli 1944: Der Anschlag auf Hitler ist gescheitert. Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der die Bombe gelegt hat, muss die Tat mit dem Leben bezahlen. Zur gleichen Zeit im Schloss der Familie Stauffenberg im schwäbischen Lautlingen: Nina von Stauffenberg verbringt mit ihren vier Kindern hier die Ferien. Dort erreicht sie die Nachricht, dass ihr Mann der der Attentäter war. Jetzt muss sie den Kindern mitteilen, dass der Vater erschossen wurde. Und noch etwas sagt sie ihnen: dass sie mit einem fünften Kind schwanger ist.
Die Mitwisserin musste verleugnen
Diese - damals noch ungeborene - Tochter Konstanze - hat nun ein Buch über die Mutter geschrieben und über ihren Versuch, die Familie vor der Rache der Nazis zu schützen. Konstanze Schulthess erzählt: "Den beiden Älteren hat sie gesagt 'Es ist etwas Furchtbares passiert, unser Papi ist erschossen worden. Der Papi hat sich geirrt, und dann ist er eben erschossen worden.' Weil Mutter auch damit gerechnet hat, dass die Kinder befragt werden würden; damit die Kinder nicht sagen 'Unser Papi, den hat der blöde Hitler erschossen.' Das war ein Schutz für die Kinder." Nina von Stauffenberg muss damals vor den Kindern ihren Mann verleugnen. Dabei war sie seine Mitwisserin.
Im Jahre 1969 sagte Nina von Stauffenberg: "Für den Fall des Misslingens hatte ich den Auftrag, mich unwissend zu stellen, ja, ihn zu verurteilen - damit ich wenigstens den Kindern erhalten bleibe." Nina und Claus heirateten 1933 - aus Liebe. Doch sie lernt schnell: Für ihn hat der Dienst immer Vorrang. Er ist mit Leib und Seele Soldat. Zunächst sympathisiert Claus mit den Nazis. Aber angesichts der aggressiven Kriegspolitik und der Verbrechen im Osten wird er zum Gegner Hitlers.
Eine schwere Kriegsverletzung 1943 ist für Claus der Wendepunkt. Im Lazarett in München weiht er Nina in seine Pläne ein. Nina von Stauffenberg erinnert sich 1969: "Ich habe nicht versucht, mich dazwischen zu stellen. Wenn jemand wie er zu solch einem Entschluss kommt, wusste ich, dass er im Recht war." Nina lässt sich damals ihre Angst nie anmerken. Dabei weiß sie, dass sie ihr Leben riskiert.
Nach dem Attentat fällt die ganze Familie der Sippenhaft zum Opfer. Nina kann sich im Gestapo-Verhör als unwissende Hausfrau darstellen, verrät niemanden. Sie kommt im KZ Ravensbrück in Isolationshaft. Hier entwickelt sie ihre eigene Überlebensstrategie. Sie veranstaltet Musik- und Literaturabende - mit sich selbst. "Die Schwangerschaft hat für sie sicher bedeutet, sich nicht unterkriegen zu lassen und nicht aufzugeben, sondern eben auch für dieses Kind am Leben zu bleiben", so Konstanze Schulthess. Wo ihre anderen vier Kinder geblieben sind, weiß Nina nicht. Die Nazis haben sie unter falschem Namen in das Kinder-Heim Bad Sachsa im Harz verschleppt. Sie sollten später zur Adoption freigegeben werden.
Hartnäckigkeit und Widerstandsgeist
Im Januar '45 wird Konstanze in einem Entbindungsheim der Nazis geboren. Im selben Jahr stirbt Ninas Mutter Anna von Lerchenfeldt in einem russischen Lager an den Folgen der Sippenhaft. Kurz vor Kriegsende wird Nina mit dem Baby von einem Gestapomann quer durch Deutschland getrieben. Mit Hartnäckigkeit und Widerstandsgeist zwingt sie ihren Bewacher jedoch, sie gehen zu lassen. Konstanze Schulthess: "Meine Mutter war unterwegs und landete in Hof, und das war für sie eine ganz, ganz schlimme Zeit mit diesem Gestapomann. Sie sagte sich 'Wenn mir hier was passiert, kein Mensch weiß wo ich bin, ich geh dann einfach verloren.' Nachher landete sie in einem Siedlungshaus. Und dann hieß es aber 'Es geht weiter'. Da hat sie sich auf die Hinterbeine gestellt und hat gesagt 'Ich geh nicht weiter'. Und der Gestapomann hat darauf geantwortet 'Dann geh ich eben'.'"
Nach dem Krieg findet Nina mit ihren Kindern im Stauffenberg'schen Schloss bei der Schwiegermutter einen Unterschlupf. Ihre Trauer lässt sie sich nie anmerken. Konstanze Schulthess: "In meiner Erinnerung war sie nie depressiv oder traumatisiert. Das hat sie wunderbar vor uns Kindern zurückgehalten. Das hat sie mit sich selber ausgemacht." Nina setzt später alles daran, nach Bamberg in ihr zerstörtes Elternhaus zurückzukehren. 1953 gelingt es ihr. Sie lebt von der Witwenrente und engagiert sich für die Deutsch-Amerikanische Freundschaft und den Denkmalschutz. Geheiratet hat sie nicht noch mal.
Das Leben riskiert
"Es ist in ihren Augen keiner gekommen, der ihm hätte das Wasser reichen können", so die Tochter. Nina von Stauffenberg starb 2006. Sie überlebte ihren Mann um 62 Jahre. Das Buch zeigt: Sie hat, wie auch die anderen Frauen des 20. Juli, ihr Leben riskiert. Ohne ihre Unterstützung wären die Taten ihrer Männer nicht möglich gewesen.
von Anna Riek
http://aspekte.zdf.de/ZDFde/inhalt/13/0,1872,7226317,00.html
Die Frau des Attentäters
Das Leben der Nina von Stauffenberg
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/479504?inPopup=true
Wenn der Vater in der Todeszelle sitzt
Kinder von Strafgefangenen in China - Die China-Nacht Sie sind zum Tode verurteilt oder schon hingerichtet. In keinem Land der Welt werden laut Amnesty International pro Kopf der Bevölkerung mehr Todesurteile gefällt als in China.
Um die Kinder der Verurteilten kümmert sich niemand, weder der Staat noch die Verwandten. Kinder von Straftätern sind stigmatisiert.
Gewöhnliche Waisenhäuser nehmen diese Kinder nicht auf, denn der Sippenhaftgedanke ist auch im modernen China immer noch fest verankert.
Und so leben viele dieser Kinder auf der Straße, können nicht in die Schule gehen, müssen arbeiten. Manche werden an Bettlerringe verkauft, einige sind auch schon an Hunger und Entkräftung gestorben.
NDR Fernsehen
Dienstag, 07.08.2007 um 01.15 Uhr (bis 01:45 Uhr)
http://www3.ndr.de/ndrtv_pages_special/0,,SPM2376,00.html?SID=89502791