Tatmotiv
Drama: Mordkommission hat Spurensicherung abgeschlossen
Familie getötet - Bad Bramstedt trägt Trauer
Vieles spricht dafür, dass der Vater die Tat beging. Aber weiterhin keine Klarheit über das Motiv.
Bilder der Tragödie.
Von Wolfgang Klietz, Florian Büh, Matthias Düngelhoff
Die ehemaligen Nachbarn in diesem Haus in Bottrop erinnern sich gern an Rüdiger W.: "Ein höflicher Mann."
Foto: B.Schweizer
Bad Bramstedt -
Blumen liegen vor der Haustür, Kerzen brennen. Der Eingang zum gelben Haus am Landweg in Bad Bramstedt ist ein Ort der Trauer um die Familie W. Am Freitag, als sich die Nachricht vom Tod des Ehepaares und der beiden Kinder im Kurort herumgesprochen hatte, haben sich viele Bramstedter den Schock von der Seele geredet. Jetzt schweigen sie.
Für den Kieler Staatsanwalt Uwe Wick spricht einiges dafür, "dass der 38-jährige Rüdiger W. seine Frau und die beiden Kinder tötete und dann sich selbst". Aber warum entschließt sich ein Mensch, seine Familie und sich selbst auszulöschen? Heute und morgen wird die 13 000-Einwohner-Stadt Trauer tragen. Bürgermeister Hans-Jürgen Kütbach hat angeordnet, dass halbmast geflaggt wird. In den Schulklassen der beiden toten Kinder stehen Lehrern und Mitschülern schwere Stunden bevor. "Wir müssen Trauerarbeit leisten", heißt es aus der Stadtverwaltung.
Die Spurensicherung hat ihre Arbeit beendet. Die beiden Eingangstüren zum Erdgeschoss sind mit Dienstsiegeln verklebt. Vor den Fenstern sind alle Jalousien heruntergelassen.
Jennifer und Rüdiger W. verbrachten 2008 mit den Kindern Urlaub in Kitzbühel. Zeugen berichten von einer fröhlichen Familie.
Jennifer und Rüdiger W. verbrachten 2008 mit den Kindern Urlaub in Kitzbühel. Zeugen berichten von einer fröhlichen Familie. Foto: BÜH
Wie berichtet, hatte Polizisten am Donnerstagabend die Wohnung nach einer Vermisstenmeldung aufbrechen lassen und die Leichen von Rüdiger und Jennifer W. (genannt "Jenny") sowie der Kinder Angelina (12) und Justin B. (11) entdeckt. Das Mädchen und der Junge stammen aus der ersten Ehe von Jennifer W. Was genau in der Nacht zum Donnerstag geschah, ist weiter ungeklärt. Auch über die Art und Weise, wie die Familie ums Leben kam, schweigen die Ermittler. Nur so viel sagte ein Beamter: "Es gab kein Blutbad." Dass ein Unbekannter die Familie auslöschte, schließen die Ermittler der Kieler Mordkommission aus. Wick hatte am Freitag "familiäre Gründe" als Motiv genannt. Spekuliert wird aber auch über finanzielle Sorgen bis zum Offenbarungseid von Rüdiger W. Doch dagegen spricht, dass die Miete (600 Euro warm) stets pünktlich bezahlt wurde und die Familie oft auf Reisen war.
Die vier waren erst vor wenigen Monaten von Bottrop nach Bad Bramstedt gezogen. Im Ruhrgebiet hatten sie in einem Wohnblock an der Ernst-Moritz-Arndt-Straße gewohnt - eine einfache, aber gepflegte Arbeitergegend. Dass die Familie, die hier rund vier Jahre im Erdgeschoss lebte, nun tot in Bad Bramstedt aufgefunden wurde - die Menschen im Viertel können es nicht fassen. "Gerade er war ein so höflicher Mann", sagt ein ehemals benachbartes Paar. Rüdiger W. sei zu einer solchen Tat nicht fähig, meint eine Frau. Was sie an der Nachricht vor allem schockiert, ist der Tod der Kinder. "Sie können doch nichts für die Probleme der Eltern. Warum zieht man sie da hinein?" Eine 60 Jahre alte Frau berichtet aber auch über Konflikte mit Jennifer W. "Manchmal hatte ich Angst vor ihr", sagt sie. Dennoch: Die Familie habe bei ihrem Umzug Ende 2008 einen fröhlichen Eindruck gemacht.
Am 20. Dezember 2007 hatten Jennifer und Rüdiger W. geheiratet. Danach ist die Familie oft verreist. Sie machte Urlaub in Kitzbühel, auf Helgoland und am Bodensee. Gemeinsam besuchten sie außerdem ein Spiel der Fußball-Europameisterschaft. Die Familie leistete sich die Urlaube, obwohl Rüdiger W. nach seiner Tätigkeit bei der Bundeswehr (Artillerieregiment 7) länger arbeitslos war. Schließlich fand er einen Job in Schenefeld bei Hamburg. Deswegen war die Familie in den Norden gezogen.
Alle Familiemitglieder haben oft mit ihren Spitznamen im Internet gechattet. Angelina war "Babyzicke", Justin nannte sich "Schmusebär". "Zicke" hieß die Mutter Jennifer, Rüdiger W. benannte sich nach dem Computerspiel "Tux Racer" und schrieb ein Internet-Tagebuch (Blog). Viele seiner Texte und die Fotos von den Reisen zeigen das Bild einer glücklichen Familie. "Ich liebe Dich", schrieb "Zicke" am 4. November 2008 an ihren "Tux Racer". Er antwortete vier Tage später: "... und ich Dich noch mehr." Auch die Angehörigen von Rüdiger W. gingen offenbar von einer harmonischen Partnerschaft aus. Am 8. Dezember 2008 schrieb ein enges Familienmitglied an Rüdiger W.: "Ihr beide seid ein tolles Paar, ultimativ mit Energie für die Herausforderungen, die Euch das Leben stellt. Ihr beide schafft alles zusammen." Und weiter: "Damit es alle wissen, Rüdiger ist der ehrlichste und korrekteste Mensch den ich kenne."
Das ist die fröhliche Seite von Rüdiger W. Die andere: Er hatte gesundheitliche Probleme, litt unter schweren Allergien. Die Luft im Norden habe ihm gutgetan, schrieb er. Außerdem gab es noch ungelöste Konflikte mit einer früheren Partnerin. Er habe einen Kampf verloren, schrieb W. nebulös im Oktober 2008. "Aber die Schlacht entscheidet sich erst viel später." Das Familiendrama von Bad Bramstedt ist noch längst nicht aufgeklärt.
erschienen am 23. Februar 2009
http://www.abendblatt.de/daten/2009/02/23/1059443.html
Kommentar Väternotruf:
"Familiäre Gründe" soll der Kieler Staatsanwalt Uwe Wick als Tatmotiv genannt haben. "Familiäre Gründe" das ist immer eine gute Begründung, denn "Familiäre Gründe" haben wir ja alle. Auch Staatsanwalt Uwe Wick hat familiäre Gründe, warum er als Staatsanwalt arbeitet. Da spart man sich jede Menge Nachfragen und das spart der Staatsanwaltschaft doch eine Menge Zeit.
Wenn wir jedoch zukünftige Familiendramen der obigen Art reduzieren wollen, dann kommen wir nicht umhin, uns auch den Motiven zuzuwenden, denn nur so kann man präventiv wirksam werden. "Familiäre Gründe" als der Weisheit letzter Schluss reicht da schlichtweg nicht aus, andernfalls könnte man auch da auch gleich die Christian-Albrechts-Universität Kiel mitsamt dem Institut für Sanktionenrecht und Kriminologie - Direktorin Prof. Dr. jur. Monika Frommel sparen, denn wozu sollen die noch forschen und Steuergelder verbrauchen, wenn man schon einfache Erklärungen wie "Familiäre Gründe" hat`?