Transsexualität
Streit um elfjährige Transsexuelle: Alex soll in die Psychiatrie
23. 3. 2012, 19:43 Uhr
Heide Oestreich
Inlandsredakteurin
Die transsexuelle Alex fühlt sich als Mädchen und lebt auch so. Nun urteilte ein
Gericht, dass ihre Mutter die Transexualität „induziert“ habe. Das Kind soll in
die Psychiatrie.
Alex fühlt sich als Mädchen. Bild: privat
BERLIN taz | Die transsexuelle Alex Kaminski (Name geändert) darf in die
Psychiatrie eingewiesen werden. Dies entschied das Berliner Kammergericht am
Donnerstag. Die Mutter der Elfjährigen hatte gegen die Entscheidung des
Jugendamts geklagt und verloren. Ihr Anwalt kündigte an, vors Verfassungsgericht
zu ziehen.
Das Kind, das sich sein Leben lang als Mädchen fühlt und wie ein Mädchen lebt,
darf nun in die Berliner Charité zwangseingewiesen werden. Das Jugendamt konnte
diese Entscheidung treffen, weil die getrennt lebenden Eltern unterschiedliche
Auffassungen über die medizinische Behandlung des Kindes hatten und die
Gesundheitsfürsorge deshalb ans Jugendamt abgetreten hatten. Dort vertrat eine
Pflegerin die Auffassung, Alex solle in der Charité stationär behandelt werden
und anschließend in eine Pflegefamilie wechseln.
Die Pflegerin meint, die Mutter habe die Transsexualität des Kindes „induziert“,
deshalb müsse Alex aus ihrem Einflussbereich gebracht werden. In der Charité
geht es darum, Alex sein „biologisches“ Geschlecht nahe zu bringen und
„geschlechtsatypisches Verhalten“ zu „unterbinden“, erklärt Chefarzt Klaus Beier
die Therapie. Das bezeichnet die Hamburger Sexualwissenschaftlerin Hertha
Richter-Appelt als „überholten Standpunkt“. Eine Zwangseinweisung erscheint ihr
unklug. Ob die Mutter die Transsexualität induziere, könne auch in einer
ambulant festgestellt werden.
Kein Gutachten erforderlich
Mutter und Tochter baten darum, psychiatrisch begutachtet zu werden. Doch diese
Begutachtung lehnte das Kammergericht nun ab. Ein Gutachten sei nicht
erforderlich, zitiert der Anwalt der Familie aus dem Beschluss. Die Ausführungen
der Pflegerin seien nachvollziehbar, die angestrebte stationäre Diagnostik liege
in deren Ermessen. Demgegenüber sei der Mutter vorzuwerfen, dass sie
beabsichtige, das Kind an den Unikliniken in Hamburg und Frankfurt am Main – den
einzigen Spezialisten für Transsexualität im Kindes- und Jugendalter in
Deutschland – vorzustellen.
Der Anwalt der Kaminskis nennt den Beschluss „erschreckend“: „Die Ansicht, dass
eine Transsexualität über Jahre hinweg und widerspruchslos ’induziert‘ werden
könne, wird nirgends in der Fachliteratur vertreten. Das ist eine Erfindung
dieser Pflegerin.“ Diese habe sich nur ein einziges Mal eine Stunde lang mit dem
Kind unterhalten – dessen Ansichten habe sie ignoriert.
Anwalt und Familie wollen nun vors Bundesverfassungsgericht ziehen. In
Sorgerechtsangelegenheiten könne dies sehr schnell entscheiden, so der Anwalt,
von Karlsruhe werde das Recht des Kindes in der Regel ernst genommen.
Internationale Unterschriftenkampagne
Unterstützung bekommt Alex auch von MenschenrechtsaktivistInnen. Am Montag um 15
Uhr wird das „Aktionsbündnis Alex“ vor der Berliner Senatsverwaltung für Jugend
demonstrieren, Motto: „Zwangspsychiatrisierung von Alex sofort stoppen!“ „Dies
ist keine Einzelgeschichte“, heißt es in dem Aufruf. „Institutionen wie das
Jugendamt und die Charité üben durch Zwang und psychischen Druck Gewalt auf
Menschen aus! Jedes Geschlecht und jede Geschlechtsidentität ist ein Recht,
keine Krankheit.“
Auch eine Unterschriftenkampagne ist auf den Weg gebracht. Die britische
transsexuelle Aktivistin Katrina Swales startete sie auf Change.org. An Berlins
Bürgermeister Klaus Wowereit gerichtet, heißt es dort: „Diesem jungen Mädchen
wird beigebracht, dass seine Gefühle falsch sind, es wird somit immer mehr in
jene Selbstverneinung gedrängt, welche schon das Leben so vieler Transsexueller
gefordert hat.“ Unterschrieben haben über 9.000 Menschen.
Und Alex? Wollte diese Krise mit der Hilfe eines Therapeuten durchstehen. Doch
das Jugendamt lehnte auch das ab.
Berichtigung
Auf www.taz.de war unter der Überschrift „Alex soll in die Psychiatrie“ in einem
Artikel vom 23.3.2012 über den Fall eines transsexuellen Kindes zu lesen: „Die
transsexuelle Alex Kaminski (Name geändert) darf in die Psychiatrie eingewiesen
werden. Dies entschied das Berliner Kammergericht am Donnerstag.“ Diese
Behauptung ist unzutreffend. Zutreffend ist vielmehr, dass das Kammergericht die
Beschwerde der Kindesmutter gegen einen erstinstanzlichen Beschluss des
Amtsgerichts Schöneberg, mit welchem sie erfolglos die Rückübertragung der
Gesundheitssorge für das Kind begehrte, zurückgewiesen hatte.
Weiter hieß es auf www.taz.de dazu: „Das Kind [...] darf nun in die Berliner
Charité zwangseingewiesen werden.“ Abgesehen davon, dass es für eine solche
Maßnahme an einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung fehlt, erklärt die
Berliner Charité hierzu ergänzend, sie sei nicht bereit, das Kind gegen dessen
erklärten Willen oder gegen den erklärten Willen seiner Mutter aufzunehmen. Das
Kind wird also nicht in die Berliner Charité zwangseingewiesen.
Schließlich war in dem Beitrag der taz zu lesen: „In der Charité geht es darum,
Alex sein 'biologisches' Geschlecht nahe zu bringen und 'geschlechtsatypisches
Verhalten' zu 'unterbinden', erklärt Chefarzt Klaus Beier die Therapie.“ Sofern
sich hierdurch der Eindruck ergibt, der Chefarzt Klaus Beier habe sich zu dem
konkreten Fall und unmittelbar gegenüber der taz auf diese Weise geäußert, ist
dieser Eindruck falsch. Den von der taz beschriebenen Fall kenne er nicht,
erklärt Beier.
Gleichwohl war er einer von drei Verfassern des Buches „Sexualmedizin -
Grundlagen und Praxis“, das zuletzt im Jahre 2005 in 2. Auflage veröffentlicht
wurde. In einem namentlich nicht bezeichneten Abschnitt zum therapeutischen
Vorgehen bei Geschlechtsidentitätsstörung heißt es dort: „Folgende
psychotherapeutische Settings haben sich als hilfreich erwiesen [...]: [...]
geschlechtskonforme Verhaltensangebote [...] und adäquate Verhaltensweisen
belohnt [...]. Geschlechtsatypische Verhaltensweisen werden nicht beachtet bzw.
- beiläufig - unterbunden (nicht jedoch sanktioniert).“
Chefarzt Klaus Beier lässt dazu mitteilen, dass er diese Passage nicht selbst
verfasst habe, sondern hierdurch lediglich die Position einer kanadischen
Arbeitsgruppe wiedergegeben werde. Leitete er noch am 12.1.2012 per E-Mail
„einige Originalarbeiten zum Thema“ von anderen Verfassern an die Autorin der
taz weiter, ohne mitzuteilen, dass diese Aufsätze anscheinend nicht ausnahmslos
seine eigene wissenschaftliche Auffassung wiedergeben, bezieht er sich nunmehr
ausdrücklich nur noch auf eine Publikation im Deutschen Ärzteblatt aus dem Jahre
2008, in der das Vorgehen der Charité adäquat beschrieben werde.
Dagegen heißt es in einem anderen der insgesamt drei übersandten Fachaufsätze
zur Behandlung von „Geschlechtsidentitätsstörungen bei Jungen“ übersetzt: Die
spezifischen Ziele, die wir für Jungen haben, sind die Entwicklung eines
positiven Verhältnisses zum Vater (oder einer Vaterfigur), positiver Beziehungen
zu anderen Jungen, geschlechtstypischer Fähigkeiten und Verhaltensweisen, um
sich in die Gruppe Gleichaltriger oder zumindest einen Teil von ihnen einzufügen
und sich als Junge wohlzufühlen. [...] Die Behandlung ist abgeschlossen, wenn
der Junge regelmäßig die Gegenwart gleichgeschlechtlicher Freunde sucht und sein
geschlechtsübergreifendes Verhalten weitgehend normal erscheint.“ Die Redaktion
https://taz.de/Streit-um-elfjaehrige-Transsexuelle/!5097684/
Kommentar Väternotruf:
Erst mal alarmistisch in die Welt hinausposaunen, wie schlimm diese Welt ist und dann im Nachhinein die fehlerhafte und tendenziöse Berichterstattung korrigieren, so kennen wir sie die TAZ, das Wurstblatt für intellektuell beschränkte Oberstudienräte aus Berlin.