Unerlaubte Werbung
Werbung für politische Partei im Briefkasten von Arne S. gelandet?
Beschluss vom 26.10.2021 - 52 T 6/21
LG Berlin, Beschluss vom
26.10.2021 - 52 T 6/21
Fundstelle
openJur 2021, 36128
Rkr: AmtlSlg:
PM:
Zivilrecht
Rubrum
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde
des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Spandau vom 20.09.2021,
Az. 3 C 174/21, abgeändert:
Dem Antragsgegner wird bei Vermeidung eines
in jedem Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000
€, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer in jedem Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere bei dem Antragsgegner zu
vollziehen an dem jeweiligen Bezirksvorstands des Antragsgegners,
untersagt,
dem Antragsteller postalische Werbung trotz eines am
Briefkasten des Antragstellers angebrachten Sperrvermerks "Keine kostenlosen
Zeitungen und Reklame einwerfen" in dessen Briefkasten einzuwerfen bzw.
einwerfen zu lassen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens
beider Instanzen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.000,00
€.
Gründe
I.
Mit dem vorliegenden Unterlassungsantrag wendet
sich der Antragsteller gegen den Einwurf von politischem Werbematerial des
Antragsgegners, das er in seinem Briefkasten vorgefunden hat. Der Antragsteller
wohnt an der im Tenor angegebenen Anschrift. Auf seinem Briefkasten befindet
sich der Hinweis "Keine kostenlosen Zeitungen oder Reklame". Am 19.08.2021 fand
er in seinem Briefkasten die als Anlage ASt 3 eingereichte Wahlwerbung des
Antragsgegners.
Das Amtsgericht Spandau hat den Antrag des Antragstellers
vom 17.09.2021 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom
20.09.2021 zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 27.09.2021 zugestellten Beschluss
hat der Antragsteller am 30.09.2021 sofortige Beschwerde eingelegt, der das
Amtsgericht mit Beschluss vom 12.10.2021 nicht abgeholfen und die Sache dem
Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt hat.
II.
1. Die
sofortige Beschwerde ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. §§ 922 Abs. 1 Satz
1,936 ZPO statthaft und gemäß § 569 Abs. 1 und 2 ZPO form- und fristgerecht
eingelegt worden.
2. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Es bestehen
ein Verfügungsanspruch (hierzu unter a.) und ein Verfügungsgrund (hierzu unter
b.).
a. Es liegt ein Verfügungsanspruch vor. Der Unterlassungsanspruch
des Antragstellers folgt aus §§ 823 Abs.1, 1004 BGB wegen eines Eingriffs in das
allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers.
aa. Das Einlegen von
politischer Werbung in den Briefkasten gegen den ausdrücklichen Willen des
Empfängers stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht des Antragstellers dar.
Zwar ist Briefkastenwerbung
grundsätzlich zulässig, auch wenn keine Einwilligung des Adressaten vorliegt.
Die Zustellung unerwünschten Werbematerials kann zwar als belästigend empfunden
werden, hat aber - beispielsweise im Vergleich zur telefonischen Werbung - nur
eine relativ geringe Beeinträchtigung des persönlichen Bereichs zur Folge.
Grundsätzlich ist daher im Interesse der Wirtschaft hinzunehmen, dass durch die
unverlangte Zusendung von Werbeschriften der Briefkasten gefüllt wird und der
Adressat für die Beseitigung zu sorgen hat. Anders ist dies jedoch zu bewerten,
wenn - wie im vorliegenden Fall durch den Flinweis am Briefkasten, dass weder
kostenlose Zeitungen noch Reklame erwünscht sei - erkennbar ist, dass der
angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht (vgl. § 7 Abs. 1 Satz
2 UWG).
Diese Grundsätze sind auch auf Werbung politischer Parteien
anzuwenden. Dem Recht der Parteien nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG, ihrer
politischen Tätigkeit ungehindert nachgehen zu können, entspricht keine Pflicht
des Bürgers, sich von den Parteien informieren lassen zu müssen. Bei
Werbematerial, mit der die politischen Parteien ihre Inhalte und Zielrichtungen
dem Bürger nahe bringen und auf diese Weise - zumindest mittelbar - auch für
Wählerstimmen werben wollen, besteht kein Anlass zu einer unterschiedlichen
Behandlung von Konsumwerbung und politischer Werbung, da das Ausmaß der Störung
und Beeinträchtigung in beiden Fällen das Gleiche ist. Es besteht mithin kein
Anlass, das Recht des Bürgers auf negative Informationsfreiheit gegenüber
politischer Parteienwerbung einzuschränken (KG Berlin, Urteil vom 21. September
2001 - 9 U 1066/00, NJW 2002, 379 Rn. 5).
Entgegen der Auffassung des
Amtsgerichts Spandau ändert sich an dieser Bewertung auch nichts dadurch, dass
das Flugblatt zu Wahlkampfzeiten in den Briefkasten des Antragstellers eingelegt
worden ist. Eine Differenzierung zwischen Wahlkampf- und Nichtwahlkampfzeiten
findet weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung eine Stütze. Für die Abwägung
zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers und der nach Art. 21 Abs.
1 Satz 1 GG geschützten Betätigungsfreiheit des Antragsgegners bedeutet dies
keinen Unterschied. Politische Werbung mit Flugblättern - unabhängig davon, ob
sie in oder außerhalb von Wahlkampfzeiten erfolgt - dient der Einflussnahme auf
die politische Willensbildung (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 01. August
2002-2 BvR 2135/01, Rn. 7). Insbesondere kleinere Parteien bedürfen dieses
Mittels, um in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu erlangen und ihre Meinung zu
verbreiten. Das Ausmaß der Störung und der Beeinträchtigung des Adressaten durch
die Flugblätter bleibt ebenfalls in und außerhalb von Wahlkampfzeiten gleich.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Spandau ist neben dem bereits an
dem Briefkasten befindlichen Hinweis, dass der Antragsteller neben kostenlosen
Zeitungen und Reklame auch keine Wahlwerbung erhalten wolle, kein weiterer
Hinweis darauf, dass der Antragsteller auch keine Wahlwerbung wünsche,
erforderlich. Der hier streitgegenständliche Sperrvermerk macht erkennbar, dass
der Antragsteller nicht wünscht, dass in seinen Briefkasten Werbung eingeworfen
wird. Hierzu zählt auch Werbung politischer Parteien. Ob ein solcher
Sperrvermerk auch für den Einwurf von Wahlwerbung gilt und somit in jedem Fall
zu beachten wäre, hängt von der Auslegung der durch den Verbraucher abgegebenen
Erklärung ab (BGH, GRUR-RS 2012, 13520; OLG Hamm, GRUR-RR 2011, 469, 470
m.w.N.). Die auf kostenlose Zeitungen und Reklame bezogene ablehnende
Willensbekundung ist dabei so auszulegen, dass dem Antragsteller Werbung als
solche in allen Formen, also auch Wahlwerbung, unerwünscht ist. Durch die
Formulierung des Sperrvermerks, in dem bestimmte Arten von Werbung aufgezählt
werden, macht der Antragsteller deutlich, dass er sich gegen alle Arten von
Werbung wendet und sicherstellen möchte, dass der Sperrvermerk nicht durch
Werbung in Anzeigenblätter mit redaktionellem Inhalt oder ähnliches umgangen
wird.
Zuletzt ändert sich auch nichts an der Bewertung durch die
pandemiebedingten Einschränkungen. Denn entgegen der Auffassung des
Antragsgegners ist nicht ersichtlich, dass durch die hiesige Untersagung
generell eine Flugblattverteilung praktisch verboten werde. Vielmehr bleibt es
dem Antragsgegner unbenommen, Wahlwerbung in Hausbriefkästen ohne entsprechenden
Sperrvermerk einzuwerfen. Im Übrigen bestanden gerichtsbekannt trotz des
Pandemiegeschehens Möglichkeiten klassischer Wahlwerbung wie Informationsstände
an öffentlichen Plätzen.
bb. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners
ist ihm dieser Verstoß auch zurechenbar.
Es ist davon auszugehen, dass
das streitgegenständliche Flugblatt durch damit beauftragte Verteiler des
Antragsgegners und nicht durch Dritte in den Briefkasten des Klägers eingeworfen
worden ist. Es handelt sich unstreitig um ein von dem Antragsgegner
herausgegebenes und in den Verkehr gebrachtes Flugblatt, so dass nach den
Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon auszugehen ist, dass die für den
Antragsgegner tätigen Verteiler das Flugblatt bei dem Antragsteller eingeworfen
haben, da es sich insofern um einen typischen Vorgang handelt. Die lediglich
abstrakte Möglichkeit, dass auch Dritte das Flugblatt in den Briefkasten
eingeworfen haben ... steht der Bejahung des Anscheinsbeweises nicht entgegen
(KG, a.a.O. Rn. 8).
Die lediglich pauschale Behauptung des
Antragsgegners, die Verteiler seien angewiesen worden, das
verfahrensgegenständliche Flugblatt lediglich im Bezirk Pankow zu verteilen,
steht der Bejahung des Anscheinsbeweises ebenfalls nicht entgegen und ist
überdies nicht geeignet, diesen zu erschüttern. Dass es eine entsprechende
Anweisung des Antragsgegners gab, hat der Antragsgegner in seiner
Beschwerdebegründung zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Eine
entsprechende Glaubhaftmachung des Antragsgegners fehlt.
Selbst wenn dies
anders sehen würde, wäre der Antragsgegner als Herausgeber des Flugblattes
jedenfalls mittelbarer Störer, da er die Störung veranlasst und nicht dargelegt
hat, dass er alle ihm zu Gebote stehenden rechtlichen und wirtschaftlichen
Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um Rechtsbeeinträchtigungen des Empfängers des
Werbematerials auszuschließen (KG, a.a.O. Rn. 13).
cc. Die erforderliche
Wiederholungsgefahr ist durch den Verstoß indiziert. Eine erneute Einlegung
eines Flugblattes ist jederzeit möglich.
2. Der für den Erlass der
einstweiligen Verfügung nach § 935 ZPO erforderliche Verfügungsgrund ist auch
bei Ansprüchen des Geschädigten wegen unerbetener Werbung nach der ständigen
Rechtsprechung des Kammergerichts zu bejahen, wenn - wie hier - nach dem Versand
der Werbung bis zur Antragstellung weniger als zwei Monate verstrichen sind
(vgl. KG, Urteil vom 02.06.2017, Az. 5 U 196/16, BeckRS 2017, 120098 Rn. 4
m.w.N.).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
4.
Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 48 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. §
3 ZPO.
Gemäß § 3 ZPO ist der Streitwert in bürgerlichen
vermögensrechtlichen Rechtsstreitigkeiten nach freiem Ermessen im Wege der
Schätzung zu ermitteln. Für die Bemessung ist bei einer auf Unterlassung
gerichteten Klage in erster Linie das wirtschaftliche, eigene Interesse des
Unterlassungsgläubigers an der Anspruchsverwirklichung maßgebend (KG, Beschluss
vom 17. Mai 2016 - 5 W 209/15, BeckRS 2016, 129689 Rn. 4; vgl. auch BGH,
Beschluss vom 26. April 1990 - I ZR 58/89, Rn. 19 - Streitwertbemessung). Dieses
Interesse ist nach der Gefährlichkeit (dem "Angriffsfaktor") der zu
unterbindenden Handlung anhand des drohenden Schadens zu bestimmen. Es hängt
unter anderem von den Auswirkungen zukünftiger Verletzungshandlungen (Ausmaß,
Intensität und Häufigkeit, indiziert durch die bereits begangene
Verletzungshandlung) sowie der Intensität der Wiederholungsgefahr
(Verschuldensgrad, nachheriges Verhalten, Unterlassungspflichten gegenüber
Dritten) ab.
Auszugehen ist dabei von einem der ständigen Rechtsprechung
des Kammergerichts für E-Mail-Werbung an Private anzusetzenden
Hauptsachestreitwerts von 3.000,00 € (vgl. KG, Beschluss vom 17.05.2016, Az. 5 W
209/15, BeckRS 2016, 129689 Rn. 9 ff.), der aber aufgrund des erheblich
geringeren Belästigungsfaktors und geringeren Beseitigungsaufwands bei
Briefkastenwerbung auf 1.500,00 € zu reduzieren ist. Für das vorliegende
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind nach der ständigen
Rechtsprechung des Kammergerichts 2/3 des Hauptsachestreitwerts in Ansatz zu
bringen, mithin 2/3 von 1.500,00 €.
https://openjur.de/u/2367509.html
Kommentar Väternotruf:
Der Beschluss der Zivilkammer 52 des Landgerichts Berlin, der auf einem sogenannten Anscheinbeweis aufbaut, kann nicht überzeugen, denn es ist nicht dargelegt, dass der Antragsgegner für einen eventuell erfolgten Einwurf einer Wahlwerbung tatsächlich verantwortlich ist. Es ist nicht undenkbar, dass der Antragsteller und Politaktivist Arne S. die Wahlwerbung selber in seinen Briefkasten geworfen hat, um dann hinterher zu behaupten, der Antragsgegner habe dies getan. Das geht ganz einfach, in der Regel steht in jedem Hausflur eine Kiste für Werbemüll, die Mieter werfen dort Werbung rein, die in ihren Briefkästen gelandet sind. Wenn ich in dem Haus wohne oder Zugang zu dem Haus habe, kann ich also solches Werbematerial nehmen und in Briefkästen werfen, auf denen steht: Werbung unerwünscht.
So könnte ich das z.B. mit Werbung von den Grünen oder der SPD machen, diese Werbung einfach bei Leuten reinwerfen, auf deren Briefkästen steht: Keine Werbung. Und schon haben die Grünen und die SPD eine Abmahnung am Hals und die Zivilkammer 52 am Landgericht Berlin müsste nach der eigenen Rechtsprechung dann diese beiden staatstragenden Parteien in Haftung nehmen, obwohl ihnen nicht nachzuweisen ist, dass sie Werbung in die Briefkästen geworfen haben. Wenn das Schule macht, dann würde es wohl jedes Jahr 100 solcher Fake-Fälle geben, die dann alle bei der 52. Zivilkammer landen, bis die Grünen und die SPD wegen der vielen von der 52. Zivilkammer bejahten Abmahnungen pleite sind, was nicht schlimm wäre, denn diese Parteien braucht kein Mensch mit Selbstachtung.
Dokumentinhalt
Dokumentkopf
Gericht: KG Berlin 5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 17.01.2021
Rechtskraft: ja
Aktenzeichen: 5 W 152/21
ECLI: ECLI:DE:KG:2021:0217.5W152.21.00
Dokumenttyp: Beschluss
Quelle: juris Logo
Normen: § 32 RVG, § 68 GKG, § 63 GKG, § 48 GKG, § 3 ZPO
Dokumentreiter
KurztextLangtext
Leitsatz
1. Der für einen Anspruch auf Unterlassung unerbetener Werbe-E-Mails
anzusetzende Gegenstandswert für die Hauptsache ist im Einklang mit der
ständigen Rechtsprechung des Senats mit 3.000,00 EUR anzunehmen, wenn der
Adressat des E-Mail-Schreibens hierdurch in seiner Privatsphäre betroffen ist
und aufgrund der mit dem Empfang einer unerbetenen Werbe-E-Mail einhergehenden
Belästigung in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen wird (vgl. nur
Senat, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 5 W 209/15, BeckRS 2016, 129689, Beschluss
vom 19. Februar 2021 – 5 W 1146/20, S. 3).
2. Ein Streitwert für die Hauptsache in Höhe von 3.000,00 EUR bildet regelmäßig
auch das Interesse des Empfängers eines E-Mail-Schreibens an der Unterlassung
weiterer Zusendungen von E-Mail-Werbung hinreichend ab, der hierdurch in seiner
gewerblichen Tätigkeit oder Berufsausübung betroffen ist und einen
Unterlassungsanspruch wegen eines Eingriffes in sein Recht am eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb geltend macht. An seiner anderslautenden
Rechtsprechung, nach der die Zusendung einer Werbe-E-Mail im gewerblichen
Bereich auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Gesetzes über den unlauteren
Wettbewerb ohne weiteres den Ansatz eines Wertes von 6.000,00 EUR rechtfertigt,
hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung nicht mehr fest.
Bei Zusendungen mehrerer E-Mail-Schreiben ist der Streitwert angesichts des
hiermit einhergehenden höheren Angriffsfaktors grundsätzlich für jedes weitere
Schreiben um 1/3 zu erhöhen (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 15. Juli 2019 – 5 W
121/19, S. 3). Stehen mehrere E-Mail-Schreiben allerdings in einem engen
sachlichen und zeitlichen Zusammenhang, ist eine Erhöhung um insgesamt 10%
ausreichend, um dem erhöhten Angriffsfaktor der erneuten Belästigung durch eine
weitere Zusendung mit werblichem Inhalt Rechnung zu tragen (vgl. etwa Senat,
Beschluss vom 19. Februar 2021 – 5 W 1146/20, S. 3 f. und Senat, Urteil vom 15.
September 2021 – 5 U 35/20, S. 22).
3. Nimmt der Anspruchsteller neben dem werbenden Unternehmen auch dessen
Geschäftsführer auf Unterlassung in Anspruch, ist ein weiterer Aufschlag auf den
Streitwert in Höhe von – je Geschäftsführer – 1/5 vorzunehmen (vgl. Senat,
Beschluss vom 19. Februar 2021 – 5 W 1146/20, S. 3 und Beschluss vom 24. Juni
2020 – 5 W 1035/20, S. 2; Beschluss vom 15. Juli 2019 – 5 W 121/19, S. 3).
4. Für einen Anspruch auf Unterlassung unerbetener Werbeanrufe ist der
Gegenstandswert für die Hauptsache mit Blick auf den im Vergleich zu einer
E-Mail-Werbung erhöhten Lästigkeits- und damit auch Angriffsfaktor in
gefestigter Rechtsprechung des Senats mit 4.000,00 EUR anzusetzen, wenn der
Angerufene hierdurch in seiner Privatsphäre betroffen ist und aufgrund der
hiermit einhergehenden Belästigung in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht
eingegriffen wird (Senat, Beschluss vom 19. Februar 2021 – 5 W 1144/20, S. 4).
Nichts anderes kann für einen Werbeanruf im gewerblichen oder beruflichen Umfeld
gelten (anders noch Senat, Urteil vom 15. September 2021 – 5 U 35/20, S. 21).
Verfahrensgang ausblendenVerfahrensgang
vorgehend LG Berlin, 16. November 2021, 52 O 222/21, Beschluss
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Wertfestsetzung mit Beschluss
des Landgerichts vom 21. Juli 2021 in Gestalt des Beschlusses vom 16. November
2021 – 52 O 222/21 – unter ihrer Zurückweisung im Übrigen geändert:
Der Verfahrenswert wird für die erste Instanz auf 7.840,00 EUR festgesetzt.
II. Die Beschwerde der Antragsgegner wird zurückgewiesen
III. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden
nicht erstattet.
Gründe
I.
Randnummer1
Der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, hat die Antragsgegner, ein
Energieversorgungsunternehmen und deren Geschäftsführer, auf Unterlassung
unerbetener Telefonwerbung und unerbetener Zusendung von E-Mails mit werblichem
Inhalt in Anspruch genommen, wobei Gegenstand des Unterlassungsantrages zwei
Anrufe unter der privaten Rufnummer des Antragstellers und zwei E-Mail-Schreiben
waren, die an eine der Antragsgegnerin zu 1) benannte und der vom Antragsteller
unterhaltenen Domain […].de zuzuordnende E-Mail-Adresse versandt worden sind,
wobei die E-Mail-Adresse vom Antragsteller mit einem Präfix versehen war, das
dem Datum der Werbeanrufe entsprach. Die an diese Adresse versandten
E-Mail-Schreiben wurden – nach Darstellung des Antragstellers – über eine sog.
Catch-all-Funktion an das Kanzleipostfach des Antragstellers
[…]@rechtsanwalt-[…].de weitergeleitet. Mit Schriftsatz vom 15. Juli 2021 hat
der Antragsteller den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im
Verhältnis zum Antragsgegner zu 3) zurückgenommen.
Randnummer2
Das Landgericht hat den Gebührenstreitwert mit Beschluss vom 21. Juli 2021
zunächst auf 6.400,00 EUR festgesetzt. Hiergegen wenden sich die Parteien
jeweils mit einer Beschwerde, wobei der sich selbst vertretende Antragsteller
eine Heraufsetzung des Gebührenstreitwertes auf 12.133,33 EUR erstrebt und die
Antragsgegner eine Herabsetzung des Gebührenstreitwertes auf weniger als
1.000,00 EUR erreichen möchten.
Randnummer3
Das Landgericht hat der Beschwerde des Antragstellers mit Beschluss vom 18.
November 2021 teilweise abgeholfen und den Streitwert auf 7.466,67 EUR
festgesetzt. Der Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht nicht
abgeholfen; es hat das Verfahren im Umfang der Nichtabhilfe dem Kammergericht
zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Randnummer4
1. Die Beschwerde des sich selbst vertretenden Antragstellers ist gemäß § 32
Abs. 2 RVG in Verbindung mit §§ 68 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG,
diejenige der Antragsgegner gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG
zulässig.
Randnummer5
Über die Beschwerden ist - nach Übertragung der Entscheidung auf den Senat mit
Beschluss vom heutigen Tage - gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 6 Satz 2 GKG
durch den Senat als Kollegium in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung zu
entscheiden.
Randnummer6
2. Die Beschwerde des Antragstellers ist teilweise, diejenige der Antragsgegner
ist nicht begründet.
Randnummer7
a) Gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i. V. mit § 3 ZPO ist der Streitwert in
bürgerlichen vermögensrechtlichen Rechtsstreitigkeiten nach freiem Ermessen im
Wege der Schätzung zu ermitteln. Für die Bemessung ist bei einer auf
Unterlassung gerichteten Klage in erster Linie das wirtschaftliche, eigene
Interesse des Unterlassungsgläubigers an der Anspruchsverwirklichung maßgebend
(Senat, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 5 W 209/15, BeckRS 2016, 129689 Rn. 4; vgl.
auch BGH, Beschluss vom 26. April 1990 – I ZR 58/89, GRUR 1990, 1052, 1053 –
Streitwertbemessung). Dieses Interesse ist nach der Gefährlichkeit (dem
“Angriffsfaktor“) der zu unterbindenden Handlung anhand des drohenden Schadens
zu bestimmen. Es hängt unter anderem von den Auswirkungen zukünftiger
Verletzungshandlungen (Ausmaß, Intensität und Häufigkeit, indiziert durch die
bereits begangene Verletzungshandlung) sowie der Intensität der
Wiederholungsgefahr (Verschuldensgrad, nachheriges Verhalten,
Unterlassungspflichten gegenüber Dritten) ab.
Randnummer8
Vorstehende Grundsätze sind nicht nur dann anzuwenden, wenn die Parteien in
einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen (und deshalb die E-Mail-Werbung
insgesamt unterbunden werden soll), sondern auch, wenn allein privatrechtliche
Unterlassungsansprüche, die allein die an einen bestimmten Adressaten gerichtete
Werbung zum Gegenstand haben, in Betracht kommen.
Randnummer9
Ein gewichtiges Indiz für die Schätzung des Interesses nach vorstehenden
Grundsätzen bildet nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Angabe des
Streitwertes in der Antragsschrift; denn diese Angabe erfolgt grundsätzlich noch
unbeeinflusst vom Ausgang des Verfahrens. Sie kann daher der Streitwertangabe
regelmäßig zugrunde gelegt werden, es sei denn, dass sich aus den Umständen die
Fehlerhaftigkeit der Angabe ergibt. Die Streitwertangabe enthebt das Gericht
daher nicht der Notwendigkeit, diese anhand der Aktenlage und sonstiger
Gegebenheiten unter Berücksichtigung seiner Erfahrung und in vergleichbaren
Fällen erfolgter Wertfestsetzungen selbständig nachzuprüfen (vgl. bereits Senat,
Beschluss vom 21. Oktober 1997 – 5 W 5834/97, Rn. 6, juris).
Randnummer10
Vorstehende Grundsätze gelten entsprechend für das Verfahren auf den Erlass
einer einstweiligen Verfügung, wobei nach der ständigen Rechtsprechung des
Senats der Verfahrenswert regelmäßig mit zwei Dritteln eines entsprechenden
Hauptsacheverfahrenswertes bemessen werden kann (seit Senat, Beschluss vom 26.
November 2004 – 5 W 146/04, Rn. 20, juris).
Randnummer11
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist der vom Landgericht zuletzt angesetzte
Gebührenstreitwert geringfügig nach oben zu korrigieren.
Randnummer12
aa) Der Gebührenstreitwert für den mit dem Antrag zu 1. b) geltend gemachten
Anspruch auf Unterlassung der Zusendung von E-Mail-Werbung ist bei zutreffender
Berechnung für die Hauptsache mit 5.600,00 EUR zu bemessen.
Randnummer13
(1) Das Landgericht hat der Berechnung des Gebührenstreitwerts in Bezug auf den
auf Unterlassung der Zusendung einer unerbetenen Werbe-E-Mail gerichteten
Anspruch im Ausgangspunkt zutreffend einen Wert von 3.000,00 EUR zugrunde
gelegt.
Randnummer14
(a) Der Senat nimmt den für einen Anspruch auf Unterlassung unerbetener
Werbe-E-Mails anzusetzenden Gegenstandswert für die Hauptsache in ständiger
Rechtsprechung mit 3.000,00 EUR an, wenn der Adressat des E-Mail-Schreibens
hierdurch in seiner Privatsphäre betroffen ist und aufgrund der mit dem Empfang
einer unerbetenen Werbe-E-Mail einhergehenden Belästigung in sein Allgemeines
Persönlichkeitsrecht eingegriffen wird (Senat, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 5 W
209/15, BeckRS 2016, 129689, Beschluss vom 19. Februar 2021 – 5 W 1146/20, S.
3). Hieran hält der Senat auch in Ansehung der von den Antragsgegnern
angeführten Gegenargumente fest. Der Ansatz eines Wertes in Höhe von 3.000,00
EUR trägt Art und Umfang der mit dem Erhalt unerbetener E-Mail-Werbung
einhergehenden Beeinträchtigungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des
Empfängers in der Regel angemessen Rechnung.
Randnummer15
(aa) Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Mai 2016 – 5 W 209/15, BeckRS 2016,
129689, im Einzelnen dargelegt, von welchen Erwägungen er sich bei der Bemessung
eines Verfahrenswertes für den Anspruch auf Unterlassung unerbetener
Werbe-E-Mails leiten lässt. Diese Erwägungen beanspruchen weiterhin Geltung.
Randnummer16
(bb) Der ungestörten Nutzung der eigenen E-Mail-Adresse/des eigenen
E-Mail-Kontos kommt mit Rücksicht darauf, dass der Versand von Nachrichten über
diesen Weg nicht nur für private Korrespondenz, sondern auch im Rahmen von
Geschäftsabschlüssen oder längerfristigen Vertragsbeziehungen zunehmend an die
Stelle herkömmlicher Kommunikationswege getreten ist, eine mehr als nur
untergeordnete Bedeutung für den Einzelnen zu. Angesichts der zunehmend über die
eigene E-Mail-Adresse abgewickelten Korrespondenz sieht sich der Empfänger einer
unverlangt übermittelten Werbe-E-Mail auch im privaten Bereich mit der
Notwendigkeit konfrontiert, seine Posteingänge sorgfältig zu sichten und dafür
Sorge zu tragen, dass nur solche Nachrichten als Spam herausgefiltert und/oder
nach ihrem Eingang gelöscht werden, deren Charakter werblicher Natur ist und
nicht auch solche, die Mitteilungen enthalten, die bspw. in rechtlicher oder
wirtschaftlicher Hinsicht von Bedeutung oder sonst für den Empfänger von
Interesse sind. Jede unverlangte Zusendung werblichen Charakters fordert ihren
Empfänger daher dazu heraus, sich gedanklich mit dieser zu befassen und eine
Entscheidung darüber zu treffen, ob sie lesenswert ist oder gar eine Reaktion
erforderlich macht, etwa, weil er weiteren unerwünschten Werbe-E-Mails eines
Absenders faktisch nur dadurch wirksam begegnen kann, dass er einer werbenden
Ansprache ausdrücklich widerspricht. Dies bindet Zeit und bürdet dem Empfänger
unerwünschten Zusatzaufwand bei der Durchsicht und Beantwortung eingehender
E-Mails auf.
Randnummer17
(cc) Bei der Bewertung der Bedeutung, die jede unerbetene E-Mail-Werbung für die
Nutzung der für private Belange unterhaltenen E-Mail-Adresse hat, ist ferner dem
Umstand Rechnung zu tragen, dass es sich bei der Zusendung unverlangter
Werbe-E-Mails um ein Massenphänomen handelt, bei dem jedes einzelne
E-Mail-Schreiben dazu beiträgt, dass der Empfänger die eigene Privatsphäre nicht
ohne sein Zutun von unverlangten Zuschriften freihalten kann (vgl. BGH, Urteil
vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17, BGHZ 219, 233-242, Rn. 25 nach juris; vgl.
ferner Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 05. Januar 2009
– 1 W 57/08, Rn. 12, juris). Die hiermit eingehende Belästigung des Nutzers in
seiner Privatsphäre ist daher nicht zu vernachlässigen, wobei der
Bundesgerichtshof bereits bei einer nur geringfügigen Belästigung des Adressaten
den Ansatz eines Streitwertes in Höhe von 3.000,00 EUR für angemessen erachtet
hat (BGH, Beschluss vom 30. November 2004 – VI ZR 65/04, Rn. 2, juris).
Randnummer18
(b) Ein Streitwert für die Hauptsache in Höhe von 3.000,00 EUR bildet ferner
regelmäßig auch das Interesse des Empfängers eines E-Mail-Schreibens an der
Unterlassung weiterer Zusendungen von E-Mail-Werbung hinreichend ab, der
hierdurch in seiner gewerblichen Tätigkeit oder Berufsausübung betroffen ist und
einen Unterlassungsanspruch wegen eines Eingriffes in sein Recht am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geltend macht. An seiner
anderslautenden Rechtsprechung, nach der die Zusendung einer Werbe-E-Mail im
gewerblichen Bereich auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Gesetzes über den
unlauteren Wettbewerb ohne weiteres den Ansatz eines Wertes von 6.000,00 EUR
rechtfertigt, hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung nicht mehr fest.
Randnummer19
(aa) Der Grad der Beeinträchtigung, der sich ein Empfänger einer unerwünschten
Werbe-E-Mail ausgesetzt sieht, die an eine gewerbliche oder beruflich genutzte
E-Mail-Adresse gerichtet ist, unterscheidet sich im Regelfall nicht wesentlich
von demjenigen des privaten Nutzers. Zwar ist ein ungestörter E-Mail-Verkehr
auch und gerade im gewerblichen oder beruflichen Bereich von besonderer
Bedeutung, in dem es gilt, zügig und ohne Ablenkung durch unerwünschte
Zuschriften mit Geschäftspartnern und Kunden zu korrespondieren. Der Aufwand,
den ein Empfänger unerwünschter Werbe-E-Mails im beruflichen Umfeld auf sich
nehmen muss, um solche Zuschriften aus den übrigen Posteingängen herauszufiltern
und um sicherzustellen, dass durch den Einsatz eines Filters abgefangene
Nachrichten tatsächlich unbeachtet bleiben können, geht jedoch letztlich nicht
über denjenigen der Privatperson hinaus. Dies gilt auch dann, wenn man in
Rechnung stellt, dass die Anzahl der im gewerblich oder beruflichen Umfeld
empfangenen E-Mails regelmäßig insgesamt höher sein wird als im privaten
Bereich, und den Gewerbetreibenden daher möglicherweise auch häufiger
Werbezuschriften erreichen werden. Denn eine Gewerbetreibender verfügt
typischerweise auch über eine bessere IT-Infrastruktur und über professionelle
Software, durch deren Einsatz sich eingehende Werbezuschriften dergestalt
herausfiltern lassen, dass sich der mit der Befassung mit solchen Nachrichten
einhergehende Aufwand auf das absolut notwendige Minimum reduzieren lässt.
Randnummer20
(bb) Hinzu kommt, dass der gewerblich oder beruflich von einer E-Mail-Zuschrift
Betroffene ohnehin geeignete Vorkehrungen treffen wird, um sicherzustellen, dass
werbliche Zuschriften von der Geschäftskorrespondenz geschieden werden und die
Art und Weise der Befassung mit Werbe-E-Mails in Bezug auf Zeitaufwand und
Reaktion ihrem Charakter als Werbezuschrift Rechnung trägt. Schließlich ist die
Arbeitswelt in vielen Bereichen zunehmend durch ein Verschwimmen der Grenzen
zwischen beruflichen und privaten Tätigkeiten geprägt, so dass die von
unerwünschten Werbe-E-Mails ausgehende Beeinträchtigung der ungestörten Nutzung
dieses Kommunikationsweges beide Lebensbereich gleichermaßen betrifft.
Randnummer21
Dies führt nach Auffassung des Senats in der Gesamtschau dazu, dass dem Umstand,
dass der Gewerbetreibende oder beruflich selbständige „geldwerte“ Zeit einsetzen
muss, um sich mit unerbetenen Werbezuschriften zu befassen, kein so großes
Gewicht zukommt, dass eine unterschiedliche Bewertung des mit einer
unerwünschten E-Mail-Werbung einhergehenden Eingriffs in die jeweils geschützte
Rechtsposition (weiterhin) gerechtfertigt ist.
Randnummer22
(c) Gemessen an diesen Maßstäben ist der Wert der Hauptsache für die erste
unerbetene Werbe-E-Mail auch im Streitfall mit 3.000,00 EUR anzusetzen, ohne
dass es darauf ankommt, ob der Antragsgegner deshalb von den an ihn gerichteten
Werbe-E-Mails nicht „nur“ in seinem privaten, sondern in seinem beruflichen
Umfeld betroffen gewesen ist, weil er der für die Antragsgegnerin Werbenden in
einem über seinen privaten Anschluss geführten Telefonat eine E-Mail-Adresse
genannt hat, die nach seiner eigenen Darstellung aus Anlass des Telefonats
eingerichtet und nur aufgrund einer von ihm eingerichteten „Catch-all“-Funktion
über das Kanzleipostfach abzurufen gewesen ist.
Randnummer23
(d) Anhaltspunkte die es rechtfertigen, den Wert der Hauptsache für ein
unerbetenes E-Mail-Schreiben mit werblichem Inhalt im hier zu beurteilenden
Einzelfall mit einem geringeren Betrag anzusetzen, haben die Antragsgegner nicht
aufgezeigt. Derartige Anhaltspunkte ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass
die von dem Antragsteller als unverlangte Werbung beanstandeten Inhalte Teil
einer mit dem Antragsteller geführten Korrespondenz über den Abschluss eines
Stromlieferungsvertrages gewesen sind. Vielmehr ändert der Umstand, dass sich
der Empfänger eines solchen Schreibens mit dessen Inhalt schon aufgrund (der
Anbahnung) eines Vertragsverhältnisses zu befassen hat, nichts daran, dass der
Absender die Aufmerksamkeit des Empfängers zusätzlich auf werbliche Inhalte
lenkt, und kommt auch einer solchen werblichen Ansprache regelmäßig nicht nur
Bagatellcharakter zu (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17, Rn. 25,
juris; vgl. ferner Senat, Urteil vom 15. September 2021 – 5 U 35/20, S. 11).
Hinzu kommt, dass die vom Antragsteller als werblicher Inhalt beanstandeten
Passagen der E-Mail-Schreiben ausweislich der Einblendungen in der
Beschlussverfügung des Landgerichts vom 21. Juli 2021 einen nicht unerheblichen
Raum einnehmen und so auffällig gestaltet sind, dass sie ohne weiteres die
Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich ziehen.
Randnummer24
(2) Das weitere E-Mail-Schreiben, das Eingang in den vom Antragsteller
formulierten Unterlassungsantrag gefunden hat, rechtfertigt – gemessen am Wert
der Hauptsache – einen Zuschlag von 1/3.
Randnummer25
(a) Der Senat hält im Ausgangspunkt daran fest, dass der Streitwert bei
Zusendungen mehrerer E-Mail-Schreiben angesichts des hiermit einhergehenden
höheren Angriffsfaktors grundsätzlich für jedes weitere Schreiben um 1/3 zu
erhöhen ist (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 15. Juli 2019 – 5 W 121/19, S. 3).
Stehen mehrere E-Mail-Schreiben allerdings in einem engen sachlichen und
zeitlichen Zusammenhang, ist eine Erhöhung um insgesamt 10% ausreichend, um dem
erhöhten Angriffsfaktor der erneuten Belästigung durch eine weitere Zusendung
mit werblichem Inhalt Rechnung zu tragen (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 19.
Februar 2021 – 5 W 1146/20, S. 3 f.; Senat, Urteil vom 15. September 2021 – 5 U
35/20, S. 22).
Randnummer26
Für eine derartige Verringerung des für weitere E-Mail-Schreiben mit werblichem
Inhalt gerechtfertigten Aufschlages ist allerdings dann kein Raum, wenn sie –
wie hier – noch im Nachgang zu einer an den Absender gerichteten Abmahnung
versandt worden sind. Mit Rücksicht darauf, dass das weitere Schreiben eine
bloße Reaktion auf den vom Antragsteller erklärten Widerruf einer zuvor
gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) abgegebenen Erklärung war, der dem
Antragsteller mit diesem Schreiben bestätigt worden ist, ist dem hierdurch
erhöhten Angriffsfaktor allerdings mit einem Zuschlag von 1/3 auch Genüge getan.
Randnummer27
(b) Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass er tatsächlich insgesamt drei
unerbetene Werbe-E-Mails erhalten habe, führt dies nicht dazu, dass der
Streitwert um einen weiteren Zuschlag zu erhöhen wäre, nachdem er das dritte
Schreiben nicht zum Gegenstand des Unterlassungsantrages gemacht hat, durch den
bei der vom Antragsteller gewählten Formulierung der zur Entscheidung gestellte
und damit für die Wertfestsetzung maßgebliche Streitgegenstand abschließend
umrissen ist.
Randnummer28
(3) Der Senat nimmt ferner in ständiger Rechtsprechung an, dass dann, wenn der
Antragsteller neben dem werbenden Unternehmen auch dessen Geschäftsführer auf
Unterlassung in Anspruch nimmt, ein weiterer Aufschlag auf den Streitwert in
Höhe von – je Geschäftsführer – 1/5 vorzunehmen ist (Senat, Beschluss vom 19.
Februar 2021 – 5 W 1146/20, S. 3; Beschluss vom 24. Juni 2020 – 5 W 1035/20, S.
2; Beschluss vom 15. Juli 2019 – 5 W 121/19, S. 3). Die hieran geübte Kritik der
Antragsgegner ist nicht berechtigt. Vielmehr hat der Geschäftsführer – das
Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen unterstellt – neben der Gesellschaft dafür
einzustehen, dass nicht durch unverlangte Werbung in ein geschütztes Rechtsgut
Dritter eingegriffen wird und ist das durch den Gebührenstreitwert abzubildende
Interesse des Anspruchsgläubigers an der Inanspruchnahme mehrerer
Anspruchsgegner, die jeweils selbständig für einen Eingriff in eine
Rechtsposition des Anspruchstellers haften können, nicht mit dem Interesse an
der Durchsetzung des Unterlassungsbegehrens allein gegenüber der Gesellschaft
gleichzusetzen.
Randnummer29
(4) Gemessen an den vorstehenden Ausführungen errechnet sich der Wert der
Hauptsache für den Unterlassungsantrag zu 1. b) bei Inanspruchnahme zweier
Geschäftsführer neben der Antragsgegnerin zu 1) im Zeitpunkt der Einreichung des
Antrages (§ 40 GKG) wie folgt:
Randnummer30
3.000,00 EUR zzgl. 1/3 [1.000,00 EUR] = 4.000,00 EUR zzgl. 2/5 [1.600,00 EUR] =
5.600,00 EUR
Randnummer31
bb) Der Gebührenstreitwert für den mit dem Antrag zu 1. a) geltend gemachten
Anspruch auf Unterlassung von Werbeanrufen ist bei zutreffender Berechnung
abweichend von der landgerichtlichen Entscheidung für die Hauptsache mit
6.160,00 EUR zu bemessen.
Randnummer32
(1) Der Senat nimmt den für einen Anspruch auf Unterlassung unerbetener
Werbeanrufe anzusetzenden Gegenstandswert für die Hauptsache mit Blick auf den
im Vergleich zu einer E-Mail-Werbung erhöhten Lästigkeits- und damit auch
Angriffsfaktor in gefestigter Rechtsprechung mit 4.000,00 EUR an, wenn der
Angerufene hierdurch in seiner Privatsphäre betroffen ist und aufgrund der
hiermit einhergehenden Belästigung in sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht
eingegriffen wird (Senat, Beschluss vom 19. Februar 2021 – 5 W 1144/20, S. 4).
Nichts anderes kann nach vorstehenden Grundsätzen für einen – hier nicht
gegebenen – Werbeanruf im gewerblichen oder beruflichen Umfeld gelten (anders
noch Senat, Urteil vom 15. September 2021 – 5 U 35/20, S. 21).
Randnummer33
(2) Der weitere Anruf, der in einem inhaltlichen und unmittelbaren zeitlichen
Zusammenhang mit dem ersten Anruf gestanden hat, rechtfertigt nach den
Ausführungen des Senats sub. II. 2. b) aa) (2) – gemessen am Wert der Hauptsache
– einen Zuschlag von 10%.
Randnummer34
(3) Zu dem sich danach errechnenden Betrag ist je neben der Antragsgegnerin zu
1) auf Unterlassung in Anspruch genommenen Geschäftsführer – wie bereits
ausgeführt – ein Zuschlag von 1/5 hinzuzurechnen.
Randnummer35
(4) Danach errechnet sich der Wert der Hauptsache für den Unterlassungsantrag zu
1.a) bei Inanspruchnahme zweier Geschäftsführer neben der Antragsgegnerin zu 1)
wie folgt:
Randnummer36
4.000,00 EUR zzgl. 1/10 [400,00 EUR] = 4.400,00 EUR zzgl. 2/5 [1.760,00 EUR] =
6.160,00 EUR
Randnummer37
cc) Der Wert für das einstweilige Verfügungsverfahren ist nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats mit zwei Dritteln des Wertes der Hauptsache
anzusetzen, so dass sich der Gebührenstreitwert hier auf insgesamt 7.840,00 EUR
[= 5.600,00 EUR zzgl. 6.160,00 EUR mal 2/3] beläuft.
III.
Randnummer38
Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/KORE245072022