Vormundschaftsgericht
Vormundschaftsrichter
Zum 01.09.2009 treten die Regelungen des FGG-Reformgesetzes vom 17.12.2008 in Kraft.
Es werden Familiengerichte und Betreuungsgerichte gebildet. Die Betreuungsgerichte führen die Verfahren der Vormundschaftsgerichte fort, soweit nicht die Familiengerichte ab 01.09.2009 durch das FGG-Reformgesetz vom 17.12.2008 zuständig sind; insoweit gehen die Verfahren auf die Familiengerichte über.
Die Familiengerichte führen die Verfahren der Zivilgerichte fort, soweit sie ab 01.09.2009 durch das FGG-Reformgesetz vom 17.12.2008 zuständig sind; insoweit gehen die Verfahren auf die Familiengerichte über.
Die DDR hat es nur bis 1989 überlebt, der vormundschaftliche Staat BRD wenigstens bis zum 1.7.1998. Vor der Kindschaftsrechtsreform von 1998 war das Vormundschaftsgericht noch für alle Rechtsstreitigkeiten bezüglich nichtverheirateter Kinder zuständig. Bis dahin galten diese Kinder, aber auch ihre Väter und Mütter gegenüber denen mit ehelichen Status, als Menschen zweiter Klasse und lagen im Verdacht die sittlichen Grundlagen der Gesellschaft zu untergraben. Das ist Gott sei Dank vorbei. Fast alle Kindschafts- und Familiensachen werden nun egal ob verheiratet oder nicht beim Familiengericht geführt. Die staatliche Diskriminierung nichteheliche Kinder und ihrer Väter im Sorgerecht ist allerdings noch immer nicht beseitigt.
Ab dem 01.01.2009 wurde das Vormundschaftsgericht aufgelöst. Seine Zuständigkeiten wurden an das Familiengericht und das Betreuungsgericht übergeleitet
Vormundschaftsgericht
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Das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) enthält eine vollständige Neukodifizierung und hat als neues Stammgesetz das bisherige FGG und das Buch 6 der ZPO zum 1. September 2009 abgelöst. Hierin enthalten ist auch eine Neuzuweisung der gerichtlichen Zuständigkeiten. Die Zuständigkeiten für Angelegenheiten Minderjähriger werden beim Familiengericht konzentriert, die Betreuungs- und Unterbringungsangelegenheiten Volljähriger verbleiben beim Vormundschaftsgericht, das dann aber Betreuungsgericht genannt werden wird. [1]
Vor dem 1. September 2009 war das Vormundschaftsgericht gebündelt zuständig für die rechtliche Betreuung von Volljährigen, eine Unterbringung nach dem jeweiligen Landesgesetz über die Unterbringung von psychisch Kranken (PsychKG), für Vormundschaften und Pflegschaften für Minderjährige und für Adoptionsverfahren.
Das Vormundschaftsgericht ist in Deutschland Teil eines Amtsgerichts, es entscheiden Richter (als Einzelrichter) oder Rechtspfleger. Das Rechtspflegergesetz regelt, für welche Angelegenheiten der Richter und für welche der Rechtspfleger zuständig ist. Eine Besonderheit gilt im württembergischen Teil von Baden-Württemberg: die Funktion des Vormundschaftsgerichtes übernimmt der zuständige Notar nach Maßgabe von § 37 des Landesgesetzes Baden-Württemberg über die freiwillige Gerichtsbarkeit.
Literatur [Bearbeiten]
* Coeppicus: Sachfragen des Betreuungs- und Unterbringungsrechts, ISBN 3-170-16333-7
* Fiala/Stenger: Genehmigungen bei Betreuung und Vormundschaft, ISBN 3-898-17279-1
* Labhun: Familiengericht und Vormundschaftsgericht, ISBN 3-887-84919-1
* Probst: Betreuungs- und Unterbringungsverfahren; Berlin 2005, ISBN 3503087451
* Ryba, Franz: Die Obervormundschaft im deutschen Recht; Berlin: Pfau 1940,78 S (Diss.Greifswald)
Einzelnachweise [Bearbeiten]
1. ↑ Tagesschau: Ein Gericht für alle Familienstreitigkeiten
http://de.wikipedia.org/wiki/Vormundschaftsgericht
14.01.2010
Im Wartesaal der Justitia
Deutsche Richter entscheiden schnell. Meistens. In Ausnahmefällen kann es bis zu 28 Jahre dauern, bis ein Urteil fällt. Wie man ewig lange Verfahren verhindern kann, ist umstritten.
Als Herr Niederbörster seine Tochter zeugt, ahnt er nicht, dass dies auch ein Akt der Rechtsgeschichte ist. Herr Niederbörster ist ein alter Mann. Er ist 70, als er Vater wird. Bis das letzte Gericht in dieser Sache geurteilt hat, wird er ein sehr alter Mann sein.
"Vor und nach der Geburt des Kindes kommt es zu Spannungen zwischen den Eltern", notieren die Richter später. Er sei zwanghaft gegenüber seiner Tochter, wirft ihm seine Ex-Freundin vor. 1990, da ist die Kleine fünf Jahre alt, verbietet die Mutter ihm jeglichen Umgang mit dem Kind.
Niederbörster hat die Gesetze gegen sich. Der damalige Paragraf 1711 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sagt: Die Mutter eines nichtehelichen Kindes dürfe dem biologischen Vater den Umgang untersagen, wenn das nicht dem Wohl des Kindes diene. 1992 klagt Niederbörster das erste Mal. Da ist er 77.
Er verliert vor dem Amtsgericht Bonn, er scheitert vor dem Bundesverfassungsgericht. Er geht vor das Landgericht, wieder vor das Amtsgericht, zieht erneut vor das Bundesverfassungsgericht; dieses Mal will er den verhassten Paragrafen 1711 zu Fall zu bringen. 1995 ersucht er die Richter, seine Beschwerde vorrangig zu bearbeiten; er sei ein 80-jähriger, herzkranker Mann.
Recht auf ein "faires" Verfahren
Die Richter antworten, dass sie sein Verfahren zurückstellen. Es gebe weitere Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit von Paragraf 1711. Deren Ausgang müsse abgewartet werden.
1998 gewinnt Niederbörster. Aber nicht, weil ein Gericht entscheidet. Sondern weil Paragraf 1711 nicht mehr existiert. Der Bundestag schafft die Norm ab. Ein Jahr später darf Niederbörster seine Tochter wiedersehen. Sie ist 14.
Niederbörster könnte es dabei bewenden lassen. Doch er klagt noch ein letztes Mal. Unter dem Rubrum "Niederbörster gegen Deutschland" geht es nicht mehr sein Umgangsrecht, nicht mehr um Paragraf 1711. Es geht darum, ob es hinnehmbar ist, wenn Bürger den Streit um eine Baugenehmigung, um ihr Sorgerecht oder um Schadensersatz zu ihrer Lebensaufgabe machen müssen, die ihnen 28, 17 oder auch nur acht Jahre raubt. Niederbörster zieht vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).
Dort kennt man die Bundesrepublik gut. Seit 1998 ist sie von den Straßburger Richtern in über 20 Fällen wegen überlanger Verfahrendauern verurteilt worden. Denn Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert das Recht auf ein faires Verfahren. Und "fair" bedeutet zumindest auch: einigermaßen hurtig.
Dabei bescheinigt die Statistik den deutschen Gerichten durchaus Entschlussfreudigkeit. Viereinhalb Monate dauert es im Schnitt, bis ein Amtsrichter in der Eingangsinstanz Recht schafft. Die anderen Gerichtszweige bemühen sich redlich. Etwas über ein Jahr dauert es sowohl bei den Verwaltungs- als auch Sozialgerichten.
Das Problem lauert zwischen den Zahlenkolonnen der Statistik, das weiß auch Jürgen Gehb, der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: "Wir haben teilweise überlange Verfahrensdauern, das ist überhaupt keine Frage." Je nach Bundesland, je nach Richter können sich Unterschiede auftun, die vom Durchschnitt gnädig niedergerechnet werden: Bis zu drei Jahre kann es dauern, bis ein Verwaltungsrichter ein Urteil unterzeichnet. In der zweiten Instanz, vor den Oberverwaltungsgerichten, sind es gar bis zu 50 Monate.
Und selbst die Zivilgerichte sorgen für Negativausreißer, wie Familie Nold erfahren musste. Das Ehepaar hatte eine Baufirma beauftragt, ein Haus zu errichten. Bald stellten sich Mängel heraus; die Nolds wollten nicht zahlen, der Bauunternehmer klagte. Die erste mündliche Anhörung vor Gericht fand erst zwei Jahre später statt. Sechsmal wechselten die Richter, Akten wurden versandt, ohne vorher Kopien anzufertigen, der Gutachter starb. Acht Jahre nach Prozessauftakt wurde die Klage zurückgezogen. Vom Insolvenzverwalter; die Baufirma war pleite.
Baustreitigkeiten sind die Verzögerungsklassiker
Fast jeder Anwalt kennt solche Fälle. Gerade Baustreitigkeiten sind die Verzögerungsklassiker. Deswegen frohlockte der Deutsche Anwaltverein (DAV), als das Bundesjustizministerium vor über zwei Jahren den Entwurf eines "Untätigkeitsbeschwerdengesetzes" vorstellte. Mit einer neuen "Tu-was-Beschwerde" zur nächsthöheren Instanz sollen Prozessparteien langsamen Gerichten Feuer unterm Richterstuhl machen können. Man begrüße das Ziel des Entwurfs "uneingeschränkt", schrieb der DAV in einer Stellungnahme. Denn natürlich werden mit jedem neuen Rechtsbehelf auch neue Honorare fällig.
Während sich die Anwälte freuten, tobten die Richter. "Ich bin ein erbitterter Gegner dieses Gesetzes", sagt Jürgen Gehb, der selber zwölf Jahre Richter war. "Damit wird ja wieder ein neues Verfahren in Gang gesetzt. Dann gibt es wieder eine neue Akte, wieder einen neuen Stempel." Beschleunigung geht anders. Und Christoph Frank, Vorsitzender des Deutschen Richterbunds, sekundiert: "Man würde damit nur falsche Erwartungen schaffen." Und wer klopft den Verfassungsrichtern auf die Finger, wenn sie zu lange brauchen? Der liebe Gott?
Nun hat das Bundesjustizministerium den Entwurf zurückgezogen. Zu heftig war die Kritik. Man wolle noch mal alle Möglichkeiten ausloten, sagt ein Sprecher. Man kann es auch eine gewisse Ratlosigkeit nennen. Denn die Alternativen kommen einem vor wie alte Bekannte: Christoph Frank fordert die Einstellung von neuen Richtern. Man diskutiert die Einführung einer Entschädigungslösung. Doch was hat ein Herr Niederbörster davon, wenn er nach einem überlangen Prozess ein paar Tausend Euro bekommt?
Immerhin ist sein Fall heute nicht mehr aus der Rechtsprechung des EGMR wegzudenken. Niederbörster bekam wegen der Verzögerung recht. Da war er 88.
© Financial Times Deutschland
http://www.wissen.de/wde/generator/wissen/services/nachrichten/ftd/PW/329518.html
1. März 2008, 13:41 Uhr
Kommentar Väternotruf:
Was müssen das für üble Richter am Amtsgericht Bonn, am Bundesverfassungsgericht und am zuständigen Landgericht gewesen sein, die einem über siebzig Jahre alten Mann und Vater das Recht verweigerten, Kontakt mit seinem Kind haben zu können.
Von Schadensersatz wie es jedem für das nationalsozialistische Deutschland verpflichteten Zwangsarbeiter inzwischen zugestanden wird, sind die Väter nichtehelicher Kinder wohl noch ein gutes Stück entfernt. Vorher müssen wohl all die alten Richter die sich hier in der Vergangenheit die Hände schmutzig gemacht haben, in den unverdienten Ruhenstand gegangen sein, ehe die Bundesregierung ihrer Verantwortung nachkommen dürfte, das Unrecht der Vergangenheit anzuerkennen.
Schadensersatz für einen deutschen Vater
Pressemitteilung des EGMR
Urteil in der Sache ELSHOLZ gegen DEUTSCHLAND
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am heutigen Tage schriftlich das Urteil in Sachen Elsholz gegen Deutschland verkündet. Der Gerichtshof stimmte mit 13 zu 4 Stimmen dafür, dass eine Verletzung von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (hinsichtlich des Rechtes auf ein Familienleben) vorgelegen haben, einstimmig, dass keine Verletzung von Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 der Konvention (Schutz vor Diskriminierung hinsichtlich der Achtung des Familienlebens) vorgelegen habe, und mit 13 zu 4 Stimmen dafür, dass eine Verletzung von Artikel 6 § 1 (Recht auf ein faires Verfahren) der Konvention vorgelegen habe. Gemäß Artikel 41 (gerechte Entschädigung) der Konvention sprach der Gerichtshof dem Beschwerdeführer DM 35.000,- (gefordert: DM 90.000,-- ) Schmerzensgeld und DM 12.584,26 Schadenersatz (wie gefordert) zu.
1. Grundsätzliche Umstände
Der Beschwerdeführer, Egbert Elsholz, deutscher Staatsbürger, geboren 1947, lebt in Hamburg. Er ist der Vater des Kindes C., am 13.12.1986 außerhalb einer Ehe geboren.
Der Beschwerdeführer hatte seit November 1985 mit der Mutter und ihrem älteren Sohn zusammengelebt. Im Juni 1988 zog die Mutter mit beiden Kindern aus der Wohnung aus. Der Beschwerdeführer hatte bis Juni 1991 weiterhin häufig Umgang mit seinem Sohn. Verschiedentlich verbrachte er auch seine Urlaub mit der Mutter und beiden Kindern. Danach allerdings kam der Umgang zum erliegen. Auf Befragen einer Mitarbeiterin des Jugendamtes Erkrath gab das Kind C. (5 Jahre alt) im Dezember 1991 in der Wohnung seiner Mutter vor, keinen weiteren Umgang mehr mit seinem Vater haben zu wollen.
Im Dezember 1992 wies das Amtsgericht Mettmann den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung eines Umgangsrechtes und eine gerichtliche Umgangsregelung zurück. Das Amtsgericht führte aus, dass der Umgang mit dem Vater dem Wohle des Kindes nicht diene.
Im Dezember 1993 wies das Amtsgericht Mettmann den neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung eines Umgangsrechtes zurück. Das Gericht bezog sich auf eine frühere Entscheidung aus Dezember 1992 und führte an, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Umgangsrechtes des Vaters mit seinem nicht ehelichen Kind gemäß § 1711 (2) des BGB nicht erfüllt seien. Es stellte weiterhin fest, dass das Verhältnis von Beschwerdeführer und Kindesmutter so gespannt sei, dass die Durchsetzung eines Umgangsrechtes nicht in Frage komme. Sollte das Kind gegen den Willen der Mutter Umgang mit dem Vater haben, würde es in einen Loyalitätskonflikt geraten, den es nicht bewältigen könne und der somit sein Wohl gefährden würde. Das Gericht setzte noch hinzu, dass es unwichtig sei, welches Elternteil für die Spannungen verantwortlich sei. Nach zwei längeren Gesprächen mit dem Kind, gelangte das Amtsgericht zur Überzeugung, dass bei Aufrechterhaltung von Kontakten mit dem Vater gegen den Willen der Mutter die Entwicklung des Kindes gefährdet sei. Außerdem führte das Amtsgericht aus, dass gemäß den Erfordernissen von § 1711 BGB alle Umstände des Falles deutlich und ausführlich erörtert worden seien. Aus dem Grunde hielt es die Einholung eines Gutachtens für überflüssig.
Am 21. Januar 1994 wies das Landgericht Wuppertal die Beschwerde des Beschwerdeführers ohne Anhörung zurück. Das Landgericht war wie der angefochtene Beschluss der Ansicht, dass die Spannungen zwischen den Eltern negative Auswirkungen auf das Kind hätten, wie sich das aus den Anhörungen des Kindes vom November 1992 (6 Jahre) und Dezember 1993 (7 Jahre) ergeben habe, und dass Kontakte mit dem Vater daher dem Kindeswohl nicht dienlich seien, und dass um so weniger, da diese Kontakte bereits seit zweieinhalb Jahren abgebrochen seien. Wer für diesen Kontaktabbruch verantwortlich sei, sei unwichtig. Was ausschlaggebend sei, sei der Umstand, dass in der gegenwärtigen Situation der Umgang mit dem Vater negative Auswirkungen auf das Kind habe. Diese Schlussfolgerung war nach Ansicht des Landgerichtes so überzeugend, dass es keine Notwendigkeit für die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens sah. Abschließend bemerkte das Landgericht, dass es nicht erforderlich gewesen sei, Eltern und Kind anzuhören, das es keinen Hinweis darauf gebe, dass eine derartige Anhörung ein positiveres Ergebnis für den Beschwerdeführer haben würde.
Im April 1994 erteilte eine aus drei Richtern bestehende Kammer des Bundesverfassungsgerichtes dem Beschwerdeführer hinsichtlich seiner eingereichten Verfassungsbeschwerde einen Nichtannahmebescheid.
2. Verfahren und Zusammensetzung des Gerichtshofes
Die Beschwerde wurde am 31. Oktober 1994 bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte eingereicht. Nach teilweiser Zulässigerklärung brachte die Kommission am 1. März 1999 einen Bericht heraus, in dem sie erklärte, dass es eine Verletzung von Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 (15 zu 12 Stimmen) ergeben habe, dass die Verletzung von Artikel 8 für sich genommen keinen separaten Fall darstelle ( 15 zu 12 Stimmen), und dass Artikel 6 (1) verletzt sei (17 zu 10 Stimmen). Sie verwies den Fall am 7. Juni 1999 an den EGMR. Der Beschwerdeführer hatte den Fall bereits am 25. Mai 1999 beim EGMR anhängig gemacht. Das Urteil wurde von einer aus 17 Richtern bestehenden Großen Kammer gefällt.
3. Urteilstenor
Der Beschwerdeführer beschwerte sich darüber, dass die Entscheidungen deutscher Gerichte, das zu seinem nicht ehelichen Sohne beantragte Umgangsrecht nicht einzuräumen, eine Verletzung von Artikel 8 EMRK darstellten, dass er unter Verletzung von Artikel 14 EMRK in Verbindung mit Artikel 8 EMRK diskriminiert wurde und dass gegen sein gemäß Artikel 6 (1) EMRK garantiertes Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren verstoßen worden sei.
Artikel 41
Der Gerichtshof konnte nicht feststellen, dass die entsprechenden Entscheidungen ohne Verletzung der Konvention anders ausgefallen wären. Nach Meinung des Gerichtshofes war jedoch nicht auszuschließen, dass bei zusätzlicher Beteiligung des Beschwerdeführers am Entscheidungsprozess seinen Wünschen mehr Genüge getan worden wäre und dass dieses seine künftigen Beziehungen mit seinem Sohne verändert hätten. Zusätzlich habe der Beschwerdeführer gewiss auch immateriellen Schaden durch Ängste und Sorgen erlitten. Somit schloss der Gerichtshof, dass der Antragsteller einen bestimmten immateriellen Schaden erlitten habe, der mit Feststellung einer Konventionsverletzung nicht hinreichend ausgeglichen sei, und erkannte ihm ein Schmerzensgeld von DM 35.000,-- zu.
Zudem sprach der Gerichtshof dem Beschwerdeführer die Summe von 12.584,26 DM an Kosten und Auslagen zu.
Richter Baka äußerte eine teilweise abweichende Meinung, die dem Urteil beigegeben ist, dieser abweichenden Meinung schlossen sich die Richterin Palm (Schweden) an, dazu die Richter Hedigan (Irland) und Levits (Lettland).
Deutsche Übersetzung über Dieter Mark, Bremen
VÄTERAUFBRUCH - INFO
für die Mitglieder des Bundesvereins. Nummer 16, Juli 2000
Lothar Kreyssig
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Lothar Kreyssig (* 30. Oktober 1898 in Flöha, Sachsen; † 5. Juli 1986 in Bergisch Gladbach) war Richter und Gründer der Aktion Sühnezeichen und der Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt.
Kreyssig wurde als Sohn eines Kaufmanns und Getreidegroßhändlers geboren. Nach der Grundschule besuchte er ein Gymnasium in Chemnitz. Er legte das Notabitur ab und meldete sich 1916, während des Ersten Weltkrieges freiwillig zum Dienst in der deutschen Armee. Zwei Jahre im Kriegsdienst führten ihn nach Frankreich, ins Baltikum und nach Serbien. Nach Kriegsende studierte er zwischen 1919 und 1922 Rechtswissenschaft in Leipzig. 1923 wurde Kreyssig promoviert und nahm ab 1926 eine Tätigkeit am Landgericht Chemnitz auf. Ab 1928 war er dort als Richter tätig.
Zeit des Nationalsozialismus [Bearbeiten]
Vor der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten hatte Kreyssig die NSDAP gewählt. Nach der „Machtergreifung“ verhielt er sich anfangs systemkonform und trat der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt bei.[1] 1934 wurde er auch Mitglied im Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ) und im Reichsbund der Deutschen Beamten.[1] Mit Verweis auf seine richterliche Unabhängigkeit weigerte er sich jedoch bereits 1933, der NSDAP beizutreten. Kreyssig war evangelischer Christ und trat 1934 der Bekennenden Kirche bei. 1935 wurde er zum Präses der Synode der Bekennenden Kirche in Sachsen gewählt.
Beruflich konnte er weiterhin als Richter arbeiten. 1937 erfolgte seine Versetzung als Vormundschaftsrichter nach Brandenburg an der Havel. In dem in der Nähe gelegenen Ort Hohenferchesar erwarb er einen Gutshof, auf dem er biologisch-dynamische Landwirtschaft betrieb. Gegen Kreyssig bestanden wiederholt folgenlose Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit seinen kirchlichen Aktivitäten.
Als einziger deutscher Richter prangerte er die Euthanasiemorde der Nationalsozialisten an. Als Vormundschaftsrichter hatte er bemerkt, dass sich Nachrichten über den Tod seiner behinderten Mündel häuften. In einem Schreiben vom 8. Juli 1940 meldete er seinen Verdacht, dass die Kranken massenhaft ermordet würden, dem Reichsjustizminister Franz Gürtner, wandte sich aber auch gegen die Entrechtung der Häftlinge in den Konzentrationslagern:[2]
„Recht ist, was dem Volke nützt. Im Namen dieser furchtbaren, von allen Hütern des Rechtes in Deutschland noch immer unwidersprochenen Lehre sind ganze Gebiete des Gemeinschaftslebens vom Rechte ausgenommen, vollkommen z. B. die Konzentrationslager, vollkommen nun auch die Heil- und Pflegeanstalten.“
Daraufhin wurde ihm bedeutet, dass die Euthanasie-Aktion von Hitler selbst veranlasst worden sei und in Verantwortung der Kanzlei des Führers ausgeführt werde. Daraufhin erstattete Kreyssig gegen Reichsleiter Philipp Bouhler Anzeige wegen Mordes. Den Anstalten, in denen Mündel von ihm untergebracht waren, untersagte er, diese ohne seine Zustimmung zu verlegen. Am 13. November 1940 wurde Kreyssig vom Reichsjustizminister vorgeladen. Gürtner legte ihm das Handschreiben Hitlers vor, mit dem dieser die Mordaktion ausgelöst hatte, und das deren alleinige Rechtsgrundlage darstelle. Mit den Worten „Ein Führerwort schafft kein Recht“, machte Kreyssig deutlich, dass er dieses nicht anerkenne. Der Justizminister stellte fest, dass er dann nicht länger Richter sein könne. Im Dezember 1940 wurde Kreyssig zwangsbeurlaubt.[1] Versuche der Gestapo, ihn ins Konzentrationslager zu bringen, scheiterten. Zwei Jahre später, im März 1942, wurde Kreyssig durch Erlass Hitlers in den Ruhestand versetzt.
Kreyssig widmete sich dann verstärkt der ökologischen Landwirtschaft und der Arbeit in der Kirche. Auf seinem Hof versteckte er bis zum Kriegsende zwei jüdische Frauen.
Nach 1945 [Bearbeiten]
Nach dem Ende des Nationalsozialismus erfolgte zwar eine Würdigung als Widerstandskämpfer. Als vermeintlicher Junker verlor er jedoch Teile seines Grundbesitzes.
Wegen der nicht hinreichenden Rechtsstaatlichkeit der in der Sowjetischen Besatzungszone arbeitenden Justiz entschied sich Kreyssig gegen die Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeit. Stattdessen folgte er einem Angebot des Bischofs Otto Dibelius und wurde 1945 Konsistorialpräsident der Kirchenprovinz Sachsen in Magdeburg. 1947 wurde er Präses der Synode der Kirchenprovinz. Dieses Amt hatte er bis 1964 inne. 1952 leitete er kurzzeitig die Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union. Noch im gleichen Jahr wurde er deren Präses. Dieses Amt hatte er bis 1970 inne.
Zwischen 1949 und 1961 war er Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. Von 1949 bis 1958 war er auch Vizepräsident Ost des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Geistlich war er in der Evangelischen Michaelsbruderschaft beheimatet. Kreyssigs Ansichten waren bereits zu seiner Zeit umstritten. So trat er für eine Ökumene der Christen ein, die jedoch auch die jüdische Religion umfassen sollte. Kreyssig wandte sich gegen die deutsche Wiederbewaffnung und lehnte die Deutsche Teilung ab.
Auf Kreyssig gehen viele gesamtdeutsche kirchliche Einrichtungen und Ideen zurück. Er gründete die Evangelische Akademie der Kirchenprovinz Sachsen und regte die Telefonseelsorge an. Die von ihm gegründete Aktionsgemeinschaft für die Hungernden war eine Vorstufe der späteren Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt sowie der Organisation Brot für die Welt.
Sein bedeutendstes Werk war jedoch die Gründung der Aktion Sühnezeichen. 1958 rief Lothar Kreyssig zur Gründung der Aktion Sühnezeichen auf. Junge Deutsche sollten in die ehemaligen Feindländer und nach Israel gehen, um dort um Vergebung und Frieden zu bitten. Durch praktische Arbeit sollten sie ein Zeichen der Versöhnung setzen. Aus der anfangs unmöglich erscheinenden Idee wurde ein Dienst, der bis heute lebendig ist und viele Deutsche geprägt hat. Erste Einsatzgebiete waren Norwegen, die Niederlande, Großbritannien, Frankreich und Griechenland. Mit dem Bau der so genannten Berliner Mauer war Kreyssig von den internationalen Aktivitäten seiner Organisation abgeschnitten. Er gab daher 1962 die Leitung ab und widmete sich dem Aufbau der Aktion Sühnezeichen in der DDR. Einer der ersten Einsätze dieser Initiative war die Enttrümmerung der zerstörten Magdeburger Kirchengebäude Sankt Petri und Wallonerkirche.
Im Jahr 1971 übersiedelte Kreyssig mit seiner Frau nach Westberlin. Seit 1977 lebte er in einem Altersheim in Bergisch Gladbach, wo er 1986 verstarb.
Ehrungen [Bearbeiten]
Die Städte Flöha, Brandenburg, Magdeburg (siehe Magdeburger Straßenliste L), Karlsruhe und Bergisch Gladbach haben je eine Straße nach ihm benannt. In Flöha trägt eine Förderschule, in Lehnin ein Altenhilfezentrum seinen Namen. Der Lothar-Kreyssig-Friedenspreis wird von der gleichnamigen, in Magdeburg ansässigen Stiftung seit 1999 alle zwei Jahre verliehen.
An seinem 100. Geburtstag wurde im Brandenburgischen Oberlandesgericht in Brandenburg an der Havel eine Gedenktafel enthüllt. Vor dem dortigen Gebäude des früheren Amtsgerichts, heute Sitz der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg, Steinstraße 61, erinnern zwei Stelen an Lothar Kreyssig, im Gebäudeinneren eine Tafel mit einem von seinem Biographen Konrad Weiß verfassten Text. Die Enthüllung dieser Gedenktafel erfolgte am 11. Juli 2007 durch seine Söhne Jochen und Uwe Kreyssig. Beide waren auch anwesend, als am 5. Mai 2008 vor dem Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft eine von der Brandenburger Juristischen Gesellschaft gestiftete Gedenkstele erhüllt wurde, die an den 50. Jahrestag des Aufrufs von Lothar Kreyssig zur Gründung der Aktion Sühnezeichen erinnert. Am 22. Oktober 2006 fand im Bundesministerium der Justiz unter der Schirmherrschaft der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries eine Gedenkveranstaltung anlässlich des 20. Todestages von Lothar Kreyssig unter großer Anteilnahme mit der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste statt. Am 5. Juli 2008 wurde in Hohenferchesar, seinem Wohnort von 1937 bis 1972, ein Gedenkstein enthüllt.
Werke [Bearbeiten]
* Gerechtigkeit für David. Gottes Gericht und Gnade über dem Ahnen Jesu Christi. Nach dem 2. Buch Samuelis, 1949
* Aufruf zur Aktion Sühnezeichen 1958
Literatur [Bearbeiten]
* Konrad Weiß , Lothar Kreyssig. Prophet der Versöhnung Bleicher Verlag, Gerlingen 1998, ISBN 3-88350-659-1
* Susanne Willems, Lothar Kreyssig - Vom eigenen verantwortlichen Handeln, Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, Berlin, 1995, ISBN 3-89246-032-9
* Susanne Willems, in: Verfolgung, Alltag, Widerstand - Brandenburg in der NS-Zeit, Verlag Volk & Welt Berlin, 1993, S. 383 - 410, ISBN 3-353-00991-4
* Unrecht beim Namen genannt. Gedenken an Lothar Kreyssig am 30. Oktober 1998, hrsg. vom Brandenburgischen Oberlandesgericht, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 1998, ISBN 3-7890-5878-5
* Martin Kramer, Magdeburger Biographisches Lexikon, Scriptum Verlag Magdeburg, 2002, ISBN 3-933046-49-1
* Karl-Klaus Rabe, Umkehr in die Zukunft - Die Arbeit der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, Lamuv Verlag, Göttingen, 1983, ISBN 3-921521-90-4
* Helmut Kramer, Lothar Kreyssig (1898 bis 1986), Richter und Christ im Widerstand in: Redaktion Kritische Justiz (Hg.): Streitbare Juristen. Baden-Baden: Nomos 1989, S. 342-354, ISBN 3-7890-1580-6
* Wolf Kahl, Lothar Kreyssig - Amtsrichter im Widerstand und Prophet der Versöhnung, Deutsche Richterzeitung 2008, S. 299 - 302
* Anke Silomon, Widerstand von Protestanten im NS und in der DDR, Aus Politik und Zeitgeschichte, 14/2009 30. März 2009, S. 33 - 38
Weblinks [Bearbeiten]
* Literatur von und über Lothar Kreyssig im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek (Datensatz zu Lothar Kreyssig • PICA-Datensatz • Apper-Personensuche)
* Konrad Weiß: Lothar Kreyssig. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 23, Nordhausen 2004, ISBN 3-88309-155-3, Sp. 872–884.
Einzelnachweise [Bearbeiten]
1. ↑ a b c Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 340.
2. ↑ Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Fischer Taschenbuch 2005, S. 340.
http://de.wikipedia.org/wiki/Lothar_Kreyssig
Kommentar Väternotruf:
Wenn Lothar Kreyssig der einzige Vormundschaftsrichter war, der offen gegen die Ermordung behinderter Menschen aufgetreten ist, dann weiß man, wie viele andere Vormundschaftsrichter nichts getan und damit Beihilfe zum Mord geleistet haben. Angeklagt worden ist deswegen sicher kein einziger dieser Richter.