Waffengleichheit


 

 

 

Das Prinzip der „Waffengleichheit“

würde es eigentlich gebieten, bei Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, in denen der Bürger in einen Rechtsstreit mit einer kommunalen oder staatlichen Behörde tritt, keinerlei Kosten tragen zu müssen. Dies liegt einfach daran, dass auch der Behörde keinerlei Kosten entstehen. Die Behörde finanziert sich nämlich aus Mitteln der Steuerzahler/innen, also eben jeder Bürgerinnen und Bürger, die vor Gericht mit eben dieser Behörde streiten.

Wird den Bürgerinnen und Bürger keine Kostenfreiheit vor Gericht eingeräumt, so tritt die paradoxe Situation ein, dass die Bürgerinnen und Bürger über ihre Steuern nicht nur die Behörde bezahlen müssen, gegen deren Anordnungen sie sich zur Wehr setzten müssen, nein sie müssen darüber hinaus auch noch die Kosten der Rechtsverfolgung auf sich nehmen, die sie einzig und allein dann erstatten bekommen, wenn sie im Verfahren siegen. 

Nun ist es aber so, wenn die Bürgerinnen und Bürger keinen Anwalt mit der Vertretung ihrer Interessen vor dem Verwaltungsgericht beauftragen, dann fallen rein rechnerisch keine Kosten an, obwohl die betreffenden Bürgerinnen und Bürger womöglich hundert Arbeitsstunden für die Vertretung ihrer Interessen vor dem Verwaltungsgericht investieren mussten.

Ganz anders in der Behörde. Dort sitzen aus Steuermitteln finanzierte Mitarbeiter, die das Verfahren gegen die vor dem Verwaltungsgericht klagenden Bürgerinnen und Bürger während ihrer von den Steuerzahler/innen bezahlten Arbeitszeit betreiben, so z. B. beim "Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit nicht""Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit nicht", einer Behörde, die sich dem Namen nach dem Datenschutz und der Informationsfreiheit verschrieben hat, aber bei der man gelegentlich den Eindruck bekommen kann, es handle sich um eine eine Zensurbehörde.

Verliert die Behörde den Rechtsstreit gegen die betreffenden Bürgerinnen und Bürger trägt sie keinerlei finanzielles, denn die Kosten des verloren gegangenen Rechtsstreit tragen die Steuerzahler/innen. Der Beamte der Behörde bekommt - so oder so - sein volles Gehalt - armes Deutschland.

Es bleibt also die abschließende Feststellung, im staatsbürokratischen Deutschland ist der Bürger immer der Dumme. Von Waffengleichheit zwischen Bürgerinnen und Bürger und Staatsbürokratie keine Spur. Von einem Rechtsstaat wird man daher nicht sprechen können. Kein wunder, wenn dann die Menschen das Vertrauen in den staatsbürokratischen Parteienstaat Deutschland verlieren.

26.11.2010

 

 

 


 

 

Vor dem Gericht gilt „Waffengleichheit“

Wulf Sonnemann, Direktor des Sozialgerichts Oldenburg: „Das Sozialrecht ist lebendig, nicht statisch.“ FOTO: VON REEKEN

Viele Hartz-IV-Verfahren kommen aus Wilhelmshaven zum Sozialgericht Oldenburg. Soziale Probleme gibt es aber auch in der Fläche. Von Ulrich Müller-Heinck

Oldenburg/Wilhelmshaven - Ursprünglich habe er ja Rechtsanwalt werden wollen, sagt Wulf Sonnemann im Gespräch mit der WZ. Dann aber erhielt er eine Richterstelle. Jetzt ist der 46-jährige Wilhelmshavener zum Direktor des Sozialgerichts Oldenburg ernannt worden und mit seiner Behörde zuständig für rund eine Million Menschen in den Grenzen des alten Oldenburger Landes.

Im Januar findet die offizielle Feierstunde zum Amtswechsel in Anwesenheit von Justizminister Bernd Busemann statt.

Nach dem Abitur 1981 an der Max-Planck-Schule und anschließendem Wehrdienst hatte Sonnemann Rechtswissenschaften in Osnabrück und Bonn studiert. „Gerade etwas nicht Technisches“, betont der Sohn eines Bauingenieurs.

Erst später, als Verwaltungsrichter u.a. zuständig für Baurechtsstreitigkeiten, habe er sich dem Betätigungsfeld seines Vaters – Karl-Georg Sonnemann war langjähriger Bauordnungsamtsleiter in Wilhelmshaven – zufällig wieder angenähert.

Mehr lesen Sie heute in der „Wilhelmshavener Zeitung“

04.12.2008

http://www.wzonline.de/index.php?id=621&tx_ttnews[tt_news]=133414&tx_ttnews[backPid]=624&cHash=d96efff805

 

 

 


 

 

Entscheidungsvorblatt

VfGBbg: 282/03 Beschluss vom: 16.06.2005 S-Nr.: 1650

 

Verfahrensart: Verfassungsbeschwerde

Hauptsache

 

entscheidungserhebliche

Vorschriften: - LV, Art. 52 Abs. 3 Alt. 1

- VerfGGBbg, § 13 Abs. 1; VerfGGBbg, § 32 Abs. 7;

VerfGGBbg, § 45 Abs. 2 Satz 1; VerfGGBbg, § 50 Abs. 3

- BGB, § 823 Abs. 1; BGB, § 1004

- ZPO, § 544; ZPO, § 321a

- GG, Art. 31; GG, Art. 100 Abs. 3

- VwGO, § 155 Abs. 1 Satz 3

 

Schlagworte: - Zivilrecht, materielles

- Zivilprozeßrecht

- Bundesrecht

- Zuständigkeit des Landesverfassungsgerichts

- Rechtsstaatsprinzip

- Beschwerdebefugnis

- Gleichheitsgrundsatz

- Rechtswegerschöpfung

- Bundesverfassungsgericht

- Tenor

- Auslagenerstattung

 

nichtamtlicher Leitsatz: 1. Das Landesverfassungsgericht ist - auch und gerade angesichts des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Oktober 1997 - 2 BvN 1/95 - (BVerfGE 96, 345) - unter Beachtung der dort aufgestellten Voraussetzungen zur Überprüfung der Anwendung materiellen Bundesrechts durch Gerichte des Landes am Maßstab von Landesverfahrensgrundrechten befugt.

2. Das Gebot der Waffengleichheit (Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 Verfassung des Landes Brandenburg i.V.m. dem durch die Landesverfassung verbürgten Rechtsstaatsprinzip) ist nicht nur dann verletzt, wenn einem Beteiligten die Möglichkeit genommen wird, die ihm zustehenden Rechte innerhalb eines Prozesses wahrzunehmen. Auch Entscheidungen in einem Verfahren, die die Rechtsverteidigung in anderen Verfahren verkürzen, können das Gebot der Waffengleichheit verletzen.

3. Die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung rechtfertigt nicht schlechthin, in einen Prozeß eingebrachte persönlichkeitsrechtsrelevante Schriftstücke Dritten gegenüber zugänglich zu machen. Vielmehr sind sowohl das allgemeine Persönlichkeitsrecht des einen Beteiligten als auch der Anspruch auf prozessuale Waffengleichheit in Ausprägung des Anspruchs auf angemessene Vorbereitung und Verteidigung des anderen Beteiligten zu würdigen.

 

Fundstellen: - LKV 2005, 502

- LVerfGE 16, 149

 

Zitiervorschlag: VerfGBbg, Beschluss vom 16.06.2005 - VfGBbg 282/03 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de

 

VERFASSUNGSGERICHT

DES LANDES BRANDENBURG

VfGBbg 282/03

 

 

IM NAMEN DES VOLKES

 

B E S C H L U S S

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

N.,

Beschwerdeführer,

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt B.,

gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 15. September 2003

hat das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

durch die Verfassungsrichter Weisberg-Schwarz, Prof. Dawin, Prof. Dr. Dombert, Prof. Dr. Harms-Ziegler, Havemann, Dr. Jegutidse, Dr. Knippel und Prof. Dr. Will

am 16. Juni 2005

b e s c h l o s s e n :

1. Das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 15. September 2003 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Gleichheit vor Gericht (Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 Verfassung des Landes Brandenburg) i.V.m. dem durch die Landesverfassung verbürgten Rechtsstaatsprinzip und wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Potsdam zurückverwiesen. Im übrigen wird die Verfassungsbeschwerde verworfen.

2. Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer die Hälfte seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.

G r ü n d e :

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen das Berufungsurteil des Landgerichts Potsdam vom 15. September 2003, durch das die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und er verurteilt wurde zu unterlassen, gerichtliche oder außergerichtliche Korrespondenz mit der Klägerin des Ausgangsverfahrens Dritten zur Kenntnis zu bringen.

I.

Der Beschwerdeführer und die Klägerin des Ausgangsverfahrens streiten nach Beendigung ihrer nichtehelichen Lebensgemeinschaft über das Eigentum an dem gemeinsam bewohnten, dem Beschwerdeführer schenkungshalber übertragenen Grundstück. Die Klägerin ist der Auffassung, Schenkungsangebot und Auflassung seien nichtig, da sie zum Zeitpunkt der Beurkundung des Angebotes psychisch schwer erkrankt gewesen sei.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2001 fragte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin des Ausgangsverfahrens unter Übersendung eines Klageentwurfs beim Beschwerdeführer an, ob dieser zu Vergleichsgesprächen bereit sei. Andernfalls werde Klage erhoben. Der Beschwerdeführer teilte mit, daß er zu Vergleichsgesprächen grundsätzlich bereit sei, die Klägerin jedoch von der Erhebung der Klage nicht abhalten wolle. Er übersandte ferner an die Brüder und die Mutter der Klägerin unter Beilegung einer eigenen Stellungnahme den Klageentwurf. Die Mutter der Klägerin des Ausgangsverfahren war im Klageentwurf als Zeugin benannt worden. Mit Schreiben vom 21. November 2001 forderte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin den Beschwerdeführer unter Fristsetzung auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Die Weitergabe des Klageentwurfs an Dritte sei ihm verwehrt, weil dieser zur Frage der Nichtigkeit des Schenkungsvertrags und der Rückauflassung des Grundstücks Ausführungen über die vorübergehende Störung der Geistestätigkeit der Klägerin aufgrund eines schweren depressiven Syndroms enthalte. Nachdem der Beschwerdeführer dem nicht nachkam, erhob die Klägerin des Ausgangsverfahrens Unterlassungsklage, die durch Urteil des Amtsgerichts Nauen vom 11. September 2002 abgewiesen wurde. Auf die hiergegen eingelegte Berufung verurteilte das Landgericht Potsdam den Beschwerdeführer durch Urteil vom 15. September 2003 es zu unterlassen,

„die von der Klägerin oder ihrem Prozeßbevollmächtigten direkt oder über andere überreichte gerichtliche oder außergerichtliche Korrespondenz Dritten, insbesondere ... [den Brüdern und der Mutter der Klägerin] ... sowie dem Arbeitgeber der Klägerin zur Kenntnis zu bringen“.

Das Landgericht hielt einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für gegeben, da die Weitergabe des Klageentwurfs die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze. Die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung stehe dem nicht entgegen. Auch stehe dem Beschwerdeführer kein gegenläufiges schutzwürdiges Interesse an der Weitergabe zu.

II.

Der Beschwerdeführer rügt mit der am 17. November 2003 erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung der Art. 52 Abs. 3, 8 Abs. 1, 12 Abs. 1, 10, 19 Abs. 1 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV). Das Landgericht habe die von ihm vorgetragenen Rechtfertigungsgründe für die Weiterreichung des Klageentwurfs nicht ausreichend berücksichtigt und sei seiner Hinweispflicht (§ 139 Zivilprozeßordnung - ZPO -) nicht nachgekommen. Der Beschwerdeführer sei gehindert, sich gegen ihm drohende Vermögensschäden angemessen zu verteidigen und den Behauptungen der Klägerin des Ausgangsverfahrens „hilflos und rechtlos ausgeliefert“. Insbesondere könne er die gerichtliche und außergerichtliche Korrespondenz mit der Klägerin anderen nicht mehr zum Nachweis des Unwahrheitsgehaltes zur Kenntnis geben. Er sei durch die Unterlassungsanordnung unverhältnismäßig beschwert und werde in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Schließlich müsse er für die Vernichtung der bei ihm verwahrten Korrespondenz Sorge tragen, damit Dritte keine Kenntnis erlangen könnten. Das Urteil schneide ihm jegliche Glaubhaftmachung seiner Lebensgeschichte in dem streitgegenständlichen Bereich ab; selbst hausbezogene Rechnungen könne er Dritten nicht mehr vorlegen, sobald sie Gegenstand außergerichtlicher Korrespondenz gewesen seien.

III.

Der Präsident des Landgerichts Potsdam hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Verfahrensakten sind beigezogen worden. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, jedenfalls für unbegründet. Der Rechtsweg sei nicht erschöpft, da dem Beschwerdeführer die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 ZPO offengestanden habe. Das Landgericht habe den Wert der Beschwer mit 5.000,00 € zu gering angesetzt. Eine abschließende Beurteilung dieser Frage obliege allein dem Revisionsgericht. Darüber hinaus mangele es an der Beschwerdebefugnis; jedenfalls sei der Beschwerdeführer nicht in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt. Das Landgericht habe die in Rede stehenden Rechte der Klägerin des Ausgangsverfahrens und des Beschwerdeführers in nicht zu beanstandender Weise gegeneinander abgewogen.

B.

Die Verfassungsbeschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise zulässig.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, soweit sich der Beschwerdeführer der Sache nach auf die Waffengleichheit vor Gericht beruft.

a) Die Beschwerdebefugnis ergibt sich aus einer möglichen Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf Gleichheit vor Gericht (Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV) i.V.m. dem durch die Landesverfassung verbürgten Rechtsstaatsprinzip (vgl. allgemein zu diesem: Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Ziff. 2.2 zu Art. 2). Das Gebot der Waffengleichheit ist nicht nur dann verletzt, wenn einem Beteiligten die Möglichkeit genommen wird, die ihm zustehenden Rechte innerhalb eines Prozesses wahrzunehmen. Auch Entscheidungen in diesem Verfahren, die die Rechtsverteidigung in anderen Verfahren verkürzen, können die Waffengleichheit verletzen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß das angegriffene Unterlassungsurteil möglicher Weise die Waffengleichheit des Beschwerdeführers im Eigentumsrechtsstreit verletzt.

b) Soweit der Beschwerdeführer danach beschwerdebefugt ist, stehen der Verfassungsbeschwerde weder das Gebot der Rechtswegerschöpfung noch der Subsidiaritätsgrundsatz entgegen. Insbesondere oblag es dem Beschwerdeführer nicht, unter Beanstandung des durch das Landgericht festgesetzten Beschwerdewertes die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) zu erheben (vgl. auch: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 21. November 2002 - VfGBbg 99/02 -, NZM 2003, 236). Die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens zitierte Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes (NJW 2001, 2962) betraf einen Fall der Verfahrenstrennung und geht von anderen Voraussetzungen aus.

c) Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht entgegen, daß hier die Verletzung eines Landesverfahrensgrundrechts durch ein Gericht des Landes bei der Anwendung materiellen Bundesrechts gerügt wird. Landesverfassungsgerichte können am Maßstab von Landesverfahrensgrundrechten auch die Anwendung von materiellem Bundesrecht durch Gerichte des Landes überprüfen. Das Bundesverfassungsgericht hat zum Umfang der Prüfungskompetenz eines Landesverfassungsgerichts bei der Anwendung von Bundesrecht festgestellt:

„Die Kompetenz des Landes für seine Landesverfassungsgerichtsbarkeit erlaubt eine Regelung, nach der eine Verletzung mit dem Grundgesetz inhaltsgleicher subjektiver Landesverfassungsrechte durch ein Gericht des Landes bei der Durchführung des bundesrechtlich geregelten Verfahrens mit der Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht gerügt und die angegriffene Gerichtsentscheidung von diesem aufgehoben werden kann“ (BVerfGE 96, 345, Leitsatz 3. a); vgl. ferner BVerfGE 96, 345, 363 ff. [insbes. 371 ff.]).

Diese Grundsätze landesverfassungsgerichtlicher Überprüfung von Gerichtsentscheidungen gelten auch für die Anwendung materiellen Bundesrechts durch ein Gericht des Landes, wenn die gerichtliche Rechtsanwendung möglicherweise gegen ein Landesverfahrensgrundrecht verstößt.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob Landesgrundrechte bei der Anwendung von Bundesrecht überhaupt berücksichtigt werden dürfen, - für die Anwendung von Bundesverfahrensrecht - in der vorzitierten Entscheidung ausdrücklich bejaht. Das erkennende Gericht hält die dafür vom Bundesverfassungsgericht geforderten Voraussetzungen auch dann für einschlägig, wenn bei der Anwendung von materiellem Bundesrecht ein Landesverfahrensgrundrecht, das inhaltsgleich mit einem Verfahrensgrundrecht des Grundgesetzes ist, verletzt wird. Ein struktureller Unterschied zwischen der Kompetenz der Landesverfassungsgerichte zur Überprüfung materiellen Bundesrechts einerseits und Bundesverfahrensrechts andererseits - jeweils anhand von Landesverfahrensgrundrechten - ist aus Art. 31 Grundgesetz (GG) nicht ableitbar (vgl. - mit umfangreichen Nachweisen - auch: v. Coelln, Anwendung von Bundesrecht nach Maßgabe der Landesgrundrechte, S. 326 - 351).

Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen (BVerfGE 96, 345, 371 ff.; vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, st. Rspr. seit Beschluß vom 16. April 1998 - VfGBbg 1/98 -, LVerfGE 8, 82, 84 f.) sind vorliegend gegeben: Ein Bundesgericht war nicht befaßt. Eine Rechtsschutzalternative zur Verfassungsbeschwerde steht vorliegend nicht zur Verfügung. Der Schutzbereich des Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV stimmt in dem hier maßgeblichen Umfang mit dem des Art. 3 Abs. 1 GG überein (vgl. zu diesem als Maßgabe für die Rechtsprechung Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 7. Auflage 2004, Rn. 37 ff. zu Art. 3). Das Gebot der Waffengleichheit vor Gericht ist inhaltsgleicher Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips sowohl der Landesverfassung als auch des Grundgesetzes.

d) Die Zwei-Monatsfrist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde (§ 47 Abs. 1 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg - VerfGGBbg -) ist gewahrt. Das Urteil des Landgerichts ist dem Beschwerdeführer nach dessen unwiderlegten Angaben am 17. September 2003 zugegangen, so daß die Verfassungsbeschwerde am 17. November 2003 fristgerecht bei Gericht eingegangen ist.

2. a) Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung des Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV (Anspruch auf rechtliches Gehör) rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da er den ihm offenstehenden Rechtsweg nicht erschöpft hat (§ 45 Abs. 2 Satz 1 VerfGGBbg). Sofern das Landgericht gegen Hinweispflichten (§ 139 ZPO) verstoßen oder aber sich mit dem Sachvortrag des Beschwerdeführers nur unzureichend auseinandergesetzt haben sollte, stand ihm das Verfahren der Gehörsrüge (§ 321a ZPO) offen, das nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde auch gegen Urteile eines Berufungsgerichts vorrangig zu beschreiten ist (Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschlüsse vom 16. Oktober 2003 - VfGBbg 228/03 -, NJW 2004, 1651, vom 22. Januar 2004 - VfGBbg 285/03 - und vom 21. April 2005 - VfGBbg 16/05 -; vgl. auch Beschluß vom 27. Mai 2004 - VfGBbg 23/04 -, NJW 2004, 3259).

b) Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde ferner, soweit sich der Beschwerdeführer auf eine Verletzung der Art. 8 Abs. 1 (Recht auf Leben), 10 (Freie Entfaltung der Persönlichkeit), 12 Abs. 1 (Gleichheit) und 19 Abs. 1 (Meinungsfreiheit) LV beruft, da eine Verletzung in diesen Rechten offensichtlich ausscheidet (§ 45 Abs. 1 VerfGGBbg).

II.

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, hat sie auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Landgerichts vom 15. September 2003 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Gleichheit vor Gericht (Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV) i.V.m. dem durch die Landesverfassung verbürgten Rechtsstaatsprinzip.

1. Es ist von Verfassungs wegen nicht hinnehmbar, daß der Beschwerdeführer die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens stammende prozessuale und außerprozessuale Korrespondenz ausnahmslos keinem Dritten zur Kenntnis bringen darf. Denn es darf dem Beschwerdeführer - jedenfalls nicht ohne den Vorrang der grundrechtlich geschützten Positionen der Klägerin des Ausgangsverfahrens abwägend festzustellen und erst recht nicht ohne Abwägung überhaupt - nicht untersagt werden, seine berechtigten Interessen angemessen wahrzunehmen.

2. Zwar hat das Landgericht zu Recht darauf verwiesen, daß die Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung ein Zugänglichmachen von Schriftstücken, die in einen Prozeß eingebracht werden, Dritten gegenüber nicht schlechthin rechtfertigt. Dem steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin des Ausgangsverfahrens entgegen (vgl. BVerfGE 65, 1, 41; zum Recht auf Datenschutz [Art. 11 LV]: Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluß vom 25. September 2002 - VfGBbg 79/02 -, LKV 2003, 27). Dieses gilt jedoch nicht schrankenlos. Gegenläufiges Verfassungsgut ist auf Seiten des Beschwerdeführers die prozessuale Waffengleichheit in Ausprägung seines Anspruchs auf angemessene Vorbereitung und Verteidigung in dem Eigentumsrechtsstreit.

Das Bundesverfassungsgericht hat zur Inhaltsbestimmung des Gebots der Waffengleichheit vor Gericht ausgeführt (BVerfGE 52, 131, 156 f.):

„’Waffengleichheit’ als Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes ist im Zivilprozeß zu verstehen als die verfassungsrechtlich gewährleistete Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Parteien vor dem Richter, der - auch im Blick auf die grundrechtlich gesicherte Verfahrensgarantie aus Art. 103 Abs. 1 GG - den Prozeßparteien im Rahmen der Verfahrensordnung gleichermaßen die Möglichkeit einzuräumen hat, alles für die gerichtliche Entscheidung Erhebliche vorzutragen und alle zur Abwehr des gegnerischen Angriffs erforderlichen prozessualen Verteidigungsmittel selbständig geltend zu machen (vgl. BVerfGE 9, 124 [130 f.]; 26, 66 [71]; 35, 348 [355]; 38, 105 [111]). Ihr entspricht die Pflicht des Richters, diese Gleichstellung der Parteien durch eine objektive, faire Verhandlungsführung, durch unvoreingenommene Bereitschaft zur Verwertung und Bewertung des gegenseitigen Vorbringens, durch unparteiische Rechtsanwendung und durch korrekte Erfüllung seiner sonstigen prozessualen Obliegenheiten gegenüber den Prozeßbeteiligten zu wahren (Art. 97, 101 Abs. 1 Satz 2 GG; BVerfGE 21, 139 [145 f.])“.

3. Soweit das Landgericht die umfassende Verpflichtung des Beschwerdeführers zum Unterlassen der Weitergabe der Korrespondenz darauf stützt, daß „auf Beklagtenseite keinerlei schutzwürdiges Interesse an der Weiterleitung des klägerischen Klageentwurfs an Familienangehörige der Klägerin erkennbar“ sei, verkennt das Landgericht die grundrechtliche Position des Beschwerdeführers aus Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV i.V.m. dem durch die Landesverfassung verbürgten Rechtsstaatsprinzip.

a) Es begegnet bereits Bedenken, wenn das Landgericht ausführt, das Anliegen des Beschwerdeführers, die - dem engen Familienkreis zuzurechnenden - Adressaten des Klageentwurfs sollen sich selbst ein Bild von der Situation machen, sei „nicht schutzwürdig“. Auch dem Beschwerdeführer ist ein Personenkreis zuzugestehen, dem er die Korrespondenz der Klägerin des Ausgangsverfahrens zur Kenntnis bringen darf. Dies gehört zum Grundrecht auf Privatheit mindestens ebenso wie die Straffreiheit von Beleidigungen im Familien- und Freundeskreis (vgl. Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, 51. Auflage 2003, Rn. 12 zu § 185; vgl. BVerfGE 90, 255, 260 f.). Schon deshalb ist es von Verfassungs wegen nicht zu rechtfertigen, eine Unterlassungsverpflichtung „umfassend gegenüber Dritten“ anzunehmen. Da das Landgericht die umfassende Unterlassungsverpflichtung nur mit den vorstehend dargelegten Erwägungen begründet, ohne sich mit den sonstigen durch die umfassende Unterlassungsverpflichtung berührten und nunmehr zu Lasten des Beschwerdeführers entschiedenen Lebenssachverhalten auseinanderzusetzen, verkennt es die Reichweite seiner eigenen Entscheidung.

b) Das Urteil verstößt aber vor allem gegen Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV i.V.m. dem durch die Landesverfassung verbürgten Rechtsstaatsprinzip, da das Landgericht nicht erwogen und - in Anwendung des Grundsatzes der Waffengleichheit - gewichtet hat, daß es dem Beschwerdeführer nur mit einem Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung einhergehend möglich ist, mit Sachverständigen, Zeugen, Streitverkündeten oder anderen Prozeßbeteiligten des eigentumsrechtlichen Parallelrechtsstreits Kontakt aufzunehmen und sich so angemessenen zu verteidigen oder mittelbar auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits - ggf. auch schon vor Klageerhebung - hinzuwirken.

Eine Konstellation, in der das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin des Ausgangsverfahrens ohne weitere Abwägung eine „absolute Informationssperre“ rechtfertigen könnte, liegt jedenfalls und offensichtlich nicht vor. Da das Landgericht die schutzwürdigen Belange des Beschwerdeführers gar nicht erwogen hat, hat es in entscheidungserheblicher Weise die Grundrechte des Beschwerdeführers gröblich verkannt.

III.

Gemäß § 50 Abs. 3 VerfGGBbg ist das angegriffene Urteil des Landgerichts Potsdam aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht zurückzuverweisen.

IV.

Das Landesverfassungsgericht war nicht gehalten, das Verfahren auszusetzen und die Sache gemäß Art. 100 Abs. 3 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Das erkennende Gericht weicht bei der Auslegung des Grundgesetzes weder von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch von einer Entscheidung eines Landesverfassungsgerichts ab. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Oktober 1997 (BVerfGE 96, 345) untersagt keine Auslegung des Grundgesetzes, die einem Landesverfassungsgericht erlaubt, die Anwendung materiellen Bundesrechts durch ein Landesgericht anhand von Landesverfahrensgrundrechten zu überprüfen (vgl. Menzel, Landesverfassungsrecht, S. 213, 227). Soweit andere Landesverfassungsgerichte sich für die Überprüfung der Anwendung materiellen Bundesrechts an den grundrechtlichen Normen der Landesverfassungen - entscheidungserheblich - für unzuständig bzw. für nur eingeschränkt zuständig gehalten haben, bildeten insoweit - anders als vorliegend - materielle Grundrechte der Landesverfassungen den Prüfungsmaßstab (s. zum Stand der landesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung etwa: BayVerfGH BayVBl 2002, 696 [zitiert nach juris] und 2003, 205 [zitiert nach juris]; VerfGH Berlin LVerfGE 9, 59; 12, 15; NZM 2003, 593; HessStGH LVerfGE 9, 195; NZM 1999, 1088 [zitiert nach juris]; Beschlüsse vom 11. November 1998 - P.St. 1346 - und vom 3. Mai 1999 - P.St. 1384 -; Rh-PfVerfGH Beschluß vom 15. November 2000 - VGH B 10/00 -; SächsVerfGH LVerfGE 8, 320; 9, 250; SächsVBl 2003, 165; NJW 1999, 51; ThürVerfGH Beschlüsse vom 3. Mai 2001 - VerfGH 6/98 - und vom 15. März 2001 - VerfGH 19/00 -; vgl. auch Übersicht bei Clausen, Landesverfassungsbeschwerde und Bundesstaatsgewalt, S. 28 ff.).

C.

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 32 Abs. 7 VerfGGBbg. Wegen der teilweisen Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde war lediglich eine hälftige Auslagenerstattung anzuordnen. Der Rechtsgedanke des § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung i.V.m. § 13 Abs. 1 VerfGGBbg greift vorliegend nicht Platz.

 

Weisberg-Schwarz Prof. Dawin

 

Prof. Dr. Dombert Prof. Dr. Harms-Ziegler

 

Havemann Dr. Jegutidse

 

Dr. Knippel Prof. Dr. Will

http://www.verfassungsgericht.brandenburg.de/sixcms/detail.php?id=lbm1.c.236737.de&template=bbo_mandant_verfassungsgericht_d

 

 

 

 

 

 


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