Zwillinge


 

 

 

Innsbruck

26.3.2010

Zwillingsmord, der für die Täterin keiner war

Es war ein grausamer Tod: Mit einem Polster wurden die siebenjährigen Zwillinge Celine und Mario im Bett erstickt. Die Mörderin: Eine Tirolerin.

Von Jan Hetfleisch

Innsbruck/Zürich – Was zunächst nach einem Einbruchsmord aussah, entpuppte sich schnell als ein kaltblütiger Mord der Mutter: Er passierte in der Nacht auf den 24. Dezember 2007 in einer 5-Zimmer-Wohnung in der Gemeinde Horgen in der Nähe von Zürich.

Bianca B. weckte gegen zwei Uhr Früh ihren Mann. Doch es war kein sanftes Wecken. Die gebürtige Tirolerin rüttelte Franz B. aus dem Schlaf. Sie stand beunruhigt vor ihm. Franz B. bemerkte, dass etwas nicht stimmte, denn die Schlafzimmertüre, die sonst immer weit offen stand, war geschlossen.

Franz B. stand auf, um nach dem Rechten zu sehen. Doch was er dann erlebte, war der blanke Albtraum.

„Ich habe meine Kinder nicht getötet“

Franz B. und Bianca B. sitzen beide im Gerichtsaal in Zürich. Doch nicht auf der gleichen Seite. Die 36-jährige Tirolerin nimmt auf der Anklagebank Platz. Franz B. befindet sich als Zeuge im Saal. Noch immer kann er die Tat nicht fassen. Noch immer kann er nicht glauben, dass seine langjährige Freundin und Frau seine beiden Kinder umgebracht haben soll. „Sie ist nicht mehr die Bianca, die ich kannte“, sagt der selbständige Baggerfahrer, der Bianca B. immer noch „meine Frau“ nennt, obwohl sie schon geschieden sind.

Die Staatsanwaltschaft warf der Tirolerin zweifachen Mord vor. In der besagten Nacht soll Bianca B. aufgestanden sein. Soll Geschenke für die Kinder unter den Tannenbaum gelegt haben. Dann ging sie in die Zimmer von Celine und Mario. „Dort erstickte die Angeklagte die beiden Kinder nacheinander in nicht mehr genau festzulegender Reihenfolge, indem sie einige Minuten lang mit massiver Gewalt auf den Oberkörper, den Hals und die Atemwege der Kinder drückte, indem sie ein Kissen oder einen anderen weichen Gegenstand wie eine Decke oder ein Tuch auf den Gesichtern der Kinder fixierte, wobei sie gleichzeitig die Kinder festhielt und sie so am Atmen hinderte“ – führte die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift aus.

„Ich habe meine Kinder nicht umgebracht, ich könnte so was nicht. Ich war eine fürsorgliche Mutter“, erklärte die 36-Jährige bei der Einvernahme. Vielmehr glaubte sie, dass ihr Ex-Mann der Täter sei, den sie im Gerichtsaal „Herr B.“ nennt.

Doch Franz B. der zu Beginn der Untersuchungen im Jahr 2007 auch zu den Hauptverdächtigen zählte, konnte nach 16 Einvernahmen, 200 befragten Personen und 16 Stunden psychiatrischer Untersuchung wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Ein Grund für diesen Schritt war auch, dass sich die Tatvorwürfe gegen Bianca B. erhärteten.

Eine lange Nacht

Franz B. ging in der besagten Nacht, nachdem er von seiner Frau geweckt worden war, sofort in das Zimmer von Mario. „Es war furchtbar. Er hatte ein Kissen auf dem Gesicht. Er war eiskalt“, schilderte der Mann im Zeugenstand und führte weiter aus, „In der ganzen Wohnung war es kalt. Ich ging in die Küche, wo das Fenster weit offen stand und schloss dieses.“ Dann ging Franz B. in das Zimmer von Celine. „Sie lag gleich da wie Mario – mit einem Kissen vor dem Gesicht. Auch sie war eiskalt.“ Er ging vollkommen geschockt aus der Wohnung und rief die Polizei. „Es war eine extreme Angst da, die totale Überforderung.“

Als Franz B. zurückging, saß Bianca im Stiegenhaus und weinte. Kurz darauf traf die erste Polizeistreife ein. Er führte einen Beamten in das Zimmer von Mario. „Der Bub lag in einem hellblauen Pyjama auf dem Bett, das Gesicht zur Wand gedreht. Im linken Arm ein Plüschtier“, war in der Niederschrift des Polizisten zu lesen. „Ein Puls war nicht mehr spürbar“. Das gleiche Bild bot sich dem Beamten auch in Celines Zimmer.

Eine Stunde später liefen die Ermittlungen in Richtung Einbruch und Mord an. Fußspuren und Fingerabdrücke wurden gesichert. Doch die Auswertung ergab: keine fremde Person hatte sich in der Wohnung befunden. Auch Einbruchsspuren fehlten. Somit fiel der Verdacht auf die beiden Eltern.

Noch in der Nacht wurde Bianca B. zum ersten Mal befragt. Der Verdacht erhärtete sich gegen die Mutter, denn sie verstrickte sich in den weiteren 18 Einvernahmen immer mehr in Widersprüchen. Während einer Befragung erzählte sie von einem Traum, in dem sie Geschenke unter den Tannenbaum legte und dann in die Kinderzimmer ging. „Ich kann nicht ausschließen, dass ich Kinder getötet habe, ich kann mich nicht erinnern.“

„Instabiler Realitätsbezug“

Diese Aussage passte zu dem psychiatrischen Gutachten. Der Psychiater Frank Urbaniok bezeichnete den Fall der 36-Jährigen als „sehr komplex. Eine Persönlichkeitsstörung, nicht näher bezeichnet“. In dem 250 Seiten langen Gutachten wird diese Störung, die einige zwanghafte Züge, sowie einen instabilen Realitätsbezug beinhaltet, genau beschrieben. Urbaniok kommt zum Schluss: „Ihre Wirklichkeiten sind beliebig austauschbar. Ideen, die andere nicht zulassen, sind für sie umsetzbar“. Dennoch attestierte der Psychiater der 36-Jährigen eine nur leicht verminderte Schuldfähigkeit.

Am Freitagvormittag ging der zweiwöchige Indizienprozess gegen die 36-jährige Tirolerin zu Ende. Das Geschworenengericht sah es als erwiesen, dass Bianca B. ihre beiden Kinder ermordet hat. Der Richter fällte das Urteil: lebenslange Haft mit einer Therapie. Zudem muss sie ihrem Ex-Mann eine Wiedergutmachung von 150.000 Franken (105.042 Euro) sowie einen Schadenersatz von rund 15.000 Franken bezahlen.

http://www.tt.com/csp/cms/sites/tt/Tirol/497639-2/zwillingsmord-der-f%C3%BCr-die-t%C3%A4terin-keiner-war.csp

 

 


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