Sondergericht
Sondergerichte
NS-Sondergerichte
Sondergericht
Sondergerichte waren ein Teil der NS-Justiz und sind durch die massenhafte Verhängung von Todesstrafen bzw. langjährigen Zuchthausstrafen oder Einweisung in Konzentrationslager wegen meist geringfügiger Delikte hervorgetreten. Sie sind von den für Wehrmachtsangehörige bereits 1934 wieder eingerichteten Militärgerichten (Kriegsgerichten), dem gleichfalls 1934 eingerichteten Volksgerichtshof sowie den in der Agonie des Dritten Reiches im Februar 1945 zur Aburteilung des jeweiligen „Täters“ im konkreten Einzelfall angeordneten Standgerichten, die lediglich auf Tod und (theoretisch) auf Freispruch oder Überweisung an ein ordentliches Gericht entscheiden konnten, zu unterscheiden.
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Die Sondergerichte der NS-Zeit [Bearbeiten]
Bereits am 21. März 1933 wurde reichsweit für jeden Oberlandesgerichtsbezirk ein Sondergericht eingerichtet.[1] Die Sondergerichte waren mit zu Anfang beschränkter Zuständigkeit für spezielle Straftatbestände ausgestattet, die die NS-Machthaber zur Durchsetzung ihrer Herrschaft eingeführt hatten, nämlich Straftaten nach der sogenannten Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 und nach der so genannten Heimtückeverordnung vom 21. März 1933. Ihre Zuständigkeit wurde mehrfach erweitert.[2] Seit 1938 waren sie zuständig, sofern die Staatsanwaltschaft der Auffassung war, mit „Rücksicht auf (..) die Verwerflichkeit der Tat oder die in der Öffentlichkeit hervorgerufene Erregung“ sei die sofortige Aburteilung geboten. Damit war auch für diesen Bereich das nationalsozialistische „gesunde Volksempfinden“ zum Maßstab der Rechtspflege geworden. Für schwere politische Straftaten blieben dagegen spezielle Senate der Oberlandesgerichte bzw. des Reichsgerichts und später des Volksgerichtshofs zuständig.
Entrechtung des Beschuldigten [Bearbeiten]
Das Verfahren vor den Sondergerichten stand unter der Maxime äußerster Schnelligkeit. Dem dienten die Abschaffung der in der Strafjustiz aus rechtsstaatlichen Gründen eingeführten Voruntersuchung und des Eröffnungsbeschlusses und die Abkürzung der Ladungsfrist auf 24 Stunden. Später konnte sogar auf der Stelle gegen den Festgenommenen verhandelt werden. Der Vorsitzende des Gerichts konnte selbst gegen den Beschuldigten Haftbefehl erlassen. Später wurde sogar die Beschwerdemöglichkeit gegen diese Entscheidung, die ohnehin nur an das Sondergericht selbst gerichtet werden konnte, also an den Spruchkörper, dem derjenige angehörte, der den Haftbefehl erlassen hatte, abgeschafft. Das Sondergericht hatte freies Ermessen, ob und welche Beweise es zum Nachweis des Tatvorwurfs erheben wollte. Der Verurteilte hatte gegen das Urteil keine Rechtsmittelmöglichkeit. Nur die Staatsanwaltschaft konnte die so genannte Nichtigkeitsbeschwerde einlegen, was jedoch fast immer nur zu Ungunsten des Verurteilten erfolgte.
Aufgabe und Funktion der Sondergerichte [Bearbeiten]
Mit diesen Regelungen verbanden die nationalsozialistischen Machthaber die Erwartung einer gnadenlosen Spruchpraxis. Der Staatssekretär des Reichsjustizministeriums und nachmalige Präsident des Volksgerichtshofs Roland Freisler hat dies 1939 in folgende Worte gekleidet:
„Sie müssen ebenso schnell sein wie die Panzertruppe, sie sind mit großer Kampfkraft ausgestattet. Kein Sondergericht kann sagen, daß der Gesetzgeber ihm nicht genügend Kampfkraft gegeben habe. Sie müssen denselben Drang und dieselbe Fähigkeit haben, den Feind aufzusuchen, zu finden und zu stellen, und sie müssen die gleiche durchschlagende Treff- und Vernichtungsgenauigkeit gegenüber dem erkannten Feind haben.“
Der Reichsjustizminister Franz Gürtner hat im September 1939 in einem an Hitler gerichteten Memorandum geschrieben, praktisch kämen die Sondergerichte Standgerichten gleich. Sie seien nur nicht als solche bezeichnet.
Verschärfungen des materiellen Strafrechts [Bearbeiten]
Mit der Ausdehnung der sachlichen Zuständigkeit der Sondergerichte[3] verbanden die nationalsozialistischen Machthaber erhebliche Strafverschärfungen. Die Anzahl der Delikte, die mit Todesstrafe geahndet werden konnten, stieg bis 1943/1944 auf 46 an. Eine neue zentrale Strafbestimmung war die so genannte Volksschädlingsverordnung.
Verschärfungen der Urteilspraxis [Bearbeiten]
Die ungeheure Verschärfung der Strafen war in erster Linie jedoch nicht Ergebnis der Verschärfung des materiellen Rechts, sondern Folge der gnadenlosen Spruchpraxis der Gerichte.
Eine Rede Hitlers am 26. April 1942 vor dem Reichstag veranlasste die Rechtsprechung zu noch größerer Härte. Hitler warf den Richtern unter Bezugnahme auf ein angebliches Fehlurteil vor, sie würden unnationalsozialistisch urteilen und auf wohlerworbene Rechte pochen, anstatt wie andere Volksgenossen im Interesse des Sieges Entbehrungen auf sich zu nehmen. Missliebigen Richtern drohte er, sie eigenhändig aus dem Amt zu werfen.
Über das besagte „Fehlurteil“ hatte Hitler sich in der Nacht vom 21. auf den 22. März 1942 aus dem Führerhauptquartier beim geschäftsführenden Justizminister Schlegelberger beklagt. Der damalige Staatssekretär Freisler erstattete Hitler am folgenden Tag Bericht. Hitler befahl daraufhin die Beseitigung des Urteils und die Hinrichtung des Täters. Bereits am 24. März legte Oberreichsanwalt Emil Brettle außerordentlichen Einspruch ein. In einem eilends anberaumten Termin vor einem Besonderen Strafsenat des Reichsgerichts, einem „Gerichtshof des Führers“ unter dem Vorsitz des Präsidenten des Reichsgerichts Erwin Bumke wurde das Urteil bereits am 31. März korrigiert und anstatt 5 Jahren Zuchthaus die Todesstrafe verhängt.
Am 13. April 1942 setzte das Reichsgericht seine verschärfte Linie fort. Der 3. Strafsenat des Reichsgerichts unter Bumkes Vorsitz änderte ein Urteil des Sondergericht Bremens, das den Betroffenen wegen Diebstahls eines Mantels zu 5 Jahren Zuchthaus und Sicherungsverwahrung verurteilt hatte, auf Nichtigkeitsbeschwerde der Reichsanwaltschaft ab. Der Senat verhängte, weil der Diebstahl unter den besonderen Umständen eines Fliegerangriffs stattgefunden habe, die Todesstrafe. Die Nichtigkeitsbeschwerde hatte der spätere Generalbundesanwalt Wolfgang Fränkel – damals als wissenschaftliche Hilfskraft zur Reichsanwaltschaft abgeordnet – eingelegt und damit begründet, dass die Volksgemeinschaft Anspruch auf Schutz habe vor einem Gewohnheits- und Gewaltverbrecher wie dem Angeklagten. Das war die erste Entscheidung des Reichsgerichts, in dem es selbst auf die Nichtigkeitsbeschwerde die Todesstrafe verhängte, anstatt dies, wie sonst, durch Zurückverweisung der Sache an das Sondergericht das Urteil von jenem treffen zu lassen.
Der frontale Angriff Hitlers führte zunehmend dazu, dass die Richter bei der Staatsanwaltschaft, den vorgesetzten Stellen, dem Ministerium und den Parteistellen vor dem Urteilsspruch abklärten, welches Urteil gewünscht war.
Zahl der Todesurteile [Bearbeiten]
Die Gesamtzahl der Todesurteile (Sondergerichte, Volksgerichtshof und ordentliche Gerichte, ohne Militärgerichte) beträgt nach einer fundierten Schätzung rund 16.500. Davon haben allein die Sondergerichte wohl 11.000 Todesurteile verhängt. Sichere Angaben lassen sich nicht mehr machen. Die zunehmende Tendenz wird jedoch auch anhand der vom Reichsjustizministerium selbst angegebenen Zahlen deutlich: 1941 1292 Todesurteile, 1942 3660, 1943 5336 (wobei nicht ganz klar ist, ob dies alle genannten Gerichte zusammen betrifft oder nur die Sondergerichte).
Zum Vergleich: Von 1907 bis 1932, also einschließlich des Ersten Weltkrieges, wurden im Deutschen Reich 1547 Personen zum Tode verurteilt. „Nur“ 393 hiervon wurden hingerichtet. Im faschistischen Italien unter Mussolini wurden 156 Todesurteile verhängt und davon 88 vollzogen.
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http://de.wikipedia.org/wiki/Sondergericht
Wilhelm Hirte
Wilhelm Hirte (* 18. Dezember 1905 in Braunschweig; † 12. Februar 1986 ebd.) war ein promovierter Jurist und Richter. Seit dem 1. Mai 1933 war Hirte NSDAP-Mitglied und von 1933–1935 ebenfalls Mitglied der SA.[1] Er war geschäftsführender Staatsanwalt und Ankläger des Sondergerichts Braunschweig.[2] Wegen seiner Teilnahme an der Konferenz des Reichsjustizministeriums zur Vorbereitung juristischer Fragen der Euthanasie wurde im Januar 1967 ein Vorermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet, das am 27. Mai 1970 niedergeschlagen wurde. Hirte war maßgeblich am Todesurteil für die unschuldig angeklagte Arbeiterin Erna Wazinski und der Ablehnung ihres Gnadengesuchs beteiligt.
Leben [Bearbeiten]
Vor 1945 [Bearbeiten]
Hirte legte 1924 das Abitur auf dem Wilhelm-Gymnasium ab und studierte anschließend Jura an den Universitäten Mainz und Leipzig.[3] 1928 wurde er an der Philipps-Universität Marburg zum Thema Tarifvertrag und Lehrvertrag: eine Untersuchung über die Konkurrenz zwischen der Regelungszuständigkeit des Tarifvertrages und der Zuständigkeit der Innungen und Handwerkskammern im geltenden Recht und zu dem Problem der Regelungszuständigkeit de lege ferenda, insbesondere angesichts des Entwurfs eines Berufsausbildungsgesetzes promoviert.
Ab 1933 arbeitete Hirte bei der Staatsanwaltschaft des Oberlandesgerichts Braunschweig (OLG). Im April 1935 wurde er als Amtsgerichtsrat eingestellt und hatte die Aufgabe eines Staatsanwaltes beim OLG wahrzunehmen. 1937 wurde er zum Ersten Staatsanwalt befördert. Ab Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bis 1942 war Hirte (in Vertretung des an die Front eingezogenen Amtsinhabers) amtierender Generalstaatsanwalt.[3] 1942 trat der neue Generalstaatsanwalt Willy Rahmel seinen Dienst an, worauf hin Hirte zum Leiter der Anklagebehörde bei Sondergericht Braunschweig wurde. Diese Position bekleidete er bis Kriegsende.[1]
Unterstützer des NS-Systems [Bearbeiten]
Hirte zeigte in den erhaltenen Lageberichten an den Reichsjustizminister bereits 1940 als rückhaltloser Befürworter des NS-Systems. So schrieb er bezüglich der Verordnung gegen Volksschädlinge und der Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen, sie seien „notwendige Waffen zum Kampf gegen Kriegsparasiten und zum Kampf gegen Angriffe auf die innere Front des deutschen Volkes.“[1] Aufgrund zweier, seiner Meinung nach zu milder Urteile des Sondergerichts Braunschweig gegen Diebe, äußerte Hirte: „Ich möchte nur für die Zukunft die Fällung von Urteilen erleichtern, die auch in der Frage des Strafmaßes dem Willen der Staatsführung und den Erfordernissen der heutigen Zeit entsprechen.“[4] Er war für seine Härte bekannt[5] und ist für mindestens 59 Todesurteile des Sondergerichts Braunschweig mitverantwortlich.[6]
Der Fall Erna Wazinski [Bearbeiten]
Erna Wazinski
Er war als Ankläger des Sondergerichts maßgeblich an der Verurteilung der 19jährigen Erna Wazinski beteiligt, die wegen angeblicher Plünderei nach dem Bombenangriff auf Braunschweig am 15. Oktober 1944 denunziert und zum Tode verurteilt wurde. Er war es, der das Gnadengesuch von Erna Wazinski mit folgender Argumentation ablehnte:
„Die ledige, am 7. 9. 1925 geborene Arbeiterin Erna Wazinski aus Braunschweig ist durch Urteil des Sondergerichts vom 21. Oktober wegen Plünderns – §1 der Volksschädlingsverordnung − zum Tode verurteilt worden.[...] Bedenken gegen das Urteil bestehen nicht.[...] Kennzeichnend für die Verurteilte ist schließlich, daß sie sich auf ihrer letzten Arbeitsstelle an die Fräserin Gerda Körner angeschlossen hat.[...] Diese ist wegen Arbeitsbummelei und Abtreibung vorbestraft und aus anderer Sache wegen ihres Herumtreibens mit Soldaten bekannt. Die Mutter Körner, zu der die Verurteilte nach ihrer Ausbombung gezogen ist, habe bis vor kurzem eine mehrjährige Zuchthausstrafe verbüßt. Die Verurteilte ist also trotz ihrer Jugend keine Persönlichkeit, die Nachsicht verdiente.“[7]
Dieser Fall beschäftigte die Braunschweiger Gerichte jahrzehntelang und es dauerte bis zum März 1991, dass die Unschuld von Erna Wainski gerichtlich anerkannt wurde und dieses Urteil außer Kraft gesetzt wurde.[8]
Nach 1945 [Bearbeiten]
Im Mai 1945 wurde Hirte durch die Britische Militärregierung entlassen und arbeitete von 1947 bis 1952 in einer Anwaltspraxis. Im Mai 1956 kam er als Richter, der das Grundbuch verwaltete, wieder an das Amtsgericht Braunschweig zurück. Im Dezember 1967 wurde er auf eigenen Wunsch in der vorzeitigen Ruhestand versetzt.
Da Hirte im April 1941 an der Konferenz des Reichsjustizministeriums zu juristischen Fragen der Euthanasie teilgenommen hatte, wurde im Januar 1967 eine gerichtliche Untersuchung gegen ihn eingeleitet. Diese wurde am 27. Mai 1970 durch das Landgericht Limburg eingestellt.
Hirte im Urteil von Zeitgenossen [Bearbeiten]
Kurt Staff, der erste Generalstaatsanwalt, der nach Kriegsende sein Amt in Braunschweig antrat, urteilte über Hirte, er habe „entschieden Anteil an der verhängnisvollen Entwicklung der braunschweigischen Rechtspflege“ gehabt.[9] Hubert Schlebusch, ehemaliger Ministerpräsident des Landes Braunschweig äußerte sich in einem Brief vom 11. September 1945: „Hirte war von einem so maßlosen Ehrgeiz getrieben, daß er nicht Gerechtigkeit in den Vordergrund stellte, sondern Bestrafung um jeden Preis. Ihm als Leiter der Anklagebehörde beim Sondergericht überantwortet zu sein, bedeutete für den Nazi-Gegner physische und seelische Vernichtung …“[10]
Literatur [Bearbeiten]
Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Fischer, Frankfurt am Main 2007. ISBN 978-3-596-16048-8.
Helmut Kramer (Hrsg.): Braunschweig unterm Hakenkreuz. Bürgertum, Justiz und Kirche – Eine Vortragsreihe und ihr Echo. Magni-Buchladen, Braunschweig 1981, ISBN 3-922571-03-4.
Helmut Kramer (Hrsg.): „Die Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5.9.1939 war geltendes Gesetz …“, Reader zum Fall Erna Wazinski, ohne Ort und Jahr.
Hans-Ulrich Ludewig, Dietrich Kuessner: „Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945. Braunschweigischer Geschichtsverein, Braunschweig 2000, ISBN 3-928009-17-6, (Quellen und Forschungen zur Braunschweigischen Landesgeschichte 36).
Susanne Benzler (Hrsg.): Justiz im Nationalsozialismus. Über Verbrechen im Namen des Volkes. Katalog zur Ausstellung. Nomos Verlag, Baden-Baden 2002, ISBN 3-7890-8178-7.
Werner Sohn / Arbeitskreis Andere Geschichte e. V. (Hrsg.): Im Spiegel der Nachkriegsprozesse. Die Errichtung der NS-Herrschaft im Freistaat Braunschweig. Appelhans Verlag, Braunschweig 2003, ISBN 3-930292-81-5.
Einzelnachweise [Bearbeiten]
↑ a b c Hans-Ulrich Ludewig, Dietrich Kuessner: „Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945, S. 286
↑ Justiz im Nationalsozialismus. S. 102 (siehe Literatur)
↑ a b Hans-Ulrich Ludewig, Dietrich Kuessner: „Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945, S. 285
↑ zitiert nach: Hans-Ulrich Ludewig, Dietrich Kuessner: „Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945, S. 287, Lagebericht vom 5. April 1940.
↑ Irmtrud Wojak: Fritz Bauer 1903–1968: Eine Biographie, C. H. Beck, München 2009, S. 248, ISBN 3-406-58154-4
↑ Hanno Loewy, Bettina Winter (Hrsg.): NS-‚Euthanasie’ vor Gericht. Fritz Bauer und die Grenzen juristischer Bewältigung, Campus, Frankfurt am Main und New York 1996, FN 88, S. 126, ISBN 3-593-35442-X.
↑ Auszug aus der Stellungnahme von Oberstaatsanwalt Hirte zum Gnadengesuch von Erna Wazinski. In: Justiz im Nationalsozialismus. S. 103
↑ Frankfurter Rundschau v. 22. März 1991: Freispruch – doch Nazi-Urteil ist nicht nichtig. Hingerichtete Frau rehabilitiert / Zeugen erzwangen Wiederaufnahme von Sondergerichtsurteil, abgerufen am 2. November 2009
↑ Hans-Ulrich Ludewig, Dietrich Kuessner: „Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945, S. 287
↑ zitiert nach: Hans-Ulrich Ludewig, Dietrich Kuessner: „Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945, S. 287, Brief an Oberst Alexander.
http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Hirte
Carl Unger (geb. 26.08.1910) - Richter am Amtsgericht Stuttgart / Präsident am Amtsgericht Stuttgart (ab 01.06.1968, ..., 1974) - im Handbuch der Justiz 1958 mit Geburtsdatum aber ohne Dienstantritt als Richter am Landgericht Stuttgart aufgeführt. Im Handbuch der Justiz 1974 mit Geburtsdatum und Dienstantritt ab 01.06.1968 als Präsident am Amtsgericht Stuttgart aufgeführt. Eintrag im Braunbuch: "früher: Staatsanwalt beim Sondergericht II in Leipzig. heute: Amtsgerichtsdirektor beim Amtsgericht in Esslingen" - http://www.braunbuch.de/8-05.shtml
Gedenktafel im Amtsgericht Freiburg
"In diesem Haus befand sich neben dem Amts- und Landgericht von 1940 bis 1945 auch das für ganz Südbaden zuständige Sondergericht Freiburg.
Die Sondergerichte fällten während der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in nur äußerlich gesetzmäßigen Verfahren zahlreiche Unrechtsurteile, darunter allein in Freiburg mindestens 27 Todesurteile. Diese wurden bis zum Eintreffen der französischen Streitkräfte von wenigen Ausnahmen abgesehen auch vollstreckt.
Keiner der Richter des Sondergerichts wurde nach dem Krieg bestraft.
Zum Gedanken an die Opfer dieser Unrechtsjustiz.
Die Richterinnen und Richter des Amts- und Landgerichts Freiburg
Oktober 2004"
Von der Anbringung einer ähnlichen Gedenktafel scheinen die Richterinnen und Richter am Amtsgericht und Landesgericht Flensburg noch meilenweit entfernt zu sein. Statt dessen läuft man in dem dortigen Gerichtsgebäude seit Jahrzehnten an kriegsverherrlichenden Gedenktafeln vorbei, an der offenbar niemand Anstoß nehmen scheint. Ob das Rückschlüsse auf das Denken und die Weltanschauung der dort tätigen Richterinnen und Richter zulässt, muss jeder selbst beurteilen.
Dem aufmerksamen Besucher des Landgerichts Flensburg fallen im Treppenaufgang des Gerichtes, wo ein Hauptstrom der Besucher entlang führt, vier Gedenktafeln auf, an denen Kränze der "Flensburger Justizbehörden" und des "Flensburger Anwaltsvereins" angebracht sind.
Die Inschriften lauten:
Von den Justizangehörigen und Rechtsanwälten des Landgerichtsbezirks Flensburg blieben im Kampf für ihr Volk
1939 - 1945
und
Von den Justizbeamten, Rechtsanwälten aus dem abgetrennten Gebiet blieben auf dem Felde der Ehre
1914 -1918
Darunter jeweils ein stilisierter Stahlhelm und die Namen der im "Kampf für ihr Volk" im Krieg gefallenen.
Man fragt sich, was war das denn für ein Kampf ", den Justizangehörigen und Rechtsanwälten des Landgerichtsbezirks Flensburg" für ihr Volk geführt haben sollen? Nun, es war mit Sicherheit kein Befreiungskampf, sondern ein Angriffs- und Vernichtungskrieg.
Fehlt nur noch eine Gedenktafel für den Oberbefehlshaber der Kriegsmarine Großadmiral Karl Dönitz, der als enger Mitarbeiter Adolf Hitlers von diesem zum Nachfolger als Reichspräsident bestimmt wurde, am 2. Mai 1945 in Schleswig-Holstein eine "Geschäftsführende Reichsregierung" bildete, mit dieser am 23. Mai 1945 verhaftet und 1946 vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.
Pfui Deibel, bei so viel Heldengedenktag in den Flensburger Justizbehörden kann einem nur übel werden.
Die Ausstellung
Die Ausstellung "Justiz im Nationalsozialismus – Verbrechen im Namen Des Deutschen Volkes" hat das Wirken der deutschen Justiz in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft zum Gegenstand. Bei ihrer Betrachtung wird die vielfältige Verstrickung von Justiz und Juristenschaft in das NS-Regime deutlich. Die Standesvertretungen von Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten hatten in öffentlichen Deklarationen die Machtübernahme der Nationalsozialisten begrüßt. Zahlreiche Rechtswissenschaftler propagierten in ihren Schriften das "Rechts"-verständnis der neuen Machthaber. Der bereits 1933 einsetzende Ausschluss zahlreicher Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte aus rassischen oder politischen Gründen wurde von der Mehrheit der Juristen zumindest kritiklos hingenommen. Bereits AB 1933 wurde die so "gesäuberte" Justiz ein wichtiger Machtpfeiler Des neuen Regimes.
Nicht nur der Volksgerichtshof und die Sondergerichte, sondern auch die ordentliche Justiz vom Amtsgericht bis hinauf zum Reichsgericht wirkte vielfach mit an der Ausgrenzung und Verfolgung derer, die wie Juden, Zeugen Jehovas und Oppositionelle aus der sogenannten "Volksgemeinschaft" ausgeschlossen waren. Die Strafgerichte – ohne Miltär- und Standgerichte - verhängten von 1933 bis 1945 ca. 16.500 Todesurteile. Die Mehrzahl dieser Urteile, die zumeist die Sondergerichte und der Volksgerichtshof ausgesprochen hatten, ist auch vollstreckt worden.
Auch die fast vollständig ausgebliebene strafrechtliche Ahndung Des NS-Justizunrechts wird ebenso thematisiert wie die fehlgeschlagene Entnazifizierung der Justiz nach 1945.
Die Ausstellung wurde in ihrer Grundform weitgehend von einer Wanderausstellung der niedersächsischen Justiz übernommen, die ihrerseits auf einer Dauerausstellung in der Gedenkstätte der JVA Wolfenbüttel fußt. In Nordrhein-Westfalen wird die Ausstellung von der Dokumentations- und Forschungsstelle "Justiz und Nationalsozialismus" betreut. Diese stellt die Ausstellung den Gerichten Des Landes kostenlos als Wanderausstellung zur Verfügung. Dabei wird jeweils mit örtlichen Institutionen ein Lokalteil erarbeitet und in die Ausstellung integriert. Die übrige Zeit Des Jahres ist die Ausstellung in der Justizakademie NRW in Recklinghausen zu besichtigen.
Posteingang 17.11.2007
Kommentar Väternotruf:
Diese Ausstellung sollte man mal im Landgericht Flensburg zeigen, wo die Zeit seit 1945 stehen geblieben zu sein scheint. Diesen Eindruck kann man jedenfalls gewinnen, wenn man die Treppe des Hauptgebäudes empor geht und die dort aufgehangene Ehrentafel mit dem Text:
Von den Justizangehörigen und Rechtsanwälten des Landgerichtsbezirks Flensburg blieben im Kampf für ihr Volk
1939 - 1945
sieht. Fehlt nur noch eine Gedenktafel im Landgericht für Karl Dönitz, den deutschen Großadmiral, der von Hitler als Nachfolger bestimmt am 2. Mai 1945 in Schleswig-Holstein eine "Geschäftsführende Reichsregierung" bildet. Die Gedenktafel könnte man gleich gegenüber der ebenfalls im Landgericht Flensburg aufgestellten Bismarck Plastik aufstellen. Dann kann man gleich anschaulich sehen, aus welchen Quellen die nationalsozialistische Bewegung geschöpft hat.
Dr. Paul Thamm (geb. 25.03.1904) - Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Kiel (ab 15.07.1945, ..., 1958) - im Handbuch der Justiz 1958 ab 15.07.1945 als Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Kiel aufgeführt. Über seine Tätigkeit in der Zeit des Nationalsozialismus, Mitgliedschaften in nationalsozialistischen Organisationen, eventuelle Beteiligungen an nationalsozialistischen Unrecht oder eine eventuelle Teilnahme an Justizverbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus liegen uns derzeit folgende Information vor: "In zwei Verfahren (1945 bis 1950 und 1961 bis 1965) wurde gegen mutmaßliche Verantwortliche der Patientenmorde in Schleswig-Holstein ermittelt. Beide Verfahren wurden eingestellt, ohne daß nur einer der Beschuldigten strafrechtlich belangt wurde; beide Verfahren leitete der Oberstaatsanwalt Dr. Paul Thamm, der als Ankläger des schleswig-holsteinischen Sondergerichtes ein exponierter Repräsentant der NS-Unrechtsjustiz gewesen war." - Ausführlich siehe hier. Am Landgericht Flensburg wird ja schon seit Jahren der NS-Täter mit einer Gedenktafel ein ehrendes Gedenken gemacht. Fehlt nur noch eine Gedenktafel für Paul Thamm den Ankläger des schleswig-holsteinischen Sondergerichtes im Landgericht Kiel und späteren Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Kiel, dann noch eine Gedenkbüste für Adolf Hitler im Justizministerium des Landes Schleswig-Holstein und der braune Spuk hat in dem braunen Bundesland im Norden der Republik auf ganzer Linie triumphiert. Pfui Deibel Deutschland.
Josef Augstein (* 25. August 1909 in Bingen; † 23. Oktober 1984 in Hannover) war deutscher Jurist und der ältere Bruder des Spiegel-Herausgebers Rudolf Augstein.
Josef Augstein studierte Rechtswissenschaften in München, Berlin und Göttingen, wo er 1932 promoviert wurde. Bis 1936 war Augstein Amtsrichter, danach Verteidiger vor dem Sondergericht.
Nach Unterbrechung seiner Tätigkeit durch Kriegsteilnahme arbeitete er bis zu seinem Tod als Rechtsanwalt und Notar in Hannover.[1] Dabei profilierte sich Augstein zu einem der bekanntesten Strafverteidiger der Bundesrepublik[2] und vertrat in zahlreichen medienwirksamen Prozessen unter anderem Timm Ulrichs, Hans Habe, Peter Homann, Rolf Hochhuth, Albert Osswald, Hans Filbinger sowie den Chirurgen Axel Dohrn, der 1390 Frauen sterilisiert hatte.[3] Im Rahmen der Spiegelaffäre saß er am 4. Dezember 1962 wegen Verdacht der Beihilfe zum Landesverrat sechs Tage in Untersuchungshaft.[4]
Augstein vertrat auch Hermann Josef Abs in dessen Prozess gegen Eberhard Czichon und seinen Verleger Manfred Pahl-Rugenstein wegen Czichons Arbeiten über die Rolle der Deutschen Bank im Dritten Reich.[5][6]
Augstein ist einer der Gründer des Weissen Rings.[7]
Einzelnachweise [Bearbeiten]
↑ Nachruf, DER SPIEGEL 44/1984, S. 276
↑ Dirk Böttcher, Hannoversches biographisches Lexikon: von den Anfängen bis in die Gegenwart, Schlütersche, 2002, S. 33
↑ Moritz Pfeil, Axel Dohrn und die Folgen, DER SPIEGEL 45/1964
↑ Theo Sommer, „Bald wird etwas passieren!“, DIE ZEIT 43/2002
↑ N.N.: Prozesse: Abs. Noch'n Ruck. In: Der Spiegel. Nr. 43, 1970, S. 128–131.
↑ N.N.: Banken: Abs. Vollkommen rein. In: Der Spiegel. Nr. 44, 1970, S. 119–120.
↑ Weisser Ring: Chronik. Historie des Weissen Rings. Abgerufen am 2. August 2011.
http://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Augstein